Lohnende Handlungsfelder gesucht - ein Innovationsprozess zur Entdeckung von alternativen Strategien

Abbildung 1: Vereinfachte Darstellung des Betriebsergebnisses vor/nach Bewertung

Dr. Stefan Eckhardt, Mitglied des Vorstands, Volksbank Reiste-Eslohe, Eslohe, Lehrbeauftragter FOM Hochschule für Oekonomie & Management gemeinnützige Gesellschaft mbH, Essen, und Christian Schlösser, cp consultingpartner AG, Köln.

Haben die gerade in Deutschland vorherrschenden regionalen Kreditinstitute unter den herausfordernden Marktverhältnissen überhaupt noch eine realistische Überlebenschance? Die Autoren verkennen zwar nicht die vielen Herausforderungen, tendieren aber gleichwohl zu einem klaren Ja. Auch wenn sie in kleinen und mittleren Instituten
vergleichsweise stärkere Belastungen durch regulatorische Maßnahmen registrieren, sehen sie ein breites Spektrum an Handlungsmöglichkeiten. Als Voraussetzung erfolgreicher individueller Strategien sehen sie eine ebensolche Analyse der
jeweiligen Marktbedingungen vor Ort mit ihren besonderen Risiken aber auch Chancen. (Red.)

Regionale Kreditinstitute sehen sich aktuell verschiedenen Herausforderungen gegenüber, die ihre jeweilige Ertragslage zunehmend belasten werden. Zu den Einflussgrößen zählen unter anderem:

- die anhaltende Niedrigzinsphase (Ertragseinbußen im Depot A),

- ein intensiverer Wettbewerb mit Privat- und Direktbanken (auch aus dem Ausland),

- die Zunahme des Verdrängungswettbewerbs im Zuge von Bankenfusionen im Geschäftsgebiet und im unmittelbaren Umfeld,

- die steigende Zahl neuer aufsichtsrechtlicher Vorgaben, deren Umsetzung in kleineren Banken relativ höhere Kosten verursacht und in größerem Umfang Know-how bindet

- die überproportional steigenden Haftungsrisiken für die Vorstände kleinerer Banken sowie verschärfte Strafbewehrungen und nicht zuletzt

- der Kundentrend zu kurzfristigen Geldanlagen.

Nachhaltige Geschäftsstrategie gefordert

Von allen Instituten fordert der Gesetzgeber eine nachhaltige Geschäftsstrategie, die Ziele und Planungen sämtlicher wesentlichen Geschäftsaktivitäten festlegt. Verlangt wird auch eine dazu konsistente Risikostrategie.1) Darüber hinaus sind die Banken verpflichtet, ihre Strategie regelmäßig und anlassbezogen den aktuellen Gegebenheiten anzupassen. Die eingangs geschilderten markt-, kunden- und aufsichtsgetriebenen Sachverhalte werden in den nächsten Jahren weitreichende Auswirkungen auf die Ertragslage der Regionalinstitute haben. Gleichzeitig bietet der Gesetzgeber gerade kleinen Häusern die Möglichkeit, bestimmte regulatorische Anforderungen in vereinfachter Form umzusetzen.2)

Aktuelle Studien sagen sogar eine "Krise der Regionalbanken" voraus: "... Während das Verhältnis von Aufwand und Ertrag im Jahr 2013 nur bei 35 Prozent aller Regionalbanken im "wettbewerbsgefährdeten Bereich" lag, werden 2018 schon 65 Prozent aller Sparkassen und Volksbanken in ihrer Wettbewerbsfähigkeit gefährdet sein ..."3)

Die Regionalbanken gehen mit diesen Herausforderungen unterschiedlich um, damit sich die in Studien typische Ceteris-paribus-Betrachtung nicht bewahrheitet. Vorstände nennen als mögliche Lösungen zum Beispiel Outsourcing und Arbeitsteilung. Auch das Ersetzen von Fremdsoftware durch die Angebote der Rechenzentralen kann die Kosten senken.4)

Die Vorstände der deutschen und österreichischen Regionalbanken sind angesichts der gewandelten Rahmenbedingungen auch im Interesse der Kunden und Mitarbeiter gehalten, potenziellen Ertragslücken mit geeigneten Maßnahmen zu begegnen.

Handlungsalternativen erkennen

Eine Reaktion auf den zunehmenden Kosten- und Ertragsdruck kommt in der wieder ansteigenden Zahl von Fusionen zum Ausdruck. Um auch neben dieser Option möglichst viele Alternativstrategien zur Auswahl zu haben, bedarf es eines Ansatzes Handlungsoptionen herauszuarbeiten. Ein pragmatischer und einfach durchzuführender Ansatz startet auf Basis des Betriebsergebnisses und eröffnet einen Blick in das Handlungsuniversum eines Regionalkreditinstituts.

Für regionale Kreditinstitute sind die im vorangegangenen Abschnitt angesprochenen Themen mit deutlich größeren Herausforderungen verbunden als für Großbanken. Dies zeigen einige "mathematische" Gedankenspiele: (siehe Kasten "Mathematische Gedankenspiele", Seite 1067)

- Je kleiner das Institut, desto geringer die Anzahl der Schultern, auf die sich die Arbeit bei der Umsetzung gesetzlicher Anforderungen verteilt. In regionalen Instituten gibt es weniger Spezialisten, die sich um einzelne Fachthemen kümmern: Hier muss ein breites Wissensspektrum von wenigen Personen abgedeckt werden - von der Konzeption bis zur operativen Umsetzung. Dem Vorstand steht eine geringere Zahl von Knowhow-Trägern zur Verfügung, um die regulatorischen Vorgaben rechts sicher umzusetzen. Dennoch müssen in vieler Hinsicht die gleichen gesetzlichen Anforderungen und aufsichtsrechtlichen Ansprüche an die Umsetzungsqualität erfüllt werden wie in großen Banken (siehe Kasten "Mathematische Gedankenspiele" A).

- Große Engagements im Kreditgeschäft können durch einen begrenzten Kundenstamm nicht gut diversifiziert werden. Hinzu kommt eine Konzentration auf Kreditnehmer aus der Region, die üblicherweise von nur wenigen verschiedenen Arbeitgebern (bei Privatkunden) oder Branchen (bei Firmenkunden) abhängen (siehe Kasten "Mathematische Gedankenspiele" B und C).

- Unter der Annahme, dass eine Mitarbeiterkapazität nur ein begrenztes Arbeitspensum bewältigt, können regionale Institute nicht im gleichen Umfang Ertragsquellen erschließen wie Großbanken, da ihnen weniger Spezialisten zur Verfügung stehen. So kann etwa das Depot-A-Geschäft (im Vergleich zu Großbanken) nur rudimentär verfolgt werden (siehe Kasten "Mathematische Gedankenspiele" D).

Die Liste plakativer Beispiele, die sich leicht fortführen ließe, macht schnell deutlich, warum regionale Kreditinstitute die Herausforderungen mit besonderer Intensität angehen müssen.

Weitreichende Handlungsmöglichkeiten

Trotz - oder gerade wegen - der besonderen Herausforderungen an die Regionalbanken stehen den Instituten auch weitreichende Handlungsmöglichkeiten offen. Um diese Vielfalt zu strukturieren, liegt im Folgenden der Fokus auf zwei Vorgehensweisen, die beide als "Brainstorming-Ansätze" für die Entscheidungsträger der Banken gesehen werden sollten: Grundlage des ersten Ansatzes ist das klassische Modell des Bewertungsergebnisses, der zweite Ansatz basiert auf dem 3-Banken-Modell. Abbildung 1 zeigt die in der Praxis etablierten Bausteine des Betriebsergebnisses vor und nach Bewertung.

Die Übersicht kann als Ausgangspunkt für ein hausinternes Brainstorming5) dienen. Sie bietet die Möglichkeit, Ertrags- und Aufwandspositionen einzuordnen. Dabei lassen sich beispielsweise auch marktrelevante Themen wie Kundengewinnung, Öffentlichkeitsarbeit und Image, Investor-Relation-Management im Rahmen ihrer geplanten Erlösauswirkungen darstellen.

Das Bild lässt sich durch weiche Faktoren sinnvoll ergänzen. Hiermit sind Leitmaximen gemeint, die für die Zielerreichung hilfreich sind beziehungsweise die abzuleitenden Ziele in Form von Leitplanken vervollständigen, jedoch im Planungszeitraum keine direkte monetäre Auswirkung haben oder in dieser Form nicht einfließen sollen. Solche Faktoren sind beispielsweise:

- die externe Qualität im Rahmen der Beratungsgespräche,

- die interne Qualität der Marktfolgeeinheiten,

- Motivationsstrategie/Teamentwicklung/ Führungskultur

sowie

- der interne Umgang miteinander.

Das Drei-Banken-Modell

Eine weitere zielführende Sicht im Sinn moderner Banksteuerung liefert das Drei-Banken-Modell6) mit den Säulen

- Vertriebsbank,

- Produktionsbank und

- Steuerungsbank.

Um das gesamte Handlungsuniversums abzubilden, kann dieses Dreiersystem noch um ein säulenübergreifendes Element ergänzt werden. Auch auf dieser Basis ist es möglich, alle oben genannten Aspekte im Brainstorming abzudecken sowie harte und weiche Ziele für jede der drei Säulen zu formulieren. Ausgehend vom Vertrieb und dem Kerngeschäft der Regionalbanken, dem Kundengeschäft, lässt sich so, unter Berücksichtigung der Produktionsbank und der ergänzenden Funktionen der Steuerungsbank einschließlich des Depot A, das Handlungsspektrum des Instituts darstellen. Ein Brainstorming-Prozess analog dem oben dargestellten Vorgehen bietet nun die Chance, neue Wege zur Zielerreichung zu finden. Zusammengefasst zeigt Abbildung 2 das Handlungsuniversum.

Die hausinterne Ideenfindung ist der Ausgangspunkt, um im engen Banken-/Sparkassenmarkt individuelle, nachhaltige Überlebensstrategien festzulegen. Neue und ungewöhnliche Ideen in den eigenen Organisationseinheiten zu fordern und zu fördern, sichert die Alleinstellungsmerkmale der Institute und sorgt dafür, dass die geschäftspolitische Ausrichtung permanent hinterfragt wird. Wie die beiden Strukturierungshilfen als Ideenbaum verwendet werden können, zeigt ein Beispiel (Abbildung 3).

Handlungsfelder identifizieren

Die Handlungsfelder, die auf Basis des aufgezeigten Innovationsprozesses identifiziert werden, können in den Häusern ähnlich sein. Bei der Suche nach gängigen und innovativen Lösungen kristallisieren sich aus Theorie und Praxis beispielsweise folgende Themenfelder heraus:7)

- Weiterentwicklung des Geschäftsmodells auf Basis von Wertetreibern. Strategieprozess auf Basis von SWOT-Analysen mit Zielabweichungsanalyse,

- Fokus bei der Steuerung des Kundengeschäftes auf Anspruchsgruppen,

- Nutzung von Wertetreiberbäumen für die Analyse des Kundengeschäftes,

- prozessgesteuerte Kundengeschäftsplanung,

- zielgruppenspezifische Ausrichtung des Filialnetzes,

- Festlegung der Risikorelevanzgrenze auf Basis risikoadjustierter Prozesse,

- individualisierte Benchmark-Auswertungen zur Interpretation moderner Steuerungskennzahlen,

- initiale und regelmäßige Validierung im Risikomanagement.

Die Kunst des Managements ist es, die für das jeweilige Institut relevantesten Herausforderungen zu identifizieren und maßgeschneiderte Lösungen (weiter)zuentwickeln.

Fußnoten

1) Siehe AT 4.2 TZ 1, MaRisk 14.02.2012.

2) Siehe zum Beispiel BTO 1, MaRisk 14.2.2012.

3) So siehe beispielsweise O. V.: Die Krise der Musterschüler, www.handelsblatt.com, 3. Januar 2014.

4) Schulte, S.: Wirbel um Belastungen der Regionalbanken, in: Genossenschaftsblatt 1/14, S. 14 bis 15.

5) Zum Thema Brainstorming siehe beispielsweise Backerra, Hendrik u. a.: "Kreativitätstechniken: Kreative Prozesse anstoßen und fördern", 2007, Nöllke, Matthias: "Kreativitätstechniken", 2010 und Henrich, Petra: "Brainstorming for One: 50 Werkzeuge und Übungen für Kreativität", 2013.

6) Zum Drei-Banken-Modell siehe beispielsweise Siemes, Verena: "Auf dem Weg zur Vertriebsbank durch das Drei-Säulen-Modell" in: Genossenschafts-Kurier, Ausgabe 2003/6, S. 23 und o. V. "Vertrieb - Produktion - Steuerung: Die Arbeitsteilung in der Bank vorantreiben" in Banken und Partner, 1/06 S. 48f.

7) Zur Vertiefung siehe Eckhardt/Schlösser: Zukunftsperspektiven regionaler Kreditinstitute. Erfolgsmodelle für Vertrieb, Steuerung, Aufbauorganisation und Prozesse, Wiesbaden, 2016.

Dr. Stefan Eckhardt , Dr. Stefan Eckhardt, Mitglied des ­Vorstands , Volksbank im Hochsauerland eG, Eslohe

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