Leitartikel

Durststrecke für Vertriebe

hm - Für die freien Vertriebsorganisationen nehmen die schlechten Nachrichten noch kein Ende: Die Großen der Branche schrieben im ersten Halbjahr 2009 tiefrote Zahlen - bei AWD waren es etwa neun Millionen Euro, bei MLP rund fünf Millionen Euro. Bei der Kölner OVB war das Konzernergebnis in diesem Zeitraum zwar nicht negativ, doch ist es um drei Viertel auf etwa 3,7 Millionen Euro eingebrochen. Und auch von der DVAG, die keine Halbjahreszahlen veröffentlicht, ist kaum zu erwarten, dass sie sich von den Gesamttendenzen der Branche vollständig absetzen konnte. Insgesamt machen demnach massive Umsatzrückgänge den Vermittlern zu schaffen, deren Fixkosten sich nur langfristig reduzieren lassen. Die Unternehmen vermelden ein schwieriges Marktumfeld und verunsicherte Kunden. Spürbar wird die Zurückhaltung der Verbraucher insbesondere bei langfristigen Anlagen im Versicherungsbereich und bei der Investition in Aktien und Fonds - den provisionsträchtigen Produkten der freien Vertriebe also. Das trifft die Kreditinstitute zweifellos ebenso. Bei den Sparkassen in Hessen und Thüringen etwa beläuft sich das Minus im Provisionsergebnis im ersten Halbjahr 2009 auf rund fünf Prozent. Doch während Banken und Sparkassen noch andere Ertragsquellen haben, spüren die Finanzberater in der Krise die Einseitigkeit ihres Geschäftsmodells in ähnlichem Maße wie die Online-Broker um die Jahrtausendwende.

Angesichts der veränderten Kundenbedürfnisse sind auch die Berater verunsichert. Ängste um den eigenen Job und die Ahnung, dass Initiativen der Verbraucherschützer in den kommenden Monaten für einen weiter erhöhten Aufwand in der Beratungsdokumentation bis hin zu einer faktischen Umkehr der Beweislast im Falle einer Falschberatung sorgen könnten, tragen ihr Übriges zur schlechten Stimmung bei.

Zum negativen Umfeld gesellen sich die hausgemachten Probleme: Die gerichtliche Auseinandersetzung über das Werbeargument Unabhängigkeit bei AWD nach der Übernahme durch den Produktgeber Swiss Life hat nicht eben zur Vertrauensbildung beigetragen. Gerade in einer schwachen Marktphase wie der jetzigen zeigt sich, dass den Finanzberatern das Misstrauen der Kunden entgegenschlägt. Sie stehen offenbar - trotz stetiger Beteuerung, das frühere Image als "Strukturvertriebe" abgelegt zu haben - oft noch unter dem Generalverdacht, vor allem provisionsgetrieben zu beraten. Auch der Konzern MLP, der zuletzt in Sachen Unabhängigkeit die Fahnen der Branche hochgehalten und sich gegen die Übernahme durch eben diesen Versicherer Swiss Life gewehrt hat, befindet sich im Fahrwasser der Krise. Immerhin ist es dem Wieslocher Finanzvertrieb aber gelungen, seine Einheit in Österreich abzustoßen, die zuletzt nur noch Verluste einfuhr. Das schwierige Geschäft im Nachbarland traut sich die börsennotierte Aragon AG zu. Dem Kölner Finanzvertrieb OVB machen Gerüchte und Anschuldigungen rund um den ehemaligen Vorstandschef zu schaffen, die von Bilanzfälschungen über Abspaltungsbestrebungen bis hin zu einer Ablehnung des Wunsches einiger Versicherungen aus dem Besitzerkreis reichen, mehr ihrer Policen zu verkaufen. Im operativen Geschäft ist dem Unternehmen im ersten Halbjahr sein starkes Engagement in Mittel- und Osteuropa zum Problem geworden. Dort sind die Vertriebsleistungen deutlich stärker noch als in Deutschland eingebrochen.

In welchem Maße Banken und Sparkassen von dieser Schwäche der Finanzvertriebe profitieren können, wird sich zeigen müssen. Eine Chance ist es allemal, zumal gerade die Primärbanken der Verbünde unter dem Eindruck der Krise einen Vorsprung in Sachen Vertrauen haben. Mehr als eine Atempause im Wettbewerb ist dieser "Durchhänger" der Finanzvertriebe aber wohl nicht, wie die jüngste Verlautbarung aus Hamburg zeigt: Die vor zwei Jahren von Managern des MLP und AWD gegründete Formaxx AG berichtet davon, dass der Kundenstamm ihrer Berater derzeit schneller oder mindestens gleich schnell wachse wie im Vorjahr.

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