Mit Faktorprämien auf dem Weg zu einer neuen Anlageklasse

Abbildung 1: Performance des Carry-Faktors

Dr. Torsten von Bartenwerffer, Head of Strategies and Portfolio Management, Aquila Capital Quant Team, Hamburg - Risikoadjustiert eine möglichst hohe Rendite einzuspielen, dürfte zweifelsohne das Ziel nahezu jedes professionellen und privaten Anlegers sein. Die Gretchenfrage nach dem Wie dieser Ausrichtung beantwortet der Autor mit dem Prinzip der Risikoparität im Portfolio und konkreter mit dem Konzept der Faktoren anstelle von traditionellen Anlage klassen. Letztere betrachtet er als zu stark korreliert. Er legt dar, wie sich diese Strategie in einem in diesem Sinne optimalen Portfolio unter anderem mit Zinsswaps und börsengelisteten Rohstoff-Futures umsetzen lässt. Für den dritten von ihm beschriebenen Faktor macht er sich die Messung der Investorenstimmung zunutze und traut sich auf diesem Wege sogar zu, den Marktfaktor, also die Korrelation seines Portfolios mit den Aktienmärkten, zu neutralisieren. (Red.)

Das Ziel eines rationalen Investors ist es, risikoadjustiert eine möglichst hohe Rendite zu erzielen. Um eine attraktive Rendite zu erwirtschaften, muss vor allem das Risiko im Zentrum der Überlegungen stehen. Und an dieser Stelle setzt das Konzept der Risikoparität (Risk Parity) an. Dabei handelt es sich um ein intuitives Konzept: Ziel ist der Aufbau eines Portfolios, dessen Bestandteile gleich viel zum Gesamtrisiko beitragen. Präziser: Das Ziel der Strategie ist es, ein Portfolio zu konstruieren, in dem für jede Anlageklasse langfristig eine positive Prämie erwartet werden kann und in dem jede Anlageklasse gleich viel zum Risiko beiträgt. Damit eine sinnvolle Diversifikation gelingt, müssen mehrere Risikoquellen mit niedriger Korrelation vorhanden sein.

Verstärkte Korrelationen

Was sind Risikoquellen? In der Regel wird dieser Begriff synonym mit spezifischen Anlageklassen wie Anleihen oder Aktien verwendet. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass diese Anlageklassen nicht oder nur schwach korreliert sind. Allerdings haben Episoden wie das Frühjahr 2013 gezeigt, dass sich Korrelationen schlagartig erhöhen können. Dennoch definieren Investoren üblicherweise ihr Exposure im Rahmen von Anlageklassen. Ziel ist es dann, mehrere, möglichst gering korrelierte Anlageklassen zu halten.

Investoren streben eine optimierte Allokation an. Sie sind heute international investiert.1) Sie legen ihr Kapital in neue Anlageklassen wie Hochzinsanleihen2) an oder mischen ihren Portfolios alternative Anlagen wie Private Equity bei. Aufgrund von Globalisierung und liberalisierten Märkten sind die Korrelationen zwischen den verschiedenen Anlageklassen gestiegen, was die Konstruktion eines diversifizierten Portfolios erschwert. Mit Beginn der Finanzkrise 2007/2008 hat sich diese Entwicklung noch verschärft. Zentralbanken intervenieren noch immer in nie da gewesenem Ausmaß, was einen deutlichen Korrelationsanstieg zwischen eigentlich völlig unabhängigen Anlageklassen zur Folge hat.

Welche Möglichkeiten stehen zur Verfügung, um dieser Entwicklung zu begegnen? Unter der Annahme, dass die gleichläufige Bewegung der Anlageklassen nur eine Funktion der Zentralbankmaßnahmen ist und dass diese Maßnahmen zeitlich begrenzt sind, wäre es die bequemste Vorgehensweise, einfach abzuwarten bis die verschiedenen Quantitative-Easing-Programme auslaufen. Leider lehrt aber die Geschichte, dass dies länger dauern könnte als gedacht - wie das Beispiel Japan zeigt. Zudem ist es möglich und plausibel, dass in den nächsten Jahrzehnten Regierungen und Zentralbanken generell eine gewichtigere Rolle an den Märkten spielen werden. Ein zweiter Ansatz besteht darin, neue Anlageklassen zu finden, die als unkorrelierte Renditequellen dienen könnten. Vor zwanzig Jahren haben Hedgefonds diese Rolle für sich beansprucht. Allerdings hat die Forschung gezeigt, dass ein typischer Hedgefonds kaum mehr als eine Mischung aus traditionellen Anlageklassen darstellt.3)

Defizite von Smart-Beta-Strategien

Ein weiterer Ansatz, der sich gerade im Aktienbereich einiger Beliebtheit erfreut, besteht darin, die traditionellen Anlageklassen beizubehalten, die Gewichtung der zugrunde liegenden Einzeltitel jedoch zu verändern. Diese Strategien laufen unter verschiedenen Bezeichnungen wie Smart Beta oder Alternative Beta.

Es existiert keine allgemein anerkannte Definition von Smart Beta, aber der Kern solcher Strategien besteht darin, von der üblichen Gewichtung nach Marktkapitalisierung abzurücken. Stattdessen werden die Anlageklassen nach anderen Kriterien gewichtet, zum Beispiel nach fundamentalen Kennzahlen. Smart-Beta-Strategien werden oft als passive Anlagen angepriesen und in Form von Indizes angeboten, in die dann beispielsweise via ETF investiert werden kann.

Aber auch diese Strategien haben Defizite. Da sie nur die Bestandteile einer Anlageklasse neu gewichten, bieten sie nicht wirklich neue Investitionsmöglichkeiten. Betrachtet man beispielsweise Aktien, so sind diese Strategien kaum mehr als Aktienindizes mit einer Übergewichtung bestimmter Anlagestile wie zum Beispiel Value. Daher ähneln die Risikoeigenschaften von Smart-Beta-Strategien immer noch sehr stark jenen der Anlageklassen, von denen sie eigentlich abzurücken versuchen.

Faktoren erklären Portfolioerträge

Es gibt einen weiteren Weg. Dabei lautet der Ansatz, gänzlich von der traditionellen Sicht auf Anlageklassen abzurücken. Das heißt, dass Anlageklassen definitorisch nicht aus Aktien oder Anleihen konstruiert werden. Stattdessen werden die zugrunde liegenden Triebkräfte der Anlagepreise betrachtet, sogenannte Faktoren. Dies ermöglicht ein genaueres Bild des Portfolios und vor allem die bessere Messbarkeit und Steuerung des Portfoliorisikos. "Faktor" ist ein abstrakter Begriff für eine Quelle von Preisvariabilität und somit letztlich die Rendite, zum Beispiel ein Faktor, der Aktienrenditen treibt. Angenommen, es würden 1 000 verschiedene Aktien für ein Portfolio gekauft, so entstünden keine unabhängigen Anlagen. Die Preise dieser Aktien würden sich gemeinsam bewegen. Tatsächlich kann ab einem gewissen Punkt die Hinzunahme weiterer Aktien das Portfoliorisiko nicht weiter senken.

Noch wichtiger ist, dass an diesem Punkt das Portfoliorisiko nicht null ist. Um also Exposure zu diesem generellen Aktienfaktor aufzubauen, wird ein diversifiziertes Aktienportfolio gekauft. Bedeutet das nun, dass Faktoren einfach Anlageklassen sind? Es gibt Anlageklassen, die sich großflächig mit Faktoren überschneiden. Dazu gehören zum Beispiel Aktien oder Anleihen, letztere im Sinne von "Instrumenten, deren Preis vom Zinsniveau abhängt".

Den Marktfaktor entfernen

Im Allgemeinen sind Faktoren jedoch nicht dasselbe wie Anlageklassen. Konzeptionell betrachtet verhält es sich eher umgekehrt. Um hier einen Vergleich von Andrew Ang von der Columbia Business School heranzuziehen: Anlageklassen sind wie Lebensmittel; Faktoren sind deren Inhaltsstoffe. Auf das Aktienbeispiel kann der Vergleich wie folgt angewendet werden: Wenn mehrere Aktien gekauft werden und diese sich dann im Gleichlauf bewegen, liegt das daran, dass sie die gleichen Inhaltsstoffe haben, ihre Preise also von den gleichen Kräften getrieben werden. Dies erklärt auch, wieso die Portfoliovarianz nicht auf null reduziert werden kann. Indem immer mehr Aktien dem Portfolio hinzugefügt werden, werden lediglich mehr von den gleichen Inhaltsstoffen hinzugefügt. Bei einer empirischen Untersuchung von Aktienkursen kann üblicherweise ein Faktor gefunden werden, der einen Großteil der Preisvariabilität erklärt. Es bedarf keiner komplizierten Statistik: Anleger sprechen ganz instinktiv von "einem steigenden Markt" oder von "einem schwachen Markt". Das heißt, immer wenn Aktien gehalten werden, beeinflusst dieser Faktor "Markt" die Renditen in erheblichem Ausmaß. Angenommen, der Einfluss des Marktes könnte aus einem Portfolio entfernt werden. Dann wären neue Faktoren erkennbar, die beispielsweise Sektoreneinflüsse repräsentieren.

Diese Sektorfaktoren waren auch vorher schon vorhanden; sie wurden aber vom Marktfaktor überschattet, da dieser viel stärker ist.4) Die bisher versteckten Faktoren sind nicht mit dem Marktfaktor korreliert. Wenn sie es wären, könnte man sie ja gar nicht vom Marktfaktor unterscheiden. In der Tat können also einzelne Faktoren isoliert werden, indem der Einfluss anderer Faktoren, wie im Beispiel den des Marktes, neutralisiert wird. Dies bietet ein neues Universum von "Anlageklassen", deren Grundbestandteile nicht bestimmte Wertpapiergattungen sind, sondern Faktoren.

Exposure zu Faktoren

Wieso sollte also Exposure zu Faktoren aufgebaut werden? Die Definition von Risk Parity lautet, dass Anlagen mit positiven Prämien gleiche Risikobeiträge zu einem Portfolio liefern sollen. Dabei sollten diese Anlagen möglichst gering korreliert sein. Genau diese Eigenschaften bieten Faktoren. Aus ökonomischer Sicht sollte das Eingehen von Faktor-Exposure entschädigt werden: Daher wird der Erhalt einer Kompensation erwartet. Nachfolgend wird der Begriff Faktorprämie für diese Entschädigung verwendet. Des Weiteren wird der Begriff Faktor als eine Quelle von Preisvariabilität definiert, zu der durch ein Faktorportfolio Exposure aufgebaut werden kann.

Dass es sich auszahlt, in Faktoren zu investieren, belegen die statistische und empirische Analyse, aber auch grundsätzliche ökonomische Überlegungen. Denn Faktoren spiegeln ökonomische Zusammenhänge wider, die von Marktteilnehmern anerkannt und wahrgenommen werden. Üblicherweise bedeutet dies, dass einige Investoren Exposure zu bestimmten Faktoren vermeiden wollen oder müssen. Diese Marktteilnehmer bezahlen daher andere dafür, ihnen dieses Exposure abzunehmen.

Oder weniger abstrakt ausgedrückt: Es muss einen Grund geben, wieso dieser Faktor existiert und man muss davon ausgehen, dass dieser Grund auch in Zukunft Bestand haben wird. Dank der Systematik, wie Faktoren konstruiert werden - nämlich durch die Eliminierung einzelner Bestandteile aus einer traditionellen Anlageklasse - sind sie nur geringfügig mit traditionellen Anlageklassen korreliert. Darüber hinaus bieten sie dem Portfoliomanager die Möglichkeit, die bestehende Portfoliostruktur zu berücksichtigen. Denn bereits wenn ein Faktorportfolio zusammengesetzt wird, können die Korrelationsstrukturen zwischen dem bestehenden Portfolio und dem Faktor berücksichtigt werden.

Eine neue Anlageklasse

Für die Auswahl der Faktoren müssen drei Kriterien beachtet werden: Ein Faktor sollte einfach sein. Das heißt, dass er durch eine sorgfältige Recherche, aber auch durch ökonomische Intuition gestützt sein sollte. Darüber hinaus muss ein Faktor eine langfristige Prämie versprechen. Risiko und Ertrag von Faktoren müssen attraktiv sein, sowohl in der Einzelbetrachtung als auch als Teil eines Portfolios. Das dritte Kriterium sind die Kosten: Der Aufbau eines Faktor-Exposures muss günstig sein. Faktorportfolios müssen aus standardisierten und liquiden Instrumenten zusammengesetzt werden können, um so effizient die gewünschten Exposures steuern zu können. Diese drei Kriterien werden als "ökonomische Logik", "Performance" und "Umsetzung" bezeichnet.

Im Folgenden wird die Konstruktion einer "neuen Anlageklasse" skizziert. Diese ist eine Mischung aus drei Faktor-Exposures. Bei traditionellen Anlageklassen ist es relativ einfach, eine Implementierung zu finden. So können zum Beispiel Aktien mit dem S&P 500 oder einem globalen MSCI Index abgebildet werden. Mit Faktoren ist es schwieriger, denn die Performance der neuen Anlageklasse hängt von der Faktorauswahl ab. Faktoren sind zyklisch und liefern zwar langfristige Prämien, aber eben nicht in jeder Marktphase. Daher sollten die Faktor-Exposures diversifiziert werden. Dies ist mitunter auch ein wichtiger Unterschied, welcher Faktorprämien von prognosebasierten absoluten oder auch Hedgefonds-Strategien abgrenzt. Jeder der drei Faktoren ist von einer traditionellen Anlageklasse - Aktien, Anleihen und Rohstoffe - abgeleitet. Dies bringt einen Vorteil mit sich: Wenn die gewünschten Faktor-Exposures in tatsächliche Positionen übersetzt werden, können Soll-Positionen über Anlageklassen hinweg aggregiert werden.

Anleihen: Carry

Im Anleihenbereich wird das Term-Premium (Laufzeitprämie) abgeschöpft. Dieser Faktor wird als Carry bezeichnet. Das Anlageuniversum besteht dabei aus acht Märkten (Australischer Dollar, Kanadischer Dollar, Schweizer Franken, Euro, Britisches Pfund, Japanischer Yen, Schwedische Krone und US-Dollar), aus denen steile Zinskurven ausgewählt und Exposure durch standardisierte Zinsinstrumente (Zinsswaps) aufgebaut wird. Dieses Exposure ist vergleichbar mit einer Anlage in Anleihen. Um diese Positionen gegen allgemeine Zinsschwankungen abzusichern, werden gegenteilige Positionen in Märkten mit relativ flachen Zinskurven eingegangen. Abbildung 1 zeigt die Performance dieses Faktors. Das Faktorportfolio ist seit August 2009 live; diese Periode ist in Blau dargestellt.

Anhand der Checkliste für Investitionen in Faktoren stellen sich diese Instrumente wie folgt dar:

- Ökonomische Logik. Das Term-Premium ist ein vielfach erforschtes Phänomen und wird in der ökonomischen Fachliteratur seit den 1930er Jahren beschrieben. Es sollte langfristig Bestand haben.

- Performance. Gemäß dem Grundsatz liegt die Konzentration auf dem Risiko. Das Risiko des Faktors wird mit dem eines Anleiheindex, dem REXP, verglichen. Die Volatilität des Carry beläuft sich annualisiert auf 4,0 Prozent, die des REXP auf 3,5 Prozent. Der maximale Drawdown betrug beim Carry 7,6 Prozent, beim REXP 5,2 Prozent. Alle Kennzahlen wurden aus Livedaten berechnet.

- Umsetzung. Das Faktorportfolio wird über Zinsswaps implementiert.

Rohstoffe: Backwardation

Bei Rohstoffen wird die Backwardation-Prämie abgeschöpft, die Bestandteil von Rohstoff-Futures ist. Rohstoffe werden auf Kassa- und Terminmärkten gehandelt. Die Preisdifferenz zwischen dem Kassa- und Futures-Preis wird Basis genannt und ist stark durch die Eigenheiten des jeweiligen Rohstoffs bestimmt, zum Beispiel ob dieser gelagert werden kann. Empirisch zeigt sich, dass die Basis höher ist als beobachtbare Größen wie Zinsen und Lagerkosten erwarten lassen. Diese Abweichung wird Convenience Yield genannt. Je höher sie ist, desto attraktiver sind Futures im Vergleich zum Kassamarkt. Zum Teil geht das so weit, dass der Futures-Preis unter dem Kassapreis liegt. Der betroffene Rohstoff ist dann in Backwardation.5)

Ist durch den Kauf eines Rohstoff-Futures mit einer hohen Basis ein Faktor-Exposure aufgebaut, gilt auch hier: Wenn nur Futures gekauft würden, könnte die Backwardation-Prämie zwar abgeschöpft werden - allerdings wäre man gleichzeitig den generellen Bewegungen der Rohstoffmärkte ausgesetzt. Diese Bewegungen könnten die Prämie leicht zunichtemachen. Um ein reineres Exposure zu ermöglichen, werden Rohstoffe ausgewählt, deren Future-Preis im Vergleich zum Kassa preis hoch erscheint (das heißt, diese Rohstoffe haben eine niedrige Basis) und verkaufen diese, um Long-Positionen vor Preisschwankungen zu schützen.

Dieses Investment lässt sich anhand der Checkliste folgendermaßen analysieren:

- Ökonomische Logik. Die ökonomische Literatur berichtet bereits in den 1920er Jahren von Backwardation. Die Backwardation-Prämie spiegelt Risiken wider, die Rohstoffproduzenten und -konsumenten an Finanzinvestoren weitergeben. Daher sollte die Prämie dauerhaft Bestand haben.

- Performance. Gemessen an der Volatilität ist der Faktor nicht sonderlich risikoreich im Vergleich zu traditionellen Anlageklassen wie Aktien oder Anleihen. Der Faktor weist eine geringe Korrelation sowohl zu traditionellen Anlageklassen wie Aktien, aber auch zu Rohstoffmärkten im Allgemeinen auf.

- Umsetzung. Die Backwardation-Prämie kann durch eine Investition in börsengelistete Rohstoff-Futures vereinnahmt werden.

Aktien: Momentum

Der dritte Faktor wird aus der Anlageklasse Aktien isoliert. Bewegungen des Aktienmarktes sind zu einem großen Teil durch einen einzigen Faktor bestimmt, der oft einfach "der Markt" genannt wird. Deswegen zeigen viele spezialisierte Aktienstrategien immer noch einen auffallenden Gleichlauf mit dem breiten Aktienmarkt. Der Marktfaktor kann neutralisiert werden, um diese Korrelation zu reduzieren. Es ist sogar möglich, den Faktor nur in negativen Marktphasen zu neutralisieren, oder sogar in fallenden Märkten negatives Exposure aufzubauen. Die treibende Größe hinter dieser Entscheidung ist die Investorenstimmung oder, genauer gesagt, die Risikofreude. Die Risikofreude wird durch eine Kombination aus mehreren Kennzahlen wie beispielsweise dem Aktienmarkt-Momentum und der impliziten Volatilität gemessen. Diese verschiedenen Indikatoren werden unter dem Begriff Momentum zusammengefasst.

Eine Long-Position im Marktfaktor wird gehalten, wenn sich ein positives Momentum erkennen lässt - die Risikofreude ist hoch und steigt -, aber eine neutrale Position eingenommen, sobald die Stimmung euphorisch wird. Dem gleichen Prinzip kann man auch bei negativem Exposure folgen. Es wird aufgebaut, wenn die Risikofreude abnimmt, jedoch eine neutrale Position eingenommen, wenn die Marktstimmung allzu pessimistisch wird.

- Ökonomische Logik. Der Einfluss der Investorenpsychologie auf das Verhalten von Marktpreisen wird seit langem untersucht.6) Der Momentum-Effekt wurde erstmals 1993 beschrieben7) und seither vielmals repliziert.

- Performance. Faktorportfolios werden für zwei Märkte aufgebaut, den Euro Stoxx 50 und den S&P 500. Das Faktorportfolio ist seit April 2007 live. Der Live Track-Record umfasst also auch die Finanzkrise. Es zeigt sich, dass das Risiko des Faktorportfolios deutlich niedriger als das der zugrunde liegenden Indizes ist. Das Faktorportfolio hat nicht nur ein geringeres Risiko, sondern ist auch nur wenig korreliert mit den zugrunde liegenden Aktienindizes. Die Korrelation zwischen dem Euro Stoxx 50 und dem entsprechenden Faktorportfolio beträgt nur 0,35 und zwischen dem S&P 500 und dem entsprechenden Faktorportfolio nur 0,25.

- Umsetzung. Die Strategie kann effizient durch Futures umgesetzt werden.

Ergebnisse des Faktorportfolios

Die neue Anlageklasse als Ganzes ist in Abbildung 2 dargestellt. In ihrer Livephase, das heißt seit September 2009, hätte sie eine annualisierte Rendite von 4,7 Prozent bei einer Volatilität von 4,6 Prozent erwirtschaftet. Der maximale Drawdown betrug 6,2 Prozent.

In diesem Beitrag wurde skizziert, wie eine neue Anlageklasse aus Faktor-Exposures gebildet werden kann und wie sie die Diversifikation eines Portfolios verbessern könnte. Dies gilt selbst für bereits gut diversifizierte Portfolios, beispielsweise solche, die nach dem Risk-Parity-Ansatz verwaltet werden. Finanzmarkt-Anlagen sind Kombinationen von Faktoren und das Gleiche gilt für Anlageklassen. Die neue Anlageklasse stellt keine physische Anlageklasse dar, sondern eine Kombination aus sorgfältig ausgewählten Faktor-Exposures.

Was kann von der neuen Anlageklasse erwartet werden? Zunächst erfüllt sie alle Anforderungen an eine Anlageklasse, wie sie auch der Risk-Parity-Ansatz stellen würde. Denn sie repräsentiert eine nur gering korrelierte und liquide Renditequelle. Sie verändert also in keiner Weise die grundsätzliche Überzeugung, wie ein Portfolio konstruiert werden sollte - getrieben vom Risikodenken, ohne konkrete Renditeprognosen. Gleichzeitig bleibt festzuhalten, dass Faktorprämien die Diversifikation bestehender Portfolios weiter verbessern werden.

Fußnoten

1) Herbert G. Grubel, "Internationally Diversified Portfolios: Welfare Gains and Capital Flows." In: American Economic Review 58.5 (1968), S. 1299-1314 und Bruno Solnik, "Why Not Diversify Internationally Rather Than Domestically?" In: Financial Analysts Journal 30.4 (1974), S. 48-54.

2) Robert A. Jr. Taggart, "The Growth of the Junk Bond Market and its Role in Financing Takeovers." In: Mergers and Acquisitions. Hrsg. Von Alan J. Auerbach, University of Chicago Press 1987.

3) Noel Amenc u. a., "The Myths and Limits of Passive Hedge Fund Replication - An attractive Concept ... Still a Work-in-Process." In: EDHEC Risk and Asset Management Research Centre (2007).

4) Louis K. C. Chan, Jason Karceski und Josef Lakonishok, "On Portfolio Optimization: Forecasting Covariances and Choosing the Risk Model." In: Review of Financial Studies 12.5 (1999), S. 937-974.

5) Gary B. Gorton, Fumio Hayashi und K. Geert Rouwenhorst, "The Fundamentals of Commodity Futures Returns." In: Yale ICF Working Paper 07-08 (2012).

6) Malcolm Baker und Jeffrey Wurgler, "Investor Sentiment in the Stock Market." In: Journal of Economic Perspectives 21.2, S.129-152.

7) Narasimhan Jegadeesh und Sheridan Titman, "Returns to Buying Winners and Selling Losers: Implications for Stock Market Efficiency." In: Journal of Finance 48.1 (1993), S. 65-91.

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