Interview

Redaktionsgespräch mit Werner Netzel - "Jede Sparkasse ist frei in der Wahl ihres Geschäftsmodells in der Konsumentenfinanzierung."

Herr Netzel, der Markt für Konsumentenkredite ist hart umkämpft: Wie stellt sich aus Ihrer Sicht die Situation allgemein und die Positionierung der Sparkassen-Finanzgruppe im Besonderen dar?

Das Konsumentenkreditgeschäft ist nicht nur für die Kreditwirtschaft, sondern auch für die gesamte Volkswirtschaft von hoher Bedeutung. Der private Konsum als wichtiger Wachstumsmotor der Gesellschaft wird damit unterstützt.

Für die meisten Kreditinstitute ist das Geschäftsfeld der Konsumentenkredite hoch attraktiv und durch die Kleinteiligkeit und Diversifikation aus Risikosicht weitgehend beherrschbar. Hinzu kommt, dass zahlreiche "neue Wettbewerber" ihre Markteintrittsstrategie auf das Ratenkreditgeschäft und insbesondere am Point of Sale zur Neukundengewinnung stützen. Daraus resultiert auch eine zum Teil irritierende Preiskommunikation.

In der Vergangenheit haben wir als Sparkassen in diesem Geschäftsfeld teilweise zurückhaltend agiert. Das ging in einigen Häusern - auch aus traditionellen Gründen - bis hin zu einer bewussten "Vermeidung" dieses Geschäfts zum "Schutz" der Kunden.

Aufgrund des Wertewandels bezüglich des privaten Kreditgeschäfts in unserer Gesellschaft bereichern die Sparkassen den Markt inzwischen mit attraktiven Produkten. Allerdings bleiben wir dabei auch weiterhin einer verantwortungsvollen Kreditvergabe treu. Dies ist auch daran ablesbar, dass in der Regel nur bis zu fünf Prozent des Klientels von Schuldnerberatungsstellen Sparkassenkunden sind.

Wo liegt der Marktanteil des Verbundes heute und wie hat er sich in den zurückliegenden Jahren entwickelt?

Mit einem Marktanteil von zirka 26 Prozent im Konsumentenkreditgeschäft nach Bundesbankstatistik liegen wir natürlich deutlich unter der sonst von uns gewohnten Marktpositionierung. Hier wurde uns das Geschäft in den letzten Jahren speziell von einigen aggressiven Wettbewerbern sehr schwer gemacht.

Umso erfreulicher ist es, dass sich nun unsere verstärkten Aktivitäten im Ratenkreditgeschäft auch positiv in der Bundesbankstatistik widerspiegeln. So verzeichneten wir Ende 2010 erstmalig wieder leichte Marktanteilsgewinne.

Welche Faktoren waren aus Ihrer Sicht für diese Entwicklung entscheidend?

Unsere Zurückhaltung in diesem Geschäftsfeld basiert sicher auch auf unserem stark gemeinwohlorientierten Geschäftsmodell. So stand und steht die Sorge vor der Verschuldung unserer Kunden bei den Kundenberatern an erster Stelle.

Auch litt in der Vergangenheit die Preiswahrnehmung von Sparkassen unter der aggressiven Kommunikation zahlreicher Wettbewerber von Schaufensterkonditionen mit umfangreichen Sternchentexten. Hier haben wir uns immer an die faire Kommunikation der tatsächlichen Konditionen gehalten.

Inzwischen wurde das Kreditgeschäft in vielen Sparkassen neu positioniert. Moderne Entscheidungssysteme helfen den Kundenberatern bei der objektiven Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Kunden. Die Prozesse laufen deutlich schlanker, und auch in der Kommunikation sprechen wir die Kunden noch bedürfnisorientierter an. Schließlich kennen wir diese als Marktführer besser als jeder Wettbewerber.

Der genossenschaftliche Verbund hat mit der Teambank bereits seit einigen Jahren einen zentralen Konsumentenkreditspezialisten, dessen Produkte fast ausschließlich dezentral von den Primärbanken vertrieben werden. Sehen Sie ein solches Modell als Vorteil?

Natürlich bietet das Modell eines solchen Spezialisten Vorteile für zahlreiche Einzelinstitute in dezentralen Organisationen. Umfangreiche Abläufe, von der Produktentwicklung über die Risikosteuerung bis zu Marketingmaßnahmen können deutlich effizienter gestaltet werden.

Nun strebt auch die S-Finanzgruppe stärkere zentrale Strukturen an: Im Sommer sollte die S-Kreditpartner GmbH an den Start gehen: Wie ist der Stand der Dinge, was versprechen Sie sich davon?

Uns geht es hier nicht um stärkere zentrale Strukturen, sondern ausschließlich um die Schaffung optimaler Voraussetzungen für die Verbesserung unseres Konsumentenkreditgeschäfts. Ein schöner Nebeneffekt ist dabei die Konsolidierung der bisher unterschiedlichen Angebote im Provisionsgeschäft innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe.

Die S-Kreditpartner GmbH hat zum 1. Juni 2011 ihren Geschäftsbetrieb aufgenommen. Sie fungiert als zentraler Verbundpartner innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe und stellt den Sparkassen ein hochprofessionelles Angebot für Auto- und Konsumentenkredite zur Verfügung. Dazu werden die bisherigen Angebote der Landesbank Berlin und der Deutschen Leasing gebündelt. Wir wünschen uns, dass zusätzlich die Readybank in dieses Vorhaben einbezogen wird. Die Gespräche hierzu sind weit fortgeschritten.

Wir versprechen uns davon einen deutlichen Beitrag zur Stärkung unseres Konsumentenkredit-Angebots an unsere Kunden. Auch für Sparkassen, die sich zur Aktivierung dieses Geschäftsfeldes grundlegenden Veränderungsprozessen unterwerfen, sollte sich die Nutzung eines leistungsstarken Produktpartners schnell und nachhaltig bezahlt machen. Außerdem hat die Sparkassen-Finanzgruppe nun mit der S-Kreditpartner einen gemeinsamen Anbieter, der auch im Autohandel als Finanzierungsanbieter zur Verfügung steht. Gerade hier werden viele Finanzierungen unmittelbar am POS abgeschlossen.

Wir unterstützen die Sparkassen im Rahmen eines Projektes bei der Entscheidungsfindung zur künftigen Strategie, indem wir eine individuelle Analyse dieses Geschäftsfeldes in den Sparkassen vornehmen und damit eine konsequente Umsetzung fördern.

Führt ein zentraler Konsumentenkreditfinanzierer nicht zwangsläufig zu Konflikten mit den Sparkassen vor Ort, die dieses Geschäftsfeld traditionell als eigene Lösung anbieten?

Jede Sparkasse ist frei in der Wahl ihres Geschäftsmodells in der Konsumentenfinanzierung. Einen Konflikt sehen wir dabei nicht, da das Angebot der S -Kreditpartner GmbH - nach einer diesbezüglichen Grundsatzentscheidung - das bisherige Angebot der Sparkasse substituiert. Ein Parallelverkauf von Eigenprodukten und Provisionsprodukten macht keinen Sinn.

Die S-Kreditpartner GmbH stellt außerdem sicher, dass die Kundenbeziehung zur Sparkasse nicht beeinflusst wird. Das entspricht den Erwartungen der Kunden und lässt mögliche Konflikte zwischen zentralem Verbundpartner und Sparkasse erst gar nicht aufkommen.

Neben dem klassischen Konsumentenkredit gibt es den Wettbewerb am Point of Sale: Hier haben die Sparkassen mit der Sparkassen-Card-Plus, einer Debitkarte mit Ratenkreditrahmen nun ebenfalls ein Angebot entwickelt. Was waren die Überlegungen, welche Ziele verfolgt man damit?

Die Sparkassen-Finanzgruppe besitzt aufgrund ihrer dezentralen Struktur nur wenige Möglichkeiten, sich am POS-Geschäft von bundesweit agierenden Einzelhandelsketten zu beteiligen. Dies ist verständlicherweise für einen Marktführer im Privatkundengeschäft eine unbefriedigende Situation.

Aus diesem Grund haben wir nach Alternativen gesucht, um neben der direkten Kreditvergabe durch die Sparkasse vor Ort auch unmittelbar am POS unseren Kunden ein attraktiver Partner sein zu können.

Die Kunden können damit zum Beispiel in Elektronikmärkten, die keine Kreditkarten akzeptieren, ihren größeren Wunschkauf auf Kreditbasis tätigen, ohne sich als Kreditkäufer zu outen und sich vor Ort dem lästigen Prozess einer Kreditwürdigkeitsprüfung beim Händler unterziehen zu müssen. Außerdem bleibt auch diese finanzielle Aktivität bei der Hausbank, und der Kunde verbessert damit den Überblick über seine finanzielle Situation.

Wie ist die Abgrenzung zum klassischen Konsumentenkreditangebot gegen Berlin? Entsteht hier nicht eine Konkurrenzsituation? Warum sollte eine Primärbank nun noch Geschäft zur S-Kreditpartner GmbH vermitteln?

Wir sehen beide Produkte als Ergänzungen, nicht als Substitute. Mit beiden Angeboten werden unterschiedliche Kreditgeschäfte angesprochen und unterschiedliche Bedarfe und Kundensegmente bedient.

So unterstützt die Sparkassen-Card-Plus vor allem den Spontankauf von Konsumgütern. Für viele Kunden ist eine solche Lösung attraktiv, zumal unsere Finanzierungskonditionen in der Regel günstiger sind als die Konditionen des Wettbewerberangebots. Diesen Kunden wollen wir damit ein flexibel nutzbares Angebot machen.

Das traditionelle Ratenkreditangebot steht eher für geplante höherwertige Anschaffungen der Kunden zur Verfügung. Der Kunde zahlt seinen Kredit über einen vereinbarten Zeitraum in festen Raten zurück, kann andere Kredite damit ablösen und ermöglicht durch eine Kreditkonsolidierung eine höhere Transparenz über seine Ausgaben. Wir gehen davon aus, dass auch künftig der Löwenanteil des Volumens auf diese Form der Kreditvergabe entfällt.

Versteht der Kunde diese Fülle an Möglichkeiten? Er hat den klassischen Dispokredit, er hat das Kreditangebot seiner Sparkasse, diese bietet ihm nun noch spezielle Produkte der S-Kreditpartner an, daneben hat er eine ec -Karte und meist mindestens eine Kreditkarte. Wie passt da die Sparkassen-Card-Plus dazu?

Der Dispokredit, die ec-Karte und der klassische Ratenkredit als bilanzwirksames Produkt oder als Provisionsprodukt der S-Kreditpartner GmbH gehören zum Standard-Produktportfolio und sind bei den meisten Kunden auch klar in der Verwendung positioniert. Auch die Produkte, die über die S-Kreditpartner GmbH abgewickelt werden, werden in der Beratung als S-Privatkredit angeboten.

Die Kreditkarte mit flexibler Rückzahlung ist in Deutschland noch nicht so verbreitet.

Die Sparkassen-Card-Plus sehen wir strategisch zwischen dem Dispokredit und dem Ratenkredit positioniert. Dies bezieht sich sowohl auf das Konsumentenverhalten, den Zinssatz, die Rückzahlungsmodalitäten wie auch den Einsatzzweck.

Wir sind uns allerdings bewusst, dass wir in der Kundenberatung zu diesen Produktangeboten unsere hohe Beratungsqualität unter Beweis stellen können und müssen. Aus ökonomischen Gesichtspunkten der Sparkasse vor Ort: welche Karte sollte er einsetzen? Die Debit- beziehungsweise Kreditkarte von Mastercard oder Visa oder die hauseigene Sparkassen-Card (Plus)?

Für uns stehen die Bedürfnisse der Kunden im Vordergrund der Beratung. Bei erkennbarem Kreditbedarf und zum Teil auch prophylaktisch muss das Produktangebot mit dem zu erwartenden Einsatzzweck abgestimmt werden. Dazu kann es keine pauschale Empfehlung geben, da die Bedarfe und die Produktmerkmale doch erheblich voneinander abweichen.

Als Beispiel kann ich den spontanen Kauf des Flachbildfernsehers mit dem Ratenkreditrahmen der Sparkassen-Card-Plus im Elektronikfachmarkt nennen, in dem die Kreditkarte nicht akzeptiert wird. Im Gegenzug kann der Kauf im Webshop mit der Kreditkarte aber nicht mit der Sparkassen-Card-Plus erfolgen.

Der Versuch mit einer "Ratenkreditkarte" Geschäft beziehungsweise Kunden zu gewinnen ist nicht ganz neu, man erinnert sich an die Creditplus Bank, oder auch die Teambank hat ein ähnliches Angebot: Was unterscheidet den Sparkassen-Ansatz von diesen Modellen, und was macht Sie sicher, dass Ihre Strategie erfolgreicher sein wird?

Auch bei den genannten Wettbewerbern sind nach unserer Einschätzung die kartenbasierten Kreditprodukte eher als Ergänzungsprodukte im Einsatz. Wir haben die Sparkassen-Card-Plus vor unserer bundesweiten Markteinführung in zahlreichen Sparkassen bereits über ein Jahr getestet und die Wettbewerberangebote analysiert. Wir unterscheiden uns hauptsächlich beim empfohlenen Produkteinsatz und den Konditionen.

Da uns andere Möglichkeiten für zentrale POS-Finanzierungen im Elektro - und Möbelhandel fehlen, ist dies für uns eine klare Abschottungsstrategie gegenüber den am POS tätigen Wettbewerbern. Die Erfahrungen bei unseren Pilotsparkassen zeigen, dass der Bedarf bei unseren Kunden für die Debitkarte mit flexibler Teilzahlungsfunktion da ist. Eine Kannibalisierung zu unseren anderen Produktangeboten war übrigens kaum nachweisbar.

Stichwort Regionalprinzip: Wie kann dies beim Einsatz am Point of Sale sichergestellt werden, oder spielt das keine Rolle?

Hier verhält sich der Umgang mit der Sparkassen-Card-Plus exakt so, wie der Umgang mit den ec-Karten und Kreditkarten. Der Kunde entscheidet wann und wo er welches Produkt einsetzt. Das Regionalprinzip wird hiervon nicht berührt.

Gibt es ein gemeinsames technisches System zur Abwicklung des künftigen S-Konsumentenkredites?

Durch die Nutzung des Kreditserviceangebots der S-Kreditpartner GmbH profitieren die Sparkassen von den Effizienzvorteilen einer gemeinsamen Plattform. Das betrifft neben der EDV-Infrastruktur auch die Bearbeitungs- und Servicetätigkeiten, um die sich die S-Kreditpartner GmbH zentral kümmert. Die Kundenberater in den Sparkassen können sich so voll und ganz auf die Kundenberatung konzentrieren.

Soll der Vertrieb in den Sparkassen über eine einheitliche Software laufen?

Ja, das gehört zu einem zentralen Leistungsangebot dazu. Wir erhoffen uns damit auch, dass wir künftig noch schneller auf sich wandelnde Markterfordernisse reagieren können. Prozessverbesserungen kommen dann jeder Sparkasse sofort zugute.

Wie hat sich die Risikolage im Konsumentenkredit entwickelt? Was erwarten Sie in diesem Punkt für 2011?

Die Risikosituation hat sich 2010 nur leicht verschlechtert. Aktuell profitieren wir von der außergewöhnlich guten konjunkturellen Situation. Durch unser gesteigertes Neugeschäft erleben wir daher nun eher eine Verbesserung der Risikostruktur im Privatkreditgeschäft in den Instituten.

Welche moralischen Maßstäbe setzt die Sparkassenorganisation im Konsumentenkreditgeschäft an? Wie will sie den Konflikt zwischen Vertriebserfolg und der von Verbraucherschützern immer wieder angesprochenen Verschuldungsproblematik lösen?

Hier sprechen Sie ein wichtiges Thema an. Die Sparkassen-Finanzgruppe sieht eine "Verantwortungsvolle Kreditvergabe" nicht nur als modisches Schlagwort. Unsere Strategie ist bekanntlich eine langfristige Geschäftsbeziehung und Kundenbindung.

Wir nehmen die Bewertung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Kunden sehr ernst und stellen vor jede Kreditentscheidung eine entsprechende Prüfung. Da wir in der Regel auch die Hauptbankverbindung des Kunden sind, haben wir besonders gute Voraussetzungen, um gemeinsam mit dem Kunden ganzheitlich über seine finanzielle Leistungsfähigkeit zu sprechen. Hier steht eindeutig Qualität vor Quantität.

Zusätzlich unterstützen wir aktiv den Verbraucherschutz und die Verbraucheraufklärung durch Engagements zum Beispiel mit dem "Sparkassen-Schulservice", "Geld und Haushalt" sowie der Zusammenarbeit mit Schuldnerberatungen.

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