EZB: Finanzstabilitätsbericht

Aus dem Ende Mai 2016 veröffentlichten jüngsten Finanzstabilitätsbericht der Europäischen Zentralbank geht hervor, dass das Finanzsystem des Euro-Währungsgebiets die heftigen Turbulenzen zum Jahreswechsel verkraften konnte. Anfang Mai wiesen der Bankensektor, die Finanzmärkte und die Staaten ein niedriges Stressniveau auf. Trotz dieser Widerstandsfähigkeit weist der Finanzstabilitätsbericht mit Blick auf die künftige Entwicklung auf das Risiko weiterer finanzieller Anspannungen hin, die etwa aus Anfälligkeiten im Zusammenhang mit Schwellenländern und niedrigen Rohstoffpreisen entstehen könnten.

Die globalen Finanzmarktspannungen weiteten sich dem Bericht zufolge auch auf die Banken des Euroraums aus. Die Volatilität erhöhte sich in den ersten Monaten des Jahres beträchtlich, da sich die Anleger zunehmend um die Fähigkeit der Banken sorgten, in einem Umfeld geringen Wachstums und niedriger Zinsen nachhaltige Gewinne zu erzielen. Die im März bekannt gegebenen geldpolitischen Maßnahmen der EZB sowie die verbesserten gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen trugen aus Sicht der EZB in der Folge dazu bei, das Marktvertrauen wiederherzustellen.

Den Finanzinstituten des Euroraums bescheinigt der Bericht in den letzten Jahren stetige Fortschritte bei der Stärkung ihrer Bilanzen und Erhöhung ihrer Widerstandsfähigkeit gegenüber negativen Schocks. Dennoch bleiben zyklische und strukturelle Herausforderungen bestehen. Erstere stehen mit der verhaltenen konjunkturellen Erholung und Letztere mit hohen Betriebskosten und einem hohen Bestand an notleidenden Krediten in Zusammenhang. Insbesondere die weiterhin hohen Bestände an notleidenden Krediten in einigen Ländern wirken sich dämpfend auf die Kreditvergabekapazität und die Ertragskraft der Banken aus.

Die Risiken erstrecken sich auch auf die Realwirtschaft. So bestehen insbesondere nach wie vor Bedenken im Hinblick auf die nachhaltige Tragfähigkeit der Staatsverschuldung im Eurogebiet trotz verhältnismäßig günstiger Finanzmarktbedingungen. Vor allem politische Risiken haben in den letzten Jahren in fast allen Euroländern erheblich zugenommen. Eine erhöhte politische Unsicherheit könnte Strukturreformen weiter verzögern und möglicherweise erneut Druck auf anfälligere Staaten ausüben.

Außerdem bestehen Risiken, die ihren Ursprung außerhalb des traditionellen Bankensektors haben. In den letzten Jahren hat sich das von Investmentfonds verwaltete Anlagevermögen deutlich erhöht. Teilbereiche des Investmentfondssektors zeichnen sich durch eine beträchtliche Liquiditätstransformation und eine sehr enge Verflechtung mit anderen Teilen des Finanzsystems aus. Im Bericht wird auch festgestellt, dass Investmentfonds ihr Engagement in risikoreicheren Finanzmarktsegmenten nach und nach verstärkt haben. Stärkere Anspannungen in Teilbereichen des Investmentfondssektors können aufgrund enger Verflechtungen rasch auf andere Finanzsektoren übergreifen.

Die EZB hat für die kommenden zwei Jahre vier Systemrisiken für die Finanzstabilität aufgezeigt:

- weiter steigende Risikoaufschläge und Finanzmarktturbulenzen, ausgelöst durch Anspannungen in Schwellenländern und anhaltend niedrige Rohstoffpreise,

- schwache Ertragsaussichten für Banken und Versicherer, wobei die Intermediationstätigkeit der Banken durch ungelöste Probleme beim Abbau der Bestände an notleidenden Krediten zusätzlich beeinträchtigt wird,

- zunehmende Bedenken hinsichtlich der Schuldentragfähigkeit von Staaten und des nichtfinanziellen privaten Sektors bei erhöhter politischer Unsicherheit und niedrigem nominalem Wachstum,

- künftige Spannungen im Investmentfondssektor, die durch Liquiditätsrisiken und Ansteckungseffekte auf weitere Bereiche des Finanzsystems verstärkt werden.

Der Finanzstabilitätsbericht enthält außerdem drei Sonderbeiträge. Der erste befasst sich mit makroprudenziellen Mindestanforderungen für Margins und Sicherheitenabschläge bei Derivate-Transaktionen und wertpapierbesicherten Finanzierungen. Im zweiten Sonderbeitrag werden die systemischen Auswirkungen des Bail-in-Instruments gemäß der Richtlinie über die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten (Bank Recovery and Resolution Directive) untersucht. Im Rahmen des dritten Beitrags werden die jüngsten Entwicklungen von Bankgeschäftsmodellen analysiert und deren Auswirkungen auf Stabilität und Ertragslage der Banken erörtert.

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