Baufinanzierung

Die demografische Entwicklung als Herausforderung für die Baufinanzierung

Der klassische Baufinanzierungskunde hatte bislang ein klares Profil: eine erwerbstätige Person mittleren Alters, häufig verheiratet und mit Kindern, die in der ersten Phase ihrer Berufstätigkeit einen finanziellen Grundstock angesammelt hat und bereit ist, in den folgenden 20 oder 30 Jahren ein Darlehen für den Traum der eigenen vier Wände abzubezahlen.

Diesen musterhaften Kunden wird es auch in Zukunft geben - aber er wird immer seltener zu finden sein. Neben der höheren beruflichen Mobilität und dem Trend zu kleineren Haushalten liegt die Hauptursache dafür in der demografischen Entwicklung: Deutschland altert, und die deutsche Bevölkerung schrumpft. Leben heute noch über 80 Millionen Menschen in unserem Land, dürften es nach Prognosen des Statistischen Bundesamtes 2060 gerade einmal 65 bis 70 Millionen sein.

Zugleich kommt es zu erheblichen Veränderungen der Altersstruktur. Heute ist jeder fünfte Deutsche 65 Jahre alt oder älter, 2060 wird es jeder Dritte sein. Im gleichen Zeitraum wird die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter zwischen 16 und 65 Jahren um rund ein Drittel sinken - die Arbeitsbevölkerung schrumpft also mit noch größerer Geschwindigkeit als die Gesamtbevölkerung.

Bevölkerungsrückgang belastet Immobilienpreisentwicklung

Dieser Trend zur Alterung beeinflusst den deutschen Wohnungsmarkt bereits heute massiv: Das Immobilienvermögen einschließlich der materiellen Infrastruktur in Deutschland beläuft sich auf gut 6,5 Billionen Euro, der größte Teil hiervon entfällt auf Wohnimmobilien. Immobilien gelten mit Recht als sicherer Vermögenswert, doch die Nachfrage ist stark von der demografischen Entwicklung abhängig.

Wie die Deutsche Bank Research in einer im Dezember 2010 veröffentlichten Untersuchung festgestellt hat, lässt sich in den strukturschwachen Regionen für die Jahre 2000 bis 2010 ein statistischer Zusammenhang zwischen rückläufiger Bevölkerungszahl und sinkenden Immobilienpreisen herstellen.

Die Preise in den betroffenen Regionen dürften künftig also weiter zurückgehen, während sie in den Ballungszentren eher steigen dürften. Zwar kann eine genauere Marktanalyse auch in Fortzugsregionen interessante Anlagemöglichkeiten eröffnen, die demografischen Risiken am Wohnungsmarkt sind dennoch evident.

Auch die Baufinanzierer stehen angesichts der Bevölkerungsentwicklung vor großen Herausforderungen. Eine schrumpfende Erwerbsbevölkerung bedeutet weniger Kunden, die in einer frühen bis mittleren Phase des Lebenszyklus eine Baufinanzierung nachfragen. Stattdessen tritt eine neue Kundengruppe in den Vordergrund, die besonderen Wert auf flexible Lösungen und kürzere Laufzeiten legen wird: ältere Erwerbstätige oder Ruheständler, die häufig bereits eine Immobilie besitzen.

Unterschiedliche Anforderungen im Alter

Die Erfordernisse dieser Kunden in fortgeschrittenem Alter unterscheiden sich vom jüngeren Hausbauer, der im Wesentlichen auf günstige Zinsen, eine bezahlbare Rate und damit schließlich auf die passende Laufzeit achten muss - Kriterien, die mit herkömmlichen Standardprodukten leicht abzudecken sind. Ältere Kunden werden zunehmend daran interessiert sein, eine bestehende Immobilie zu modernisieren, zu übertragen oder zu vererben. Dies zeigt auch eine aktuelle Studie der Deutschen Bank, der zufolge sich fast zwei Drittel aller Immobilieneigentümer bereits Gedanken darüber gemacht haben, wie sie mit ihrer Immobilie im Alter umgehen.

Die große Mehrheit der Befragten gab an, die Immobilie im Alter möglichst lange selbst nutzen zu wollen. Dies führt zu erheblichem Modernisierungsbedarf, da nur wenige Häuser und Wohnungen altersgerecht ausgebaut sind: Die meisten Objekte sind nicht barrierefrei, haben keinen Fahrstuhl, keine geeigneten Sanitäreinrichtungen oder Notrufsysteme.

Mögliche Finanzierungslösungen

Für diesen steigenden Bedarf existieren bereits heute entsprechende Finanzierungslösungen. Um die Kosten einer Modernisierung selbst genutzten Wohneigentums abzudecken, bietet sich beispielsweise ein Modernisierungsdarlehen an, das, anders als ein herkömmliches Hypothekendarlehen, ohne Grundschuldeintragung vergeben werden kann.

Das macht die Darlehensvergabe ver gleichsweise unbürokratisch und im Vergleich zu einem Privatkredit kostengünstig. Die überschaubare Laufzeit des Modernisierungsdarlehens von bis zu 15 Jahren kommt darüber hinaus den Bedürfnissen einer älteren Kundengruppe entgegen.

Der altersgerechte Umbau von Immobilien ist auch mit einem Förderdarlehen der KfW-Bank möglich: Im Rahmen ihres Programms "Altersgerecht Umbauen" vergibt die KfW bis zu 50 000 Euro mit einem niedrigen Effektivzins. Gefördert wird die bedarfsgerechte Verminderung von Barrieren in bestehenden Wohngebäuden nach einem Bausteinsystem. Mögliche Förder bausteine sind zum Beispiel die Umgestaltung von Zufahrtswegen, Treppen und Sanitärräumen, aber auch die Erweiterung der Wohnfläche, sofern durch diese Maßnahmen Barrieren vermindert oder abgebaut werden.

Verrentung von Immobilienbesitz als Alternative

Angesichts der für viele Haushalte drohenden Rentenlücke kann es auch im Interesse älterer Kunden sein, den Wert ihrer bestehenden Immobilie in eine private Zusatzrente umzuwandeln. Dies ist beispielsweise mit einer "Reverse Mortgage", zu Deutsch Umkehrhypothek, möglich. Dabei handelt es sich um einen Kreditvertrag, der mit einer verbrieften Grundschuld besichert ist. Der Hausbesitzer bleibt Eigentümer, erhält aber eine Rente, durch die sich mit der Zeit eine Schuldenlast aufbaut. Wenn der Rentenempfänger stirbt, kann die Bank als Kreditgeber die Immobilie verwerten.

Allerdings zeigt sich gerade an diesem Beispiel, dass die Baufinanzierer bei der Entwicklung von Lösungsansätzen die emotionale Komponente des eigenen Wohnbesitzes nicht außer Acht lassen dürfen. Obwohl die Möglichkeit, den Hauswert in eine Rente umzuwandeln, besonders für kinderlose ältere Hausbesitzer attraktiv sein sollte, hat die Umkehrhypothek in Deutschland bislang nicht Fuß fassen können.

Viele Hausbesitzer schrecken offenbar davor zurück, das Heim, hinter dem oft eine jahrzehntelange Sparanstrengung steht, später für die eigene Altersversorgung zu "verbrauchen". Hinzu kommt, dass Hausbesitzer den Wert ihres Eigenheims regelmäßig überschätzen und daher von der Höhe der möglichen Rentenzahlung enttäuscht sind.

Keine vollständig neue Produktgeneration

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es bereits eine Reihe von Produkten gibt, mit denen Baufinanzierer dem demografischen Wandel Rechnung tragen können. Doch wie sieht vor diesem Hintergrund die Baufinanzierung der Zukunft aus? Was wird sich ändern? Werden neue Produkte entstehen, um den veränderten Bedürfnissen älterer Kunden Rechnung zu tragen?

In den kommenden fünf bis zehn Jahren wird es keine vollständig neue Produkt-Generation geben. Vielmehr wird es auf der Produktseite um eine Neubewertung bestehender Produkte gehen, die modifiziert, neu kombiniert und umgewidmet werden. Einige Trends zeichnen sich dabei bereits heute ab.

So dürfte die Nachfrage nach Förder- und Modernisierungsdarlehen zur Finanzierung eines altersgerechten Umbaus weiter zunehmen. Diese Darlehen sind unbesichert, erfordern also keine Eintragung ins Grundbuch und können dank ihrer geringen Volumina in überschaubaren Zeiträumen getilgt werden. Diese Eigenschaften kommen älteren Kunden entgegen.

Neben dem Immobilienumbau könnten Darlehen darüber hinaus zunehmend zur Schaffung zusätzlicher Liquidität genutzt werden. Möglich wird dies beispielsweise durch eine Aufstockung des Darlehens, bei der durch Tilgung freigewordene Grundschuldanteile revalutiert, also als Sicherheit für einen neuen Kredit verwendet werden.

Ideen für mehr Liquidität und Flexibilität

Neue Liquidität schaffen statt modernisieren - mit dieser Zielsetzung stellt die Darlehensaufstockung ein treffendes Beispiel für die Umwidmung einer bereits bestehenden Produktlösung dar. Günstige Kosten, einfache Abwicklung, kurze Laufzeiten und nicht zuletzt psychologische Aspekte - der Kunde bleibt Eigentümer der Immobilie sprechen für diese Produktgruppe. Eine weitere attraktive Möglichkeit, Liquidität zu schaffen und zu managen, bieten Bausparprodukte. Auch hierbei kann ein herkömmliches Instrument für neue Zwecke genutzt werden: Ursprünglich zum Vermögensaufbau für den Bau des eigenen Heims vorgesehen, lassen sich diese Produkte bereits heute zur Weitergabe von Vermögen verwenden. Bausparprodukte ermöglichen es beispielsweise, selbst ein vererbbares Startkapital für Kinder und Enkel aufzubauen oder Verbindlichkeiten der Nachkommen durch Übertragung eines eigenen Bausparvertrags zu tilgen. Im Rahmen der gesetzlichen Freibeträge von bis zu 200 000 Euro bei Kindern und Enkeln ist die Übertragung von Bausparverträgen erbschaftsbeziehungsweise schenkungssteuerfrei.

Die wachsende Flexibilität und Mobilität ist ein weiteres Zukunftsthema, das zunehmend auch für Ruheständler relevant wird. Immer mehr Menschen entscheiden sich dafür, noch im Alter ihren Wohnort zu wechseln und eine neue, altersgerechte Immobilie zu erwerben. Häufig ist dies mit einem Umzug in die Stadt verbunden, um dort die bessere Infrastruktur wie Einkaufsgelegenheiten, öffentliche Verkehrsmittel oder medizinische Versorgung zu nutzen.

Eine Umsteiger- oder Wechselhypothek ermöglicht es in diesem Fall, ein noch nicht vollständig getilgtes Darlehen für die alte Immobilie "mitzunehmen", das heißt, ohne Aufhebungsentgelt auf die neue Grundschuld umschreiben zu lassen. Dies ist sogar während der Zinsbindung möglich. Ein Grund mehr, warum sich die Umsteigerhypothek als Instrument einer flexiblen Lebensplanung wachsender Beliebtheit erfreuen könnte.

Beratung wird zum erfolgsentscheidenden Faktor

Die Baufinanzierung wird aber nicht allein durch neue Produkttrends auf den demografischen Wandel reagieren. Auch die Einstellung zum Thema Beratung und Verkauf dürfte sich verändern. Die Baufinanzierer werden der individuellen Situation des Kunden und seinem erhöhten Beratungsbedarf im Alter mehr Aufmerksamkeit schenken. Gerade ältere Kunden haben häufig komplexe Produktanforderungen und Bedürfnisse, denen die Anbieter mit Lösungen von der Stange nicht gerecht werden.

Die berufliche und familiäre Situation des Kunden, auch unter dem Aspekt der Vererbung, werden stattdessen eine größere Rolle spielen. Nach der Risikobereitschaft und Finanzkraft des Kunden im Alter wird verstärkt zu fragen sein.

Die klassische Beratung zur Baufinanzierung wird damit von einer umfassenden Finanzierungsberatung über den gesamten Lebenszyklus abgelöst, die auch Baufinanzierungsthemen umfasst. Damit werden auch die Anforderungen an die Qualität der Berater steigen: Analog zur individuellen Anlageberatung werden sie auch in der Baufinanzierungsberatung verschiedene Vermögensaspekte berücksichtigen und passgenaue Produktlösungen und -kombinationen finden müssen. Auf diese Weise können vor allem Anbieter mit hoher Beratungskompetenz die Herausforderungen des demografischen Wandels meistern und von ihm profitieren.

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