Studie

Retail Banking Radar

Obwohl neuste Wirtschaftsdaten für Europa leicht nach oben weisen, haben die europäischen Banken immer noch stark mit dem Niedrigzinsumfeld zu kämpfen und leiden unter dem gedämpften realwirtschaftlichen Aufschwung. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie "Retail Banking Radar" der Unternehmensberatung A.T. Kearney. Sie untersucht seit 2007 jährlich die Performance europäischer Retail-Banken. Für die aktuelle Studie wurden die Daten von knapp 100 Privatkundenbanken und Bankengruppen in 22 europäischen Ländern hinsichtlich der Kriterien Ertrag pro Kunde und Mitarbeiter, Gewinn pro Kunde, Cost Income Ratio und Kreditrisikovorsorgequote untersucht.

Deutschlands Profitabilität liegt mit 153 Euro Gewinn pro Kunde weiter unter dem europäischen Durchschnitt, so das Ergebnis der Studie. Als Grund dafür wird besonders die "Achillesferse" der deutschen und österreichischen Privatkundenbanken hervorgehoben - die Kosteneffizienz. Obwohl die deutschen Institute in den letzten Jahren den Filialabbau um 14 Prozent vorangetrieben hätten, sei die Kosteneffizienz mittlerweile die schlechteste in Europa. Die Studie stützt sich dabei auf die durchschnittliche Cost Income Ratio der Banken des jeweiligen Landes. Diese variiert zwischen 49,0 Prozent in den nordeuropäischen Staaten Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden und 68,5 Prozent und 69,6 Prozent in Frankreich beziehungsweise Österreich. Deutschland bildet mit 70,0 Prozent das Schlusslicht dieser Liste. Dass die Cost Income Ratio auch durch die Wettbewerbsumstände und damit auch die Bankenstruktur beeinflusst werden kann, wird jedoch nicht thematisiert. Aufgrund vieler kleiner Institute in Deutschland, so argumentieren an dieser Stelle bekanntlich die Verbünde, ist der Wettbewerb im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern verschärft, was sich dementsprechend auf die Gebührenpolitik der Banken auswirkt und den Kunden zu günstigen Preisen verhilft.

Trotz eines insgesamt positiven wirtschaftlichen Umfeldes, so zeigt die Studie mit Blick auf Gesamteuropa, bleibt das europäische Privatkundensegment weiterhin stark unter Druck. Aufgrund der niedrigen Zinsmarge sank der durchschnittliche jährliche Ertrag pro Kunde um drei Prozent auf 633 Euro. Besonders zu Buche schlägt auch die um 20 Prozent gestiegene Risikovorsorge, insbesondere in Portugal und Österreich. Das führt den erhobenen Daten zufolge zu einem Gewinnrückgang je Kunde von 14 Prozent, der auch durch eine um zwei Prozent höhere Produktivität pro Mitarbeiter nicht ausgeglichen werden könne.

Als positiv im Vergleich zu anderen westeuropäischen Instituten sieht A.T. Kearney das Ergebnis der deutschen Privatkundenbanken, und zwar trotz Deckelung der Interbankenentgelte (Interchange Fee) im Dezember 2015 auf 0,3 Prozent des Transaktionswertes bei Kreditkartenzahlungen beziehungsweise 0,2 Prozent bei Debitkartenzahlungen. Den Banken sind dadurch zum Teil hohe Einnahmen aus dem Zahlungsverkehr weggefallen. Zuvor wurden Interbankenentgelte von den entsprechenden Händlern nach Zahlung mit der Kreditkarte an den Zahlungsdienstleister abgeführt. Diese Gebühren waren teilweise deutlich höher und wurden von den Händlern oftmals an ihre Kunden weitergegeben. Den hiesigen Banken ist es der Studie nach trotz Interchange-Regulierung unter anderem durch leistungsgerechte Bepreisung von Basisprodukten gelungen, die Provisionserlöse um 0,7 Prozent zu steigern, allerdings reicht das nicht aus, um die weiter erodierende Zinsmarge wettzumachen. Obwohl der Ertrag zurückgegangen ist, konnten die deutschen Retail-Banken mit Kosteneinsparungen und Bewertungseffekten die Gewinne stabil halten, so die Studie.

Die Voraussetzungen in Deutschland werden für Banken dank des positiven Wirtschaftsumfelds als gut beurteilt. Die Studie verweist in diesem Zusammenhang auf den Anstieg des Geschäftsvolumens im letzten Jahr, der mit 3,9 Prozent deutlich über dem westeuropäischen Durchschnitt von 3,1 Prozent lag. Da es kaum Spielraum auf der Zinsseite gibt, empfehlen die Macher der Studie: Provisionserlöse um fast 30 Prozent zu steigern und die Kosten um nahezu 20 Prozent senken, um eine Cost Income Ratio von 60 Prozent zu erzielen. Damit orientiert sich die Studie an einem Richtwert, wie ihn einzelne Häuser und auch die deutschen Verbünde als Ziel vorgegeben hatten. In den letzten Jahren hat allerdings bei der Cost Income Ratio in der Praxis ein Umdenken stattgefunden. Gerade im Sparkassensektor wird vielerorts dem Service und der Kundenzufriedenheit ein hoher Stellenwert beigemessen. Letztendlich bleibt es für alle Banken eine Gradwanderung, inwieweit das zu Lasten der Cost Income Ratio gehen darf.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X