Leitartikel

Abschied vom Knax-Club?

sb - Auf den Bilanzpressekonferenzen von Banken und Sparkassen ist die Welt immer schön und heil. Alle haben zumindest in bescheidenem Ausmaß Neukunden gewonnen. Verloren hat sie niemand. Selbst wenn man berücksichtigt, dass der durchschnittliche Bankkunde heute sicher mehr unterschiedliche Bankbeziehungen unterhält, als dies noch vor vielleicht zehn Jahren der Fall war, scheint hier ein gutes Stück Schönrechnerei dabei zu sein, wie es aktuelle Studien bestätigen. Einer Untersuchung von Ernst & Young zufolge geben zwar 93 Prozent der Privatkunden an, eine Hausbank zu haben. 89 Prozent der über 35-Jährigen sind dort länger als zehn Jahre Kunde. Und immerhin zwei Drittel der Kunden legen nach eigenem Bekunden Wert auf einen Anbieter, bei dem sie mehrere Finanzprodukte kaufen können. Treu im Sinne einer ausschließlichen Kundenbeziehung ist diesem Anbieter aber nur ein Drittel der Befragten. Bei der tatsächlichen Kundentreue liegt die Schwundquote zwischen Theorie und Praxis also schon bei rund 50 Prozent. Fast jeder Fünfte unterhält Kundenbeziehungen zu mehr als drei Anbietern, die Versicherungen noch nicht mit eingerechnet. Unter den jungen Gutverdienern sind es gar doppelt so viele. Auch der "Kundenmonitor Deutschland" bescheinigt den Banken nicht nur eine gesunkene Kundenzufriedenheit (wovon übrigens die Sparda-Banken, die zum 15. Mal den Spitzenplatz belegen, nicht ausgenommen sind). Auch bei der Frage nach der Wiederwahlabsicht des gleichen Anbieters haben die Kreditinstitute 2007 im Vergleich zum Vorjahr kräftig verloren. "Bestimmt" wieder wählen würden nur 51 Prozent der Bankkunden ihre Hauptbank. Das sind sechs Prozent weniger als im Vorjahr.

Das Thema Kundenbindung ist insofern ein heikles, und die verfolgten Strategien scheinen nur wenig erfolgreich. Das Mitgliederbindungsprogramm des BVR ist weitgehend im Sand verlaufen und wird nur hie und da durch institutsspezifische Konzepte ersetzt. Gesellschaftliches Engagement oder längere Öffnungszeiten werden vom Kunden wohlwollend zur Kenntnis genommen. In einem vom Preiskampf dominierten Umfeld werden sie aber allenfalls von einem kleineren Teil der Kundschaft so hoch geschätzt, dass dafür weniger günstige Konditionen in Kauf genommen werden. Das gilt auch für die Beratung, mit der die Filialbanken punkten wollen: Bei einzelnen, beratungsintensiven Produkten mag man sich darauf besinnen. Das heißt aber nicht, dass man dem jeweiligen Haus auch im Standardgeschäft treu bleibt, wenn man es anderswo günstiger bekommt. Das Konzept "alles aus einer Hand" hat zwar noch theoretischen Charme, verliert in der Praxis aber immer mehr an Bedeutung. Damit sinken auch die Cross-Selling-Chancen.

Wo die klassische Kundenbindung versagt, bleibt also nur, das Augenmerk verstärkt auf die Ansprache immer neuer Kunden zu richten. Im Trend liegen hier die Kooperationen mit Nichtbanken wie Discountern, Kaffeeröstern oder Drogeriemärkten - ein Vertriebsweg, für den laut Ernst & Young ein Drittel der Bankkunden zumindest potenziell offen ist. Bei der Suche nach geeigneten Kooperationspartnern haben es die Verbundinstitute aber schwer: Hier stört die Dezentralität. Bleiben also Lockangebote wie Tankgutscheine, Startguthaben oder Sachprämien, die in Verbindung mit dem Abschluss bestimmter Produkte verteilt werden und mittlerweile für jeden dritten Kunden ein wichtiges Entscheidungskriterium geworden sein sollen. Dies aber kostet Geld, das die Direktbanken weitaus eher zur Verfügung haben als Volksbanken und Sparkassen mit ihrem teuren Filialnetz. Vor diesem Hintergrund gehören vielleicht die Investitionen in den Jugendmarkt auf den Prüfstand: Wenn diejenigen, die mit Knax-Club und Spardose oder Brustbeutel zum Weltspartag großgeworden sind, der Sparkasse dennoch den Rücken kehren, sobald sie dem Jugendgirokonto entwachsen sind, werden dergleichen lieb gewordene Traditionen vielleicht doch irgendwann dem Tankgutschein als Zugabe zum Tagesgeldkonto oder zum Autokredit weichen müssen.

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