Banken und Europa

Tabubrüche

Tabubruch 1: Zu jeder Regel gibt es Ausnahmen. Es ist allerdings schwierig, wenn die Ausnahme schon zum Einsatz kommt, bevor die Regel überhaupt eine Chance bekommen hat, zu zeigen, ob sie denn greift und funktioniert. Italien rettet die beiden Institute Veneto Banca und Banca Popolare di Vicenza, die zuletzt von der EZB-Bankenaufsicht als eigenständig kaum noch überlebensfähig eingestuft wurden mit rund 17 Milliarden Euro auf Kosten des Steuerzahlers.

Genau das hätte aber doch eigentlich nicht mehr passieren dürfen. Dafür wurde 2012 von allen europäischen Mitgliedsstaaten die Schaffung der Europäischen Bankenunion beschlossen. Im EU-Papier hierzu heißt es: "Die Bankenunion wurde als Reaktion auf die Finanzkrise geschaffen und besteht derzeit aus zwei Teilen, dem Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) und dem Einheitlichen Abwicklungsmechanismus (SRM). Der SSM überwacht die größten und wichtigsten Banken im Euro-Währungsgebiet unmittelbar auf europäischer Ebene, während es Aufgabe des SRM ist, ausfallende Banken in geordneter Weise und mit minimalen Kosten für die Steuerzahler und die Realwirtschaft abzuwickeln. Ein dritter Teil, das Europäische Einlagensicherungssystem (EDIS), wird derzeit erörtert." Und weiter: "Die Bankenunion ist eine wesentliche Ergänzung der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) und des Binnenmarkts, durch die die Verantwortung für die Aufsicht, Abwicklung und Finanzierung auf EU-Ebene zusammengeführt wird und die Banken im gesamten Euro-Währungsgebiet gezwungen werden, sich an dieselben Regeln zu halten. Durch diese Regeln wird insbesondere dafür gesorgt, dass die Banken nur mäßige Risiken eingehen und dass Banken, die Fehler gemacht haben, für ihre Verluste aufkommen müssen und gegebenenfalls abgewickelt werden können, während die Kosten für den Steuerzahler minimiert werden."

Die EU-Kommission hat die Rettungsaktion durch den Staat gebilligt, das von der ehemaligen BaFin-Präsidentin Elke König geführte SRB erklärte sich als nicht zuständig. Warum dieses Procedere aus dem Zusammenspiel von SSM und SRM gleich bei seinem ersten möglichen Einsatz nicht genutzt wurde, ist kein gutes Signal. Entsprechend harsch fielen auch die ersten Kommentare aus dem Europaparlament aus: Mit dieser Entscheidung geleite die Kommission die Bankenunion zum Sterbebett, sagte beispielsweise der CSU-Abgeordnete und stellvertretende Vorsitzende des Wirtschafts- und Währungssauschusses im EU-Parlament, Markus Ferber. Das Versprechen, dass künftig nicht mehr der Steuerzahler für marode Banken in Haftung genommen werde, sei mit dieser Nacht-und-Nebel-Aktion ein für alle Mal hinfällig. Der EU-Abgeordnete Sven Giegold von den Grünen sprach von einem schweren Schlag für den fairen Wettbewerb und das Vertrauen in die Regeln der Bankenunion.

Erst kurz zuvor hatte sich der Bundesfinanzminister offen für eine Vertiefung der Währungsunion gezeigt und auch die Bereitschaft signalisiert, weitere Schritte zur Vollendung der Bankenunion zu unternehmen, wie den Aufbau einer gemeinsamen Einlagensicherung. Ob er das unter den neuen Voraussetzungen und dem italienischen Sonderfall immer noch ist, mag bezweifelt werden.

Tabubruch 2: Auch an anderer Stelle ist der Finanzminister derzeit gar nicht "amused". Denn es ist nicht allzu lange her, dass er sich in Brüssel für den von deutschen Bankenvertretern vehement geforderten Ansatz der "Small and simple Banking Box" stark gemacht hat. Proportionalität in der Bankenaufsicht und Erleichterungen für kleine Banken sind das Ziel. Wer die EU kennt, weiß, dass kein anderes Land ein dem deutschen vergleichbares Bankensystem hat, dass kein anderes Land ein solches vielschichtiges Bankensystem versteht und dass demzufolge kein anderes Land ein solches Bankensystem will. Umso schwerer ist es, mit viel Überzeugungsarbeit Unterstützer zu finden und Bündnisse und Koalitionen zu schmieden. Denn der Widerstand der angelsächsisch geprägten Nationen ist groß.

Da ist es natürlich extrem ärgerlich, wenn einem diejenigen, für die man gerade kämpft, in den Rücken fallen und den Gegnern noch die Argumente liefern, warum man dem deutschen Bestreben gerade nicht zustimmen sollte. Unabhängig von den Inhalten - über die man sicherlich intern und leise diskutieren kann - kam der öffentliche Vorstoß der neuen Präsidentin des Sparkassenverbandes Westfalen-Lippe, Liane Buchholz, die die "Small and simple Banking Box" als falschen Ansatz bezeichnete, für den Finanzminister alles andere als gelegen und natürlich viel zu laut. Ihr Vorschlag mag ja gut und richtig für die westfälischen Sparkassen sein, aber in Europa geht es immer um Deutschland. Da sollte man schon mit einer Stimme sprechen.

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