Kapitalmarkt: gute Alternativen für Wachstumsfinanzierung im Mittelstand

Stefan Zeidler, Mitglied des Vorstands, DZ BANK AG, Frankfurt am Main - Nach allgemeiner Einschätzung dürfte der Bankkredit zwar auch in Zukunft eine herausragende Bedeutung für die Mittelstandsfinanzierung haben. Doch mit zunehmender Zurückhaltung von Kreditinstituten, sich in der langfristigen Finanzierung von Unternehmen zu engagieren, registriert der Autor im Mittelstand durchaus Aktivitäten zum Ausbau der Kapitalmarktfinanzierung beziehungsweise eine Offenheit für neue Produkte und Dienstleistungen. Sein betrachtetes Spektrum reicht dabei von Schuldscheindarlehen über die Emission von Anleihen bis hin zu Direktbeteiligungen und der Aufnahme von Mezzaninekapital. Von beiden Marktseiten erwartet er in den kommenden Jahren eine Beschleunigung dieses Trends. (Red.)

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Unternehmen in Deutschland sind derzeit gut. Das hiesige Konjunkturklima zeigt sich zum Jahresbeginn 2015 deutlich positiver, als noch im vergangenen Herbst absehbar war. Die Ölpreisentwicklung und der schwache Eurokurs haben der deutschen Wirtschaft bereits zum Ende letzten Jahres einen merklichen Schub verliehen und damit auch die Perspektiven für das Frühjahr deutlich aufgehellt. Das statistische Bundesamt vermeldet für 2014 für Deutschland einen Exportüberschuss in der Rekordhöhe von 217 Milliarden Euro. Diese konjunkturelle Aufwärtsbewegung wird die deutsche Wirtschaft auch im weiteren Jahresverlauf noch tragen: Für 2015 erwarten die Volkswirte der DZ Bank eine durchschnittliche Wachstumsrate der deutschen Konjunktur von 1,8 Prozent, nach 1,6 Prozent im vergangenen Jahr.

Optimistischer Mittelstand

Unterstützt von dieser positiven Wirtschaftsentwicklung stabilisiert sich auch das Geschäftsklima in den mittelständischen Unternehmen. Der Mittelstand ist laut ifo-Institut optimistisch und darüber hinaus noch hervorragend kapitalisiert. Zahlreiche Unternehmen konnten in den vergangenen Jahren ihre Eigenkapitalbasis durch die Thesaurierung von Gewinnen deutlich verbessern und erreichen inzwischen eine durchschnittliche Eigenkapitalquote von nahezu 28 Prozent. Zusammen mit historisch niedrigen Kreditzinsen bietet sich derzeit also ein gutes Umfeld für unternehmerische Aktivitäten.

Allerdings scheint der Optimismus-Funke noch nicht wirklich gezündet zu haben: Der Mittelstand ist nach wie vor zögerlich, das positive wirtschaftliche Umfeld für Investitionen zu nutzen. Zwar sind die Bauinvestitionen im vergangenen Jahr um rund 3,5 Prozent gestiegen; noch nicht in Schwung gekommen sind jedoch Ausrüstungsinvestitionen der Unternehmen.

Mit der steigenden Kapazitätsauslastung dürfte sich aber auch der Ausblick für die Investitionen insgesamt allmählich wieder aufhellen. Gerade für anstehende Wachstumsfinanzierungen bietet der Kapitalmarkt unterschiedliche Finanzierungsalternativen und damit einhergehend auch die Möglichkeit, das Risiko auf der Finanzierungsseite breiter zu streuen. Aktuell werden die Chancen, die der Kapitalmarkt bietet, jedoch vorwiegend von größeren mittelständischen Unternehmen genutzt.

Die Unternehmensfinanzierung in Deutschland steht noch immer unter der Vorherrschaft des klassischen Kredits. Die Bankfinanzierung macht hierzulande einen Anteil von 70 Prozent des Finanzierungsvolumens aus. Auf den ersten Blick sind die meisten Unternehmen damit bis heute gut aufgestellt. Doch faktisch hat sich die Kreditvergabe zuletzt in Teilen des Bankensektors verändert: Insbesondere Banken, die sich in großem Umfang am Kapitalmarkt refinanzieren, engagieren sich deutlich zurückhaltender in der langfristigen Finanzierung von Unternehmen. Der Blick auf die Finanzierungsstruktur deutscher Unternehmen zeigt: Der Anteil von langfristigen Krediten mit einer Laufzeit von mehr als fünf Jahren am Gesamtkreditvolumen betrug zur Mitte 2014 rund 70 Prozent.

Engpass Langfristfinanzierung

Diese Langfristigkeit passt sehr gut zum Geschäftsmodell der Genossenschaftsbanken: Nach den Statistiken der Deutschen Bundesbank haben die Kreditgenossenschaften Langfristfinanzierungen in den vergangenen Jahren deutlich gesteigert. Sie haben auch in der Finanzkrise die Kreditvergabe an die Realwirtschaft aus geweitet und damit dem Mittelstand als verlässlicher Partner zur Seite gestanden. Während Genossenschaftsbanken im Vergleich zum Jahr 2008 ihre langfristigen Kredite an Unternehmen um 42 Prozent ausgeweitet haben, ist bei den anderen Banken insgesamt nur eine Stagnation zu beobachten. Nach einer Bundesbank- Statistik haben die Genossenschaftsbanken ihr gesamtes Kreditengagement mit Firmenkunden seit 2008 um 31 Prozent erhöht, während bei den anderen Banken insgesamt ein Rückgang um 5 Prozent zu beobachten ist. Dabei haben die Sparkassen 18 Prozent mehr Unternehmenskredite in ihren Büchern, während die Großbanken und Landesbanken Rückgänge um 20 Prozent beziehungsweise 22 Prozent verzeichnen.

Im Angesicht dieser Entwicklung haben viele Unternehmen damit begonnen, ihren Finanzierungsmix zu verbreitern. So hat sich insbesondere die Eigenmittelausstattung der Unternehmen durch die Thesaurierung anfallender Erträge deutlich verbessert. Die vom Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) jährlich durchgeführte Bilanzanalyse der mittelständischen Firmenkunden der Volksbanken und Raiffeisenbanken zeigt, dass im Jahr 2013 die Eigenkapitalquote der mittelständischen Unternehmen erneut deutlich zulegen konnte und jetzt auf einem Rekordniveau von 27,8 Prozent liegt. Damit einhergehend hat sich ebenso die Bilanzqualität der Unternehmen verbessert. Inzwischen arbeiten insbesondere Unternehmen des gehobenen Mittelstandes am Ausbau ihrer Kapitalmarktfähigkeit und nutzen Instrumente der Kapitalmarktfinanzierung, um sich unabhängiger vom langfristigen Bankkredit zu machen. Die steigenden Kapital- und Liquiditätsanforderungen an Banken, insbesondere bei langfristigen Finanzierungen, treiben diese Entwicklung weiter an.

Potenzial am Markt für Schuldscheine

Eine Art Vorstufe zum Kapitalmarkt bildet das Schuldscheindarlehen. Es zeichnet sich durch geringere Formerfordernisse und Publizitätspflichten als andere Arten der Kapitalmarktfinanzierung aus, da es direkt in Form eines Private Placement an professionelle Investoren verkauft wird und nicht an der Börse gehandelt wird. Die Transaktionsgrößen liegen in der Regel zwischen 20 und 120 Millionen Euro. Damit eignet es sich für Großunternehmen, die dieses Instrument zur Diversifikation ihrer Finanzierung einsetzen - aber ebenso für Firmen des gehobenen Mittelstandes, die noch an der Verbreiterung ihrer Finanzierungsbasis arbeiten und dabei einen ersten Schritt in Richtung Kapitalmarkt gehen wollen. Schuldscheindarlehen sind aktuell mit einem emittierten Gesamtvolumen von elf Milliarden Euro bei 85 Transaktionen im Jahr 2014 ein etabliertes Instrument der Unternehmensfinanzierung in Deutschland.

Von dieser Basis aus hat der Markt für Schuldscheine weiteres Wachstumspotenzial. Denn als Kapitalgeber stehen neuerdings auch große Kapitalsammelstellen wie etwa Pensionsfonds oder Versicherungen bereit, die im aktuellen Niedrigzinsumfeld auf der Suche nach Anlagealternativen sind. Da Schuldscheindarlehen primär an Unternehmen mit einer Bonität auf dem Niveau eines Investment Grade Rating vergeben werden, sind sie aus Sicht konservativer institutioneller Investoren besonders interessant. Solche Kapitalgeber stellen neben der Bonität klare Anforderungen an die Transparenz eines Unternehmens sowie die Qualität von Rechnungslegung und Controlling. Insofern stellt eine Schuldscheintransaktion für viele Unternehmen einen wichtigen Impuls dar, seine Strukturen und Prozesse weiter zu verbessern und so seine Kapitalmarktfähigkeit weiterzuentwickeln.

Die nächste Stufe in der kapitalmarktbasierten Fremdkapitalfinanzierung stellt die Emission einer Anleihe dar. Größere Unternehmen, die einen breiteren Investorenkreis ansprechen möchten, können mit dieser Finanzierungsform große Volumina am Kapitalmarkt einsammeln. Die klassische Benchmark für eine Anleiheemission liegt bei 500 Millionen Euro. Mit einer Anleiheemission geht jedoch eine umfangreiche Dokumentationspflicht einher, sodass sich diese Finanzierungsform eher an große Unternehmen richtet. Das in den vergangenen Jahren eingerichtete Segment der Mittelstandsanleihen hat sich bislang nicht durchgesetzt. Kernproblem dieses Segmentes ist, dass es auch Unternehmen ohne langfristig tragfähiges Geschäftsmodell gelungen ist, Kapital einzusammeln - insbesondere bei Privatanlegern. Eine Entwicklungsmöglichkeit ist für dieses Segment allenfalls dann zu sehen, wenn es zu einem Markt für vorwiegend professionelle Investoren mit Risikobewusstsein und fundierter Marktkenntnis ausgestaltet würde.

Gewinnung von weiteren Eigenkapitalgebern

Für solide aufgestellte und etablierte Firmen, die durch Übernahmen expandieren, ihre Nachfolge lösen oder einen geplanten Wachstumssprung finanzieren wollen, ist die Gewinnung von weiteren Eigenkapitalgebern am Kapitalmarkt eine sinnvolle Möglichkeit - zum Beispiel durch einen Börsengang. Börsennotierte Unternehmen mit starkem Eigenkapital können unternehmerische Chancen oft eher ergreifen. Außerdem können sie durch Kapitalerhöhungen auch in konjunktureller Schlechtwetterlage widerstandsfähig und flexibel bleiben. Beispielsweise unterliegt bei langfristigen Investitionen die Ausgabe von Aktien im Vergleich zu Fremdkapital keinem Refinanzierungsrisiko und bei Unternehmensübernahmen steht mit der Aktie neben Barmitteln eine weitere Akquisitionswährung zur Verfügung.

Eine gute Alternative bei eigentümerspezifischen Themen, wie einem Gesellschafterwechsel oder einer Nachfolge kann eine Direktbeteiligung durch eine Beteiligungsgesellschaft sein. Hier übernimmt der Finanzinvestor für eine längere Zeit Anteile am Unternehmen und wird zum aktiven Mitgesellschafter. Viel Sorgfalt sollte dabei im Vorfeld auf die Auswahl des richtigen Investors gelegt werden, unter anderem auf die zeitliche Flexibilität des Financiers beim Ein- und Ausstieg. Die genossenschaftliche VR Equitypartner, die sich nicht über einen Fonds, sondern über ihre beiden Gesellschafter DZ Bank und WGZ Bank finanziert, übernimmt vor allem Minderheitsbeteiligungen, bei denen die Unternehmer weiter Herr im Haus bleiben. Sie nimmt auch keine Geschäftsführungsaufgaben wahr, sondern sieht sich als Partner des Managements in strategischen Fragen.

Unternehmer, die ihre Gesellschafterstruktur nicht verändern wollen, können auch auf Mezzaninekapital - eine Mischform von Fremd- und Eigenkapital - zugreifen. Dieses bietet die vorteilhafte Stellung als wirtschaftliches Eigenkapital, erfordert keine Sicherheiten, keine Veränderung der Gesellschafterstruktur und sieht nur begrenzte Zustimmungsrechte des Investors vor. Mezzanine schließt zudem in der Wachstumsfinanzierung oft die temporäre Lücke, die nach dem Einsatz von Fremd- und Eigenkapital oft noch bleibt. Üblich ist aber auch, dass Unternehmer den Mezzanine-Anteil als langfristigen Finanzierungsbaustein mit einer Laufzeit von fünf bis acht Jahren dazu nutzen, die Passivseite in ihrer Struktur zu optimieren. Bei Kreditinstituten, Kunden und Lieferanten ist die Tatsache, dass sich ein Mezzanine- Geber im Unternehmen engagiert, ein Vertrauenssignal des Investors und damit ein Qualitätsmerkmal. In der Regel verbessern sich die Konditionen, zu denen das Unternehmen Fremdkapital aufnehmen kann, mit dem Engagement eines Mezzanine-Finanziers deutlich. Auch hier ist stark auf die Auswahl eines adäquaten Investors zu achten. Dabei ist insbesondere auf das Zusammenspiel zwischen klassischen Kreditgebern und dem Mezzanine-Partner hoher Wert zu legen.

Neben den Möglichkeiten der direkten Kapitalmarktfinanzierung können Unternehmen indirekt auf den Kapitalmarkt zurückgreifen. So können Firmen beispielsweise ihre regelmäßig anfallenden Forderungen an Kunden durch einen Bankpartner in Form sogenannter Asset-Backed Commercial Papers (ABCP) verbriefen lassen und so ihre Liquiditätssituation verbessern. Die Beziehung zwischen dem Verkäufer der Forderungen und seinem Kunden bleibt bei solchen Transaktionen unberührt. ABCP-Programme kommen bereits ab einem dauerhaften Forderungsvolumen von 15 bis 20 Millionen Euro pro Jahr infrage. Damit lassen sich solche Transaktionen auch auf die Größe gehobener mittelständischer Unternehmen skalieren. Durch den kontinuierlichen Verkauf von Forderungen erhält das verkaufende Unternehmen faktisch eine längerfristige Finanzierung seines Working Capitals und damit eine hohe Finanzierungssicherheit.

Wie der Kapitalmarkt indirekt zur Unternehmensfinanzierung beiträgt, zeigen auch andere Beispiele wie Kreditverbriefungen (ABS) oder Kreditfonds. Das Prinzip lautet hier, dass institutionelle Investoren den Banken Kreditportfolios in gebündelter Form abkaufen und so in den Bankbilanzen Raum für die Vergabe neuer Darlehen schaffen. Solche Modelle dürften, auch getrieben durch die Regulatorik, weiter an Bedeutung gewinnen.

Beschleunigung neuer Trends

Die genannten Beispiele zeigen: Der Kapitalmarkt zeigt großes Interesse, Kapital für die Finanzierung von mittelständischen Unternehmen bereitzustellen. Und auch der gehobene deutsche Mittelstand hat sich in den vergangenen Jahren der Kapitalmarktfinanzierung langsam, aber nachhaltig geöffnet. Beide Trends werden sich in den kommenden Jahren noch beschleunigen. Gerade in Deutschland besteht ein großes Potenzial grundsätzlich kapitalmarktfähiger Unternehmen. Diese profitieren einerseits von einer Diversifizierung ihrer Finanzierung. Und andererseits sorgen die Anforderungen des Kapitalmarkts dafür, dass die Unternehmen einen klaren Anreiz haben, ihre wirtschaftliche Stärke ebenso wie ihre internen Strukturen und Prozesse kontinuierlich zu verbessern. Auf diese Weise sorgt die mittelstandsgerechte Weiterentwicklung des Kapitalmarkts auch für eine Förderung der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland insgesamt.

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