Abbau der Non-Performing Loans - auch durch digitalen Kredithandel

Timur Peters Foto: Debitos

Durch die Aktivitäten und die Aufklärungsarbeit der EU-Kommission, der europäischen Bankenaufsicht und der EZB wird in Europa zunehmend Druck auf die Banken ausgeübt, ihre Bestände an Non-Performing Loans zu verringern und neue möglichst gar nicht erst entstehen zu lassen. Während der Autor den USA in den vergangenen Jahren schon sichtbare Erfolge bei der Rückführung ihrer NPL-Quoten bescheinigt, sieht er in Europa noch viel Potenzial, verweist aber auch auf das Interesse vieler Investoren an solchen Assets. Im Zuge der Digitalisierung räumt er Online-Marktplätzen gute Chancen ein, ihren Beitrag zu einer Verwertung der NPLs zu leisten. (Red.)

Den einschlägigen Statistiken nach schlummern aktuell in den Bilanzen der EZB-beaufsichtigten Finanzinstitute faule Kredite im Wert von 800 Milliarden Euro - in der gesamten Bankbranche in Europa liegt der Wert sogar deutlich über der 1-Billion-Euro-Marke. Doch langsam kommt Bewegung in den Markt. Auch digitale Geschäftsmodelle tragen zum Abbau der Non-Performing Loans (NPLs) bei.

Initiative der Bankenaufsicht zum NPL-Abbau

Der Anteil notleidender Kredite in den Bilanzen von Europas Banken sinkt - das ist schon mal eine gute Nachricht. Die beinahe schon gebetsmühlenartig wiederholten Mahnungen vonseiten der obersten Bankenaufseher zeigen augenscheinlich Wirkung. Wenn sich die aktuelle Entwicklung so fortsetzt, haben die europäischen Banken ihre Altlasten der letzten Finanzkrise möglicherweise in zehn bis fünfzehn Jahren im Griff - das ist die schlechte Nachricht. Da kann es für einige Kreditinstitute schon längst zu spät sein. Das weiß auch die EZB, deshalb hat sie die Zügel deutlich angezogen.

Die Bankenaufseher haben im Frühjahr dieses Jahres einen Maßnahmenplan veröffentlicht, wie das Horten fauler Kredite in Zukunft verhindert werden soll. Demnach sind die Geldhäuser der Eurozone angehalten, unbesicherte NPLs innerhalb von zwei Jahren, besicherte Kredite innerhalb von acht Jahren abzubauen. Dies gilt allerdings nur für notleidende Forderungen, die in der Zukunft neu entstehen. Für Bestands-NPLs will die Bankenaufsicht von Fall zu Fall beurteilen, wie die Banken ihre Problemkredite abbauen sollen, statt wie zuvor geplant mit allgemeinen Vorschriften. Die Europäische Zentralbank will sich dabei an den NPL-Quoten und wichtigen Finanzmerkmalen der Geldhäuser orientieren.

Der Druck für einzelne Banken ist besonders im südeuropäischen Raum schon jetzt extrem hoch: Laut eines aktuellen EZB-Reports beträgt die durchschnittliche NPL-Quote in Italien momentan rund 12 Prozent. Das bedeutet, mehr als jeder zehnte Kredit gilt als illiquide, da er schon länger als 90 Tage nicht mehr bedient wurde. Doch Italien ist kein Einzelfall: Auch Irland (12,6), Portugal (19) und das Sorgenkind Griechenland (47) haben mit hohen Prozentsätzen an faulen Krediten zu kämpfen. Die Folge ist schnell erklärt: Die Bilanzen der Banken sind so stark belastet, dass keine weiteren Kredite vergeben werden können, was das Wirtschaftswachstum in den entsprechenden Ländern zusätzlich hemmt.

Ganz Europa betroffen

Doch nicht nur italienische Banken sind von der hohen NPL-Quote in Italien betroffen. Viele Bankhäuser in ganz Europa haben in den vergangenen Jahrzehnten in die italienische Wirtschaft investiert. Auch viele dieser Kredite bleiben aktuell unbezahlt. Das größte Italien-Risiko tragen aktuell BNP und Credit Agricole (siehe Abbildung). Insgesamt haben die beiden französischen Großbanken mehr als 250 Milliarden Euro im Feuer. Mit großem Abstand folgen die Deutsche Bank sowie Santander aus Spanien.

Von ausgefallenen Krediten sind übrigens nicht nur die Euroländer betroffen. Auch in anderen Regionen der Welt haben die Banken mit NPLs zu kämpfen. Der Umgang mit der Problematik ist allerdings vielerorts ein anderer. Zum Vergleich: In den USA lag die NPL-Quote 2009 bei etwa 5 Prozent; in der EU bei weniger als 3 Prozent. Ende 2016 waren in den Vereinigten Staaten nur noch etwa 1,3 Prozent der Kredite ausfallgefährdet; hier sind es aktuell knapp 5 Prozent. Europa hat das Thema vollkommen verschlafen, während in den USA in den vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen wurden, um Non-Performing Loans zu verwerten und die Bilanzen der Banken zu entlasten.

An mangelndem Interesse liegt es übrigens nicht, dass Europa seine NPL-Krise nicht nachhaltig in den Griff bekommt - ganz im Gegenteil: Investoren aus der ganzen Welt sind an den offenen Forderungen aus Italien und Europa sehr interessiert. Das erklären beispielsweise die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young (EY) in ihrem 2017er Lagebericht zum europäischen NPL-Markt. Die Größe des Phänomens habe erneut die Grundlage für einen wiederauflebenden Markt geschaffen, in dem die Notwendigkeit des italienischen Bankensystems, seine Bilanz umzustrukturieren und zu reinigen, Chancen für darauf spezialisierte Investoren schafft. Laut EY würden neue Dienstleistungsmodelle zusätzlich als Hebel wirken, um die Problematik in den Griff zu bekommen.

Der NPL-Markt gilt generell als illiquide und intransparent, die Selektion und persönliche Ansprache der möglichen Investoren als teuer und zeitaufwendig. Doch es kann sich durchaus lohnen, denn die Zahl der potenziellen Risikoinvestoren ist groß. Generell ist in den vergangenen Jahren das öffentliche Interesse an alternativen Investmentformen stark angestiegen: Moderne Anlagekonzepte wie Private Equity sorgen für eine erhöhte Diversifizierung und auf Dauer für verbesserte Renditechancen. Auch der Markt für Distressed Investments ermöglicht Investoren den Einstieg in vielversprechende Anlageklassen fernab von Aktien und Anleihen.

Vor nicht allzu langer Zeit wurde der Handel mit notleidenden Krediten noch ausschließlich von Investmentbanken und großen Equity-Fonds bestimmt, die milliardenschwere Portfolios aufgekauft haben. Damals war der Markteintritt quasi unmöglich, wenn man nicht über sehr große Finanzmittel verfügte. Entsprechend groß waren auch die NPLs, die verkauft wurden. Die kleinsten Portfolios lagen damals bei 100 bis 150 Millionen Euro - zu viel für kleinere Investorengruppen. Dafür trennen sich die großen institutionellen Investoren nach Jahren der Abarbeitung einst erworbener Portfolios immer öfter von Einzelengagements, die dann im freien Handel auftauchen. Das bietet auch kleineren Private-Equity-Gesellschaften und Family Offices die Gelegenheit, in den Distressed-Investments-Markt einzusteigen.

Neue Lösungen durch Digitalisierung

Die notleidenden, aber werthaltigen Kredite haben sich als lukrativer Spezialbereich für Investoren entwickelt. Immer häufiger trennen sich neben Banken auch große Dax-Unternehmen und Mittelständler von offenen Forderungen. Viele Banken geben ihre NPLs zur Verwertung an interne Workout-Abteilungen oder externe Servicer weiter, die größtenteils die Verwertung der Sicherheiten übernehmen; oder sie lassen sich von großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften bei einem Verkauf beraten. Leider ist diese Maßnahme vor allen Dingen teuer und zeitintensiv. Darüber hinaus ist diese Methode generell erst ab einer bestimmten Assetgröße möglich - für kleinere Institute und den Mittelstand also völlig ungeeignet.

NPLs werden bis heute vorrangig in bilateralen Geschäftsbeziehungen gehandelt. Dank der Digitalisierung gibt es mittlerweile aber auch noch andere Möglichkeiten - beispielsweise der Verkauf über einen Online-Kreditmarktplatz. Über Debitos können Kredite bereits ab 500 000 Euro digital gehandelt werden. Im ersten Schritt wird die Forderung einer spezifischen Assetklasse zugeordnet. In enger Absprache mit der Bank oder dem Unternehmen wird dann eine Liste von passenden Investoren zusammengestellt, die an der Auktion teilnehmen dürfen. Danach lädt der Verkäufer alle relevanten Informationen rund um den Kredit in den Datenraum hoch, über den sich die Investoren informieren können. Dann kann die Versteigerung schon starten.

Von der Vorbereitung bis zum finalen Verkauf vergehen über einen Online-Kreditmarktplatz im Regelfall nur wenige Wochen - auf dem "klassischen" Verkaufsweg werden häufig mehrere Monate, wenn nicht sogar Jahre benötigt. Dank der spezifischen Struktur des Bieterverfahrens (Auktion, Mindestpreis) wird viel Spannung erzeugt, was sich in der Regel in höheren Marktpreisen ausdrückt. Darüber hinaus wird die Kluft zwischen Käufer und Verkäufer verringert und es ist eine höhere Anzahl an Transaktionen möglich. Im vergangenen Jahr öffnete sich Debitos auch für sogenannte Third-Party Advisors. Seitdem können auch Drittanbieter wie Mitarbeiter von Unternehmensberatungen oder Investmentbanken die Lösung selbstständig nutzen und Portfolios von Kunden verkaufen.

Timur Peters Gründer und CEO, Debitos GmbH, Frankfurt am Main

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