Geschäftsmodelle, IT und Governance - das Bermuda-Dreieck des Bankings

Laurenz Kohlleppel, Foto: L. Kohlleppel

Geld für Kunden Verwahren, Kredite an Kunden ausgeben. So gestaltet sich das klassische Bankgeschäft seit jeher. Technik hatte darauf lange keinen Einfluss. Innerhalb der Bank wie nach außen hin hat sie das Geschäft vereinfacht und beschleunigt, im Kern blieb es jedoch das Gleiche. Niedrige Zinsen und die immer tiefere Durchdringung des Lebens durch Web-Technologien und Smartphones zwingen Banken nun jedoch zu einem Umdenken. Etablierte Institute mit historisch gewachsenen Strukturen der Unternehmensführung und IT haben dabei oft das Nachsehen. Meist sind es Start-ups und Fintechs, die sich schnell an neue Gegebenheiten anpassen können, die Akzente und Trends für neue Geschäftsmodelle setzen können. Etablierte Banken und Sparkassen folgen diesen Trends zum Großteil nur. Die Autoren des vorliegenden Beitrags liefern Argumente für ein Neudenken der internen Struktur der Banken, der Gleichstellung der IT mit anderen Geschäftsbereichen und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, um mit einer sich ständig verändernden Umgebung Schritt halten zu können. (Red.)

Die Banken befinden sich vermutlich in einer in ihrer Geschichte wohl kaum gekannten Situation. Wenn man von der Weltwirtschaftskrise 1929 einmal absieht, hat sich die Branche letztlich immer darauf verlassen können, dass sie mit ihrem Haupteinkommensstrom aus dem Zinsgeschäft letztlich alle Herausforderungen wirtschaftlich bestehen konnte. Natürlich war nicht ausgeschlossen, dass einzelne Institute aus dem Markt ausscheiden mussten, aber das hatte in der Regel individuelle Gründe und war nicht das Ergebnis einer systemischen Herausforderung. Die Kreditwirtschaft war letztlich bisher bei jeder Krise in der Lage, sich mit dem gewohnten Instrumentarium wieder zu befreien.

Mehr und mehr setzt sich aber aktuell die Überzeugung durch, dass die gewohnte Mechanik zur Krisenbewältigung in dieser Situation nicht ausreichen wird, um die Rückkehr zu den gewohnten Geschäftsergebnissen - unter grundsätzlicher Beibehaltung der etablierten Strukturen - zu gewährleisten. Sollte sich dies bestätigen, wird sich die Branche einem disruptiven Wandel unterziehen müssen. Hierfür ist in ganz wesentlichem Umfang das anhaltend niedrige Zinsniveau verantwortlich, welches sich über die ursprünglich erwartete Dauer von einigen wenigen Jahren als inzwischen dauerhaftes Phänomen etabliert hat und die Erlösbasis erodieren lässt.

Um einige Zahlen zu nennen: ATKearney rechnet - auch Corona-bedingt - mit einem Einnahmerückgang der Banken im Jahr 2020 um 20 Prozent, Boston Consulting ist nur wenig optimistischer und erwartet in Deutschland bis 2025 einen geringen Erlöszuwachs um gerade einmal 1,3 Prozent gegenüber 2019. Geschäftsmodelle von Banken, bei denen das Zinsgeschäft die tragende Rolle spielt, werden so nachhaltig destabilisiert. Ergänzend sei noch erwähnt, dass dieses Zinsniveau sich nicht etwa im Rahmen normaler Marktprozesse herausgebildet hat. Zum einen werden geld- und finanzpolitisch motivierte Entscheidungen als Folge der Finanzmarktkrise als Gründe angeführt, zum anderen ist nach Auffassung einiger Ökonomen auch die zunehmende Alterung der Bevölkerung dafür verantwortlich.

Der Trend

Ein Blick in die Entwicklung des Bankgeschäfts der letzten 30 Jahre zeigt, dass letztlich die Technik die Veränderung des Bankgeschäfts treibt. Die Schnittstelle Bank-Kunde ist, beginnend mit der Einführung der Kundenselbstbedienung, in den 80er und 90er Jahren der für alle Kunden sichtbare und erfahrbare Teil. Mit der Marktreife der Web-Technologien, der durchgreifenden Digitalisierung im Alltag und der zunehmenden Vertrautheit der Kunden mit Smartphone- und Internetprozessen in allen Lebensbereichen übertrugen sich die damit gemachten Erfahrungen zwangsläufig auch auf das Bankgeschäft. Intuitiv zugängliche Prozesse und eine hohe Flexibilität in der Wahl der präferierten Dienstleister in alltäglichen Angelegenheiten schlagen sich konsequenterweise auch in der Erwartungshaltung der Bankkundschaft nieder.

"Banking is necessary, banks are not." ist ein stark strapazierter, aber immer noch nicht aus der Diskussion verschwundener Satz von Bill Gates. Das Internet und die Digitalisierung haben den Zugang neuer Anbieter möglich gemacht. Unternehmen, die zum Teil auf eine Lebensdauer von manchmal nur wenigen Jahren zurückblicken können, sind zu Trendsettern des Bankgeschäfts geworden. Vielfach finden sich die etablierten Institute in die Rolle der "Follower" gedrängt, von "First Movers" kann kaum die Rede sein - das allein ist schon ein Paradigmenwechsel in einer so traditionsreichen Branche.

Die Technik allein hätte diesen Rollenwechsel allerdings nicht bewirkt. Bankgeschäft ist traditionell ein reguliertes Geschäft mit hoher politischer Wahrnehmung. Die Bewältigung der Finanzmarktkrise 2008/09 hat die Notwendigkeit einer wirkungsvollen Regulierung noch einmal vor Augen geführt. Die Schaffung geeigneter Markt- und Wettbewerbsbedingungen ist Teil hiervon. Die technische Entwicklung hat neue Möglichkeiten zur Weiterentwicklung des Marktes geschaffen. Zur Verbesserung des Angebots für Kunden und zur Öffnung des Marktes für neue Anbieter hat die Politik zusammen mit den Aufsichtsbehörden den Zugang insbesondere für technologienahe Unternehmen geschaffen - PSD2 steht an dieser Stelle nur als Stichwort für diesen Prozess.

Mit den neuen Anbietern sind innovative Geschäftsmodelle dem Markt zur Verfügung gestellt worden, die sich nicht von dem klassischen Produktgedanken leiten lassen, sondern Finanzdienstleistungen als Teil eines umfassenderen Wertschöpfungsverständnisses verstehen und Ökosysteme als Leitgedanken für ihre Kundenservices bereitstellen. Der Zahlungsverkehr zeigt diese Entwicklung vielleicht am konsequentesten. Das Ergebnis: Fintechs und die weltweit agierenden Technologiekonzerne, die GAFAs (Google, Apple, Facebook, Amazon und weitere), nutzen die technischen Möglichkeiten und haben sich in diesem Markt erfolgreich etabliert.

Banken und ihre IT

Die etablierten Institute sehen sich schon wegen der bereits erwähnten Phänomene vor enorme Herausforderungen gestellt. Der IT als dem ausschlaggebenden Produktionsfaktor in der Bankenindustrie kommt dabei eine Schlüsselfunktion zu. Historisch gewachsen, war die traditionelle Banken-IT in ihrer Grundstruktur weitgehend durch Spartenlösungen charakterisiert. Das Stichwort "Silo" stellt ein gut geeignetes Bild dar, um die damit verbundenen Restriktionen zu beschreiben.

Redundante Datenhaltung, hohe Komplexität als Folge anhaltender funktionaler Erweiterungen, ungenügende Standardisierung, Abhängigkeit von alten Programmiersprachen und nicht mehr aktuellen Betriebssystemständen et cetera waren vielfach Merkmale, die die Kreditinstitute belasteten. Es ist kein Einzelfall, dass Aspekte einer konsistenten IT-Architektur hinter der Anforderung einer schnellen Realisierung zeitkritischer Anforderungen zurückstehen mussten. Das Ergebnis ist, dass die IT inzwischen zum vielleicht wichtigsten Problemfeld der Kreditwirtschaft geworden ist. Was sind die Auslöser?

Wenn man einen Blick zurückwirft, muss man, ohne an dieser Stelle eine ins Detail gehende Analyse liefern zu wollen, konstatieren, dass sich die Bankenwelt, von dem Schock der Finanzmarktkrise einmal abgesehen, über lange Zeit insgesamt außerordentlich stabil entwickelt hat. Strukturelle Veränderungen, innovative Geschäftsmodelle hat es nicht gegeben, daher auch keine den Namen rechtfertigenden neuen Strategien. Das Drei-Säulen-Modell der deutschen Kreditwirtschaft mit seinen wesentlichen Merkmalen und Institutionen schien lange Zeit allen Anforderungen gewachsen zu sein. Und als in den späten 90er Jahren mit dem Aufkommen der Direktbanken ein neuer Typ Bank auf dem Markt auftauchte, hatte es noch nicht zu einem dem Grunde nach neuen Nachdenken geführt.

Dies war erst dann der Fall, als mit dem Internet und der Digitalisierung eine neue IT, eine neue Form des Banking inklusive neuer Produktionsprozesse möglich wurden. Der Wettbewerbsdruck wurde spürbar höher und machte in Verbindung mit der Niedrigzinsphase schon unter kommerziellen Aspekten ein "Weiter so" zunehmend unmöglich. Erst seitdem, so hat es den Anschein, befasst sich die Kreditwirtschaft ernsthaft mit einer grundlegenden Um- und Neugestaltung der IT unter Einsatz der Digitalisierung und der ebenfalls notwendigen Überprüfung und strategischen Neuausrichtung ihrer Geschäftsmodelle.

Die historisch entstandene Landschaft der Banken-IT ist, wie schon ein kurzer Blick auf den Status zeigt, schon von ihrer Architektur her in ihren Kernbestandteilen kaum geeignet, den aktuellen Herausforderungen sowohl funktional, qualitativ als auch wirtschaftlich zu begegnen. Sie kann weder die vom Markt von den Instituten geforderte Agilität und Geschwindigkeit noch die Basis für den Aufbau fortschrittlicher Ökosysteme rund um finanztechnische Anwendungen sicherstellen. Dieser Befund ist nicht neu und wurde in allen Lagern der etablierten Kreditwirtschaft erkannt. ("180-Grad-Wende der IT" gefordert, "lausige IT" sind Kommentare aus der Banken-IT der jüngeren Zeit.)

Notwendigkeit der Neuausrichtung

Die Konsequenz? Es gibt eine Reihe kurzfristig zu bewältigender Aufgaben, deren Bearbeitung gar nicht zur Disposition stehen kann und in jedem Fall zu realisieren sind und auch in Angriff genommen wurden - hier nur einige Stichworte:

- Die Abbildung der regulatorischen Anforderungen in den Ist-Systemen.

- Die Realisierung aktueller neuer Anwendungen im Basisgeschäft, zum Beispiel Instant Payment, und ihre Integration in die Gesamtdatenverarbeitung.

- Der Aufbau digitaler Finanzdienstleistungen im Wettbewerb mit der neuen Konkurrenz.

- In einer aber noch unverändert fortbestehenden IT-Architektur der Banken in den Kernsystemen hat die Umsetzung dieser Projekte fatale Konsequenzen:

- Eine weiter wachsende Komplexität der Anwendungslandschaft.

- Das Entstehen von Parallelwelten in der IT mit zusätzlichem Integrationsbedarf in die Gesamtdatenverarbeitung

- Die schon aus Kostengründen unvermeidliche Standardisierung grundsätzlich gleichartiger Prozesse wird weiter erschwert. Statt an industriellen Prozessen ausgelegten Abläufen bestimmen Kleinteiligkeit und Manufakturcharakter weiterhin das Bild.

Für die Banken bedeutete das Fortbestehen einer solchen Konstellation sowohl eine wachsende operative Belastung als auch, was noch gravierender erscheint, den Verlust an langfristiger und strategischer Handlungsfähigkeit in einem sich fundamental verändernden Mark. Klassisches Kostenmanagement allein und Partikularoptimierung haben nur eine kurze Reichweite und sind nicht - schon gar nicht allein - ausreichend tragfähig.

Das bereits erwähnte Zitat des neuen Vorstandsvorsitzenden eines der großen IT-Unternehmen der Kreditwirtschaft, der eine "180-Grad-Wende der IT" fordert, enthält im Kern die geforderte Antwort. Diese Antwort richtet sich aber nicht nur an die IT. Sie bedeutet auch die Klärung und Definition einer tragfähigen Unternehmensstrategie in dem eingangs skizzierten Marktumfeld mit einem weiterentwickelten Geschäftsmodell. Selbst wenn die klassischen Bankleistungen im Kern vermutlich die gleichen bleiben werden, werden aber ihre Präsentation auf dem Markt und nicht zuletzt die dahinter liegenden Produktionsprozesse aller Voraussicht nach nicht mehr die gleichen bleiben können. Am sichtbarsten ist der sich beschleunigende Rückbau der traditionellen Filialstruktur, um nur ein Phänomen zu nennen. Die Lösung wird nicht darin bestehen können, die neuen Player mit ihren rein digitalen webbasierten Kundenschnittstellen schlicht kopieren zu wollen. Aber der Grad der Digitalisierung und die damit verbundenen zusätzlichen Fähigkeiten geben die Richtung vor.

IT als entscheidender Produktionsfaktor

Immer noch findet man, wenn man einen Blick in die Organisationsstrukturen und Entscheidungsprozesse wirft, in Teilen der Kreditwirtschaft die vertraute Gegenüberstellung von Geschäft und IT vor. Manches wird sich im Detail geändert haben, aber im Grunde herrschte das Verständnis vor, dass IT letztlich der Erfüllungsgehilfe geschäftlicher Entscheidungen und bankfachlicher Konzepte des Bankmanagements war. Dieses über lange Zeit ohne Zweifel tragfähige Modell ist unter den Bedingungen der digitalen Welt an seine Grenzen gestoßen und kann unter den heutigen und zukünftigen Marktgegebenheiten nicht mehr die Grundlage für fachliche und unternehmerische Entscheidungsprozesse in der Kreditwirtschaft sein.

Bankgeschäft musste lange nicht als angewandte IT verstanden werden. Heute ist IT der entscheidende Produktionsfaktor. Daher darf das Verhältnis von Fachlichkeit, Banksteuerung und IT nicht von Abgrenzung und Ressortzuständigkeit, sondern muss von Interaktion und gemeinsamer Verantwortung für ein ganzheitlich zu betreibendes Geschäft bestimmt sein. Dies korrespondiert im Übrigen mit den heutigen Erwartungen der Kunden an Bankleistungen als Prozesse in umfassenden Ökosystemen im Unterschied zum traditionellen Produktverständnis.

Fintechs und Anbieter wie Amazon, Google, Apple und Ähnliche sind daher auch in ihrer Eigenschaft als Finanzdienstleister nicht wie eine Bank organisiert. Überall dort, wo es Kooperationen von Fintechs und Banken gibt, wird über kurz oder lang einen Erfahrungstransfer stattfinden und sich in einem gewandelten Organisations- und Verantwortungsverständnis bei den etablierten Banken und kreditwirtschaftlichen Verbünden niederschlagen.

Eine der großen Chancen besteht unter anderem zum einen darin, dass IT-Entscheider unmittelbarer auch von den geschäftlichen Folgen ihrer Entscheidungen betroffen sein werden. Die IT-Verantwortlichen würden also viel direkter den Folgen ihres Agierens auf dem Markt ausgesetzt sein. Und zum anderen, die Fach- und Geschäftsbereichsverantwortlichen müssten sich sehr viel konkreter mit den unmittelbaren Konsequenzen ihrer Strategien für die IT-Umsetzung auseinandersetzen. Entscheidungen und ihre Folgen werden in einem solchen Modell sehr viel ganzheitlicher empfunden.

Wie kann ein solcher Ansatz realisiert werden? Im Kern könnte dies beispielsweise so erfolgen: Unter Steuerungsaspekten könnten die Geschäftsschwerpunkte einer Bank als Profit-Center eingerichtet sein, mit einem vollumfänglich verantwortlichen Management, bei dem sich die handelnden Personen jeweils zwar auf die fachlichen Belange einerseits und die IT andererseits konzentrieren, aber gemeinsam die GuV-Verantwortung für die betreffende Business Unit tragen und alle maßgeblichen Entscheidungen nur in Abstimmung treffen können.

Lösungsansätze

In einem solchen Umfeld läge beim Topmanagement neben der Formulierung der Unternehmensstrategie eine der Hauptaufgaben darin, die "Spielregeln" für das Management der Geschäftseinheiten zu definieren und gegebenenfalls anzupassen und eine insgesamt konsistente Geschäfts- und IT-Strategie sicherzustellen. In einem solchen Szenario läge beim C-Level des Managements eine ganzheitliche End-to-End-Verantwortung für die Gesamtbank, aber nicht auf der operativen Ebene, sondern der Strategie und der Unternehmenssteuerung. Ein maßgeblicher Aspekt hierbei besteht insbesondere darin zu vermeiden, dass in der Bank Geschäft und IT nicht mehr als sich gegenüberstehende Positionen wahrgenommen werden und auftreten, sondern als komplementäre Aspekte der gleichen Aufgabe mit entsprechender GuV-Wirkung.

So sinnvoll und notwendig ein solcher Paradigmenwechsel erscheint, die Schwierigkeiten seiner konsequenten Umsetzung können nicht unterschätzt werden und erfordern die gemeinsame Anstrengung der Unternehmensleitung und der Führungsebene. Aber angesichts der Umwälzungen im Markt bietet sich auf mittlere und längere Sicht kaum eine tragfähige Alternative zu einem solchen oder äquivalenten Ansatz an.

Kostendiskussion greift zu kurz

IT ist zu teuer, so die weitverbreitete überkommene Überzeugung vieler Geschäftsbereichsverantwortlicher - schließlich bestimmt sie einen erheblichen Teil der Verwaltungskosten einer Bank oder Sparkasse und damit die Profitabilität des Instituts. Angesichts der Erlöserosion ist Kostenmanagement ein offensichtliches Gebot der Stunde. So haben viele Institute ihre Filialnetze bereits deutlich ausgedünnt und werden dies weiter tun. Dies wird nicht reichen. Cost Income Ratios von perspektivisch über 80 (AT Kearney) bei den traditionellen Instituten sprechen eine deutliche Sprache. Die Personalstärke wird, siehe die Ankündigungen der Großbanken und die Geschäftsberichte der Verbünde, daher ebenfalls reduziert. Können die IT-Kosten von Kostensenkungen verschont bleiben?

Richtig ist, dass traditionelle IT-Architekturen, die der Sparten- oder Silo-Logik folgen, eine hohe Kostenbelastung nach sich ziehen und strukturell teuer, und damit objektiv betrachtet zu teuer sind. Die Auslöser - redundante Datenbestände, fehlende Standardisierung, Mehrfachentwicklungen gleicher Funktionen für verschiedene Sparten, veraltete SW-Sprachen et cetera - sind an anderer Stelle bereits genannt worden. Die Kostenvorteile moderner IT-Welten, die die Spartenlogik durch den Aufbau von "Banking-as-a-Platform"-Lösungen mit API-basierten Ökosystemen überwinden und in der IT durch Nutzung von Microservices und Cloud-Infrastruktur charakterisiert sind, können in der herkömmlichen DV-Welt nicht erreicht werden.

Zudem darf nicht übersehen werden, dass traditionelle Organisationsstrukturen in den Fach- und Geschäftsbereichen das Entstehen eines ausreichenden Verantwortlichkeitsbewusstsein für Aufwände und Kosten der Realisierung und des Betriebs von Anwendungen, wie bereits dargestellt, nicht nur nicht gewährleisten, sondern verzögern und in Einzelfällen sogar verhindern. Technisch ausgedrückt sind die Anreizstrukturen im Sinne des Unternehmensinteresses nicht optimal geeignet.

Sowohl überkommende IT-Architekturen als auch die internen Organisationsstrukturen sind also verantwortlich, dass die geforderte Kosteneffizienz in der IT nicht erreicht werden kann, die aber im Wettbewerb mit den neuen Anbietern dauerhaft gefordert ist.

Durchdachtes Vorgehen

Reicht diese Feststellung, um schon den Umschwung auslösen? Nein. Um nicht bei diesem qualitativen Befund stehen zu bleiben, ist noch ein wichtiges Instrument zu nennen, um wirksam und effizient handeln zu können. Es muss darüber hinaus ein Höchstmaß an Transparenz über Kostentreiber und Prozessschwächen vorliegen, um die Neuausrichtung konkret in Angriff nehmen zu können. Erst das konkrete Wissen über Schwachstellen in den Prozessen, ihre Verortung und Größenordnung macht eine quantitative Steuerung möglich. Die Prozesskostenanalyse wird zum Beispiel ein wichtiger Teil eines solchen Instrumentariums sein - ein erster Schritt für ein Institut, sich aus nicht mehr tragfähigen Strukturen und Prozessmodellen zu befreien.

Hiermit oder über ein gleichwertiges Instrument kann die Unternehmensleitung gezielt Schwachstellen identifizieren und in ihrer Auswirkung in Euro und Cent zu bewerten. Damit kann dann das notwendige Faktenwissen für einen Umbau der IT ("180-Grad-Wende der IT") bereitgestellt werden. Damit kann der konkrete Umbau der Prozesslandschaft eingeleitet werden, der die überfällige durchgängige Industrialisierung und Standardisierung des Bankbetriebs zum Ziel hat. Konsequent betrieben, wird hieraus dann auch eine neue Kostenstruktur resultieren, die sich durch einen deutlich höheren Anteil an IT-Aufwänden und eine signifikant reduzierten Personalkostenanteil auszeichnet.

Governance mit ganzheitlichen Verantwortlichkeitsstrukturen

Eine Blaupause oder ein Masterplan konkreter Maßnahmen können nicht Bestandteil dieses Beitrags sein. Die generelle Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels speziell in der Banken-IT ist von vielen Seiten ebenfalls nachdrücklich unterstrichen und belegt worden. An dieser Stelle sollten einige Aspekte, die in der etablierten Bankenwelt angefasst und neugestaltet werden müssen und letztlich überlebenswichtig sind, konkret benannt werden.

Die IT ist, im Zeitalter der Digitalisierung, der Dreh- und Angelpunkt eines auch kommerziell erfolgreichen Bankgeschäfts. Um den Umbau des Bankgeschäfts durchzuführen, sind zunächst erhebliche Investitionen unvermeidbar. Ohne die Bereitschaft zu investieren, sind die angestrebten Kosten- und Effizienzziele nicht zu erreichen. Dieser Punkt kann nicht deutlich genug gemacht werden. Es müssen also zunächst temporär höhere Aufwände in Kauf genommen werden, um dauerhaft kosteneffizienter arbeiten zu können. Diese Belastungen sind rechtzeitig anzugehen, das heißt in einer Situation vorzunehmen, in der der Markt sich noch formiert und damit Platz für leistungsfähige Anbieter vorhält und in der die wirtschaftlichen Voraussetzungen des Instituts dies gestatten.

Ein neues Kräfteverhältnis in der Bank

Im Ergebnis werden sich in der Bank grundlegend veränderte Kostenstrukturen herausbilden, in denen die IT einen sichtbar höheren Anteil einnimmt. Wie es bereits Entwicklungen anderer Industrien gezeigt haben, wird dies zwangsläufig Auswirkungen auf die quantitative und qualitative Ausprägung des Personalbedarfs haben, aber - und auch dies ist eine Erfahrung anderer Industrien - dies hat den Erfolg und den Fortbestand vieler Unternehmen in diesen Industrien erst möglich gemacht.

Von diesen die Neupositionierung der IT betreffenden Entwicklungen ist die interne Governance, konkret das Verhältnis von Geschäft und IT, nicht zu trennen. Es sollte klar geworden sein, dass die Beibehaltung bisheriger Abgrenzungs- und Zuständigkeitsstrukturen letztlich kontraproduktiv ist. Diese münden letztlich in unter den heutigen Bedingungen wenig geeigneten Anreizkonstellationen, die zum Teil hohe unternehmensinterne Reibungsverluste nach sich ziehen und durch geeignete ganzheitliche Verantwortlichkeitsstrukturen zu ersetzen sind.

Veränderte Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodelle

Was bislang noch nicht angesprochen worden ist, betrifft das Geschäftsmodell und die Unternehmensstrategie. Womit kann ein Finanzdienstleister zukünftig Erlöse generieren und ein profitables Geschäft aufbauen? Mit der Erfahrung einer andauernden Niedrigzinsphase und des daraus resultierenden Erlösverfalls traditioneller Geschäftsaktivitäten stellt dies allein - unabhängig von der technologischen Revolution der Digitalisierung - die schon kurzfristig zu lösende zentrale Aufgabe fast aller Banken und Sparkassen dar.

Die Geschäftsmodellthematik konnte aber nicht im Zentrum dieses Beitrags stehen. Es sollte aber deutlich geworden sein, dass in einem ganz anderen Umfang als in der Zeit vor der Digitalisierung die IT im Zentrum des Bankgeschäfts steht, nicht nur in der Produktion, sondern auch bei der konkreten Ausgestaltung der Bankleistungen.

Die klassischen Leistungen der Geldanlage, der Finanzierung, des Wertpapier- und Verwahrgeschäfts und des Zahlungsverkehrs inklusive der buchhalterischen Verwaltung der Finanzmittel der Kunden wird vermutlich nach wie vor im Zentrum des Angebots stehen. Aber der Aufbau innovativer Ökosysteme, in denen die Finanzdienstleistungen nur eine Komponente in einem umfassenderen Leistungsspektrum digital verfügbarer Services bilden, wird das Bild bestimmen. Die daraus resultierenden Wertschöpfungsketten werden also anders aussehen als bisher. Die sich in diesem Kontext herausbildenden Geschäfts- und Unternehmensmodelle werden sich bei ihren konkreten Anforderungen an die IT massiv von den gewohnten Strukturen unterscheiden, wie wir schon heute erkennen müssen. Wenn die Banken also ihre klassische Rolle als Intermediär weiterhin behalten und zukunftssicher gestalten wollen, wird sich dies zu einem wesentlichen Teil über den Erfolg an der Neuausrichtung der IT entscheiden.

Die erste Aufgabe, neben den ad hoc zu lösenden Anforderungen, wird also in der Weichenstellung bezüglich der Geschäfts- und Unternehmensstrategie in dem sich neu formierenden Markt bestehen. In Verbindung damit hat die Konkretisierung der IT-Strategie und, nicht zu vergessen, der internen Governance zu erfolgen, die sich jeweils an den hier diskutierten Kriterien und Zielen orientiert. Die eher handwerklichen Aspekte wie eine aussagefähige Prozesskostenrechnung, ohne die es nie geht, liefern die Informationen, um aus qualitativen Sichten konkrete quantifizierbare Ziele zu formulieren, deren Erreichung messbar ist.

Unter diesen Voraussetzungen wird Bill Gates am Ende nur mit Einschränkungen recht behalten, dass "Banks not necessary" sind, wohl aber sehr nützlich und sicher dann auch ihren Platz neben den neuen Playern behalten werden.

Laurenz Kohlleppel Mitglied des Aufsichtsrates, GBS Software AG, Karlsruhe / Frankfurt am Main
 
Anke Sax Frankfurt am Main
Laurenz Kohlleppel , Mitglied des Aufsichtsrates, GBS Software AG, Karlsruhe / Frankfurt am Main
Anke Sax , Frankfurt am Main

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