"Banking wird sich ganz radikal ändern, Treiber des Wandels ist die Digitalisierung."

Raimund Röseler Foto: Schafgans DGPh/BaFin

Dass die aktuelle Niedrigzinsphase wie auch die Anforderungen der Regulierung für die hiesigen Banken ernsthafte Herausforderungen darstellen, will der Autor keineswegs bestreiten. Einen tendenziell noch größeren Anpassungsbedarf sieht er freilich als Folge der Digitalisierung und dem Auftreten neuer Wettbewerber mit gänzlich neu aufgesetzten IT-Prozessen. Besonders viel Potenzial, die Bankenlandschaft kräftig zu ändern, schreibt er den Unternehmen zu, die es gewohnt sind große Datenmengen höchst innovativ zu nutzen und in kürzester Zeit hoch effiziente Prozesse zu etablieren. Den professionellen Umgang mit der IT sieht er als wichtigen Wettbewerbsfaktor für die Banken und gleichzeitig als relevanten Aspekt für die künftige Arbeit der Bankenaufseher. (Red.)

Die Themenstellung Banken im Umbruch beschreibt die aktuelle Situation sehr gut. Umbruch ist laut Duden ein Synonym für einen grundlegenden Wandel. Und genau der steht den Banken bevor. Gründe dafür gibt es viele. Ein Grund, der häufig genannt wird, ist die Zinslandschaft. Fast alle Banken in Deutschland hatten über viele Jahre hinweg eine mehr oder weniger dominierende - wenn auch tendenziell sinkende - Ertragsbasis aus dem Zinsgeschäft. Das ist vorbei. Zur Schuldfrage möchte ich mich gar nicht äußern. Natürlich könnten wir an dieser Stelle die Zinspolitik der EZB diskutieren. Und wahrscheinlich liegen die Vertreter von Banken und ich dabei auch gar nicht weit auseinander. Aber ändern würden wir dadurch nichts. Banken können sich ihr Umfeld nicht aussuchen. Und wir Aufseher auch nicht.

Seit Jahrzehnten sinkende Zinsmargen

Fast vergessen ist die Tatsache, dass die Zinsmargen bereits seit Jahrzehnten stetig sinken. Und immer wieder wird auch vergessen, dass es durchaus Banken gibt, die trotz des Niedrigzinsumfeldes ausgesprochen rentabel agieren. Natürlich ist es das gute Recht von Bankvertretern über ein adverses Umfeld zu schimpfen. Aber ebenso natürlich ist es die Aufgabe von Bankvertretern, ihr Geschäftsmodell so zu gestalten, dass es auch in einem unbequemen oder auch adversen Umfeld überlebensfähig ist. Banken, die sich auf das Jammern beschränken, werden sicher nicht zu den Überlebenden gehören.

Ein weiterer Grund, der für die schwierige Lage der Banken immer wieder angeführt wird, ist die Regulierung. Diskussionen rund um Regulierung, national und international, gab es im letzten Jahr reichlich. Und auch auf dieser Veranstaltung war das schon ein Thema.

Regulatorische Herausforderungen werden häufig als der Grund allen Übels gesehen, der Grund, weshalb Kosten zu hoch sind, Gewinne zu niedrig, Geschäft hinter Erwartungen zurückbleibt oder Banken schlicht bei der Ausübung ihrer Geschäfte gänzlich gehindert werden. In aller Regelmäßigkeit erhalten wir auch den Hinweis, dass sich diese regulatorischen Herausforderungen auch negativ auf die Realwirtschaft auswirken.

Dies soll uns Aufseher nochmals sensibilisieren, dass alles, was wir tun, nicht nur Banken belastet, sondern auch Privatpersonen und Unternehmen. Im Zweifel ist die Aufsicht schuld, wenn Kredite teurer werden, Personal abgebaut wird, die Produktauswahl kleiner wird.

Nicht so viele Verbündete

Die BaFin hat sich in diese Diskussion eingebracht und wird sich weiter einbringen. Auch wir meinen: Die Regulierung für kleinere Institute muss anders als für größere sein. Das heißt nicht laxer, aber weniger komplex. Und auch bei der Regulierung über große Institute gibt es sicher die eine oder andere Schleife, die vielleicht eher nicht nötig ist und die man abschaffen kann. Aber mehr Proportionalität in Europa durchzusetzen, ist nicht so einfach. Da gibt es nicht so viele Verbündete. Die Bankenmärkte in anderen Ländern der Europäischen Union sind einfach anders als unser Bankenmarkt mit rund 1 500 überwiegend kleineren Instituten.

Wenn man mit Vertretern europäischer Institutionen spricht, dann merkt man schnell: Viel wichtiger als Proportionalität ist für diese das Stichwort Level Playing Field. Und jeder Versuch, einfachere Regeln für kleinere oder weniger komplexe Institute durchzusetzen, gilt erst mal als verdächtiger Angriff auf das Level Playing Field. Und diesem Ansatz des Level Playing Field ist man in der Vergangenheit nahezu dogmatisch gefolgt. Mit der Folge, dass unter dem Deckmantel des Level Playing Field manchmal ein "One-size-fits-all"-Ansatz betrieben worden ist; ein Ansatz, auch nicht vergleichbare Sachverhalte gleich zu behandeln.

Digitalisierung als eigentliche Herausforderung

In der Tat ist ein Level Playing Field wichtig. In der Vergangenheit hat man viel zu oft versucht, durch laxere Regulierung eine Art Standortwettbewerb zu betreiben. Nicht immer, wenn Aufsicht drauf stand, war auch Aufsicht drin. Das war sicher ein Auslöser für die vergangene Finanzkrise. Und auch innerhalb des SSM haben wir festgestellt, dass es Unterschiede in der Interpretation zentraler Regeln gibt. Gleiche Spielregeln für gleiche Sachverhalte halte ich deshalb nach wie vor für unabdingbar. Aber es muss die Möglichkeit bestehen, nationalen Besonderheiten - und dazu gehört die Struktur der nationalen Bankenmärkte - ausreichend Rechnung zu tragen. Diesen Freiraum kann man auch in einem einheitlichen europäischen Regelwerk schaffen.

Anerkennen muss man, dass mittlerweile selbst die EU-Kommission und das Europäische Parlament dem Thema Proportionalität mehr Beachtung geschenkt haben als früher. Dass die Vorschläge aus deutscher Sicht nicht weit genug gehen, ist jedoch in der EU schwer zu vermitteln. Der Schuh in der EU oder bei anderen Mitgliedsstaaten drückt im Regelfall leider ganz woanders. Es gibt schlicht kein Land, das so viele kleinere und mittelgroße Institute hat wie Deutschland. Manche Bankensysteme ächzen noch immer unter der Masse an Non-performing Loans der vergangenen Jahre. Da ist ein Vorschlag, der aus Deutschland kommt und auch nur den Anschein von Deregulierung erweckt, nicht immer gewünscht.

Aber ganz ehrlich: Ich habe den Eindruck, hier reden wir über einen Nebenkriegsschauplatz. Regulierung mag kosten, sie ist aber nicht existenzgefährdend für gesunde Banken. Aber was sich da am Markt unter dem Stichwort Digitalisierung zusammenbraut, das hat das Potenzial, bestehende Banken vom Markt zu fegen. Bei schönem Wetter und auf ruhiger See mag ein jeder segeln können. Das Wetter da draußen ist aber nicht schön. Auf der Kostenseite haben viele deutsche Banken Maßnahmen ergriffen. Auch schmerzhafte Maßnahmen wie Filialschließungen, Entlassungen und einiges mehr. Solche Maßnahmen sind notwendig. Eine schlechte Presse dafür ist den Banken sicher.

Arbeit an der Ertragsseite

Auch an ihrer Ertragsseite haben die Banken etwas getan. Die Einnahmen aus Provisionen sind stetig gestiegen - wenn auch nicht so stark wie häufig angekündigt. So weit, so gut. Ich will auch nicht kleinreden, wie viele unangenehme Gespräche manch einer der Bankberater hinter sich gebracht hat. Oder welchen Druck mancher Eigentümer aufgebaut hat, als Filialschließungen im jeweiligen Landkreis erforderlich wurden. Ich denke, alle diese Maßnahmen sind wichtig. Sie sind aber nicht ausreichend. Banking in Deutschland wird sich ganz radikal ändern. Unklar ist nur, wie lange es dauert und wie Banking nachher wirklich aussieht.

Neue Wettbewerbe mit gänzlich neu aufgesetzten Prozessen

Paul Volcker hat vor einigen Jahren mal gesagt: Die letzte echte Innovation der Banken war der Geldautomat. Ich glaube, er hatte recht. Und ich glaube, ohne Innovationskraft und Kreativität wird es in Zukunft schwer für die Banken zu überleben. Die Digitalisierung wird Banken vor größere Herausforderungen stellen, als die meisten sich dies vorstellen.

Die Rohstoffe der IT wie Rechengeschwindigkeit, Speicherplatz und Bandbreite kosten nicht mehr viel. Das ermöglicht es sehr vielen kreativen Köpfen, kreative Lösungen zu entwickeln. Dies wird die etablierten Banken auf der Ertrags- und auf der Kostenseite treffen. Wenn sich zum Beispiel alle Bankgeschäfte bis hin zum Bezahlen der Einkäufe bequem mit dem I-Phone abwickeln lassen, dann ist es den Kunden eigentlich egal, wer die Bank ist, deren Struktur sie gerade nutzen.

Die Kundenbindung verlagert sich von der Bank weg hin zum Anbieter der App. Und wenn die Banken ihre Prozesse nicht höchst effizient gestalten, dann wird es Anbieter geben, die das besser können und damit Kostenvorteile gegenüber ihnen generieren. Manche dieser neuen Wettbewerber werden etablierten Banken das Leben durchaus schwer machen.

Die fortschreitende Digitalisierung führt dazu, dass diese neuen Wettbewerber ihre Prozesse gänzlich neu aufsetzen und vollständig digitalisieren. So etwas bedarf nicht viel Personal.

Banken werden sich anpassen müssen, um im Wettbewerb bestehen zu können. Zur Anpassung reicht es sicher nicht, die vorhandenen IT-Systeme etwas aufzupäppeln, mit ein paar Web-Anwendungen zu kombinieren und ein hübsches Hintergrundbild einzufügen. Anpassung heißt: das Geschäftsmodell komplett zu ändern, die Wertschöpfungskette zu digitalisieren und laufend zu optimieren, die Kommunikation mit den Kunden zu ändern. Wie genau sich die neue Bankenwelt entwickeln wird, weiß wahrscheinlich keiner von uns. Sie wird aber anders sein als die heutige. Die Banken werden sich entscheiden müssen. Zu investieren - Geld und vor allem Kreativität - oder zu versuchen, als schrumpfender Anbieter in einer neuen Welt zu überleben. Es gilt das Motto: "Wenn ihr es nicht macht, werdet ihr weggeputzt."

Vertrieb oder Infrastruktur als Schwerpunkte

Es wird vielleicht Banken geben, die werden sich rein auf den Vertrieb fokussieren. Das heißt, nicht mehr die Produktion von Produkten steht im Fokus, sondern der Vertrieb. Dafür brauchen Banken eine hervorragende Vertriebsplattform, die maßgeschneidert ist auf die jeweilige Zielgruppe. Und Vertriebsplattform heißt nicht nur Informationstechnologie - aber auch IT. Und effizientes Datenmanagement. Nur dann haben Banken eine Chance, die Kundenhoheit zu behalten. Wie wichtig Kundenhoheit ist, zeigen erfolgreiche Vertriebsplattformen. Diese Spieler haben keine Bankerlaubnis, obwohl sie erfolgreich am Markt Bankprodukte anbieten.

Man kann nur sagen, dass solche Plattformen irgendetwas richtig machen müssen. Es ist doch schon merkwürdig, wenn Kunden einer Bank für die Baufinanzierung zu einer solchen Plattform gehen und im besten Fall von dieser wieder an die Hausbank vermittelt werden. So schlecht sind die Konditionen der Hausbank nämlich nicht immer.

Ich habe nicht den Eindruck, dass die Kundenorientierung der meisten Banken besonders stark ausgeprägt ist. Der einzige Kontaktpunkt zum Privatkunden ist oft nur noch der Geldautomat. Und wenn Banken dann für die Bargeldversorgung ihrer Kunden auch noch Gebühren erheben, dann mag dies für Kostenrechner und Controller sinnvoll sein, für Strategen aber desaströs.

PSD II als Vorgeschmack für härteren Wettbewerb

Andere Banken werden versuchen, sich als Infrastrukturanbieter zu profilieren. Zur Infrastruktur gehören dann die Produktion von Produkten, die Bearbeitung von Beständen oder auch simpel die Bereitstellung der Bankbilanz für andere Akteure. Dafür brauchen Banken hervorragende, effiziente Prozesse. Kosten und Schnelligkeit werden den Wettbewerb dominieren. Banken, die ihre alt gewordenen IT-Systeme mitschleppen und die die Last eines traditionellen Bankapparates tragen müssen, denen wird es schwerfallen, mit agilen, jungen Unternehmen zu konkurrieren, die ohne jede Altlast starten. Und möglicherweise gibt es auch Banken, die beides können: Vertrieb und Bereitstellung einer effizienten Infrastruktur. Aber ich behaupte: Dies werden weniger Banken sein als heute.

Die neuen Spieler am Markt werden sich hier klar fokussieren. Manche dieser neuen Spieler nutzen Banken als Anbieter von Infrastruktur. Die Ratio, dass eine stabile Kundenbeziehung stabile Erträge garantiert, hat die letzten Jahrzehnte gut funktioniert. Bei meiner Generation mag dies auch noch einige Jahre funktionieren. Bei den Digital Natives tritt die Kundenbeziehung jedoch mehr und mehr in den Hintergrund. Der Generation der Digital Natives sind die Funktionen der App wichtiger als die Bank dahinter.

Die Digitalisierung stellt Banken vor enorme Herausforderungen. Und sozusagen als Vorgeschmack wird vielleicht auch die PSD II schon mal den Wettbewerb anheizen. Die Payment Service Directive, kurz PSD II, ist in nationales Recht umgesetzt. Mehr und mehr Mitgliedsstaaten kommen hinzu. Die Regulierung wird zu deutlich mehr Wettbewerb führen. Sieht doch genau diese Richtlinie ausdrücklich vor, dass Zahlungsauslösediensten und Kontoinformationsdiensten ein Zugang zum Zahlungskonto von Bankkunden zu gewähren ist. Und damit dringen diese Anbieter in das klassische Hoheitsgebiet von traditionellen Banken vor.

Durch die PSD II werden Zahlungsauslösedienste in den Kreis der regulierten Zahlungsdienstleister aufgenommen. Im Gegenzug werden die neuen Dienstleister damit auch ausdrücklich unter die Finanzaufsicht gestellt. Wer Zahlungsdienste erbringen will, benötigt eine Erlaubnis. Außerdem werden Vorgaben gemacht, um den Zugriff dieser Dienstleister auf das Zahlungskonto sicherer auszugestalten.

Die Aufsicht mag für solche Dienstleister vielleicht erst mal unbequem oder unangenehm erscheinen. Sie führt aber auch zu einem Reputationsgewinn, der den Wettbewerb weiter anheizen wird. Wie gesagt: Die PSD II hat das Potenzial, den Wettbewerb anzuheizen. Hinzu kommen Fintechs, wobei man abwarten muss, wer denn von denen längerfristig existieren wird. Nicht jedes hippe Fintech wird den Markt verändern. Nicht jedes Fintech verdient irgendwann Geld.

Geschäftsmodelle rund um den Zahlungsverkehr

Aber selbst im Zahlungsverkehr entwickeln sich mehr und mehr Geschäftsmodelle. Modelle, die einen Business Case haben und einen Profit abwerfen. "Sumup" zum Beispiel ist ein Unternehmen aus UK, das kleinen Geschäften ein Kartenterminal bereitstellt und sich mit Apple-Geräten verbindet. Der Kassierer gibt dann auf dem I-Pad den Betrag ein und die E-Mail-Adresse des Kunden. Der Kunde kann dann mittels seiner Karte bezahlen und erhält eine digitale Quittung per E-Mail. Alles simpel, transparent und einfach. Eine weitere App ist Blue Code, auch diese kann heute bereits in Deutschland zur Zahlung mittels eines Strichcodes eingesetzt werden. Bisher kooperiert man mit dem Einzelhändler "Globus" im Saarland. Das Saarland mag jetzt nicht das größte Bundesland Deutschlands sein, aber wir beobachten sehr genau, wie sich dieser Markt entwickelt. Banken sollten wachsam sein und endlich mal auf Angriff schalten.

Paypal ist ein weiteres Beispiel. Wer verstehen will, wieso PayPal so schnell so erfolgreich werden konnte, muss zurück in die neunziger Jahre blicken. Wer Ende der neunziger Zahre im Internet einkaufte, musste jedes Mal mühsam diverse Zahlen der Kreditkarte eintippen. Kreditkartennummer, Gültigkeitsende, Kartenprüfnummer - alles Nummern, die man sich schwerlich merken kann. In den USA gab es noch zusätzliche Restriktionen für Überweisungen zwischen verschiedenen Bundesstaaten.

Dieses Potenzial erkannte auch E-Bay. Was letztlich auch E-Bay dazu bewogen hatte, Paypal für 1,5 Milliarden Dollar zu kaufen. Das war im Jahr 2002. Die Umsätze auf E-Bay gingen damals zurück und Paypal brachte am Ende rund die Hälfte der Umsätze ein. Die Abspaltung von E-Bay beflügelte Paypal noch weiter. 2005 war Paypal bereits zirka 50 Prozent mehr wert als E-Bay, heute mehr als doppelt so viel - Tendenz steigend.

Noch viel mehr Potenztial dafür, die Bankenlandschaft zu ändern, haben die Unternehmen, die es gewohnt sind, große Datenmengen höchst innovativ zu nutzen und hoch effiziente Prozesse in kürzester Zeit zu etablieren. Die Googles, Apples und Amazons dieser Welt. Diese Unternehmen genießen bereits heute einen weltweiten Zugang zu jeder entwickelten Volkswirtschaft und natürlich zu den Einwohnern.

Neue Anbieter aus China

Außerdem existieren noch Unternehmen, die wir heute in Deutschland noch gar nicht so richtig kennen. Tencen besitzt Millionen Kunden in China. Die Konzerngesellschaft We Chat war ursprünglich als Messenger geplant. Später wurde mit We Pay eine Bezahlfunktion integriert, welche von Millionen Menschen genutzt wird. Dann wurde eine Bank gegründet, die in kürzester Zeit Millionen von Kunden gewann. Ohne Altlasten in der IT, ohne einen in die Jahre gekommenen Bankapparat. Oder ein anderes Beispiel ist Alibaba, die Alipay gegründet haben. Solche Anbieter sind aus dem öffentlichen Leben in China nicht wegzudenken. Auch in öffentlichen Verwaltungen wird damit die Rechnung bezahlt.

In nahezu allen Bereichen der Wirtschaft gilt, dass ein Unternehmen wettbewerbsfähig ist, wenn es über eine leistungsfähige Informationstechnologie verfügt. Diese Regel gilt auch für Banken. Banken haben ihre IT bisher jedoch immer als Kostentreiber angesehen. Künftig wird sie ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Wenn die IT der Banken immer wichtiger wird, dann hat das natürlich auch Auswirkungen auf die Bankenaufsicht und auf die Regulierung.

Die Sicherheit der IT-Systeme der Banken wird in der Aufsicht immer mehr in den Fokus rücken. Dies wird einer der Schwerpunkte unserer Aufsicht sein. Entsprechend rüsten wir hier gerade auf. Andererseits müssen wir natürlich auch prüfen, ob unsere traditionellen Aufsichtsregeln in einer neuen Bankenwelt noch lebenstauglich sind.

Kommen wir zur IT-Sicherheit der Banken. Sicher: Im Vergleich mit anderen Branchen stehen Banken bisher ganz gut da. Spektakuläre Unfälle gab es bisher wenige. Leider haben wir Aufseher dennoch den Eindruck gewonnen, dass es um die IT bei Banken nicht überall gut bestellt ist. Letztendlich hat uns dieser Eindruck auch dazu bewogen, dass wir mit der BAIT grundsätzliche Anforderungen an die IT-Sicherheit formulieren. Manches in den BAIT mutet sehr selbstverständlich an, wie zum Beispiel das Vorweisen einer IT-Strategie oder das Erfordernis eines IT-Schwachstellenmanagements. Auch die geforderten prozessualen Vorgaben sowie deren Überwachung, der Trennung von Entwicklungs-, Test- und Produktionsumgebungen sind ähnlich grundlegend wie in den MaRisk die Unterscheidung zwischen Markt und Marktfolge. Aber wir haben diese vermeintlichen Selbstverständlichkeiten nicht ohne Grund in unsere BAIT aufgenommen. Denn auch bei solchen Selbstverständlichkeiten stellen wir immer wieder Mängel fest.

Cyberangriffe als dunkle Seite der Digitalisierung

Die stetig fortschreitende Digitalisierung gepaart mit Mängeln in der IT birgt Gefahren. Wanna Cry und andere Ereignisse zeigen deutlich die dunkle Seite der Digitalisierung. Cyberangriffe sind eine schmerzhafte Angelegenheit. Wanna Cry erpresste Lösegeld. Die Lösegeldforderungen wurden selbst auf Anzeigetafeln in deutschen Bahnhöfen eingeblendet. In Großbritannien mussten Patienten in andere Krankenhäuser verlegt werden, da Wanna Cry den National Health Service infiltrierte. Renault musste die Produktion in Frankreich und Slowenien stoppen.

Was würde passieren, wenn morgen der Zahlungsverkehr zusammenbrechen würde, oder alle Konten bei einer Bank auf Null stehen würden. Wenn jemand einer Volkswirtschaft richtig schaden will, dann sind Banken ein logischer Angriffspunkt. Banken sind ganz einfach ein sehr attraktives Ziel für Cyberterroristen. Hinzu kommt sicherlich auch, dass man mit einem digitalen Bankraub viel Beute machen kann. Das Handelsblatt titelte vor wenigen Tagen "Hacker stehlen Millionen über Bezahlsystem SWIFT". Nicht zu vergessen der Angriff auf die Zentralbank von Bangladesch.

Neue Anforderungen an Geschäftsstellenleiter

Diese Angriffe sind die Schattenseite der neuen Normalität, in der wir uns bewegen. In der alten Normalität gab es Cyberangriffe nur selten und die Folgen waren überschaubar. Im schlimmsten Fall funktionierte der Kontoauszugsdrucker einer Bank für einige Stunden nicht mehr. Diese alte Normalität wird jedoch nicht wiederkommen. Früher genügte es auch für uns Aufseher, das Kredit- und Marktpreisrisiko zu überwachen. Heute sorge ich mich um IT-Risiken gleichermaßen wie um Kredit- oder Marktpreisrisiken. Schwächen in der IT-Sicherheit sind existenzbedrohende Risiken. Eine solvente Bank kann durch Mängel in der IT-Sicherheit innerhalb von Sekunden insolvent werden.

Auch wir Aufseher müssen uns daher die Frage stellen: Sind unsere Regeln noch zeitgemäß? Ergebnis dieser Frage war, dass wir unsere Anforderungen an Geschäftsleiter angepasst haben. Früher forderten wir von jedem Vorstand einer Bank, unabhängig von seiner eigentlichen Zuständigkeit, umfassende bankpraktische Erfahrungen. Wir wollten hier vor allem Erfahrung im Kreditgeschäft sehen. Regelmäßig forderten wir, dass ein Vorstand drei Jahre Erfahrung im Kreditgeschäft hat. Das machte in der Vergangenheit auch durchaus Sinn. Dahinter steckte der Ansatz, dass jeder neue Vorstand sich schon mal in dem Bereich bewährt haben musste, in dem eine Bank richtig Geld verbrennen kann. Schließlich können gerade Risiken aus Kreditgeschäften eine Bank in eine Schieflage bringen.

Da wir aber erkannt haben, dass Mängel in der IT eine Bank ebenso in eine Existenzkrise bringen wie Kreditverluste, war es angebracht, die Regeln anzupassen. IT-Vorstände von Apple, IBM oder anderen Industrieunternehmen wären in der Vergangenheit von uns als Bankvorstände nicht anerkannt worden. Wir hätten regelmäßig auf eine Ehrenrunde von drei Jahren bestanden. Ich denke, dies passt nicht mehr in eine Welt, in der die Zukunft von Banken auch von deren IT mitbestimmt wird.

Möglicherweise könnte gerade das Know-how von IT-Experten aus der Industrie für manche Bank von beträchtlichem Wert sein. In geeigneten Fällen reduzieren wir den Zeitraum für eine Ehrenrunde auf sechs Monate. Im Ergebnis können IT-Vorstände ohne bankpraktische Erfahrung deutlich schneller als bisher die Geschäftsleitereignung erlangen.

Management von Outsourcingbeziehungen

Lassen Sie mich noch ein anderes Feld nennen, in dem wir unsere Regeln auf den Prüfstand stellen werden: Outsourcing. An das Management von Outsourcingbeziehungen stellen wir recht umfangreiche Anforderungen. In den neuen MaRisk haben wir dafür ja ein ganzes Kapitel geschrieben. Wenn wir uns nun vorstellen, dass Banken im Rahmen der Digitalisierung für ihre Wertschöpfungskette eine Vielzahl von individualisierten Softwaremodulen oder Apps nutzen oder sich diverser Cloudlösungen bedienen, dann handelt es sich streng genommen meist um eine Vielzahl von Outsourcingbeziehungen. Ich bin nicht sicher, ob in einem solchen Umfeld unsere bisherigen Regeln noch wirklich lebenstauglich sind. In einem geänderten Umfeld werden auch wir reagieren müssen.

Der Bankensektor steht vor einem enormen Strukturwandel, den sicher nicht alle Banken langfristig überleben werden. Natürlich wird hierdurch auch der Fusionsdruck steigen. Wir sehen ja auch heute schon, dass sich jedes Jahr eine Reihe von Banken zusammenschließen. Und es gibt ja auch genügend Aufseher, die mit Blick auf den scharfen Wettbewerb zwischen Banken zu Fusionen ermuntern oder diese offen fordern.

Nebenbei: Ich muss gestehen, dies wundert mich jedes Mal. Schließlich ist der Wettbewerb zwischen Banken ja erst mal etwas Gutes. Er sorgt dafür, dass die Kunden der Banken Bankprodukte zu niedrigen Preisen erhalten. Und genau das ist ja die Existenzberechtigung von Banken: Die Versorgung der realen Wirtschaft mit Bankdienstleistungen. Vor allem aber ist das Potenzial für Bankfusionen doch eher gering. Unser Bankensektor ist stark von regional tätigen Banken geprägt. Da machen Fusionen auch nur zwischen Nachbarn Sinn. Und wenn aufgrund der regionalen Wirtschaftsstruktur zwei Nachbarn ähnliche Probleme haben, dann wird aus einer Fusion von zwei Kranken nicht unbedingt ein Gesunder entstehen. Das Potenzial für Fusionen ist daher eher begrenzt.

Der Strukturwandel wird daher vielleicht mit einer steigenden Zahl von Fusionen einhergehen. Fusionen sind dabei aber allenfalls ein Symptom des Wandels, nicht der Treiber. Treiber des Wandels ist die Digitalisierung. Banken müssen sich anpassen, um im Wettbewerb bestehen zu können, vielleicht mehr als je zuvor. Anpassung heißt, das Geschäftsmodell komplett zu hinterfragen und die Wertschöpfungskette zu digitalisieren. Neben Geld ist vor allem Kreativität gefragt. Die IT darf künftig nicht mehr als Kostentreiber verstanden werden, sondern stellt einen entscheidenden Wettbewerbsfaktor dar!

Der Beitrag basiert auf einer Rede des Autors anlässlich des Bundesbank Symposiums Bankenaufsicht im Dialog am 7. März 2018 in Frankfurt am Main.

Die Zwischenüberschriften sind teilweise von der Redaktion eingefügt.

Raimund Röseler

Exekutivdirektor, Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Bonn und Frankfurt am Main

Raimund Röseler , Exekutivdirektor Bankenaufsicht , Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
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