Per Datenschatz zum personalisierten Kundenerlebnis

Betina Wunderlich, Leiterin des Bereichs Distribution und Marketing Services für Banken, Accenture in Deutschland, Kronberg

Betina Wunderlich, Leiterin des Bereichs Distribution und Marketing Services für Banken, Accenture in Deutschland, Kronberg - Die Befindlichkeit der Kunden bei Nutzung und Auswertung ihrer Bankdaten unterscheidet sich in Deutschland nicht dramatisch von anderen Ländern. Einer Untersuchung in 18 Staaten zufolge ist selbst die Hälfte der tendenziell eher vergleichsweise konservativ und vorsichtig eingestellten Verbraucher in Deutschland bereit, ihrer Bank den notwendigen Einblick in ihr Leben zu gewähren, wenn die Gegenleistung stimmt - etwa mehr Beratungsdienstleistungen, eine beschleunigte Kreditgewährung und günstigere Produkt- und Servicepreise. Die Autorin verweist auf den enormen Datenschatz der Banken, sieht aber vor dessen nutzbringender Hebung noch erheblichen Anpassungsbedarf in den IT-Systemen. (Red.)

Ein Viertel der deutschen Verbraucher würde Bankdienstleistungen von Google, Facebook oder Amazon kaufen. Dies bestätigt eine aktuelle Accenture-Studie, für die weltweit mehr als 30 000 Menschen in 18 Ländern befragt wurden, darunter auch über 2 000 in Deutschland. Das mag aktuell nach Fantasie klingen, schließlich bieten die neuen Technologiespieler hierzulande außer Bezahldiensten oder Kreditangeboten kaum Finanzdienstleistungen an. Und doch ist das Ergebnis gleich in vielerlei Hinsicht interessant: Einerseits trauen Kunden den Tech-Unternehmen offenbar eine Menge zu, auch ausgelöst durch deren starke Expertise in der Kundeninteraktion. Andererseits spielen Banken aber nach wie vor eine zentrale Rolle, selbst für Millennials.

Amazon & Co. prägen Kundenerwartungen

Auch wenn es in der Gunst der Kunden nach wie vor nicht schlecht um die Banken steht, sollten sie die Ergebnisse dennoch als eine Art letztes Signal auffassen: Ganz offenbar setzen Nutzer das Interaktionsund Serviceniveau, welches sie seit Jahren von den Amazons dieser Welt gewohnt sind, heute schlichtweg voraus. Für die Institute ergeben sich daraus enorme Herausforderungen. Für ihre Filialen müssen sie moderne digitale Angebote mit günstigen Standorten kombinieren und zugleich online eine digitale Kundenerfahrung bieten, die sich mit den Tech-Riesen messen kann. Die überwiegende Mehrheit der Verbraucher betrachtet die Beziehung zu ihrer Bank nämlich als rein transaktionsbezogen. Um Kunden dauerhaft zu binden, müssen die Banken ihnen auf Basis moderner Technologie maßgeschneiderte, personalisierte Angebote machen, die sie nutzen können, wann, wo und wie immer sie wollen.

In Anbetracht der Ertrags- und Kostensituation müssen dazu auch automatisierte Prozesse und Services in Back- und Frontend gehören. Finanzinstitute, die ihren Kunden robotergestützte Beratungsoptionen anbieten, können dabei jedoch nicht nur ihre operativen Kosten deutlich senken und ihre Strukturen ungleich effizienter nutzen. Auch die Kunden selbst sind längst bereit dafür. Mehr als zwei Drittel der internationalen Kunden, in Deutschland immerhin zwischen 53 und 61 Prozent, würden entsprechende Services bei der Eröffnung eines Bankkontos, beim Abschluss einer Versicherung oder auch für die Ruhestandsplanung und Kapitalanlage in Anspruch nehmen. Sie versprechen sich von Robo Advisory vor allem schnellere und günstigere Beratung. Gut ein Viertel hält Computer beziehungsweise künstliche Intelligenz zudem für objektiver und analytischer als Menschen. Die Ausrede, die Kunden seien noch nicht bereit für solche Services, zieht also nicht mehr.

Physisch-digitale Mischung entscheidet

Die Entwicklung bedeutet jedoch nicht den absoluten Bedeutungsverlust für den Mitarbeiter, sondern lediglich eine Verschiebung. Kunden setzen auch künftig ganz klar auf menschliche Interaktion. Sie kommt in diesem Szenario aber eben dort zum Zug, wo sie tatsächlich sowohl für die Bank als auch für den Kunden von hoher Bedeutung ist, beispielsweise bei Beschwerden, komplexen Produkten wie einer Baufinanzierung oder sensiblen, beratungsintensiven Angelegenheiten wie Altersvorsorgeplänen. Finanzdienstleister benötigen vor diesem Hintergrund eine "phygitale" Strategie, die physische und digitale Ressourcen je nach Kundenwunsch flexibel miteinander kombiniert und Technologie, Filialnetz und Mitarbeiter nahtlos miteinander verzahnt. Das setzt eine "Renovierung" im Sinne konsequenter Digitalisierung der internen Strukturen und Prozesse voraus.

Erst damit schaffen Banken die notwendige Grundlage für personalisierte, auf die Bedürfnisse und Lebenssituation der Menschen zugeschnittene Produkte und Dienstleistungen - etwas, das sich fast zwei Drittel der Bankkunden wünschen. Dabei sollten Institute auch über ihre bestehendes Angebotsspektrum hinaus denken und neue Aufgaben übernehmen. Schließlich erwartet fast die Hälfte der Kunden, dass ihnen die Bank auch beim Erwerb von Non-Banking-Produkten wie dem Haus- oder Autokauf hilft. Gleiches gilt für transaktionsbezogene Dienstleistungen, etwa passende Versicherungsprodukte oder Unterstützung bei Verkäufen oder Vertragsschlüssen. Banken könnten im Kontext solch wichtiger Entscheidungen nützliche Informationen liefern, beispielsweise auf der Grundlage von Standortdaten, der Preisbereitschaft und anderer persönlicher Präferenzen.

Daten als zentrale Währung

Im Gegenzug sind Verbraucher dazu bereit, ihre Daten mit der Bank zu teilen. Für mehr Beratungsdienstleistungen, eine beschleunigte Kreditgenehmigung, günstigere Produkt- und Servicepreise sowie individuellere Beratung würde selbst die Hälfte der konservativer eingestellten deutschen Kunden ihrer Bank den notwendigen Einblick in ihr Leben gewähren. Die Grundlagen dafür sind eigentlich längst da, denn kaum eine Branche weiß theoretisch mehr über ihre Kunden. Schließlich haben fast alle Dinge des Alltags irgendeine finanzielle oder transaktionale Komponente.

Allerdings liegen diese wertvollen Informationen in vielen Organisationen brach und sind innerhalb der verschiedenen Strukturen verstreut. Banken sollten rasch damit beginnen, den vorhandenen Datenschatz zu heben. Das Auflösen von Informationssilos und Investitionen in Big Data Analytics sind hier essenziell. Gleiches gilt für IT-Systeme, die entsprechende Informationen in Echtzeit über alle Kanäle hinweg bereitstellen können.

Gelingt Banken dies, dann werden sie ganz automatisch näher an ihre Kunden heranrücken - mit neuen Produkten und Services sowie einem ganz neuen Niveau der Interaktion. Bankdienstleistungen werden dabei ganz natürlicher Bestandteil der Customer Journey der Kunden, auch erweitert um Mehrwertdienste. Damit stehen Finanzinstituten alle Möglichkeiten offen, sich zum vertrauensvollen Begleiter der Kunden in deren Alltag zu entwickeln.

Gerade im Wettbewerb mit neuen Spielern bedeutet "Kundeninformation" ein echtes Asset, das sich Technologiegiganten oder Fintechs erst noch mühsam und kostenintensiv erarbeiten müssen.

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