Zahlungsverkehrsdienstleistungen

Der Abschied vom Bargeld braucht eine gemeinsame Strategie

Viel hat sich getan in den vergangenen 15 Jahren. Inzwischen werden rund 38 Prozent aller Zahlungsvorgänge mit Karte getätigt. Der Bar-Umsatzanteil ist um rund 20 Prozent gesunken. 144 Milliarden Euro werden so jedes Jahr mit kartenbasierten Zahlungsmethoden bezahlt. Allein über das ec-cash-System wurden in der ersten Hälfte dieses Jahres Transaktionen mit einem Volumen von rund 60 Milliarden Euro abgewickelt.

Bei der Überlegung des Kunden, ob er zur Karte oder zum Geldschein greift, spielt der Zahlbetrag die entscheidende Rolle: Beträge bis 20 Euro werden immer noch fast ausschließlich mit Bargeld bezahlt. Besonders hoch ist dieser Anteil bei Beträgen bis fünf Euro, diese Beträge werden zu mehr als 96 Prozent in bar beglichen. Dementsprechend dominiert in Handelssegmenten wie Bäckereien, Kiosken und dem Nahverkehr, in denen vorwiegend Kleinstbeträge anfallen, noch immer das Bargeld.

Doch auch hier zeichnet sich eine Trendwende ab, denn der Rückzug der Bundesbank aus der Bargeldbearbeitung hat die Bargeldlogistik für die Händler weiter verteuert. Selbst große Handelsketten gehen davon aus, dass im Jahr 2012 die Kosten des Bargeldhandlings erstmals mit den Kosten für Kartentransaktionen gleichauf liegen werden. Da ist es nicht verwunderlich, dass laut aktuellen Untersuchungen des EHI-Institutes über die Hälfte der großen Handelsunternehmen in die Kartenakzeptanz-Infrastruktur investieren möchte. Sie bereiten sich damit auch auf einen Gesinnungswandel vor, der sich seitens der Verbraucher deutlich abzeichnet. Der Hauptgrund, die Karte im Portemonnaie stecken zu lassen, ist für viele deutsche Konsumenten die Angst, den Überblick über ihre Ausgaben zu verlieren. Das Bargeld ist für sie mehr als nur ein Zahlungsmittel - es hat gleichzeitig auch eine Art Kontrollfunktion. Experten nennen diese Verbraucher "Pocket Watcher". Sie bezahlen mehr als zwei Drittel ihrer Ausgaben bar und greifen erst bei großen Beträgen auf die Möglichkeit zurück, mit Karte zu bezahlen.

NFC als Wegbereiter für den Abschied vom Bargeld

Doch auch diese Kundengruppe wird sich in den kommenden Jahren von den vielen Vorteilen der Kartenzahlung überzeugen lassen: Der Wegbereiter dafür ist eine vor allem in der Logistikbranche genutzte Funktechnologie, genannt Near Field Communication (NFC), mit der seit einigen Jahren die Warenidentifikation vereinfacht und der Transportweg beschleunigt wird. Die Möglichkeit, Daten schnell und sicher kontaktlos auszutauschen, hat diese Technologie auch für den Zahlungsverkehr interessant gemacht. So interessant, dass viele von einer Revolution des Zahlungsverkehrs sprechen. Das Prinzip hinter der NFC-Technologie ist schnell erklärt: Man benötigt einen Transponder, der vom Kunden nahe an ein Lesegerät gehalten wird. Der Transponder funkt dann die notwendigen Daten an das Lesegerät und die kontaktlose Zahlung wird abgewickelt. Über das immense Erfolgspotenzial der NFC-Technologie herrscht in der Branche Einigkeit. In welcher Form sich die NFC-Technologie durchsetzt, ist jedoch noch nicht entschieden.

Die Branchenakteure setzen auf zwei unterschiedliche Ansätze: Kartenbasierte Lösungen läuten die NFC-Ära ein. Eine zukunftsweisende Weiterentwicklung ist das Mobile Payment auf Basis von Smartphones mit integriertem NFC-Chip. Das in Deutschland wohl bekannteste Projekt, ist das vor allem in Bankkarten der Sparkassen integrierte Zahlverfahren Girogo. Es wurde von der Deutschen Kreditwirtschaft auf Initiative des DSGV ins Leben gerufen, um den Einstieg in die kontaktlose Kartenzahlung voranzutreiben. Seit Juni 2012 können rund 1,3 Millionen Sparkassenkunden aus der Pilotregion im Großraum Hannover, die bereits eine Bankkarte mit NFC-Chip besitzen, an mehr als 320 Akzeptanzstellen kontaktlos bezahlen. Das neue Bezahlverfahren ist speziell für kleine Beträge entwickelt worden. Das spiegelt sich besonders in den Entgelten wider, die Händler entrichten müssen: Bei Girogo werden pro Transaktion nur zwischen einem und drei Cent fällig.

Über Erfolg oder Misserfolg einer Bezahllösung entscheiden letztendlich jedoch vor allem die Verbraucher. Denn um sie vom vermeintlich einfachen Bezahlen mit Kleingeld abzubringen, müssen die Vorteile des kontaktlosen Bezahlens klar auf der Hand liegen. Girogo profitiert hier von den Erfahrungen, die mit der Geldkarte gemacht wurden. Viele kleine Weiterentwicklungen bauen die Hindernisse ab, die bisher die Geldkarte von einem durchschlagenden Erfolg abgehalten haben. Denn entscheidend ist für viele Nutzer vor allem die subjektive Geschwindigkeit des Bezahlvorgangs. Hier ist das kontaktlose Bezahlen unschlagbar, denn Beträge bis 20 Euro können ohne Eingabe der PIN oder Unterschrift beglichen werden. Schneller hat kein Konsument nach Münzen gekramt.

Zudem wollen viele Konsumenten zwar nicht jeden Brötchenkauf auf ihrem Kontoauszug vermerkt haben, dennoch aber einen Überblick über ihre Ausgaben behalten. Girogo trägt dem Rechnung: Zwar wird auf dem Kontoauszug nur der Ladebetrag angezeigt, die letzten 15 Umsätze können aber nachvollzogen werden. Das dürfte auch die "Pocket Watcher" überzeugen. Eine weitere Verbesserung gegenüber der Geldkarte ist das sogenannte Abo-Ladeverfahren für Sparkassenkunden. Der Gang zum Geldautomaten wird so vollkommen überflüssig.

Nach dem erfolgreichen Start der kontaktlosen Geldkarte hat der DSGV bereits angekündigt, 45 Millionen ec-Karten mit Kontaktlos-Funktion an Sparkassenkunden auszugeben. Bis 2015 soll der Austausch abgeschlossen sein. Aber auch die großen Kreditkartenorganisationen Visa und Mastercard haben mit Paywave (Visa) und Paypass (Mastercard) bereits eigene Kontaktlos-Lösungen entwickelt. Paypass gibt es weltweit bereits seit 2007. Das Verfahren gilt als Vorreiter im Bereich der NFC-Technologie. Paywave wird seit Juli 2012 in Deutschland an einem Pilotprojekt getestet: Die Kunden von Taxi Frankfurt können mit Paywave ihre Rechnung bis 25 Euro in weniger als einer Sekunde begleichen.

Zu viele Mobile-Payment-Anbieter stehen einander im Weg

Der Start in die kontaktlose Bezahlwelt ist also geglückt. Damit dieser aber nicht im Sande verläuft, muss nun die gesamte Deutsche Kreditwirtschaft an einem Strang ziehen und sich dem Dialog mit Händlern und Verbrauchern stellen. Die Technik, um das bargeldlose Bezahlen von kleineren Beträgen zu ermöglichen, ist einsatzbereit. Nun gilt es die Öffentlichkeit von den vielen Vorteilen zu überzeugen. Das können weder einzelne Banken noch Kreditkartenunternehmen leisten. An dieser Stelle ist eine gemeinsame Strategie der gesamten Branche notwendig.

Der andere Weg, auf dem die NFC-Technologie erfolgversprechend genutzt wird, verdient vielleicht noch stärker den Titel "Zukunft des Bezahlens": Mobile Payment. Dem Bezahlen mit dem Smartphone wird ein immenses Marktpotenzial zugesprochen, denn die Kommunikations- und Technikgewohnheiten der Verbraucher haben sich massiv gewandelt. Es geht nicht mehr darum, für jede Alltagsaufgabe ein Spezialgerät zu benutzen. Vielmehr geht die Entwicklung dahin, soviel wie möglich mit einem Gerät - dem Smartphone - bewältigen zu können. Die Innovationstreiber für diese Technologie sind die großen Mobilfunk- und Internetunternehmen, die gemeinsam mit Partnern aus der Paymentbranche und Finanzdienstleistern an einer internationalen Lösung arbeiten.

Das derzeit am weitesten fortgeschrittene Projekt ist "Google Wallet". Sie ermöglicht Zahlungen auf zwei Wegen: Einerseits über eine Paypass-fähige Citi-Mastercard und andererseits über eine virtuelle Google Prepaid-Karte. Google Wallet erfordert anders als die kartenbasierten Ansätze eine anwendungsspezifische PIN. Bei der ersten Anwendung werden dann alle Zahlungskartendaten verschlüsselt und auf einem Chip gespeichert. Auf einer Paypass-fähigen Mastercard beruht auch das Projekt "mpass" der Telefónica-Tochter O2. Deren Kunden können bereits mithilfe eines Stickers, der auf dem Smartphone angebracht wird, an immer mehr Akzeptanzstellen im stationären Handel kontaktlos bezahlen.

Bis sich das Mobile Payment flächendeckend durchsetzen kann, wird allerdings noch einige Zeit vergehen. Denn es ist fragwürdig, ob der Handel bereit ist, in eine Terminaltechnologie zu investieren, von der aktuell nicht klar ist, wie viele Verbraucher sie letztendlich nutzen werden. Eine kleine Gruppe junger, technikaffiner Nutzer wird hier nicht ausreichen, um das Smartphone als Bezahlmedium im stationären Handel zu etablieren. Eine einheitliche und flächendeckende Lösung ist aber für das Mobile Payment essenziell. Aktuell stehen sich die vielen kleinen Mobile-Payment-Anbieter selbst im Weg: Viel zu viele tummeln sich auf einem Markt, der im Grunde noch nicht einmal existiert. Zudem ist es ist sehr fragwürdig, ob Verbraucher bereit sind, viele kleine Beträge in unterschiedlichen Prepaid-Lösungen zu hinterlegen, nur um statt nach der Karte nach dem Smartphone zu greifen.

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