Union Investment

Bewusst mit eigenem Stil

Als im Zuge der vor fast zehn Jahren ausgebrochenen Finanzkrise nach stabilisierenden Elementen für das internationale Gefüge gerufen wurde, rückten zunächst die Staaten in den Vordergrund. Mit ihrem weltweit koordinierten Stabilitätsversprechen verhinderten sie ein akutes Zusammenbrechen der Wirtschaft. Als wichtige Instanzen, manche sagen auch als die neuen Machtzentren, erwiesen sich in den Folgejahren mehr und mehr die Notenbanken und die Finanzmarktaufsicht, die mit ihrer lockeren Geldpolitik und einem neuen Ordnungsrahmen für Finanzgeschäfte die Funktionsfähigkeit der Wirtschaft sicherstellen wollen. Gleichzeitig kamen als neue einflussreiche privatwirtschaftliche Mitspieler zum einen die weltweit operierenden Technik-Unternehmen wie Amazon, Apple, Facebook, Google und Microsoft hinzu sowie zum anderen die großen Kapitalsammelstellen - mit Blackrock an der Spitze. Gerade Letzteren wird angesichts der enormen Summen der verwalteten Anlagegelder von Wettbewerbshütern ein enormer Einfluss bis hin zu gestalterischer Marktmacht nachgesagt, etwa bei großen Fusionen wie von Bayer und Monsanto.

In Einflusssphären und Interessenkonflikten dieser Dimension sieht der Chef der genossenschaftlichen Fondsgesellschaft Union Investment sein Haus bei Weitem nicht. Doch mit derzeit rund 311 Milliarden Euro an Assets under Management verhehlt er nicht eine gewisse Wirkung seines Hauses auf die Corporate Governance großer börsennotierter Unternehmen und steht klar zu einer Interessenwahrnehmung der Anleger bei Hauptversammlungen der Konzerne. Derzeit ist es Ingo Speich, der auf wichtigen Hauptversammlungen öffentlichkeitswirksam die Position der Union Investment vertritt und beispielsweise Kritik an der Kostensituation der Lufthansa übt, die strategische Ausrichtung der Telekom in den USA beleuchtet oder einem Vorstand die Entlastung verweigert. In der Sache ist die Einmischung der Union freilich keineswegs eine Folge des Internetzeitalters, sondern sie wird gezielt schon seit Jahrzehnten praktiziert, etwa bei der Verweigerung der Aufsichtsratsentlastung und Enthaltung bei der Vorstandsentlastung auf einer außerordentlichen Hauptversammlung der Hypovereinsbank noch vor der Jahrtausendwende.

Einen hauseigenen Stil hat die Union Investment nicht nur für die Auftritte auf Hauptversammlungen entwickelt, sondern auch in der Marktbearbeitung. Angefangen von Robo-Advisory über ETF-Sparpläne bis hin zu einer kontrollierten Offenheit für die Zusammenarbeit mit der Fintechszene werden neuere Marktentwicklungen zwar genau beobachtet und analysiert, die Einbindung in das eigene Vertriebskonzept wird allerdings sorgfältig abgewogen. So eröffnet etwa die hauseigene Plattform Visualvest den potenziellen Kunden die Möglichkeit, direkt und online sowohl in aktiv als auch passiv gemanagte Fonds zu investieren. Als wichtigen Erkenntnisgewinn will Joachim Reinke allerdings vermerkt wissen, dass das wichtigste Erfolgskriterium für eine solche Plattform die Marke ist. Konsequenz ist die Einbindung der Dienstleistung mitsamt der dahinterstehenden Technik in das Vertriebskonzept der Ortsbanken. Auch bei der Beurteilung der Dringlichkeit von ETF-Sparplänen für die typische Klientel der Genossenschaftsbanken lässt sich Reinke weniger von den enormen weltweiten Wachstumsraten, denn von der Struktur seiner Klientel leiten. Angesichts der überschaubaren Zahl von Selbstentscheidern hält sein Haus diese bewusste Angebotslücke derzeit noch für beherrschbar.

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