Kundenbindung

Cross-Selling: Die Österreicher machen es vor

Banken aus dem deutschsprachigen Raum hinken bei der Identifikation und Nutzung von Cross-Selling-Potenzialen im internationalen Vergleich hinterher. Was im Profi-Fußball niemals denkbar wäre und wohl für Verwunderung unter den Experten sorgen würde, ist im Bankensektor inzwischen längst Realität: Österreichische Banken weisen im Drei-Länder-Vergleich mit Deutschland und der Schweiz eine signifikant höhere Cross-Selling-Quote auf. Das ist eines der Ergebnisse einer von Ibi Research an der Universität Regensburg kürzlich veröffentlichten Studie.

Liegt beispielsweise die durchschnittliche Cross-Selling-Quote im Privatkundengeschäft in Deutschland bei etwa 2,8 und in der Schweiz bei 3,1, erreichen die österreichischen Kreditinstitute einen Wert von 3,6 (siehe Tabelle).

Schweizer haben höchsten erfolgsabhängigen Anteil in der Vergütung

Verantwortlich für diesen Erfolg scheint vor allen Dingen die Tatsache zu sein, dass der durchschnittliche alpenländische Kundenberater einen geringeren Kundenpool aus Privat- und Firmenkunden zu betreuen hat als seine Arbeitskollegen aus den deutschsprachigen Nachbarländern. Somit kann er mehr Zeit für eine individuelle, auf die Kundenbedürfnisse abgestimmte Beratung aufwenden.

Ein ebenso interessanter und in diesem Zusammenhang häufig unterschätzter Aspekt betrifft die unterschiedlich geregelten Vergütungssysteme. Diesbezüglich erweist sich das eidgenössische System als das mit dem höchsten erfolgsabhängigen Gehaltsanteil in Höhe von durchschnittlich 16 Prozent bei Privatkunden und 13 Prozent bei Firmenkunden. Auch bei dieser Kennzahl liegen die deutschen Banken zurück. Zwar erfolgt ein annähernd hoher variabler Vergütungsaufschlag bei der erfolgreichen Betreuung von Privatkunden, bei Firmenkunden jedoch liegt dieser Zuschlag lediglich im einstelligen Bereich (neun Prozent).

Ein zentraler Knackpunkt beim Cross-Selling ist die oftmals nur unzureichende Einbindung der Bemühungen in die vorhandenen Geschäftsprozesse. Zudem mangelt es in diesem Kontext häufig auch daran, dass das Thema nicht ausreichend in der Unternehmenskultur verankert wird und entsprechend vom Top-Management unterstützt wird. Die vorgestellte Untersuchung basiert deshalb auf einem idealtypischen Cross-Selling-Prozess. Analysiert werden dabei sowohl der Aufbau einer Kundendatenbank, die Entwicklung entsprechender Analysekompetenz oder auch der Schritt der Maßnahmenplanung und -umsetzung sowie das Controlling der Cross-Selling-Aktionen.

Erfolgreiche Banken nutzen Informationen zum Kaufverhalten

Beim Aufbau einer Kundendatenbank sowie der anschließenden Identifikation relevanter Kunden ist es vonnöten, die unterschiedlichen, oftmals lediglich spärlich vorhandenen und meist nur unzureichend miteinander verknüpften Kundeninformationen aufzubereiten, sie systematisch zu verlinken und die relevanten von unnötigen Informationen zu trennen. So sollte schließlich eine umfangreiche Datenbank entstehen, die beispielsweise Informationen über das Kauf- und Produktnutzungsverhalten des Kunden, aber auch über Einstellungen und Bedürfnisse sowie soziodemografische Merkmale enthält.

Am häufigsten speichern deutschsprachige Banken derzeit Kundendaten zur Lebensphase (70 Prozent) und Daten über die Produktnutzung (63 Prozent). Nur etwa 30 Prozent sammeln verhaltensbezogene Daten (siehe Abbildung 1).

Lifestyle, Innovationsbereitschaft und Familienstand in der Analyse

Beim Vergleich der Institute, die besonders erfolgreich im Cross-Selling sind, mit den restlichen Instituten zeigt sich, dass sich diese insbesondere durch eine stärkere Nutzung von kaufverhaltensbezogenen Daten unterscheiden. Die erfolgreicheren Institute nutzen für Cross-Selling-Zwecke 16 Prozent häufiger als der Gesamtdurchschnitt kaufverhaltensbezogene Daten. Auch nutzen sie verstärkt verhaltensorientierte und nutzungsbezogene Daten und ergänzen überdurchschnittlich oft die internen Daten um Daten aus Marktforschungsstudien. Bei der Erhebung von Daten über die Lebensphasen beziehungsweise das Kommunikationsverhalten sind die Unterschiede nur marginal.

In einem nächsten Schritt sollte damit begonnen werden, die gewonnenen Informationen für eine intensive Kundenanalyse zu nutzen. Das Erstellen von Kundenprofilen ist in diesem Zusammenhang äußerst sinnvoll und hilft dabei, die Kunden zu identifizieren, die tatsächlich offen für Cross-Selling sind. Wie sieht eine solche Identifikation von Cross-Selling-Potenzialen jedoch konkret aus?

Es gibt diverse Potenzialfaktoren, bei deren Erfassung und Analyse zwischen Firmen- und Privatkunden getrennt werden muss. Um den Cross-Selling-Bedarf bei Geschäftskunden zu ermitteln, bezieht man beispielsweise die Vielfalt der geschäftlichen Aktivitäten oder die Marktdynamik in die Analyse mit ein. Bei Konsumenten wären das Faktoren wie etwa Life style, Innovationsbereitschaft, Familienstand oder das Einkommen.

Die gewonnen Erkenntnisse über den eigenen Kundenstamm sind für sich genommen vorerst jedoch noch nicht effizient nutzbar. Erst in Verbindung mit einem kritischen Blick auf die eigene Strategie und das hauseigene Produktportfolio lassen sich Rückschlüsse ziehen und Maßnahmen zur Steigerung des Cross-Selling-Erfolgs planen. Ein Abgleich des Kundenbedarfs mit dem vorhandenen Produktportfolio erscheint sinnvoll, wird jedoch nur von 42 Prozent der befragten Institute durchgeführt. Jedoch planen bereits 31 Prozent die Nutzung der Kundeninformation für einen solchen Abgleich.

Neben der Ergänzung des Produktportfolios nutzen deutschsprachige Institute die Kundeninformation insbesondere auch dazu, um produktzentrierte Kampagnen durchzuführen, bei denen ein Produkt bei geeigneten Kunden beworben wird. 84 Prozent haben dies bereits umgesetzt, acht Prozent planen es. Weniger genutzt wird das Wissen über Cross-Selling-Potenziale zum Umwerben von Kundengruppen mit geeigneten Produkten im Rahmen kundenzentrierter Kampagnen (63 Prozent), bei weiteren 19 Prozent der Befragten ist dies zumindest aber bereits in Planung.

Errechnung von Abschlusswahrscheinlichkeiten steigert Cross-Selling-Erfolg

Bevor einem Kunden jedoch ein spezielles Cross-Selling-Angebot unterbreitet werden kann, müssen aus den analysierten Kundeninformationen konkrete Maßnahmen entwickelt werden. Über 52 Prozent der befragten Institute gaben an, dass in ihren Instituten die Kaufbereitschaft für ein Produkt bei einzelnen Kunden speziell abgeschätzt wird. Allerdings werden bei weniger als 25 Prozent der Befragten auch konkrete Abschlusswahrscheinlichkeiten für verschiedene Produkte errechnet.

Insbesondere die Nutzung von Produktbündeln scheint aus Sicht der Banken und Sparkassen ein interessanter Schritt zu sein, um aus den Kundeninformationen Cross-Selling-Chancen zu entwickeln. 41 Prozent wollen zukünftig mit Produktbündeln zusätzliche Erträge generieren. 39 Prozent nutzen die Informationen bereits heute zur Gestaltung kundenindividueller Produktbündel beim Cross-Selling.

Systematisches Kampagnenmanagement erforderlich

Beim Vergleich der im Cross-Selling besonders erfolgreichen Institute mit den restlichen Banken fällt auf, dass die erfolgreicheren Institute verstärkt kundenindividuelle Abschlusswahrscheinlichkeiten für einzelne Produkte sowie die Attraktivität einzelner Produkte für identifizierte Kundensegmente ermitteln. Darüber hinaus nutzt diese Gruppe ihr Wissen über Cross-Selling-Potenziale überdurchschnittlich häufig für das Erkennen und Schließen von Lücken im Produktportfolio.

Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass ein systematisches Kampagnenmanagement einen positiven Einfluss auf den Cross-Selling-Erfolg hat. Die Gruppe der im Cross-Selling besser agierenden Banken nutzt deutlich häufiger als der Rest produkt- und kundenzentrierte Kampagnen. Bei produktzentrierten Kampagnen liegt der Wert beispielsweise um zwölf Prozent über dem Durchschnitt. Das vorrangige Ziel solcher Kampagnen ist es, möglichst direkt Verkaufsabschlüsse herbeizuführen.

Kundenberater wird zum Relationship Manager

Sekundäre Ziele können sowohl der Einstieg in den Dialog mit den Zielkunden als auch die Unterbreitung von bedürfnisadäquaten (weiteren) Angeboten im Rahmen der Kampagne genannt werden. Von Bankenseite initiierte Kampagnen unterscheidet man in zentrale beziehungsweise dezentrale Kampagnen. Die Organisation von Kampagnen kann entweder von zentralen Einheiten eines Kreditinstituts vorgenommen werden oder auch dezentral von Filialen beziehungsweise von einzelnen Vertriebsmitarbeitern erfolgen. Initiiert werden Kampagnen entweder durch das Kreditinstitut oder durch ein festgelegtes Ereignis im Kundenprozess. 82 Prozent der Institute versuchen beim Eintritt des Kunden in eine neue Lebensphase Cross-Selling zu betreiben. 52 Prozent versuchen dies bei einer bestimmten Kundentransaktion.

Für die Umsetzung verschiedener Cross-Selling-Maßnahmen stehen den Banken zahlreiche unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung, um dem Kunden ein Angebot zu unterbreiten. Als Kanal für die Unterbreitung von Cross-Selling-Angeboten scheint besonders das Gespräch des Kunden mit seinem Kundenberater in der Filiale (88 Prozent) oder im Rahmen eines Besuchs des Kunden durch einen Kundenberater des mobilen Vertriebs (64 Prozent) sehr gut geeignet zu sein.

Beim Gespräch des Vertriebsmitarbeiters mit dem Kunden setzen 86 Prozent der befragten Institute Leitfäden und Skripte für die Kundenansprache und für das Verkaufsgespräch ein. Auch Verkaufs- und Beratungssysteme, die Cross-Selling-Möglichkeiten aufzeigen, sind bei 64 Prozent der Banken im Einsatz. 90 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass das Wissen des Vertriebsmitarbeiters über seinen Kunden einen hohen Einfluss auf seinen Cross-Selling-Erfolg hat. Gleichzeitig ist es bei gut 90 Prozent der befragten Banken üblich, dass Spezialisten aus unterstützenden Einheiten dem Vertriebsmitarbeiter für Anfragen zur Verfügung stehen.

Daraus lässt sich schließen, dass ein Vertriebsmitarbeiter in deutschsprachigen Kreditinstituten immer weniger die Rolle des Produktspezialisten als vielmehr die Rolle des Kundenspezialisten beziehungsweise des Relationship Managers einnimmt, der produktübergreifende Lösungen zur ganzheitlichen Befriedigung individueller Kundenbedürfnisse zusammenstellt (siehe Abbildung 2). Auswertung der Maßnahmen ist unabdingbar

Um letzten Endes auch überprüfen zu können, ob die getroffenen Maßnahmen sich auszahlen und das Institut von den Cross-Selling-Anstrengungen profitiert, ist es unabdingbar, ein geeignetes Controlling zu implementieren, dass sämtliche Cross-Selling-Aktivitäten bewertet. Durch die Kontrolle des Aktionserfolges sollen zu dem Schwachstellen und Möglichkeiten zur Veränderung identifiziert werden. Bei 72 Prozent der Befragten wird beim Controlling der Cross-Selling-Maßnahmen der Grad der Erreichung der Cross-Selling-Ziele gemessen, weitere 13 Prozent geben an, dies bereits zu planen.

Beinahe 50 Prozent merkten an, dass in ihren Instituten die Rentabilität von Kampagnen zur Steigerung des Cross-Selling-Erfolgs überprüft wird. Nur jeweils knapp über 20 Prozent gaben an, dass in ihren Instituten die Wirksamkeit der Instrumente zur Erschließung der Cross-Selling-Potenziale und die Auswirkung der Cross-Selling-Maßnahmen auf die Kundenbindung überprüft werden. Das Controlling dieser beiden letztgenannten Sachverhalte planen knapp unter 30 Prozent der Befragten, bei weiteren rund 30 Prozent sind diese Sachverhalte dagegen kein Thema.

Wie die Studie zeigt, ist in Zukunft mit einer deutlich intensiveren Auseinandersetzung der Banken und Sparkassen mit dem Thema Cross-Selling zu rechnen. Es ist eine stärkere strategische Verankerung des Themas in der Strategie der Institute und ein systematischeres Betreiben des Cross-Selling zu erwarten.

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