Aufsätze

Unternehmenskultur als strategischer Erfolgsfaktor

Um Missverständnisse zu vermeiden: Die vorliegenden Gedanken sind nicht etwa in selbstüberschätzender Manier als Fertigrezept für die Herstellung von gut löslichen Unternehmenskulturen im Instant-Verfahren gedacht. Sie verstehen sich vielmehr als ein auf wenige Kernaspekte verdichteter Beitrag zu einer institutsübergreifenden Sammlung "kultureller" Erfahrungen. Diese können aufgrund ihrer Praxisnähe eine Orientierungshilfe bei der Annäherung an das vermeintlich weiche Thema "Unternehmenskultur" bieten.

Motor für die nachhaltige Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit

In Unternehmen finden vor allem solche Themen besondere Beachtung, die sich gut rechnen lassen. Da verwundert es nicht, dass Unternehmenskultur lange Zeit tendenziell am unteren Ende mancher Prioritätenliste gestanden hat. Beobachtungsschwerpunkte waren dagegen Kosten, Risiken und Prozesse mit dem Fokus auf Effizienz und Ertrag. Vielerorts sind diese Optimierungsfelder jedoch längst bearbeitet, denn wer erfolgreich sein will, hat diese Themen entweder im Griff oder verabschiedet sich zeitnah vom Markt. Der Wettbewerb zwischen Unternehmen ähnelt immer mehr den Gegebenheiten im Spitzensport: Am Ende entscheiden über den Erfolg nicht mehr in erster Linie die Selbstverständlichkeiten wie etwa ein zeitgemäßes Training oder eine entsprechende Konstitution. Den entscheidenden Unterschied im Wimpernschlag-Finale zwischen Spitzenleistungen und Mittelmäßigkeit machen andere Aspekte aus. Dazu zählen Fragen wie Einstellung, Motivation und Zielorientierung, die häufig unter dem Dach der "Unternehmenskultur" diskutiert werden. Sie gilt vielen daher nicht von ungefähr als entscheidender Motor für die nachhaltige Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit und als einer der wesentlichen Faktoren für den finanziellen Erfolg.1)

Gleichzeitig hat Unternehmenskultur den Charme, "unfassbar" zu sein. Wer diesen wenig griffig anmutenden Terminus begreifen will, stößt auf eine Vielzahl von Veröffentlichungen und eine ebenso große Anzahl verschiedener Kulturkonzepte. Weit verbreitet ist das bereits vor rund 30 Jahren eingeführte und bis heute aktuelle Drei-Stufen-Modell der Kultur von Edgar H. Schein. Ein Grundgedanke dabei: Ähnlich wie bei einem Eisberg, dessen größter Teil bekanntlich unsichtbar unter Wasser liegt, nimmt man von der gesamten Unternehmenskultur lediglich das sichtbare Verhalten und gegebenenfalls noch einige auf Hochglanz gedruckte Normvorstellungen wahr. Unter der "Wasseroberfläche" liegt das unsichtbare und unbewusste System der grundlegenden Überzeugungen sowie der damit verbundenen Werte und Normen. Diese beeinflussen wiederum das sichtbare Verhalten der Beschäftigten eines Unternehmens und haben Auswirkungen auf die dominanten Verhaltensweisen, die Teil der Unternehmenspersönlichkeit sind (Abbildung).

Im Kern erfüllt Unternehmenskultur immer dieselben elementaren Funktionen: Im positiven Fall schafft sie ein "Wir-Gefühl", sie grenzt nach außen ab, gibt im Inneren Orientierung und reduziert dadurch Komplexität, sie schafft Motivation und sorgt letztlich für Stabilität und Kontinuität.4) Bei den wahrnehmbaren Eigenschaften der Unternehmen kommt es naturgemäß auf deren sprichwörtliche Handlungsträger an. Was sie "ausstrahlen", sprich wie sie sich untereinander und im Umgang mit Kunden verhalten, macht einen wichtigen Teil der Unternehmenspersönlichkeit aus. Diese Persönlichkeit beeinflusst nicht nur Kaufentscheidungen, sondern wird mehr und mehr auch ein Faktor im Bereich der Mitarbeiterbindung und -gewinnung, auf dem Gebiet der Entwicklungsfähigkeit eines Unternehmens sowie bei der Qualitäts- und Leistungsorientierung.5) Die Gestaltung der Kultur eines Unternehmens und insbesondere die strategische Entwicklung der genannten Dimensionen zählt deshalb zu den strategisch wichtigen Aufgaben und zugleich zentralen Herausforderungen von Führung und Management,6) insbesondere bei der Bewältigung von Veränderungsprozessen.

Eine nie endende Gemeinschaftsaufgabe

Die entscheidende Frage dabei ist, wie Unternehmenskultur, die sich im Laufe der Zeit ganz automatisch und selbstständig entwickelt,7) überhaupt beeinflusst werden kann. Wie kann eine Synchronisierung von unbewussten Werten, postulierten Erwartungen und einem manifesten Verhalten gelingen? Eine Grundvoraussetzung dafür ist die Erkenntnis, dass alle Bemühungen um Unternehmenskultur im Sinne einer konzertierten Aktion aller Bereiche eines Unternehmens angelegt sein müssen. Mit anderen Worten: Die Gestaltung des Charakters eines Unternehmens ist weder die Exklusiv-Aufgabe einiger "Auserwählter" noch ein zeitlich begrenztes Projekt mit "Sie-haben-Ihr-Ziel-erreicht"-Perspektive. Unternehmenskultur sollte vielmehr als nie endende Gemeinschaftsaufgabe verstanden werden - mit dem Ziel, ein klares unternehmerisches Persönlichkeitsprofil mit möglichst wenigen Widersprüchen zu entwickeln. Hierbei sind Management-Impulse ebenso gefragt wie ein Höchstmaß an Partizipation und Multiplikation der Mitarbeiter. Aus den bisherigen Beobachtungen und Erfahrungen mit den sichtbaren und unsichtbaren Schichten des "Eisbergs" Unternehmenskultur ergeben sich drei zentrale Ansatzpunkte für deren Gestaltung:

1. Die Entwicklung eines gemeinsamen Koordinatensystems.

2. Die Stabilisierung von Verhaltenserwartungen.

3. Die Auswahl und Weiterentwicklung von Führungskräften.

Die Entwicklung eines gemeinsamen Koordinatensystems: Anlass für eine intensive Beschäftigung mit Unternehmenskultur waren bei der Sparkasse Münsterland Ost zwei Fusionen zu Beginn des letzten Jahrzehnts. So wie die Persönlichkeit eines Menschen unter anderem durch die Summe seiner Erfahrungen geprägt wird, so begegneten sich in dem Fusionsprozess drei unterschiedliche Charaktere mit ihrer jeweils eigenen Geschichte, eigenen Führungskonzepten und individuellen Selbstverständnissen im Umgang mit Mitarbeitern und Kunden. Damit zusammenwachsen konnte, was zusammengehören wollte, war die Besinnung auf Gemeinsames, Verbindendes und Erstrebenswertes der erste wichtige Schritt. Es ging um nicht weniger als um ein gemeinsames Koordinatensystem hinsichtlich der fundamentalen Unternehmensfragen: "Wer sind wir?", "Wofür stehen wir?", "Wonach streben wir?".

Unternehmenscredo

An diesem Punkt machte es sich der Vorstand zur Aufgabe, ein Unternehmenscredo zu definieren, mit dem der Kernbestandteil der Sparkassen-DNA in komprimierter Form beschrieben werden sollte. Die Antwort auf die existenzielle Frage, warum es die Sparkasse am Markt gibt und weiter geben sollte, mündete in der Grundüberzeugung: "Wir gestalten Zukunft - für die Menschen in unserer Region." Dieses Credo bildet bis heute die Klammer für ein gemeinsames Selbstbewusstsein. Die Botschaft: Uns verbindet ein anspruchsvoller Auftrag, der sinnstiftend, verantwortungsvoll und zielgerichtet ist. Diese Gemeinsamkeit ist für uns das Fundament unserer Unternehmenskultur, der Ausgangspunkt für weitere Werte und Normen sowie letztlich die Zielsetzung der Gesamtheit unseres Handelns.

Dabei war klar, dass mit diesem Ausgangspunkt nur der Fixpunkt des Antritts beschrieben ist, aber die Sparkasse sich deshalb noch nicht zwangsläufig in der Nähe des unsichtbaren beziehungsweise unbewussten Teils ihrer Unternehmenskultur befindet. Dies galt es in einer anonymen Mitarbeiterbefragung zu erforschen. Im Kern ging es hier um die Bewusstmachung beziehungsweise Bewusstwerdung von Hauptströmungen unter den verschiedenen Kulturwahrnehmungen und -erwartungen der Mitarbeiter. So lieferte die Befragung dann auch die Bestätigung für das bis dato noch diffuse "Gefühl", man werde den mehr oder weniger unausgesprochenen Ansprüchen an Kommunikation, Führung und Zusammenarbeit bislang nur teilweise gerecht.

Kritisiert wurde aus vielen Blickwinkeln die häufig zu beobachtende Schere zwischen den vermuteten oder rudimentär beschriebenen Zielvorstellungen des Miteinanders und der gelebten Praxis. Eine Projektgruppe, bestehend aus Führungskräften und Mitarbeitern, verdichtete die Umfrageergebnisse auf drei Dimensionen, die für die Unternehmenskultur als relevant identifiziert wurden: Kommunikation, Führung und Zusammenarbeit. Was ist uns wichtig? Auf welche Werte verpflichten wir uns? Diese Fragen wurden mit Hilfe der engagierten Beteiligung zahlreicher Mitarbeiter beantwortet, die ihre Gedanken aus nahezu allen Bereichen des Hauses per E-Mail beisteuerten.

Gegenseitige Verhaltenserwartungen

In diesem von Aufbruchstimmung gekennzeichneten Normbildungs- und Werteprozess ging es letztlich um die Formulierung dessen, was in sozialen Systemen den Zusammenhalt ermöglicht: um die gegenseitigen Verhaltenserwartungen ihrer Teilnehmer. Solche Erwartungen klar und für alle verbindlich zu fassen ist die vertrauensfördernde Maßnahme schlechthin. Im Sinne Niklas Luhmanns beschreibt Vertrauen das Zutrauen in eigene Erwartungen.8) Im konkreten Fall war es das notwendige Zutrauen darin, dass sich der andere im gleichen definierten Werte-Koordinatensystem bewegt wie man selbst. Durch die Befragung und die lebhafte Beteiligung an der Diskussion der Ergebnisse konnten ehemals latente Erwartungen in ein solches Koordinatensystem einfließen. Es entstanden Leitlinien-Cluster unter den Überschriften "So wollen wir kommunizieren, führen und zusammenarbeiten", "So sind wir" und "So soll der Kunde uns erleben". Sie waren Ausdruck eines Wertekonsenses, der für einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zu einer Fusionssparkassen-übergreifenden Unternehmenskultur markierte.

Die Stabilisierung von Verhaltenserwartungen: Ein Norm- und Wertfindungsprozess wie der beschriebene setzt zwangsläufig eine Vielzahl von Hoffnungen, aber auch Befürchtungen frei: Hoffnungen auf Veränderung treffen auf den Verdacht, am Ende bleibe doch alles beim Alten und die wohlformulierten Regeln seien womöglich nur Schall und Rauch. Wie viel Hoffnung und wie viel Skepsis individuell im Spiel ist, hängt von den jeweiligen Erfahrungen eines jeden Einzelnen ab. Umso wichtiger ist es, dass deutliche Signale für das ernsthafte Interesse an der konsequenten Erfüllung der definierten Verhaltenserwartungen gesetzt werden, um das Vertrauen darin zu festigen. Diese Signale liegen vor allem in der kontinuierlichen Wertevermittlung, in der Integration der Erwartungen in formalisierte Strukturen und in der Etablierung von Feedback-Schleifen zur Überprüfung des Status quo.

So wurden im Bereich der Wertevermittlung zahlreiche Zeichen gesetzt, die immer wieder die Bedeutung und Nachhaltigkeit der gemeinsam entwickelten Verhaltenserwartungen ins Bewusstsein rückten. Zunächst ließen Vorstand und Führungskräfte auf internen Veranstaltungen und in den Ressort- und Abteilungsrunden keinen Zweifel daran, dass sie uneingeschränkt hinter Credo und Leitlinien stehen. In einem hausweiten E-Mail-Austausch zur vorab gewählten "Leitlinie des Monats" berichteten Mitarbeiter, was sie mit dieser Leitlinie verbinden. In "Leitlinien-Cafés" fand ein hierarchieübergreifender, moderierter Erfahrungsaustausch hierzu statt. Natürlich gab es die gemeinsam entwickelten Werte auch in schriftlicher Form für jeden Mitarbeiter. Zusätzlich standen als tägliche Erinnerung an das, was wir uns gemeinsam vorgenommen hatten, kleine Pyramiden mit den Kernsätzen aus Credo und Leitbild auf jedem Schreibtisch.

Investitionen in den Vertrauensaufbau

Klingt nach viel Wind um überschaubare Inhalte? Zu dem Schluss könnte man kommen, stünde die Wertevermittlung nicht zudem noch in einem Zusammenhang mit Maßnahmen, die diese Werte auch in formale, erlebbare Strukturen überführen. Dazu wurden die Leitlinien eng mit den grundlegenden Personalinstrumenten verbunden. Diese sind etwa die Anforderungsprofile, das jährliche Leistungsbeurteilungs und Fördergespräch und die Integration in die Mitarbeiter- und Führungskräftetrainings. Bei allen Maßnahmen geht es um den für die Erwartungsstabilisierung so wichtigen Brückenschlag zwischen den gemeinsam definierten Werten, latenten Einstellungen und manifestem, sprich beobachtbarem Verhalten. Werte und Zielsetzungen werden so für jeden überprüfbar - wenngleich immer in den bekannt engen Grenzen subjektiver Wahrnehmung. Somit entsteht die Chance einer höheren Verbindlichkeit dessen, was womöglich ansonsten auf bedrucktem Papier allein keine Chance auf Verstetigung gehabt hätte.

Bei all diesen Investitionen in den Vertrauensaufbau zeigt die Erfahrung, dass sich Enttäuschungen trotz bester Absichten fast schon zwangsläufig nicht vermeiden lassen. Menschen machen Fehler, fallen in alte Verhaltensmuster zurück. Daher kommt der Etablierung und Pflege einer Feedback-Kultur eine besondere Bedeutung zu. Missstände offen anzusprechen, Anregungen aufzunehmen und Verhalten zu überprüfen sind im Idealfall Voraussetzungen dafür, dass die Enttäuschungen nie größer sein können als der wahrgenommene Wille, sich im Sinne der definierten Normen weiterzuentwickeln. Auch das ist ein Stück Glaubwürdigkeit und Vertrauenspflege bei der Evolution einer Unternehmenskultur. So ist es kein Zufall, dass in den beschriebenen Personalinstrumenten dem Feedback zwischen Kommunikationspartnern eine besondere Rolle zukommt.

Mit der zusätzlichen Einführung eines "Führungsfeedbacks" wurde ganz bewusst ein Zeichen für die Bidirektionalität von Feedback gesetzt. Dass Führungskräfte ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mitteilen, wie sie diese einschätzen, ist ein bekanntes Verfahren. Nun stand auch die andere Richtung im Fokus: Wie sehen Mitarbeiter ihre Führungskräfte? In anonymen Befragungen entstanden Bilder vom Abgleich zwischen erwartetem und tatsächlichem Verhalten, die jeder Führungskraft als Orientierungshilfe für die eigene Entwicklung und für die Nacharbeitung im Bereichskreis an die Hand gegeben wurden. Ebenso erhielten die Leiterinnen und Leiter in mehrtägigen Schulungen Werkzeuge dafür, wie sie selbst eine offene Feedback-Kultur - über den Rahmen von Beurteilungsgesprächen hinaus - pflegen und etablieren können. Dieser offene, bestimmten Schutzregeln folgende Austausch zwischen Kommunikationspartnern dient ebenfalls der Stabilisierung von Verhaltenserwartungen. Wo Widersprüche zwischen erwartetem und tatsächlichem Verhalten zutage treten, bieten Feedbacks die Chance der Nachjustierung oder - im positiven Fall übereinstimmender positiver Erwartungen - die Möglichkeit zur Verstetigung eines konsensfähigen Verhaltens.

Orientierung an den Lebensbedingungen

Zusätzlich ist die ständige Beobachtung des gesellschaftlichen Kontextes wichtig, wie etwa beim Blick auf aktuelle Forschungsergebnisse hinsichtlich des gesellschaftlichen Wertewandels. Dabei gilt es beispielsweise im Auge zu behalten, mit welchen Wertevorstellungen neue Mitarbeiter ins Berufsleben einsteigen oder wie sich bedingt durch demografische Aspekte die Schwerpunkte im Leben der Mitarbeiterschaft ändern. Der Satz "Leben ist von Mensch zu Mensch" in den Leitlinien mit den entsprechenden Beobachtungen führte dazu, sich mit Angeboten an die Mitarbeiter noch stärker an ihren Lebensbedingungen zu orientieren. Fragen der Gesundheit, der Pflege von Angehörigen, Betreuung der Kinder, Führung in Teilzeit oder berufsbegleitendem Studium und anderes wurden aufgenommen, es gibt eine Beteiligung am "Audit Beruf und Familie", und die Sparkasse erhielt als eine der ersten das Zertifikat für Familienfreundlichkeit. Als hilfreich hat sich hierbei erwiesen, dass sich die Sparkasse mit externer Hilfe zusätzliches Feedback in Sachen Familienfreundlichkeit eingeholt hat. Das überwindet blinde Flecken und ermöglicht eine Standortbestimmung ohne die üblichen subjektiven Zerrbilder.

Gleiches galt für die Teilnahme an dem Wettbewerb "Great Place to Work® ". Mit externer Unterstützung wurden die Mitarbeiter mittlerweile schon zum zweiten Mal hinsichtlich ihrer Zufriedenheit mit der erlebten Arbeitsplatzkultur befragt. Das Ergebnis war ein sehr komplexer Abgleich von Erwartungen - mit zahlreichen Überraschungen ebenso wie mit reichlich Bestätigung und vor allem: mit viel Motivation, sich weiterzuentwickeln. Der konstruktive Umgang mit den Ergebnissen aus der ersten Befragung trug dazu bei, dass sich die Mitarbeiterzufriedenheit als Ergebnis einer zweiten Befragung spürbar verbessert hatte. Da sich Meinungen und Einstellungen in der Regel nur sehr langsam verändern, war die hier wahrgenommene Entwicklung für alle ein schönes Signal und ein willkommener Antrieb, sich weiter intensiv um die Erfahrbarkeit der selbst entwickelten Werte zu bemühen.

Die Auswahl und Weiterentwicklung von Führungskräften: Der Volksmund weiß es: Wenn der Fisch ein Geruchsproblem entwickelt, muss man sich dessen Kopf genauer anschauen. In Bezug auf inkonsistentes Verhalten und den Ursprung problematischer Entwicklungen weist ein bekanntes Sprichwort die Verantwortung ebenso einseitig wie eindeutig den Führungspositionen zu. Das mag man angesichts der Gemeinschaftsaufgabe "Unternehmenskultur" für eine verkürzte Sicht der Dinge halten. Allerdings belegen Alltagserfahrungen und diverse Untersuchungen immer wieder, welch enorme Vorbild- und Steuerungswirkung von Führenden ausgeht, inklusive der damit verbundenen Werteprobleme für die Führenden selbst.9) Mancher hält die durch Vorleben und Vorhandeln von Führungskräften gegebenen Impulse gar für die einzige Möglichkeit einer Unternehmensführung zur Veränderung von Unternehmenskultur.10)

Leitbilder brauchen Leitfiguren, die mit entsprechender Sensibilität, Kommunikationsvermögen und Werteintegrität ausgestattet sind. Sie übernehmen an prominenter Stelle die Wertemultiplikation, hinterfragen in Feedback-Schleifen immer wieder die aktuelle Werterelevanz und -umsetzung und fungieren damit als Stabilisatoren und Promotoren einer Unternehmenskultur.

Sorgfalt bei Auswahl und Weiterentwicklung

Diese hohen Erwartungen an Führungskräfte haben enorme Anstrengungen an zwei Stellen zur Konsequenz: Zum einen im Bereich der Führungskräfteauswahl und zum anderen in der Weiterentwicklung der vorhandenen Führungsmannschaft. Mit Blick auf die Führungskräfteakquisition legte die Sparkasse ihren Schwerpunkt darauf, unter den eigenen jungen Mitarbeitern die vielversprechenden Talente und Potenzialträger für eventuelle Führungsaufgaben systematisch zu identifizieren. Jährliche "Potenzialträgerkonferenzen" bilden die Grundlage für die Auswahl und Entwicklung der angehenden Führungskräfte. Auf diese Weise werden Träger von Führungspotenzialen in der jeweiligen Diskussion im Bereichsleiterkreis aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet und beurteilt. Weitere Module wie ein Mentoringprogramm sowie Führungskräfte- oder Management-Nachwuchsprogramme ergänzen die Werkzeuge zum Aufspüren und gezielten Fördern von Mitarbeitern, die für Leitungspositionen geeignet erscheinen. Dabei sind die Inhalte der Programme inhaltlich eng an die Leitlinien der Führung angelehnt.

Zudem ist es unerlässlich, die vorhandene Führungsmannschaft in ihrer Entwicklung kontinuierlich zu begleiten. Das regelmäßige Führungskräftetraining und die individuelle Auswertung des erwähnten Führungsfeedbacks zählen dabei zu den zentralen Tools. Es zeigte sich auch, dass angesichts von Unternehmenszielen, die von Mitarbeitern als zunehmend anspruchsvoll und fordernd wahrgenommen werden, die Nachvollziehbarkeit und Transparenz von Entscheidungen immer wichtiger wird. Vor diesem Hintergrund kann die Bedeutung von Kommunikationsfähigkeit im Führungsalltag nicht hoch genug eingeschätzt werden. Das Investment in diese Fähigkeiten ist gleichzeitig eine Investition in eine nachhaltige Unternehmenskultur. Auch die regelmäßige, institutionalisierte Kommunikation zwischen Führungskräften trägt wesentlich zur Entwicklung bei: Mit Hilfe eines kontinuierlichen Erfahrungsaustauschs wird beispielsweise anhand von Best-Practice-Beispielen Führungs-Know-how reflektiert und multipliziert. So entstehen im Idealfall selbstlernende Systeme, die für das Vorleben von Werthaltungen und damit für eine entsprechende Überzeugungs- und Impulskraft im Unternehmen von unschätzbarer Bedeutung sind.

Gleichgerichtete Kräfte erzeugen

Und dann bliebe da noch die Frage, wie viel Prozent eines Betriebsergebnisses von einer positiven Unternehmenskultur tatsächlich erklärt werden können. Auch wenn es, wie eingangs erwähnt, hier Berechnungsansätze gibt: Die Sehnsucht, dies zu kalkulieren, ist sicher größer als die hierfür erforderlichen Fertigkeiten von Controllern und die Beschaffenheiten von Messinstrumenten. Sicher ließen sich Befragungsergebnisse, Krankenstände, Kündigungsquoten und anderes als mehr oder weniger aussagekräftige Indikatoren zurate ziehen. Vieles spricht aber dafür, sich in der Frage weniger von Zahlen als vom gesunden Menschenverstand leiten zu lassen.

Solange organisierte Strukturen von Menschen geschaffen, geleitet und gestaltet werden, so lange wird eine auf gemeinsamen Zielvorstellungen und verlässlichen Erwartungen basierende Interaktion zwischen den handelnden Personen ein Eckpfeiler des Erfolgs sein. Die Sparkasse Münsterland Ost hat die Erfahrung gemacht: Die Beschäftigung mit Unternehmenskultur zahlt sich im wörtlichen und übertragenen Sinne aus - nicht nur in guten Jahren mit überdurchschnittlicher Performance, sondern gerade auch in Zeiten dynamischer Veränderungen, wie sie der Bankensektor derzeit erlebt und weiter erleben wird. Denn der Faktor Unternehmenskultur entscheidet maßgeblich darüber, ob eine Mannschaft gerade bei bewegter See gleichgerichtete Kräfte entwickelt, mit denen sie für ihre Kunden nach außen ein wertvoller Problemlöser, Ratgeber und Partner bleiben kann.

Fußnoten

1) So konnte gezeigt werden, dass bis zu 31 Prozent des finanziellen Unternehmenserfolgs auf den Einfluss von Unternehmenskultur zurückzuführen sind. Vgl. Hauser, F. (2008): Unternehmenskultur, Arbeitsqualität und Mitarbeiterengagement in den Unternehmen in Deutschland. Abschlussbericht Forschungsprojekt Nr. 18/05; ein Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Bonn, S. 25, 31.

2) Vgl. Schein, E. (1985): Organizational Culture and Leadership. A Dynamic View. San Francisco, S. 25.

3) Vgl. Sackmann, S. (2006): "Betriebsvergleich Unternehmenskultur". Welche kulturellen Faktoren beeinflussen den Unternehmenserfolg? München, S. 4.

4) Adam, K. (2013): Change Management. Unternehmenskultur und Führung. Berlin, S. 11, 15.

5) Vgl. Hauser, F. (2008): Unternehmenskultur, Arbeitsqualität und Mitarbeiterengagement in den Unternehmen in Deutschland. Abschlussbericht Forschungsprojekt Nr. 18/05; ein Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Bonn, S. 28.

6) Vgl. Jost, H. R., und Loebbert, M. (2006): Culture Change mit Story Management. Basel, Zürich, S. 4.

7) Adam, K. (2013): Change Management. Unternehmenskultur und Führung. Berlin, S. 16.

8) Vgl. Luhmann, N. (1989): Vertrauen. Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität. Stuttgart, S. 40 ff..; vgl. Luhmann, N. (1964): Funktionen und Folgen formaler Organisation. Schriftenreihe der Hochschule Speyer. Bd. 20. Berlin, S. 27ff.

9) Daumann, J. (2012): Vorgesetzte mit Gewissensbissen. In: Sueddeutsche.de, 20. Dezember 2012.

10) Vgl. Jost, H. R., und Loebbert, M. (2006): Culture Change mit Story Management. Basel, Zürich, S. 7ff.

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