Anlegerverhalten

"Aktien, nein danke?"

Im Aktienhandel und allgemein im Aktiengeschäft, im Rohstoffhandel und im Brokerage sowie natürlich im M&A-Geschäft darf man Goldman Sachs ohne jede Frage zu den weltweit führenden Adressen rechnen. Aber wieso interessiert sich diese Gesellschaft für so profane Dinge wie das Sparverhalten der privaten Anleger in Deutschland? Wieso hat sie schon zum sechsten Mal eine Umfrage unter deutschen Anlegern über 14 Jahre in Auftrag gegeben, die entweder bereits in einer Anlageform Geld investiert haben oder Geldvermögen für Investments zur Verfügung haben? Die Antwort ist naheliegend. Über Goldman Sachs Asset Management werden hierzulande wie in anderen europäischen Ländern hauseigene Fondsprodukte für Privatanleger vertrieben. Und wer in diesem Geschäftsfeld aktiv ist, braucht möglichst verlässliche Informationen über die geeigneten Vertriebskanäle.

Wie das Fondsgeschäft von Goldman Sachs Asset Management hierzulande läuft, ist mit genauen Zahlen nicht zu untermauern, denn die Absatzzahlen der Gesellschaft sind nicht in den Monatsstatistiken des hiesigen Branchenverbandes BVI erfasst und werden auch nicht im Detail veröffentlicht. Für das laufende Jahr gibt es lediglich die Tendenzaussage, dass das Mittelaufkommen von Goldman Sachs im Publikumsgeschäft gestiegen ist und das Fondsvolumen für ganz Europa rund 33 Milliarden US-Dollar beträgt. Zum Vergleich: Allein für Deutschland weist die BVI-Statistik für die DWS/DeAWM-Gruppe gut 211 Milliarden Euro an Publikumsfonds aus, für die Union Investment Gruppe 113 Milliarden Euro sowie für die Deka-Gruppe und die AGI-Gruppe jeweils rund 111 Milliarden Euro.

Die von TSN Infratest im August und September dieses Jahres durchgeführte repräsentative Studie bestätigt trotz allgemein beklagter Renditeflaute Verhaltensweisen, die schon in der Vergangenheit zu beobachten waren und von der Kreditwirtschaft bei aller Intensivierung der Aufklärungsarbeit nur allmählich zu ändern sind. So nennen immer noch 77,3 Prozent der Befragten das Sparbuch und Tagesgeld als Anlageform. Mit gehörigem Abstand folgen Aktien und Aktienfonds mit 26,1 Prozent an Nennungen und Immobilien und Immobilienfonds mit 19,1 Prozent. Trotz der Möglichkeit von Mehrfachnennungen sind die Befragten im Durchschnitt nur in 1,39 Anlageformen investiert. Darf man in der Spitze wohl von einer breiten Differenzierung ausgehen, sind die meisten Anleger nur in einer Anlageform engagiert. Dass fast zwei Drittel der Befragten noch für mehr als drei oder gar mehr als fünf Jahre mit einem Niedrigzinsszenario rechnen, aber gleichwohl nur 13 Prozent der bisher nicht in Aktien und/oder Aktienfonds engagierten Anleger sich im kommenden Jahr dieser Assetklasse zuwenden wollen, bestätigt einmal mehr das bekannte Bild von der dürftigen deutschen Aktienkultur. Immerhin zeigen sich 69,2 Prozent der Anleger in Aktien und Aktienfonds mit dem Ertrag dieser Anlage sehr oder eher zufrieden, mit dem Sparbuch und Tagesgeld nur 37,2 Prozent.

Bei Goldman Sachs zieht man aus dem unverändert großen Sicherheitsstreben, der geringen Risikoneigung und auch der überschaubaren Dispositionsfreude der Anleger (83,3 Prozent beschäftigen sich allenfalls einmal im Monat persönlich mit ihrer Geldanlage) den Schluss, dass es im wirklich breiten Fondsgeschäft mit Privatkunden auf absehbare Zeit sinnvoll ist, auf eine gute Beratung zu setzen. Und auch Fondssparpläne mit kleinen Anlage summen finden durchaus die Sympathie der Verantwortlichen. Für die Fondsstrategen im Sparkassen- und Genossenschaftsbereich bedeutet das eine Bestätigung des eigenen Vertriebskonzeptes aus Beratung und Standardisierung. Gleichwohl wird die gesamte Fondsbranche sehr wohl im Auge haben müssen, wie man die persönliche Beratung verbessern kann. Dazu gehört etwa die Verringerung der Bürokratie durch Abschaffung oder zumindest Modifikation der Beratungsprotokolle. Und sicherlich lohnen sich Überlegungen, ob und wie man durch Digitalisierung Beratungsformen entwickeln kann, die von den Kunden akzeptiert werden.

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