Aufsätze

Wege zur Integration der strategischen Asset Allocation in die Gesamtbanksteuerung

Viele Banken und Sparkassen haben in den vergangenen Jahren
wertorientierte Steuerungskonzepte im Bereich der Zinsbuchsteuerung
aufgebaut. Die übrigen Assetklassen blieben - sofern sie nicht
zinsbuchrelevant waren - meist außen vor. Für eine integrierte
Steuerung sämtlicher Eigenanlagen ist es jedoch notwendig, die
Systematik und Erkenntnisse in der Zinsbuchsteuerung auf die übrigen
Assetklassen auszuweiten.
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Vier Schritte einer Investmentstrategie
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Ziel der strategischen Asset Allocation ist langfristig ein
überlegenes Risk-/Returnoptimiertes Portfolio von Anlageklassen.
Hierzu werden alle Vermögenswerte der Bank einbezogen, die
strategischen Charakter haben.
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Eine klare Investmentstrategie erfordert die Bearbeitung folgender
vier Schritte:
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- Auswahl des Anlageuniversums,
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- Risikomessung,
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- Optimierung der Asset Allocation unter Berücksichtigung des
Risikodeckungspotenzials und
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- Auswahl der Investitionsstrategie je Assetklasse.
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Damit wird die strategische Grundlage gelegt, um mit verschiedenen
Assetmanagern eine Neustrukturierung des Sondervermögens zu
diskutieren, das regelmäßige Reporting abzustimmen und die notwendigen
Prozesse in der Bank zu installieren.
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Auswahl des Anlageuniversums: Zunächst ist eine überschaubare Anzahl
von Assetklassen zu definieren, aus denen eine effiziente Kombination
ausgewählt werden soll. Dieses Anlageuniversum ist unabhängig davon zu
bestimmen, ob die Bank selbst oder Dritte beauftragt, in diese zu
investieren. In einer Assetklasse werden Anlagemöglichkeiten oder
Märkte zusammengefasst, deren Risiko maßgeblich denselben
systematischen Risikotreiber haben und die nach Möglichkeit zu den
anderen Assetklassen keine hohe Korrelation aufweisen.
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Die Hannoversche Volksbank ging bei ihrem Projekt zunächst von einer
möglichen Investition in folgende fünf Assetklassen aus: Aktien
(Nordamerika, Europa, Asien/Pazifik), Renten (REXP, Corporate Bonds,
Government Bonds, ABS), Geldmarkt, Immobilien und Beteiligungen.
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Zuordnung der Anlagen zu den Asset Klassen
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Nach der Festlegung des Anlageuniversums wurde die Vermögenssituation
der Bank unter diesem neuen Blickwinkel betrachtet, das heißt, die
vorhandenen Anlagen wurden den definierten Assetklassen zugeordnet.
Hierbei wurde das strategische Zinsbuch auf zwei Assetklassen
aufgeteilt.
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Erstens: Der typische passivische Refi-nanzierungs-Cashflow mit kurzer
Laufzeit wurde mit negativem Vorzeichen der Assetklasse Geldmarkt
zugeordnet.
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Zweitens: Die Struktur der Aktivüberhänge wurde einer Assetklasse
Renten zugeordnet. Letztere war durch einen geeigneten Index - etwa
den REXP - beschrieben.
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Abbildung 1 zeigt eine solche Sicht auf das Vermögen am Beispiel einer
fiktiven, aber typischen Bank, die neben Renten und Aktien auch
ABS-Strukturen als mögliche Assetklassen identifiziert hat. Dabei wird
angenommen, dass sich das Portfolio aus dem strategischen Zinsbuch und
einem Spezialfonds zusammensetzt. Das strategische Zinsbuch habe einen
einfachen Barwert von 100 Millionen Euro zweifach gehebelt, also
werden 200 Millionen Euro in die Assetklasse Renten und 100 Millionen
Euro für die Refinanzierung in die Assetklasse Geldmarkt eingeordnet;
der Spezialfonds verfüge über 100 Millionen Euro in Renten, zehn
Millionen Euro Aktien und zehn Millionen Euro geldmarktnahe Anlagen.
Die Gesamtposition besteht also aus einem Gesamtvermögen von 220
Millionen Euro, das auf die Assetklassen Geldmarkt, Renten und Aktien
aufgeteilt werden kann.
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Risikomessung: Das Risiko wurde im Fall der Hannoverschen Volksbank
mit der Va-rianz-Kovarianz-Methode gemessen. Dieses Messverfahren
unterstellt vereinfachte Annahmen über die Risikoverteilung. Es ist
sehr gut geeignet, um mit wenig Parametrisierungs- und Rechenaufwand
das Zusammenwirken der verschiedenen Assetklassen grundsätzlich zu
verstehen. Für eine verfeinerte Analyse, die neben wertorientierten
Aspekten auch GuV-Effekte berücksichtigt, sind auch aufwendigere
Simulationsverfahren möglich.
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Ein fiktives Fallbeispiel
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Die notwendigen Parameter bei der Va-rianz-Kovarianz-Methode sind
erstens die Performance und Standardabweichung der einzelnen
Assetklassen sowie zweitens die Korrelationen der Assetklassen
untereinander. Dabei ist es zweckmäßig, die Assetklassen zu
indizieren. Das heißt, man sucht sich einen handelbaren und am Markt
beobachtbaren Index, der die Assetklasse möglichst adäquat beschreibt.
Die Analyse dieses Indexes liefert die zu verwendenden Parameter.
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Für die Assetklasse Aktien Euro kann zum Beispiel der Index MSCI
Europe gewählt werden. Zunächst wird ein historischer Zeitraum
bestimmt, dann erfolgt die Berechnung der mittleren Performance, der
Standardabweichung und der Korrelationen der Indexzeitreihe zu den
anderen Indizes. Dieses Vorgehen beruht auf der Annahme, dass die
Beobachtung der Vergangenheit aussagekräftige Erkenntnisse für die
Zukunft liefern kann - eine Annahme, die vor allem in Bezug auf die
Renditeerwartungen gut überlegt sein will. Großen Einfluss auf die
Parameterwerte hat auch die Wahl des historischen Zeitraums. Daher
empfiehlt es sich, eigene Einschätzungen über die zu erwartenden
Performances zu formulieren und in die Strategiefindung einfließen zu
lassen. Dies kann zum Beispiel im Rahmen vernetzter
Parametervariationen unter Nutzung des Black-Litterman-Modells1)
erfolgen.
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Risikodeckungspotenzial
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Im fiktiven Fallbeispiel werden Renditen, Risiken und Korrelationen
der gewählten Assetklassen wie in Abbildung 2 unterstellt. Hierbei ist
die Nettoperformance die Differenz zwischen Bruttoperformance und
risikoloser Rendite.
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Addiert man die Einzelrisiken ohne Berücksichtigung der Korrelationen,
ergibt sich im Fallbeispiel ein Gesamtrisiko von 36 Millionen Euro.
Unter Berücksichtigung der Korrelationen reduziert sich das
Gesamtrisiko auf 31 Millionen Euro; das entspricht einer Reduktion des
Risikos auf 86 Prozent. Die Nettoperformance beträgt elf Millionen
Euro, das heißt der RoRac (Nettoperformance geteilt durch Value at
Risk) beläuft sich auf 36 Prozent.
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Optimierung der Asset Allocation unter Berücksichtigung des
Risikodeckungspotenzials: Für die Wahl einer effizienten Asset
Allocation gibt es eine entscheidende strategische Nebenbedingung: Das
eingegangene Risiko muss durch das barwertige Risikodeckungspotenzial
beziehungsweise die bereitgestellte Risikodeckungsmasse abgedeckt
werden können.
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Das barwertige Risikodeckungspotenzial einer Bank ergibt sich aus den
Vermögenswerten abzüglich der Kostenkomponenten. Addiert werden kann
zudem die erwartete Performance in den verschiedenen
Steuerungsbereichen der Bank. Abgezogen werden davon das strategische
Eigenkapital3) und die Vorsorgereserven. Das Ergebnis ist die
Risikodeckungsmasse. Sie kann zur Abdeckung der verschiedenen Risiken
eingeplant werden. Häufig ist jener Teil der Risikodeckungsmasse, der
zur Abdeckung von Marktpreisrisiken dient, die Residualgröße nach
Abzug der Budgets für Adressrisiken und operationale Risiken. Dieses
Kapital dient der Absicherung von Marktpreisrisiken aus strategischem
Zinsbuch, Aktienpositionen, Spezialfonds, Handelsbuch und weiteren
Büchern.
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Optimierung der Portfoliostruktur
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Für das Fallbeispiel betrage die ausgewiesene barwertige
Risikodeckungsmasse 90 Millionen Euro. Davon werden zehn Millionen
Euro zur Abdeckung operationaler Risiken und weitere 20 Millionen Euro
zur Abdeckung von Adressenausfallrisiken aus dem Kundenkreditportfolio
(Credit Value at Risk) eingeplant. Der Rest von 60 Millionen Euro
steht zur Deckung von
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Marktpreisrisiken4) zur Verfügung. Das strategische Zinsbuch der Bank
schlägt mit einem Value at Risk von 21 Millionen Euro zu Buche, der
Spezialfonds weist Risiken in Höhe von 15 Millionen Euro aus, in der
Summe also 36 Millionen Euro. Die Risikodeckungsmasse im
Marktpreisrisiko ist daher zu 60 Prozent ausgelastet.
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In bestimmten Assetklassen können individuelle Volumenlimite gesetzt
werden, wenn etwa eine bestimmte Aktienquote nicht überschritten
werden soll. Im Fallbeispiel soll die Investition in ABS-Strukturen
zunächst auf 30 Millionen Euro beschränkt werden, da es sich um eine
für die Bank neue Assetklasse handelt. Weiterhin soll der
Auslastungsgrad von 60 Prozent der Risikodeckungsmasse nicht verändert
werden.
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Unter Verwendung des Varianz-Kovarianz-Modells wird die Verteilung des
vorhandenen Vermögens auf die Assetklassen solange variiert, bis -
unter Beachtung der Nebenbedingungen - die Performance maximal wird.
Jede Investition in eine Assetklasse wird dabei im Geldmarkt
refinanziert, sodass das Vermögen in der Gesamtsumme immer gleich
bleibt. Das unter diesen Bedingungen optimierte Beispielportfolio ist
in Abbildung 3 dargestellt.
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Die Zusammensetzung des Portfolios ändert sich also deutlich.
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- Der Aktienanteil wird von zehn auf 45 Millionen Euro erhöht.
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- Das Limit für ABS-Strukturen wird mit 30 Millionen Euro vollständig
ausgeschöpft.
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- Die Investition in Renten (REXP) geht auf insgesamt 263 Millionen
Euro zurück.
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- Da sich das Vermögen bei der Umschichtung nicht verändern darf,
erhöht sich der Geldmarkt-Hebel von minus 90 auf minus 118 Millionen
Euro.
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Die verbesserte Nutzung der Korrelationseffekte zeigt sich darin, dass
sich im optimierten Portfolio die (unkorrelierten) Risiken zu 47
Millionen Euro summieren, das korrelierte Risiko jedoch unverändert
bei 31 Millionen Euro verbleibt. Dies entspricht einer Reduktion des
Risikos auf 66 Prozent. Die Nettoperformance erhöht sich von 11,3 auf
13,2 Millionen Euro, was einem RoRac (Nettoperformance geteilt durch
Value at Risk) von 42 Prozent entspricht.
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Aktives oder passives Management
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Auswahl der Investitionsstrategie je Assetklasse: Nachdem sich die
Hannoversche Volksbank für eine effiziente Kombination von Märkten
entschied, stellten sich für jede gewählte Assetklasse die Fragen:
Aktives oder passives Management? Eigen- oder Fremdsteuerung? Dabei
sind alle Kombinationen denkbar. Eine Entscheidung für passives
Management einer Assetklasse bedeutet zum Beispiel nicht zwangsläufig,
dass diese Assetklasse intern, also durch die Bank selbst gesteuert
werden muss.
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Der aktiven Steuerung liegt die Idee zugrunde, dass der Steuernde
Informationsvorteile ausnutzen kann und eine Chance auf
Zusatzperformance unter Berücksichtigung der (im Vergleich zur
passiven Strategie vermutlich höheren) Kosten erhält. Auf effizienten
Märkten (Blue Chips) ist insofern kaum eine Überrendite erzielbar. Die
passive Investition in eine Benchmark hat dagegen den Vorteil
geringerer Kosten und einer Risikodiversifikation gemäß der Benchmark.
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Für das strategische Zinsbuch war bei der Hannoverschen Volksbank -
wie bei vielen anderen Banken - bereits eine Steuerungsstrategie
formuliert. In der Regel ist dies eine semi-aktive Steuerung mit einem
gleitenden Durchschnitt als Benchmark, etwa dem so genannten
Gleitenden Zehner (Zehn-Jahresdurchschnitt).
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Eigen- oder Fremdmanagement?
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Bei der Entscheidung für Eigen- oder Fremdmanagement sollte man
folgende Faktoren berücksichtigen: Vorhandenes Markt-Know-how, der
mögliche Zugriff auf professionelles Primärresearch, Vorteile in der
Personalrekrutierung, die Reduktion von Transaktionsaktion durch
Skaleneffekte oder handelsrechtliche Vorteile.
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Im fiktiven Fallbeispiel entscheidet die Bank zum Beispiel, das
strategische Zinsbuch weiterhin selbst mit dem REXP als Benchmark zu
steuern. Für die Investition in die ABS-Strukturen kauft sie Anteile
an einem entsprechenden Fonds. Außerdem entscheidet die Bank, den
Spezialfonds neu zu strukturieren. Der Spezialfonds soll eine Position
im REXP in Höhe von 63 Millionen Euro und eine Aktienposition in Höhe
von 45 Millionen Euro verwalten (Abbildung 4). Die Bank verwendet das
Verfahren auch für das Teilportfolio Spezialfonds (Abbildung 5).
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Die (unkorrelierten) Risiken summieren sich zu 25 Millionen Euro, das
korrelierte Risiko beträgt 19 Millionen Euro. Die Nettoperformance
beträgt 6,0 Millionen Euro. Die Bank strebt die folgende Vereinbarung
mit dem Fondsmanagement an: Das Risikobudget für den Fonds beträgt 19
Millionen Euro, und die Entlohnung orientiert sich an der
Ex-post-Performance der entsprechenden Indizes, REXP und MSCI World.
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Wenn der Fonds das Vermögen von 108 Millionen Euro ohne weiteres
aktives Management in die entsprechenden Indizes investiert, erzielt
er eine erwartete Nettoperformance von 5,6 Prozent (6 durch 108
Millionen Euro). Die Entlohnung beschränkt sich in diesem Fall auf
eine zu verhandelnde Pauschale.
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Indizes schlagen
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Darüber hinaus hat der Manager die Möglichkeit, durch aktive
Portfoliosteuerung unter Ausnutzung der vollen Korrelationseffekte die
Indizes zu schlagen; der Mehrertrag - allerdings auch ein möglicher
Minderertrag - geht in eine variable Komponente der Vergütung ein, je
nach Erfolg des Managements als Bonifizierung oder Abschlag der
Pauschale.
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Mit diesem Verfahren wird eine strategische Asset Allocation mit
optimaler Rendite bei gegebenem Risiko hergeleitet. Das eingegangene
Risiko wird durch die bereitgestellte Risikodeckungsmasse abgedeckt.
Das strategische Zinsbuch ist dabei integraler Bestandteil der Asset
Allocation, die dadurch eng mit der Steuerung des strategischen
Zinsbuchs verzahnt wird. Dies ist entscheidend für eine erfolgreiche
Gesamtstrategie. Eine Steuerung der Zinsänderungsrisiken in
verschiedenen und unabhängig voneinander agierenden
Steuerungseinheiten wird dagegen den Erfolg der Gesamtstrategie
beeinträchtigen.

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