Ein Image-Problem

Barbara Hummel

Der Wirtschaftsstandort Luxemburg hat derzeit ein Kommunikations-Problem. Der offensichtlichste und aktuellste Aspekt dieses Problems heißt Luxemburg-Leaks und besteht aus der Veröffentlichung bislang geheimer Dokumente zu Sondervereinbarungen von multinationalen Konzernen mit den Behörden des Landes. Entsprechende Berichte berufen sich auf die Auswertung von etwa 28 000 Seiten Material durch das Internationale Konsortium investigativer Journalisten (ICIJ). Sie sollen belegen, dass Unternehmen massiv mit steuerlichen Anreizen ins Land gelockt wurden.

Die Luxemburger Behörden segneten demzufolge teilweise sehr komplexe Finanzstrukturen ab, die das Beratungsunternehmen Pricewaterhouse Coopers (PwC) im Auftrag der Firmen entwickelte. Infolgedessen haben die Gesellschaften lächerlich wenig Steuern zahlen müssen - viel weniger jedenfalls als das die Weltgemeinschaft für angemessen hält.

Neu ist das Wissen um sogenannte "advance tax decisions", auf die sich das ICIJ bezieht, nicht. Und im Grunde sollen diese lediglich den Unternehmen Rechtssicherheit geben, indem vorab bestätigt wird, wie die Steuerbehörde nationale und internationale Steuergesetze auf bestimmte Vorgehensweisen der Firmen anzuwenden gedenkt. Nun aber befördern die Unterlagen offenbar ein neues Ausmaß an Kreativität in Sachen Steuervermeidung ans Tageslicht. Es werden Einzelheiten durch die Dokumente öffentlich gemacht und in den folgenden Wochen dürften tröpfchenweise weitere Analysen verschiedener Details publiziert werden. Die damit verbundene öffentliche Aufmerksamkeit und Empörung kann nicht nur den inzwischen als EU-Kommissionspräsident amtierenden Jean-Claude Juncker in Bedrängnis bringen, der jahrelang als Luxemburgs Finanzminister agierte und unter dessen Ägide auch als Premierminister des Landes die Vorwürfe fallen. Sondern sie schadet auch dem Ruf des Finanzplatzes Luxemburg.

In Reaktion auf die aktuellen Enthüllungen veröffentlichte das dortige Finanzministerium eine Meldung, gemäß der die Praxis der "advance tax decisions" nicht nur in Luxemburg, sondern auch in verschiedenen anderen Ländern gängige Praxis ist - sie widerspricht weder dem Luxemburger Recht noch dem europäischen oder dem internationalen. Darüber hinaus wird in der Mitteilung betont, dass Luxemburg am OECD-Aktionsplan mitarbeitet, der sich gegen die Erosion von Steuerbemessungsgrundlagen und die Gewinnverlagerung (Base Erosion and Profit Shifting - BEPS) richtet. Mithilfe von 15 Maßnahmen, deren Beschluss bis 2015 vor gesehen ist, soll zukünftig vermieden werden, dass internationale Unternehmen ihre Steuerbelastung über Ländergrenzen hinweg allzu stark "optimieren" (siehe Kasten auf Seite 1113). Eine Maßnahme soll die Entwicklung von Methoden und Regelungen sein, um Daten über Gewinnkürzungen und -verlagerungen zu erlangen. Eine andere ist die Verbesserung der Transparenz im Hinblick auf aggressive Steuerplanungen.

Es ist sicher richtig, dass es kein spezifisch luxemburgisches Problem ist, wenn multinationale Unternehmen es darauf anlegen, Steuerbeträge zu zahlen, die nur lose im Zusammenhang mit den von ihnen gemachten Gewinnen stehen. Die moralische Keule darf also zunächst im Schrank bleiben, schließlich haben Konzerne auf der ganzen Welt ebendiese Lösungen zur Steuervermeidung gesucht und in Luxemburg (oder woanders) gefunden. Doch das Land hat lange von dem Phänomen profitiert, und so fällt es gerade in den vergangenen Tagen nicht leicht, den Beteuerungen zu glauben, man sei inzwischen ganz grundsätzlich gegen diese Form des Steuersparens.

Jahrelang haben flexible und "dialogbereite" Behörden das Land zu einem erfolgreichen Wirtschaftsstandort gemacht. Man mag das gut finden oder nicht, aber Gesprächsbereitschaft der Behörden und eine zumindest lösungsorientierte Haltung von Ämtern im Hinblick auf neue Geschäftsideen, von dieser Einstellung könnte sich so manches Land in seiner Standortpolitik eine Scheibe abschneiden. Dass dabei eine gesunde Mitte gefunden werden muss, steht außer Frage. Zudem hat sich die Europäische Union dafür entschieden, einen Steuerwettbewerb zuzulassen. Es werden vermutlich immer Schlupflöcher für Firmen in rechtlicher oder steuerlicher Hinsicht bestehen bleiben, und diese werden sich weiterhin mithilfe hochbezahlter Helfer bemühen, neue Möglichkeiten aufzuspüren und zu nutzen - gerade wenn in manchen Ländern die Steuerlast für Unternehmen als bedrückend empfunden wird. Und an dieser Stelle darf dann der moralische und gesellschaftliche Aspekt eben doch nicht außer Acht bleiben. Denn Unternehmen profitieren von stabilen politischen Rahmenbedingungen und der In frastruktur in den Ländern, in denen sie ihr Geschäft betreiben. Wer Steuern (auch legal) so stark vermeidet bis sie quasi unabhängig vom Gewinn des Unternehmens sind, der schadet sich selbst und der Allgemeinheit. In dieser Hinsicht hat sich in den vergangenen Jahren auch der globale Zeitgeist gewandelt. Die Öffentlichkeit sieht heute genauer hin, wenn der Eindruck entsteht, dass Firmen sich günstig aus der Verantwortung ziehen und sie beobachtet Regierungen, die dabei behilflich sind. Die europäischen Banken etwa müssen auf Beschluss der EU-Kommission schon ab 2015 ihre Steuerzahlungen nach Ländern ausweisen, in denen sie tätig sind.

Für den Finanzplatz Luxemburg wäre es fatal, wenn sich Investoren aufgrund eines schlechten Images abwenden würden. Auch deshalb ist es wichtig für das Land, die "Schmuddelecke" zu verlassen, wie es Ernst Wilhelm Contzen, ehemaliger Präsident der Bankenvereinigung Association des Banques et Banquiers Luxembourg (ABBL) einst ausdrückte. In diesem Sinne kann es für Luxemburg nur eine Erfolgsstrategie geben: eine Balance zu finden zwischen einerseits der Kooperation mit der Staatengemeinschaft und andererseits der Bemühung, sich immer wieder Vorteile aus einer Positionierung als flexibler und effizienter Partner der Wirtschaft zu verschaffen. Zwar ist diese Art der Standortpolitik eine knifflige Aufgabe und zudem eine Gratwanderung, doch Luxemburg hat sich in dieser Hinsicht von jeher als anpassungsfähig erwiesen.

Der BEPS-Aktionsplan Bei einem Treffen der G20-Finanzminister und -Notenbankgouverneure am 19. und 20. Juli 2013 wurde der OECD-Aktionsplan gegen Gewinnkürzungen und Gewinnverlagerungen multinational tätiger Unternehmen (Base Erosion and Profit Shifting - BEPS) verabschiedet. Er umfasst einen Katalog von 15 Maßnahmen, auf dessen Grundlage bis Ende 2015 wirksame und international abgestimmte Regeln gegen BEPS erarbeitet werden sollen.1. Besteuerung der digitalen Wirtschaft;2. Verhinderung doppelter Nichtbesteuerung bei hybriden Gestaltungen;3. Erarbeitung von internationalen Standards für die Hinzurechnungsbesteuerung;4. Verhinderung von Steuerverkürzungen durch Regelungen zur Versagung des Zinsabzugs;5. Umgestaltung der Arbeiten zu steuerschädlichen Regimes;6. Verhinderung von unrechtmäßiger Inanspruchnahme von DBA-Vorteilen;7. Aktualisierung des Betriebstättenbegriffs, um die künstliche Vermeidung des Betriebstättenstatus zu verhindern;8. Aktualisierung der Verrechnungspreisleitlinien in Hinblick auf immaterielle Wirtschaftsgüter;9. Aktualisierung der Verrechnungspreisleitlinien in Hinblick auf Risiko- und Kapitalzuordnungen;10. Aktualisierung der Verrechnungspreisleitlinien in Hinblick auf andere risikobehaftete Transaktionen;11. Entwicklung von Methoden und Regelungen, um Daten über Gewinnkürzungen und Gewinnverlagerungen zu erlangen;12. Überarbeitung der Dokumentationsanforderungen für die Verrechnungspreisermittlungen;13. Verbesserung der Transparenz in Hinblick auf aggressive Steuerplanungen;14. Verbesserung der Verwaltungszusammenarbeit in Verständigungs- und Schiedsverfahren;15. Entwicklung einer multilateralen Vertragsgrundlage für die Umsetzung von BEPS-Maßnahmen.Quelle: Bundesfinanzministerium
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