Mittelstand

Führungswechsel als Chance?

Quelle: KFW Bankengruppe

Dem aktuellen Mittelstandsbarometer der KfW und des ifo-Instituts zufolge ist die Stimmung im deutschen Mittelstand derzeit hervorragend: Im April kletterte das Geschäftsklima der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Deutschland deutlich um 4,4 Zähler auf 24,9 Saldenpunkte. Es ist der höchste jemals ermittelte Wert dieses seit 1991 bestehenden Indikators. So beeindruckend diese Bestandsaufnahme auch ist, so gefährlich wäre es, sich darauf auszuruhen. Denn in schnelllebigen Zeiten ist Stillstand für die Mehrheit der KMU keine besonders empfehlenswerte Strategie: Das Aufkommen starker neuer Wettbewerber, das Agieren auf umkämpften, sich oftmals konsolidierenden Märkten sowie der Umbruch von Schlüsseltechnologien sind nur einige der Herausforderungen, die fortwährend nach neuen Antworten verlangen.

Vom anhaltenden Druck, Veränderungs- und Modernisierungsprozesse einzuleiten, zeugen auch die Ergebnisse der aktuellen Commerzbank-Studie "Next Generation: Neues Denken für die Wirtschaft", für die TNS Infratest über 2 000 mittelständische Unternehmen (mit einem Umsatz zwischen 2,5 Millionen und 100 Millionen Euro) befragt hat. 62 Prozent dieser Unternehmen erwarten in den kommenden fünf Jahren die Entwicklung neuer Geschäftsfelder, fast die Hälfte rechnet im selben Zeitraum gar mit disruptiven Veränderungen im Markt. Darüber hinaus beleuchtet die Studie einen weiteren Aspekt, der den Mittelstand auf Trab hält: der anstehende beziehungsweise bereits vollzogene Generationenwechsel an der Spitze vieler Unternehmen. Demnach rechnen 39 Prozent der Befragten in den nächsten fünf Jahren mit einem Führungswechsel, bei 35 Prozent hat dieser bereits stattgefunden. Dabei ist die altersbedingte Nachfolge der mit Abstand häufigste Grund für die Bewegungen im Topmanagement. Die Vermutung, dass simultan zum personellen Umbruch automatisch ein völlig neues, möglicherweise gar revolutionäres Denken Einzug in die Führungsetagen hält, können die Studienergebnisse dabei nicht bestätigen: So fand beispielsweise bei lediglich 24 Prozent der Unternehmen, die die Nachfolge in den vergangenen fünf Jahren bereits vollzogen haben, eine umfassende Digitalisierung aller Geschäftsprozesse statt. Das Fazit der Studie an dieser Stelle lautet: Das Potenzial eines Führungswechsels wird nicht immer genutzt.

Ein weiteres Schlaglicht wirft die Commerzbank auf die sich verändernden Erwartungshaltungen der Führungskräfte gegenüber Kreditinstituten. Vor allem an neuen digitalen Bankservices scheint das Interesse mittelständischer Führungskräfte groß zu sein - und zwar generationsübergreifend. So äußern 59 Prozent aller Befragten den Wunsch, in Zukunft mit neuen Softwarepaketen für Banking und Buchhaltung versorgt zu werden. Ähnlich ausgeprägt ist das Bedürfnis nach Apps für alltägliche Bankdienstleistungen. 52 Prozent erwarten darüber hinaus Lösungen, um Bankservices in eigene IT-Systeme integrieren zu können. Die Bankberatung via Videochat kann sich zukünftig jede zweite mittelständische Führungskraft vorstellen. Bei der Finanzierung von Innovationen und Unternehmensneugründungen ist der klassische Bankkredit zwar weiterhin gefragt, wird jedoch nach Ansicht von immerhin 28 Prozent der Befragten in Zukunft an Einfluss verlieren. Klar im Kommen sind Inkubatoren (Gründerzentren), Peer-to-Peer-Lending oder die Innenfinanzierung aus Gewinnen und Rücklagen. Diesen alternativen Finanzierungskonzepten wurde bei der Vorstellung der Studie bescheinigt, "dramatisch" an Bedeutung zu gewinnen.

Folgt man der Studie, so geht der Beratungsbedarf des Mittelstands teilweise weit über Aspekte der Finanzierung hinaus: 38 Prozent der befragten Unternehmen, bei denen in den nächsten fünf Jahren ein Führungswechsel ansteht, erwarten von ihrem Bankpartner Unterstützung bei der Gestaltung dieses Nachfolgeprozesses. Selbst der Wunsch nach Bankberatung bei der Anpassung des Geschäftsmodells ist keine Seltenheit (30 Prozent). Das Verlangen nach einer derart umfänglichen Beratung ist einerseits überraschend, andererseits symbolisiert es die teils über Jahrzehnte gewachsenen, engen Beziehungen zwischen Mittelständlern und Banken. Auf einem ganz anderen Blatt steht allerdings, ob in den Finanzinstituten die nötige Expertise zur Beantwortung dieser eigentlich bankuntypischen Fragestellungen vorhanden ist.

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