Verbraucherschutz

Best Practice in finanzieller Allgemeinbildung

Finanzielle Allgemeinbildung ist ein Teil der ökonomischen Bildung, die zur Allgemeinbildung gehört. Allgemeinbildung, so lautet die Definition aus dem Bibliografischen Institut der F. A. Brockhaus AG im Internet, ist jener Teil der Bildung, die allen zukommt oder zukommen sollte, um jedem Menschen eine selbstständige und mitverantwortliche Teilnahme am Leben zu ermöglichen.

Ziel ist, so heißt es weiter, die umfassende Förderung der im Menschen liegenden praktischen, emotionalen und geistigen Fähigkeiten. Folglich zielt finanzielle Allgemeinbildung auf die Kompetenzen für die Selbstorganisation in der wirtschaftlich bestimmten Lebenswelt, insbesondere so kann im Anschluss an Reifner1) gesagt werden - für die produktive Nutzung von Geld und Finanzdienstleistungen in der Kreditgesellschaft (siehe Abbildung).

Finanzielle Bildung in Deutschland: unzureichendes Angebot

Weil sich die Lebenswelt ständig verändert und sich vor allem die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den letzten Jahren rasant gewandelt haben, wachsen auch die Anforderungen an die verantwortliche Lebensführung erheblich. Stichworte sind hier Globalisierung der Märkte, Umbau des Sozialstaats, Optionalisierung der Lebensgestaltung und Eigenverantwortung, zum Beispiel für die Alterssicherung.

Objektiv nehmen damit die Risiken und somit auch die Anforderungen an die finanzwirtschaftlichen Kompetenzen zu.2) Viele Menschen sind darauf allerdings nicht gut vorbereitet und manche scheitern. Die ständige Zunahme der überschuldeten Privathaushalte und der von Armut und Armutsrisiken Betroffenen ist dafür ein Indikator, der lediglich die "Spitze des Eisbergs" erkennen lässt.

Moderne, offene Marktwirtschaften mit parlamentarischer Demokratie sind auf die "Ressource Mensch" mit einem hohen Bestand an Humanvermögen angewiesen: für das Funktionieren der Märkte und der Zivilgesellschaft. Fehlen ökonomische Kompetenzen, führt dies zu Wohlstandseinbußen.3) Werden zunehmend Mitglieder der Gesellschaft von der wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt, steht sogar das politische System in Frage. Finanzielle Allgemeinbildung ist folglich ein öffentliches Gut.

Kaum gesicherte Erkenntnisse zur Best Practice

Gegenwärtig sind wir in Deutschland aber noch weit davon entfernt, finanzielle Bildung als öffentliches Gut in ausreichender Quantität und Qualität anzubieten. Obwohl eine ökonomische Bildung mit dem Schwerpunkt auf der Betrachtung der Marktwirtschaft in fast allen Schulen angekommen ist, wird besonders die finanzielle Bildung als defizitär eingeschätzt und mit ergänzenden Programmen und Materialien in die allgemein bildenden Schulen zu tragen versucht.4)

Die Diskussion unter Fachleuten über Inhalte, Theoriegrundlagen, Didaktik, Einbettung und Qualitätssicherung der finanziellen Allgemeinbildung nimmt zu. Aber wir sind auch noch von einem gut abgesicherten, weitgehend akzeptierten Standard der finanziellen Allgemeinbildung und somit von definitiven Erkenntnissen über Best Practice in diesem Feld weit entfernt.5)

Beispielhaft werden hier Prinzipien und Empfehlungen für finanzielle Allgemeinbildung zusammengefasst, die im Rahmen des EU-Projekts "Financial education and better access to aedequate financial services" (FES) zwischen 2005 und 2007 entwickelt wurden.

Die wichtigsten Empfehlungen des FES-Projekts sind: Förderung der finanziellen Allgemeinbildung durch besser koordinierte politische Maßnahmen, Vermittlung als kontinuierlicher, lebenslanger Bildungsprozess, Elementarbildung bereits in der Grundschule, Programmangebote in der Folge auch lebensabschnittsspezifisch ausgerichtet, Einbettung in einen umfassenden ökonomischen Bildungskontext, Entwicklung einer spezifischen Didaktik, Entwicklung von Qualitätsindikatoren und Evaluationsinstrumenten, Rücksprache und Dialog mit allen Interessengruppen, Verknüpfung mit der Gesetzgebung in den korrespondierenden Rechtsbereichen, insbesondere Konsumentenschutz, Kreditvergabe und Schuldenregulierung.

Finanzielle Allgemeinbildung geht stets von bestimmten Wissensbeständen bei den Konstrukteuren und Lehrenden aus, die in Bildungsprozessen vermittelt werden, um wiederum bestandsbildend bei den Personen der Zielgruppe zu wirken.

Problemorientierte und interaktive Vermittlung gefragt

Das zu vermittelnde Wissen trifft immer auf ein Vorwissen, es wird selektiv aufgenommen und zu neuem Wissen umgebaut. Für den Kommunikationsprozess muss dieser Zusammenhang berücksichtigt werden.

Eine an den Interessen der Individuen ansetzende problemorientierte und interaktive Darbietung von Inhalten dürfte einer an der Lehrbuchökonomie orientierten systematischen Stoffvermittlung überlegen sein. Die Lehrenden sollten sich als Moderatoren verstehen.

Das Thema selbst: Der Umgang mit Geld und Finanzdienstleistungen, also genau genommen mit den Bedürfnissen, Wünschen und Zielen einerseits und den Möglichkeiten und Grenzen der Realisierung andererseits, ist hochgradig emotional aufgeladen, sozial mitbestimmt und stark erfahrungsabhängig.

Dies alles variiert von Person zu Person und ist individuell vom Alter und der Situation abhängig. Extreme Fälle sind maßlose Selbstüberschätzung und schwerwiegende Stigmatisierungserfahrungen.

Das Ideal der Wissensvermittlung ist die Förderung der Einsichts- und Selbstlernfähigkeit. Nicht selten fehlen dafür grundlegende Kompetenzen, wie Wortverständnis sowie Lese-, Schreib- und Rechenfähigkeiten. Auch und gerade darauf muss die finanzielle Allgemeinbildung Rücksicht nehmen, weil es sich dann um besonders verwundbare Personen handelt.

Wirtschaftliche Grundbildung gehört dazu

Es ist aber auch klarzustellen, dass selbst das beste Programm der finanziellen Allgemeinbildung finanzielle Probleme nie ganz verhindern kann, wenn ungute Lebensereignisse gehäuft auftreten.

Finanzielle Allgemeinbildung ohne wirtschaftliche Allgemeinbildung ist wie pure Grammatik ohne umfassenden Deutschunterricht. Zur finanziellen Allgemeinbildung gehört insbesondere eine grundlegende alltags- und lebensweltliche Wirtschaftslehre.6) Daneben sind Grundlagen einer Alltags- und Finanzmathematik sowie elementare Wahrscheinlichkeitsrechnung, Rechtskenntnisse und konsumsoziologische Einsichten wichtig.

Korczak7) unterscheidet zwischen der Makroebene und der Mikroebene. Zu den Makrophänomenen der finanziellen Allgemeinbildung gehören danach Funktionen und Institutionen der sozialen Marktwirtschaft, Teile des Wirtschaftsrechts, Zusammenhänge zwischen Sozialstruktur und Handlungsoptionen, Wissen über demografischen Wandel, Haushalts- und Lebensformen sowie Lebensstilphänomene.

Der Mikroebene zugeordnet sind der Umgang mit Geld und Kreditkarten, die Wahl der Kreditinstitute und der Versicherungen, die Haushaltsplanung und Lebensfinanzplanung, Sparen und Investieren, Generierung von Einkommen, Nutzung von Beratungsinstitutionen, die Bedeutung der Werbung sowie die Virtualisierung von Finanzdienstleistungen.

Etablierung einer Institution zur Qualitätssicherung

Für die Qualitätssicherung sind die Entwicklung von Standards, die Prüfung der wissenschaftlichen Grundlagen, insbesondere in Erziehungs-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften einschließlich der empirischen Relevanz sowie die Aus- und Weiterbildung der Multiplikatoren und die Evaluierung von Programmen und Maßnahmen erforderlich. Unverzichtbar für diese Aufgabe erscheint die Etablierung einer unabhängigen nationalen Institution, die auch den Dialog in der EU und weltweit pflegt.

In der Präambel heißt es: "Ziel des Präventionsnetzwerks Finanzkompetenz ist es, die vielfach geforderte Finanzkompetenz und deren Rahmenbedingungen durch gesellschaftspolitische Einflussnahme zu verbessern. Unter Finanzkompetenz verstehen wir nicht nur den Umgang mit Geld. Im umfassenden Sinn ist es die Kompetenz zur Gewinnung und nachhaltigen Nutzung finanzieller Mittel und Finanzdienstleistungen. Dies schließt die Abwägung von Bedürfnissen und Alternativen der Bedürfnisbefriedigung ein und hat stets auch die langfristige Vermögenssicherung im Blick" .

Bereits zweimal hat das Präventionsnetzwerk einen bundesweiten Wettbewerb von Good Practice Projekten zur Finanzkompetenz und Schuldenprävention veranstaltet.

Sechs Best Practice Projekte ausgezeichnet

Die insgesamt über 50 eingereichten Beiträge aus Einrichtungen der Jugend- und Erwachsenenbildung, der Wirtschaftsforschung und -beratung, aus Landesministerien, Sozial- und Schuldnerberatungsstellen, Universitäten, Verbraucherzentralen und Verbraucherverbänden wurden zunächst von einer Jury gesichtet und eine Auswahl im Rahmen der Fachtagungen Finkom-Info-Börse von den Initiatoren vorgestellt und von den Teilnehmenden bewertet. Die jeweils drei Besten wurden mit einem Preis geehrt. Bisher sind also sechs Best Practice Projekte ausgezeichnet worden.

Auf der 1. und 2. Finkom-Info-Börse 2006 und 2008 wurden folgende Projekte ausgewählt:

"Süßes Leben - überquellende Kinderzimmer: Konsumerziehung im Kindergarten" vom Caritas Centrum München Innenstadt.

"Finanzführerschein" für Schüler und

Schülerinnen im Alter von 16 bis 19 Jahren vom Verein Schuldnerhilfe Essen e. V.

"Money-Crashkurs" für Jugendliche und Erwachsene vom Verein pro Arbeit e. V. Lübeck.

"Was-was-kostet auf dem Weg ins Netz" - ein flashanimiertes Haushaltsplanspiel im Internet für Jugendliche und junge Erwachsene von der Landesarbeitsgemeinschaft Schuldner- und Insolvenzberatung Berlin e. V.

"Schulden frei - Zukunft frei: Von Schuldenfallen, Geldfressern und Konsumgeistern" - für Jugendliche und junge Erwachsene von der Zentralen Schuldnerberatung Stuttgart.

"Auskommen mit dem Einkommen - Fit für Haushalt, Job und Finanzen" - Haushaltsführungstraining für Erwachsene vom Diakonischen Werk Darmstadt. Fachtagungen geplant

Das Präventionsnetzwerk Finanzkompetenz wird nunmehr parallel zur Weiterführung der Finkom-Info-Börsen zwei Fachtagungen zu theoretischen und praktischen Ansätzen der Vermittlung von wirtschaftlicher und finanzieller Kompetenz für Kinder und Jugendliche durchführen.

Die Tagung zu theoretischen Ansätzen findet am 17. November 2008 in der Universität Bonn statt. Die Tagung zu praktischen Ansätzen ist für das Frühjahr 2009 geplant. Es sollen Grundlagen zur Weiterentwicklung von Konzepten und Projekten erarbeitet und Empfehlungen für die Identifizierung von Best Practice Projekten der ökonomischen und finanziellen Allgemeinbildung abgeleitet werden.

Quellen:

Reifner, U.: Finanzielle Allgemeinbildung. Bildung als Mittel der Armutsprävention in der Kreditgesellschaft. Baden-Baden 2003.

Weng, W.: Finanzkompetenz. In: May, H.; May, U. (Hg.): Lexikon der ökonomischen Bildung. 6., völlig überarbeitete, aktualisierte und erweiterte Aufl., München, Wien 2006, S. 225-228.

Greenspan, A.: Financial Literacy: A Tool for Economic Progress. In: The Futurist, July-August 2002, S. 37-41.

Kaminski, H., et al.: Unterrichtseinheit "Finanzielle Allgemeinbildung". Handelsblatt macht Schule. Download im Internet unter http://handelsblattmachtschule.de/.

Reifner, U.: Finanzielle Allgemeinbildung als Ergänzung zur Schuldnerberatung. In: VZBV (Hg.): Schuldenreport 2006, S. 315-339.

Piorkowsky, M.-B.: Wirtschaften als fundamentale Kompetenz. In: Päd. Forum: unterrichten erziehen, 34./25. Jg., 2006, H. 6, S. 342-349.

Korczak, D.: Schuldenprävention in Kindergärten und Berufsschulen. Abschlussbericht. Präventionsprojekte des Amtes für Soziale Sicherung im Sozialreferat der Landeshauptstadt München, in Kooperation mit Arbeiterwohlfahrt, Anderwerk, DGB-Jugend, Kreisjugendring und Caritas München. Evaluation der Jahre 2005 - 2006. März 2007.

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