Gespräch des Tages

Sparkassenorganisation I - Vertrauenssachen

Dem Veranstaltungsmotto entsprechend war Anfang Mai auf dem 23. Deutschen Sparkassentag viel von Vertrauen die Rede. Und so weit man das mit der Zusammenstellung der Rednerliste und ihrer Themen sanft lenken kann, liefen die Botschaften aus Stuttgart aus Sparkassensicht auch in die gewünschte Richtung. Angefangen von dem Philosophen Richard David Precht über den Gesellschaftsethiker Friedhelm Hengsbach bis hin zu dem Harvard-Ökonomen Kenneth S. Rogoff gab es aus unverdächtigem wissenschaftlichem Munde viel Lob für die stabilisierende Wirkung der dezentralen Organisationsstruktur der Gruppe in der Finanzkrise, für die gelebte Bodenhaftung im Geschäft mit der regionalen Kundschaft, für die Existenzberechtigung unterschiedlicher Organisationsformen in der Kreditwirtschaft sowie nicht zuletzt das mit der Stuttgarter Erklärung zur Anlageberatung noch einmal ausdrücklich geschärfte Selbstverständnis vom Vorrang der Orientierung an der Kundenzufriedenheit vor Renditegesichtspunkten.

Darüber hinaus hat die deutsche Sparkassenorganisation selbst in einer zweiten Stuttgarter Erklärung Vorschläge für notwendige Konsequenzen aus der Finanzkrise gemacht, darunter eine am Systemrisiko bemessene Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen für Banken, ein klares Bekenntnis zu einer Finanztransaktionssteuer, ein Plädoyer für den Handel von Finanzderivaten ausschließlich über zugelassene Börsen sowie nicht zuletzt ein gestaffeltes System klarer Verantwortlichkeiten bei Finanzinstitutionen.

Nicht so gut kalkulierbar sind erfahrungsgemäß die Einlassungen seitens der Politik und der Regulatoren, diesmal also von Bundesbankpräsident Axel A. Weber, dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Stefan Mappus sowie dem Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesfinanzministerium Steffen Kampeter. Von dieser Seite schwappte mit den unverändert anstehenden Regulierungsfragen der internationalen Finanzwirtschaft und dem sehr akuten Gesetzgebungsverfahren rund um die Stabilisierung des Euros im Zuge der Griechenlandkrise eher Unsicherheit denn vertrauensbildende Rückendeckung in die Tagungsdebatte. Schließlich war es den parallel stattfindenden politischen Beratungen in den Bundestagsfraktionen zur Griechenlandhilfe geschuldet, dass der Bundesfinanzminister nicht höchst persönlich die Sicht der Bundesregierung vortragen wollte. So fand zwar die Stützungsoperation für den Euro in der Sache uneingeschränkte Zustimmung der deutschen Sparkassenorganisation. Doch rein atmosphärisch wurde gerade an der S-Basis schon ein wenig befremdlich registriert, dass die obersten Repräsentanten der Politik gerade das wichtigste Gipfeltreffen der größten Gruppe des deutschen Kreditgewerbes sausen ließ, die in der Finanzkrise ebenso wie die Genossenschaftsorganisation unbestritten einen erheblichen Beitrag zur Stabilisierung des hiesigen Finanzsystems und der kontinuierlichen Unternehmensfinanzierung geleistet hat.

So wie der Finanzminister sich in seinem Zeitkonflikt zwischen Berlin und Stuttgart entscheiden musste, so wird auch der Bundesbankpräsident in seiner Rolle als Regulator und als Mitglied im EZB-Rat immer wieder zwischen den Anforderungen der besonderen deutschen Bankenstruktur und den Verhältnissen in anderen Ländern abwägen müssen. Und bei allem Grundkonsens über die stabilisierende Wirkung der beiden deutschen Verbundsysteme wird es ihm schwer fallen, diese Sicht der Dinge auch in den internationalen Entscheidungsgremien zu transportieren. In einer ähnlichen Zwangslage befindet sich die Berliner Politik im G20-Prozess, auch wenn Steffen Kampeter sich und das BMF noch so sehr als überzeugte Anhänger der dezentralen subsidiären Bankenstruktur dargestellt hat und Stefan Mappus sogar umgekehrt die Zentralität von Banken als das eigentliche Problem sieht.

Wenn auch sicherlich ungewollt war der Sparkassentag mit all seinen Hinweisen auf die Konfliktlagen wichtiger Entscheidungsträger auch in diesem Sinne ein gelebtes Anschauungsbeispiel für die schwierigen und komplexen Prozesse der Vertrauensbildung. Nachhaltig gestört ist das gegenseitige Zutrauen der S-Organisation zur Berliner Politik durch die unglücklichen Terminkollisionen des Stuttgarter Familientreffens mit den politischen Abläufen in Berlin sicher nicht. Aber selbst an dieser letztlich symbolischen Frage wird deutlich, dass das hohe Gut des Vertrauens ein dynamischer Prozess des Gebens und Nehmens von allen Beteiligten ist. Wenn das seitens des DSGV schon über den kurzen Dienstweg zum politischen Berlin zeitweilig schwer zu vermitteln ist, wie soll das erst bei den schwierigen Verhandlungen auf internationalem Parkett gelingen? Auch an dieser Stelle bleibt Vertrauensbildung eine anspruchsvolle Daueraufgabe.

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