Aufsätze

Vorsichtige Bewertung - die Ausgestaltung des Prudent Valuation Regimes durch die Bankenaufsicht

Im Zuge der Regulierungsaktivitäten nach der Subprime-Krise wurden auch die Maßstäbe für die Bewertung geschärft: Zunächst wurden die Anforderungen an eine vorsichtige Bewertung von Positionen im Handelsbuch für Zwecke der internen Steuerung und bei der Bestimmung der Eigenmittel detailliert und stärker betont.1)

Mit Inkrafttreten der CRD IV/CRR wird die Anforderung, vorsichtig zu bewerten, für die Zwecke der Eigenmittelbestimmung auch auf Fair-Value-Positionen im Anlagebuch ausgeweitet,2) wodurch künftig auch Nicht-Handelsbuchinstitute betroffen sein werden. Hierdurch erhalten die derzeit in der Entwurfsphase befindlichen technischen Regulierungsstandards (RTS) der EBA zur vorsichtigen Bewertung3) eine besondere Bedeutung.

Konzept der vorsichtigen Bewertung - Ausgestaltungsmöglichkeiten ...

Dieser Beitrag beleuchtet das Regime der vorsichtigen Bewertung für die Zwecke der Eigenmittelbestimmung von zwei Seiten: In diesem Abschnitt wird das Konzept der vorsichtigen Bewertung als theoretisches Konstrukt diskutiert. Der Abschnitt bleibt hierdurch weitgehend unabhängig von den aktuellen aufsichtsrechtlichen Regelungen. Jedoch werden durch die dabei vorgenommene Abstrak tion prinzipielle Schwierigkeiten bei einer Umsetzung dieser Regelungen gut sichtbar, insbesondere hinsichtlich der Wahrung von Konsistenz zu bilanziellen Größen und bezüglich der Vermeidung von Doppelanrechnungen gegenüber Anrechnungsbeträgen für Risikopositionen. Im nachfolgenden Abschnitt wird die praktische Umsetzung im Rahmen der - oben erwähnten - bestehenden und der absehbaren, zukünftigen aufsichtsrechtlichen Regelungen erörtert.

Grundlegendes Konstrukt der aufsichtsrechtlichen Solvabilitätsüberwachung ist die Gegenüberstellung von Eigenmitteln und Risikopositionen. Für die Bestimmung von Anrechnungsbeträgen für Risikopositionen existieren hierbei umfangreiche Regelungen, welche die Unsicherheiten der zukünftigen Werthaltigkeit der Risikopositionen reflektieren, die aber mit den bilanziellen Wertansätzen keinen unmittelbaren Zusammenhang aufweisen. Für die Eigenmittelbestimmung hingegen werden die Wertansätze verschiedener passivischer Bilanzposten, insbesondere jener von Eigenkapitalposten, zu einem Stichtag übernommen. Die Eigenmittel sind somit weitgehend eine Residualgröße, was ihre in der Solvabilitätsüberwachung unterstellte Pufferwirkung begründet.

Auf einen Satz reduziert, sichert ein Regime der "vorsichtigen Bewertung", dass die Höhe dieser Eigenmittel und damit ihre Pufferwirkung im Hinblick auf ihre tatsächliche Verfügbarkeit konservativ eingeschätzt werden. Hierbei sind beispielsweise insbesondere jene Bilanzposten der Aktivund Passivseite relevant, die die Eigenmittel über die GuV-Wirkung ihrer (unrealisierten) Bewertungsgewinne und -verluste beeinflussen.4)

Um zu einem vorsichtigen Wertansatz für eine solche Bilanzposition zu gelangen, müssen bei ihrer Bewertung folgende Aspekte konservativ berücksichtigt werden:

· stichtagsbezogene Unsicherheiten (zum Beispiel Unsicherheiten bei Modellbewertungen)5) und

· voraussehbare, zukünftige Kosten oder Wertabschläge, die im Zusammenhang mit der Bilanzposition stehen (etwa Kosten zur Aufrechterhaltung eines Hedges einer Position).6)

Unter der Rahmenbedingung, die externe Rechnungslegung und ihre Verwendung als Grundlage der Eigenmittelbestimmung nicht zu verändern, kommt für die Verankerung einer vorsichtigen Bewertung grundsätzlich einer der beiden nachfolgend beschriebenen, in Abbildung 1 skizzierten Prozesse oder eine Mischung dieser beiden Prozesse in Betracht:

· Prozess der Nachsteuerung (I): Hier werden als Ausgangsbasis die Ansätze und Bewertungen der externen Rechnungslegung auf der durch den Rechnungslegungsstandard vorgegebenen Bewertungsebene übernommen. Für jede Position wird eine zu etwaigen Bewertungsanpassungen der externen Rechnungslegung zusätzliche, vorsichtige Bewertungsanpassung bestimmt, die den bilanziellen Wertansatz auf einen vorsichtigen Wertansatz verändert. Aus den vorsichtigen Bewertungsanpassungen wird anschließend auf konservative Weise7) ein Korrekturposten für die Eigenmittel aggregiert.

· Prozess einer eigenständigen Bewertung (II): Hier werden die Ansätze, nicht aber die Bewertungen der externen Rechnungslegung übernommen, wobei eine maximal granulare Ebene (in der Regel das einzelne Finanzinstrument) gewählt wird. Es folgt eine eigenständige Positionsbildung nebst einer eigenständigen, vorsichtigen Bewertung. Die resultierenden Wertansätze werden aggregiert, und es wird durch Vergleich mit dem Wertansatz der Bilanz auf geeigneter Ebene (zum Beispiel Firmenebene) ein Korrekturposten für die Eigenmittel gebildet.

· Mischprozesse (III): Eine Mischung beider Prozesse ist denkbar. Dabei könnten verschiedene Bewertungsanpassungen auf verschiedenen Ebenen (etwa auf Ebene einzelner Finanzinstrumente, von Hedge-Einheiten, Portfolios oder Profit-Centern) entweder wie in Prozess I oder wie in Prozess II gebildet und anschließend konservativ aggregiert werden.

... und Herausforderungen

Konsistenz und Zweckdienlichkeit der beschriebenen Prozesse hängen entscheidend vom Umgang mit verschiedenen Herausforderungen ab, welche nachfolgend für die Prozessvarianten I und II diskutiert werden (bei Verwendung eines Mischprozesses ist eine Erschwerung der nachfolgend beschriebenen notwendigen Abgrenzungen und Herausforderungen zu erwarten).

1. Kompatibilität: Grundlage der Eigenmittelbestimmung ist der jeweils angewandte Bilanzierungsstandard. Die nachfolgend dargestellten Herausforderungen sind für unterschiedliche Rechnungslegungswerke verschieden stark ausgeprägt und benötigen gegebenenfalls unterschiedliche Lösungsansätze. Die Vorgaben zur vorsichtigen Bewertung sollten daher ausreichend generisch und möglichst losgelöst von konkreten bilanziellen Vorgaben sein (letzteres zum Beispiel realisiert in Prozess II), um eine größtmögliche Flexibilität und Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten.

2. Proportionalität: Anforderungen an die vorsichtige Bewertung sollten der unterschiedlichen Komplexität der Geschäftsmodelle der Kreditinstitute Rechnung tragen. Beispielsweise skaliert die Höhe des Korrekturpostens mit dem Umfang der überhaupt in die vorsichtige Bewertung übergeleiteten Positionen und der Geschäftskomplexität. Angesichts des Proportionalitätsgrundsatzes scheint es daher sachgemäß, Bagatellgrenzen für Umfang und Komplexität dieser Positionen festzulegen, unterhalb der sich die Bestimmung eines Korrekturpostens erübrigt.

3. Ansatz: Es sind jene Bilanzansätze zu identifizieren, die die Residualgröße "Eigenmittel aus Stichtagssicht" unsicher erscheinen lassen und deshalb vorsichtig bewertet werden müssen. Es erscheint grundsätzlich sachgerecht, ein besonderes Augenmerk auf Positionen zu legen, die in der Bilanz zum beizulegenden Zeitwert respektive Fair Value geführt werden, da ihr Wertansatz in der Regel mit einer erhöhten Unsicherheit (etwa aufgrund der häufig notwendigen Modellschätzung) behaftet ist und ihre Schwankungen GuV-wirksam sind. Jedoch ist eine Beschränkung auf solche Positionen nicht zwingend.8) Des Weiteren weisen die Rechnungslegungsstandards verschiedene Konstrukte unter Einbezug von Fair-Value-Positionen auf, die gegebenenfalls gesonderter Regelungen bedürfen.9)

4. Bewertungsgrundsatz: Die vorsichtige Bewertung bedarf, wie jede andere Bewertung auch, einer Fiktion über den Umgang mit dem zu bewertenden Gegenstand.10) Eine Anlehnung an die Bestimmung des Preises einer marktgerechten, unerzwungenen Veräußerung, wie es Fair-Valuebeziehungsweise beizulegende Zeitwert-Positionen in IFRS und HGB vorsehen, ist für Prozess I zwingend, jedoch auch in Prozess II aus Gründen der Vergleichbarkeit naheliegend. Hierbei werden die grundlegenden Probleme dieses Ansatzes, beispielsweise in der Bewertung von Verbindlichkeiten,11) geerbt und bedürfen insofern geeigneter Lösungsansätze.

5. Positionsbildung/Bewertungsebenen: Die sachgerechte Festlegung der für die vorsichtige Bewertung zu bildenden Bewertungsebenen (zum Beispiel Einzelinstrumentenbasis, Portfolioebene, Netting-Set-Ebene oder Ähnliches) ist entscheidend für die Bestimmung sachgerechter Korrekturposten. Insbesondere in Prozess I ist jedoch eine Anpassung der übernommenen Positionen schwierig, da eine Zerlegung und gegebenenfalls Re-Aggregation eventuell bereits in der Bilanz beachteter Bewertungsanpassungen im Allgemeinen kaum möglich ist. Eine freie Portfoliobildung, wie sie Prozess II ermöglicht, mildert dieses Problem.

6. Doppelanrechnung mit Bilanzpositionen: Bereits in der bilanziellen Bewertung werden unterschiedliche Risikoprämien und Kostenkomponenten eingerechnet,12) deren wiederholte Beachtung in der vorsichtigen Bewertung nicht sachgerecht wäre. Dieses Problem stellt sich insbesondere in Prozess I, da die vorsichtigen Bewertungsanpassungen hier ein Wissen um bereits erfolgte Bewertungsanpassungen voraussetzen. Prozess II mildert dieses Problem, da sich in beiden Bewertungen beachtete Abschläge im Vergleichsschritt gegenüberstehen.

7. Doppelanrechnung mit Risikopositionen: Das Konzept einer vorsichtigen Bewertung führt zu Abgrenzungsproblemen zwischen der Bestimmung der Risikoposition und der Bestimmung der Eigenmittel. Zum Beispiel ist eine Trennung zwischen zukünftigen Wertschwankungen (die in den Risikopositionen beachtet werden sollten) und stichtäglichen Unsicherheiten häufig schwierig sachgerecht durchzuhalten (zum Beispiel in der Beachtung von Marktpreisrisiken). Die Gefahr einer solchen Doppelanrechnung besteht jedoch auch für Kostenkomponenten, wenn etwa Marktschwankungen Ursache dieser Kosten sind (vergleiche Punkt 9). Aufgrund ihrer prinzipiellen Natur sind diese Probleme in beiden Prozessketten gleichermaßen relevant.

8. Stichtagsbezogene Unsicherheiten: Ein reiner Stichtagsbezug ist sowohl theoretisch als auch in der praktischen Schätzung einer prinzipiell als zeitpunktbezogen erkannten Unsicherheit schwierig herzustellen.13) Hierzu wird häufig ein Abstellen auf Zeiträume vor dem Stichtag oder deren Streumaße notwendig sein, um eine valide Datengrundlage zu schaffen. Dies verschärft das Problem von Doppelanrechnungen mit Risikopositionen (vergleiche Punkt 7). In Spannung hierzu steht auch der erforderliche Datenbedarf, wenn versucht werden sollte, quantitative Vorgaben (etwa per Angabe eines Risikomaßes) über eine zu erzielende "Konservativität" oder Verlässlichkeit der vorsichtigen Bewertung zu machen,14) sofern diese mehr als nur eine scheinbare Genauigkeit produzieren sollen.

9. Voraussehbare, zukünftige Kosten: Es sollten bereits angefallene Kosten, die nicht im Positionswert reflektiert sind (etwa weil sie periodengerecht abgegrenzt werden), und voraussehbare, zukünftige Kosten unterschieden werden. Erstere sind mit vergleichsweise geringem Aufwand bestimmbar. Letztere sind nur über Annahmen zu bestimmen und hängen eng mit der Ausgestaltung des gewählten Bewertungsansatzes zusammen. Beispielsweise sind mit der Veräußerung von Positionen regelmäßig signifikante implizite Transaktionskosten verbunden. Zu deren Bestimmung ist die Qualität des relevanten Marktes abzuschätzen, oder es sind diesbezügliche Annahmen erforderlich: Die IFRS nehmen beispielsweise an, dass ein Stichtags-Marktpreis eine unbegrenzte Markttiefe aufweist, also keine impliziten Kosten anfallen.15) Jedoch erscheint es im Rahmen einer vorsichtigen Bewertung denkbar, einen realistischen, endlichen Zeitraum anzusetzen. Hierdurch ist eine Kostenabschätzung etwa mittels Shortfall-Modellen oder Ähnlichem notwendig, deren Komponenten zumindest teilweise zu Doppelanrechnungen führen können.16)

10. Aggregation: Die Methode der Aggregation einzelner Werte oder Wertanpassungen zur Bestimmung eines gemeinsamen Korrekturpostens hat aufgrund zu erwartender Ausgleichseffekte zwischen den Einzelpositionen einen signifikanten Einfluss auf dessen letztendliche Höhe. Die Regelung der Anerkennung etwaiger Ausgleichseffekte ist daher von hoher Wichtigkeit. Prozess II bietet in dieser Hinsicht den Vorteil, dass Ausgleichseffekte bereits in einer sachgerechten Positionsbildung beachtet werden können und der aggregierte Wert nur auf Firmenebene benötigt wird.

Die praktische Umsetzung - aktuelle aufsichtliche Ausgestaltung

Maßgeblich für die Anforderungen zur vorsichtigen Bewertung ist in Deutschland derzeit das BaFin-Rundschreiben 13/2011 (BA) zur Bewertung von Positionen des Handelsbuches.17) Künftig werden die Anforderungen an die vorsichtige Bewertung in der CRR18) geregelt sein, auf die sich die weiteren Ausführungen daher konzentrieren. Auf das Rundschreiben 13/2011 wird im Weiteren insbesondere vergleichend zurückgegriffen.

Die CRR beinhaltet in Artikel 100 "Requirements for Prudent Valuation" weitgehend inhaltsgleich die Regelungen des Rundschreibens 13/2011. In Artikel 31 der CRR wird der Anwendungsbereich dieser Regelungen zum Zwecke der Eigenmittelbestimmung auf "[...] all [...] assets measured at fair value [...]" ausgeweitet. Grundlage ist jeweils der entsprechende Begriff des "applicable accounting framework"19), also in Deutschland entweder des HGB oder der IFRS.

In Artikel 100 Nr. 14 der CRR wird die EBA beauftragt, einen Regulatory Technical Standard zu entwickeln, der die Auslegung der CRR hinsichtlich der vorsichtigen Bewertung verbindlich regeln soll. Im November 2012 stellte die EBA ein erstes Diskussionspapier zu diesem RTS vor (im Folgenden kurz RTS-DP) - ein überarbeitetes Konsultationspapier wird später in 2013 erwartet.

Der hohe Detaillierungsgrad und der vorschriftenorientierte Charakter des RTS-DP unterscheiden sich deutlich von den in der Regel nach Proportionalitätsgedanken und somit eher prinzipienorientiert formulierten Richtlinien der BaFin. Umso beachtenswerter ist es, dass verschiedene in obigem, erstem Abschnitt als wichtig identifizierte Aspekte darin nicht angesprochen werden. So wird zum Beispiel nicht auf besondere Konstrukte oder Eigenarten der beiden Rechnungslegungsstandards (wie etwa Sicherungsbeziehungen oder die verlustfreie Bewertung des Bankbuches) eingegangen (vergleiche im vorigen Abschnitt Punkte 1 und 3).

Beachtenswert ist des Weiteren, dass der RTS-DP generisch von "positions measured at fair value"20) spricht, also die Beschränkung des Artikels 31 auf Vermögensgegenstände (assets) offenbar nicht aufgreift. Zwar werden die im vorigen Abschnitt unter Punkt 4 angesprochenen Probleme im Rahmen der Fair-Value-Bewertung von Vermögensgegenständen durch die grundsätzliche Ausklammerung von Eigenbonitätseffekten21) entschärft, jedoch werden verbleibende Unklarheiten nicht durch den RTS-DP aufgegriffen.

Zukünftiges Regime für alle Banken relevant

Aktuell werden insbesondere kleinere Banken - einerseits durch generelle Ausnahme von den Vorschriften zum Handelsbuch,22) andererseits durch spezielle Bagatellgrenzen für den Korrekturposten aus der vorsichtigen Bewertung23) - vom Regime der vorsichtigen Bewertung in der Eigenmittelbestimmung ausgenommen. Gemäß der CRR und des RTS-DP entfallen beide Regelungen, wodurch das Regime der vorsichtigen Bewertung für grundsätzlich jede Bank, unabhängig von ihrem Geschäftsmodell oder ihrer Größe, relevant wird (vergleiche auch Punkt 2 in der Aufzählung zu den Herausforderungen).

Das RTS-DP stellt für die vorsichtige Bewertung explizit auf ein Konfidenzniveau von 95 Prozent für den bei Schließung oder dauerhafter Risikoabsicherung erzielbaren Wert einer Position ab.24) Wie im vorherigen Abschnitt unter Punkt 8 dargelegt, ist dies prinzipiell kritisch zu sehen, da im Allgemeinen lediglich eine Scheingenauigkeit erreichbar sein dürfte. Allerdings wird dieser Punkt bereits im RTS-DP erkannt,25) sodass hinsichtlich dieser quantitativen Festlegung noch auf Anpassungen gehofft werden darf, die den Erfordernissen der Praxis Rechnung tragen.

Der Begriff der Position und damit die Ebene, auf welcher eine vorsichtige Bewertung erfolgen soll, werden im RTS-DP nicht abschließend geklärt. Aus den darin vorgenommenen grundlegenden Definitionen erscheint ein Abstellen auf die Positionen der externen Rechnungslegung ebenso plausibel wie eine gesonderte Positionsbildung für die Zwecke der vorsichtigen Bewertung.26)

Beachtenswert in diesem Kontext sind allerdings die Forderung, dass der vorsichtige Wert den Fair Value auf Positionsebene nicht überschreiten darf,27) sowie die Vergleichsforderungen in den Bestimmungsvorschriften einzelner zusätzlicher Bewertungsanpassungen.28) Dies impliziert eine Bewertung auf der Bewertungsebene des relevanten Rechnungslegungsstandards.

In dieser Diskussion wird deutlich, dass das RTS-DP eher auf eine Form des dargestellten Prozesses der Nachsteuerung abstellt. Er enthält in geringerem Maße allerdings auch Elemente des Prozesses einer eigenständigen Bewertung. Vor- und Nachteile der beiden Prozessarten und dieser gemischten Prozessstruktur wurden bereits diskutiert.

Risiko von Doppelanrechnungen

Doppelanrechnungen mit Bilanzpositionen (vergleiche zuvor Punkt 6) werden in dem RTS-DP nicht explizit diskutiert, es wird allerdings im RTS-DP ein Wissen um die Bewertungsanpassungen aus der externen Rechnungslegung vorausgesetzt.29) Doppelanrechnungen mit Risikopositionen werden ausschließlich für operationelle Risiken anerkannt, ansonsten nur unter besonderen Umständen überhaupt als relevant erachtet.30)

Wie im Rahmen der Aufzählung der Herausforderungen, insbesondere unter Punkt 7 bis 9, dargelegt, ist eine Doppelanrechnung mit Risikopositionen jedoch schwer zu vermeiden.

Abschließend ordnet Abbildung 2 die durch die CRR in Verbindung mit dem RTS-DP explizit geforderten Bewertungsanpassungen (additional valuation adjustments, kurz AVA) in die Kategorien des vorigen Abschnitts ein. Eine detaillierte Diskussion aller AVA würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, daher werden die geforderten Bewertungsanpassungen nur in Einzelfällen ausführlicher besprochen.

Der Kategorie der stichtagsbezogenen Unsicherheiten sind vier Bewertungsanpassungen zuordenbar. Allen gemein sind die hohen Anforderungen an Datenhaltung sowie an den methodischen Aufwand, den ihre zuverlässige Berechnung erfordert. Bemerkenswert ist der Umgang mit Modellunsicherheiten:31) So werden Unsicherheiten aufgrund unbeobachtbarer respektive unsicherer Parameter der market price uncertainty zugeschlagen,32) Unsicherheiten aufgrund mehrerer verfügbarer Modelle oder Kalibrierungen als modelrisk identifiziert.33)

Vier Bewertungsanpassungen sind der Kategorie der voraussehbaren, zukünftigen Kosten zuzuordnen. Beachtenswert ist hierbei insbesondere die Anpassung für concentration and liquidity: Für Positionen, die aufgrund fehlender Marktiefe nicht diesseits geeigneter Grenzwerte gehandelt werden können, sind Abschläge im Sinne impliziter Handelskosten vorgesehen.34) Die resultierenden Abgrenzungsprobleme zu Marktpreisrisikopositionen wurden zuvor unter Aufzählungspunkt 9 besprochen. Schließlich sei auf die Anpassung für Investing-and-funding-Kosten hingewiesen, da sie hochaktuelle Probleme der Derivatebewertung im Rahmen der vorsichtigen Bewertung aufgreift.35)

Die in Abbildung 2 dargestellte Kategorie andere AVA beinhaltet Anpassungen, die nicht sinnvoll kategorisiert werden konnten. Die erwarteten Verluste aus operationellen Risiken im Rahmen der Bewertung sollten, wie bereits dargelegt, nach Kons truktion nicht in der Eigenmittelbestimmung, sondern in der entsprechenden Risikoposition abgebildet werden.36) Die Anerkenntnis von Doppelanrechnungen wäre lediglich eine Ex-post-Korrektur des Bruchs mit der Konstruktion.

Fußnoten

1) Ursprünglich durch die Global Derivatives Group der Group of Thirty vorgeschlagen (vgl. Group of Thirty, Derivatives: Practices and Principles, 1995), später durch den Baseler Ausschuss (BCBS) in BCBS 158, Revisions to the Basel II market risk framework ("Basel 2.5", 2009) aufgegriffen, auf europäischer Ebene in der CRD III umgesetzt und durch das RS 13/2011(BA) Bewertung von Positionen des Handelsbuchs i.V.m. §1 a Abs. 8 KWG schließlich in deutsches Recht umgesetzt.

2) Vgl. CRR, Artikel 31. Sämtliche Verweise auf die CRR beziehen sich auf den "text of the political agreement" vom 26.3.2013.

3) Aktuelle Version ist das Diskussionspapier EBA/ DP/2012/03, im Folgenden kurz als RTS-DP bezeichnet.

4) Vgl. Punkt 3 in diesem Abschnitt.

5) Weitere Beispiele sind Unsicherheiten bezüglich einer genutzten Quotierung (zum Beispiel weil mehrere Quotierungen vorliegen), Unsicherheiten in der Geld-Brief-Spanne, Unsicherheiten in der Auswahl oder der Parametrisierung von Bewertungsmodellen.

6) Weitere Beispiele sind ansonsten nicht hinreichend beachtete, bereits angefallene Kosten oder implizite Kosten bei einer Transaktion.

7) Wobei zum Beispiel sicherzustellen ist, dass das Minimum an bilanziellem und vorsichtigem Wertansatz als Untergrenze verwendet wird.

8) Beispielsweise können auch zur Endfälligkeit gehaltene Instrumente voraussehbare Kosten (etwa Verwaltungskosten) enthalten.

9) Beispiele sind hier Sicherungsbeziehungen nach § 254 HGB, IAS39 beziehungsweise IFRS 9, Drohverlustrückstellungen nach HGB oder Finanzinstrumente, die aufgrund unmöglicher Bewertung zu Anschaffungskosten fortgeführt werden, vgl. IDW RS BFA 2, Tz. 36.

10) Beispielweise eine erzwungene Liquidation der Position, ein Halten bis zur Endfälligkeit o.Ä.

11) Vgl. zum Beispiel Küting, Lauer, KoR6/2012, S.275ff.

12) Zum Beispiel der Risikoabschlag im Handelsbestand nach §340 e HGB oder "riskadjustments" des IFRS 13, zum Beispiel Tz. 88.

13) Ein Beispiel, in dem der Stichtagsbezug durchzuhalten wäre, ist die Unsicherheit eines Tagesend-Fixings, dem eine Panelbefragung zugrunde liegt und dessen Geld-Brief-Spanne durch Aufschlag eines fixen Spreads modelliert wird (zum Beispiel die AUD Bank Bill Swap Rate).

14) Beispielsweise durch Angabe eines Konfidenzintervalls.

15) Vgl. IFRS 13, Tz. 80.

16) Zum Beispiel auf Verzögerungen in der Veräußerung zurückzuführende Kosten (sogenannte "delaycosts" oder "slippage").

17) §1 a Abs. 8 KWG und RS 13/2011(BA) Bewertung von Positionen des Handelsbuchs, vgl. auch kommentierend Weber in Scharpf/Schrader [Hrsg.], Handbuch Bankbilanz, 2. Auflage 2009, S. 114ff.

18) Die Aufsicht beabsichtigte mit dem Rundschreiben 13/2011 insbesondere auch eine Vorbereitungswirkung auf die CRR, vgl. Kallmeyer, Recht der Finanzinstrumente 3/2012, S. 209.

19) Vgl. RTS, Tz. 5, ebenso CRR, Artikel 4, Tz. (53).

20) Zum Beispiel im ersten Absatz des Abschnitts 3, RTS, S. 5.

21) Vgl. CRR, Artikel 30, Satz 1, Tz. (b) und (c).

22) Vgl. §2 Abs. 11 KWG.

23) Vgl. RS 13/2011(BA), Abschnitt B.IV.3.

24) Vgl. RTS, Abschnitt 4.2, Tz. 17.

25) Vgl. RTS, Tz. 12 und Tz. 17.

26) Vgl. RTS, Tz. 7 und den dort nachfolgenden Kasten.

27) Vgl. RTS, Tz. 58.

28) Vgl. RTS Tz. 21-53.

29) Zum Beispiel in RTS, Tz. 53.

30) Vgl. RTS, Tz. 63.

31) Vgl. einführend auch Jureit, Christ, Wächter, KoR 12/2012, S. 545ff.

32) Vgl. RTS Tz. 35.

33) Vgl. RTS Tz. 45ff.

34) RTS, Tz. 51-53.

35) Vgl. als Übersicht Cameron, Risk Magazine, March 2013.

36) Künftig geregelt in CRR, Titel III.

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