Firmenkundengeschäft

ESUG-Schutzschirm in der praktischen Umsetzung

Laut Statistischem Bundesamt ist die Zahl der Firmenpleiten von Januar bis September 2012 um 4,6 Prozent gesunken (Pressemitteilung vom 7. Dezember 20121) . Die gesamten offenen Forderungen der Gläubiger stiegen jedoch deutlich an: von 24 auf 39,3 Milliarden Euro. Gerade für Kreditinstitute ist es deshalb wichtig, weiterhin Risiken zu minimieren und Einfluss auf die Unternehmen und die Sanierungsprozesse zu nehmen.

Mit dem "Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen", kurz ESUG, haben die Banken hierzu neue Möglichkeiten. Eine der Neuerungen des ESUG ist das sogenannte Schutzschirmverfahren nach § 270 b InsO, das die Sanierung von Unternehmen im Rahmen des Insolvenzrechts erleichtern soll. Dieses Verfahren kann auch den Banken helfen, Schädigungen zu minimieren. Allerdings müssen sie diese Option aktiv managen, anstatt nur passiv auf Schutzschirmanträge zu reagieren.

ESUG-Schutzschirmverfahren: Vorteile für alle Beteiligten

Zunächst einmal bietet das Schutzschirmverfahren Vorteile für das zu sanierende Unternehmen: Die Möglichkeiten für eine Sanierung im Rahmen der Insolvenzordnung können besser genutzt werden. Sanierungsfähige Unternehmen, die noch zahlungsfähig sind, verlieren nicht die Kontrolle über das eigene Unternehmen: Es wird weiterhin von der Geschäftsleitung in Eigenverwaltung geführt - allerdings unter Aufsicht eines zur Seite gestellten Sachwalters. Außerdem sieht das Schutzschirmverfahren vor, dass es durch einen Insolvenzplan abgeschlossen wird.

Dadurch erfolgt die Sanierung im vorhandenen Rechtsträger, was für viele Geschäftsmodelle mit erfolgskritischen externen Vertragsbindungen eine wesentliche Hilfe ist.

Welche Chancen aber bietet das Schutzschirmverfahren für die Banken als wesentliche Kreditgläubiger? Durch die Gesetzesänderung vom 1. März 2012 erhalten die Gläubiger einen größeren Einfluss auf die im Rahmen der Sanierung zu treffenden Entscheidungen: Sie können bereits über den vorläufigen Gläubigerausschuss maßgeblich die Auswahl des Sachwalters beeinflussen und auch inhaltlich das Schutzschirmverfahren aktiv mit gestalten. Der Sachwalter ist von besonderer Bedeutung: Er sollte hochqualifiziert und über alle Zweifel erhaben sein, denn das Vermögen des Unternehmens wird für einen bestimmten Zeitraum dem unmittelbaren Zugriff der Gläubiger entzogen.

Skepsis der Banken unberechtigt

Viele Banken stehen dem Schutzschirmverfahren allerdings skeptisch gegenüber. Der Grund: die Eigenverwaltung. Denn wie kann man das Verfahren in der Hand derjenigen lassen, die die schwierige Situation zu verantworten haben? Doch auch hier gilt: Die Bank kann Einfluss nehmen. Sie hat die Möglichkeit, den Einsatz eines externen Chief Restructuring Officers (CRO) zu initiieren, der die Rolle als Eigenverwalter übernehmen kann.

Wird ein Schutzschirmverfahren auf diese Weise professionell aufgesetzt, ergeben sich wesentliche Vorteile:

1. Der weitere Prozess läuft im Rahmen der Insolvenzordnung strukturiert und mit zeitlichen Vorgaben ab.

2. Gläubigerrechte wie Aus- und Absonderungsrechte sind durch die Insolvenzordnung geschützt.

3. Es besteht die Möglichkeit, über den Gläubigerausschuss Einfluss zu nehmen. Doch wann ist für die Kreditgläubiger tatsächlich ein Schutzschirmverfahren nach ESUG die richtige Option?

Kriterien für den Einsatz des ESUG-Schutzschirmverfahrens

Das Gesetz sieht zwei Grundkriterien für den Einsatz eines Schutzschirmverfahrens nach § 270 b InsO vor:

Das Unternehmen darf nicht faktisch, sondern nur drohend zahlungsunfähig sein.

Die Sanierung des Unternehmens darf nicht offensichtlich aussichtslos sein.

Durch das Kriterium der drohenden Zahlungsunfähigkeit kann das Schutzschirmverfahren nur in einem beschränkten Zeitfenster greifen. Der Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit kann nicht unrealistisch weit weg sein, zum Beispiel erst in zwölf Monaten; denn so gibt es noch genügend Spielraum, Probleme außerhalb der InsO zu lösen. Die Zahlungsunfähigkeit darf aber auch nicht in so kurzer Frist eintreten, dass das Schutzschirmverfahren nicht mehr vorbereitet werden kann.

In einem Beispielfall hatte die Bank mit knappem, aber ausreichendem zeitlichen Vorlauf von zwei bis drei Monaten vor einem Tilgungsdatum die Initiative ergriffen und den externen CRO/Eigenverwalter der Gesellschaft vorgestellt. Große Verzögerungen seitens der Gesellschafter machten dann aber einen gut vorbereiteten Schutzschirm unmöglich.

Wichtigster Punkt für die Bank, um den Weg mitzugehen: Das Unternehmen muss sanierungsfähig sein - dies gilt übrigens für alle Sanierungsoptionen. Die Bank fordert dazu ein Sanierungskonzept. Weist das Sanierungskonzept keinen Kapitalbedarf im Sinne von "echtem" frischen Geld aus, das durch die Bank zu stellen ist, und glaubt die Bank an das Sanierungskonzept, wird sie die Sanierung begleiten - gegebenenfalls mit Zugeständnissen bei der Tilgung von Krediten. Hier wird die Sanierung immer außerhalb der Insolvenzordnung ablaufen. Dieses Vorgehen lässt der Bank die Chance, den Wert der Kredite zu erhalten.

Im anderen Fall können aus Sicht der Banken und Sparkassen drei Kriterien den Ausschlag geben, ob ein Schutzschirmverfahren sinnvoll eingesetzt werden kann:

1. Hohe Kosten und Komplexität der Sanierung: Manche Sanierungen erfordern hohe außerordentliche Aufwendungen, um zum Beispiel das Unternehmen von unprofitablen Kostenstrukturen zu entschlacken. Dies können hohe erwartete Sozialplanaufwendungen sein oder Abfindungen für das Auflösen von langfristigen Mietverträgen. Solche außerordentlichen Aufwendungen erzeugen Kapitalbedarf. Hier kann der Schutzschirm eine alternative Lösung sein, denn im Rahmen der Insolvenzordnung sind beispielsweise Sozialplanaufwendungen beschränkt.

2. Annäherung an eine Refinanzierungsklippe: Normale regelmäßige Tilgungsleistungen, die zu einer drohenden Zahlungsunfähigkeit führen, können auch außerhalb der InsO neu verhandelt werden, um ein sanierungsfähiges Unternehmen zu unterstützen. Bei größeren Refinanzierungsklippen - wie zum Beispiel durch fällige Mezzanine-Tranchen - entstehen jedoch oft substanzielle Bedarfe nach alternativem frischem Geld. Rückt eine solche Klippe zeitlich näher, ohne dass man auf normalem Verhandlungsweg weiter kommt, kann das Schutzschirmverfahren eine Option hin zu einem strukturierten Schuldenschnitt sein. Das gilt auch, wenn bei außergerichtlichen Sanierungsbemühungen Nachranggläubiger nicht konstruktiv sind.

3. Zu hohe Schuldenlast des Unternehmens: Hat das Unternehmen zu hohe Schulden, so muss das Sanierungskonzept eine Entschuldung zur Sanierung der Bilanz ansprechen. Auch wenn die insolvenzrechtliche Aufweichung des Überschuldungstatbestandes durch das Finanzmarktstabilisierungsgesetz wohl weiter gelten wird: Kommt ein Kapitalbedarf durch die Sanierung hinzu, wird das Thema kritisch, da die Fortbestehensprognose dadurch tangiert wird. Und: Schuldenschnitt für Altschulden plus Bereitstellung von frischem Geld kommt für eine Bank nicht infrage. Hier kann also der Schutzschirm mit Insolvenzplan ein strukturierter Lösungsweg sein.

Wann ist ein Schutzschirmverfahren sinnvoll?

Sinnvoll ist ein Schutzschirmverfahren unter folgenden Voraussetzungen:

Die Sanierungsfähigkeit ist ein Muss, die Forderung des § 270 b InsO reicht nicht. Liegt dazu ein glaubhaftes Sanierungskonzept vor?

Weist das Sanierungskonzept Bedarf nach frischem Geld aus? Wenn nein, ist der Schutzschirm nicht relevant. Wenn ja, wodurch entsteht der Kapitalbedarf?

Entsteht der Kapitalbedarf (a) durch einen hohen Sanierungsaufwand? Dann lassen Sie den Schutzschirm als Option bewerten. Entsteht der Kapitalbedarf (b) durch hohe Refinanzierungsaufwendungen? Lassen Sie auch dann den Schutzschirm als Option bewerten. Normale Tilgungsströme werden aber besser ohne Schutzschirm neu verhandelt.

Ist die gesamte Schuldenlast des Unternehmens zu hoch? Auch hier ist es sinnvoll, den Schutzschirm als Option bewerten zu lassen.

Besicherung der ausgereichten Kredite: Je besser die Sicherheiten und je abhängiger ihr Wert von der Unternehmensfortführung, desto attraktiver ist das Schutzschirmverfahren für die Bank - prüfen Sie dann sogar die Finanzierung des Insolvenzplans.

Sanierung außerhalb der Insolvenzordnung hat Vorrang

Anhand dieser Kriterien können Banken beurteilen, ob und wann sich ein Schutzschirmverfahren lohnt - allerdings sind es keine analytisch harten Kriterien. Aus Sicht der Banken gilt, dass die Sanierung außerhalb der Insolvenzordnung immer Vorrang hat; denn so besteht die Möglichkeit, dass der Wert der Kredite stabilisiert werden kann.

Mit dem Einleiten des Schutzschirmverfahrens hingegen geht der Weg automatisch in Richtung Insolvenzplan und damit in Richtung Verzicht. Einer Bank kann das nutzen, wenn sie eine Sanierung nicht mehr mit frischem Geld finanzieren möchte, aber zu einem Schuldenschnitt bereit ist. Das Schutzschirmverfahren kann höhere Quoten als die Regelinsolvenz erreichen und so Verluste begrenzen.

Entscheidend bei der Beantragung eines Schutzschirmverfahrens ist die Aufrechterhaltung des operativen Geschäftsbetriebes und die Zahlungsfähigkeit des betroffenen Unternehmens. Ansätze hierzu können einerseits die Gläubiger durch das Einfrieren ihrer bestehenden Forderungen liefern; andererseits entlastet die Zahlung von Insolvenzgeld das betroffene Unternehmen.

Jedoch ist zu beachten, dass Lieferanten künftig nur noch gegen Vorkasse liefern werden. Die Banken ihrerseits müssen bereit sein, ihre bestehenden Kreditlinien weiter offen zu halten; insbesondere wenn eine Globalzession und eine Raumsicherungsübereignung besteht, muss bereits im Vorfeld einer Insolvenzantragstellung mit den Banken über die Verfügung von eingehenden Geldern gesprochen werden!

Einfluss über den Gläubigerausschuss

Ging es früher bei Insolvenzen oft um die Abwicklung des Unternehmens, hat der Gesetzgeber mit dem ESUG das Überleben und Fortbestehen des Unternehmens in den Mittelpunkt gestellt. Dies bietet Chancen für Schuldner - und Gläubiger. Denn Gläubiger sind aktive Teilnehmer des Schutzschirmverfahrens. Vor allem durch den Gläubigerausschuss können Banken Einfluss ausüben.

Für Unternehmen ab einer gewissen Größe hat das Gericht den vorläufigen Gläubigerausschuss einzusetzen (siehe Kasten). Es kann ihn aber auf Antrag auch bei kleineren Unternehmen einsetzen. Die Gläubigerbank kann beispielsweise einen solchen Antrag stellen.

Hauptaufgabe des Gremiums ist es, erstens den Eigenverwalter zu unterstützen, zweitens den vorläufigen Sachwalter zu bestellen und drittens beide zu kontrollieren. Um den Einfluss nutzen zu können, muss die Bank die organisatorischen und haftungsrechtlichen Möglichkeiten schaffen, Vertreter in dieses Gremium zu entsenden. Sinnvollerweise sollten Banken bei den relevanten Insolvenzgerichten einen oder mehrere Mitarbeiter benennen; diese können im Bedarfsfall vom Insolvenzrichter unmittelbar angesprochen werden, um hausintern die kurzfristige Entsendung eines qualifizierten Mitarbeiters zu koordinieren.

Bei einem Banken-Pool ist es wichtig, die Zusammenarbeit mit den anderen Banken auch außerhalb des Gläubigerausschusses zu formalisieren und eine gemeinsame Position zum Verfahren festzulegen. Das Schutzschirmverfahren verhindert nämlich nicht, dass Gläubiger ihre Forderungen fällig stellen oder Verträge kündigen. Nur so wird gewährleistet, dass es überhaupt umsetzbar ist.

Schutzschirmverfahren proaktiv ansprechen

Ein Schutzschirmverfahren kann nur erfolgreich sein, wenn das bestehende Management zwei Punkte erfüllt: erstens die notwendige Erfahrung mit Restrukturierungen in Insolvenzen und zweitens die Fähigkeit, als Eigenverwalter tätig zu sein. Ist das nicht der Fall, kann das Unternehmen diese Expertise durch einen externen Fachmann einkaufen. Im Zweifel sollte es Initiative der Bank sein, eine entsprechende Entscheidung herbeizuführen und Empfehlungen auszusprechen.

Die Banken müssen mit der Option Schutzschirm proaktiv umgehen und sich nicht vom Schutzschirmantrag eines Schuldners überraschen lassen. Ein Praxisbeispiel: Die Geschäftsführung eines Unternehmens hatte den Schutzschirm ohne vorherige Kommunikation mit den Banken eingeleitet - in der Sorge, diese Option nicht ansprechen zu können, ohne dass es zu einer Überreaktion kommt. Diese Verstimmung in der Kommunikation führte dazu, dass die Banken wiederum das Verfahren nicht unterstützt haben. Das Resultat: Die Firma endete in der Regelinsolvenz - zum Schaden aller.

Solche Stolpersteine können nur durch professionelles Management und eine vertrauensvolle Kommunikation im Vorfeld abgewendet werden. Bank und Unternehmen sollten sich bereits während der normalen Sanierungsphase regelmäßig über Handlungsoptionen austauschen - auch über die Option Schutzschirm.

Valides Sanierungskonzept als Voraussetzung

Sind die Weichen in Richtung Schutzschirm gestellt, sollte die Bank dem Unternehmen Zeit für eine gute Vorbereitung geben. Ein Schutzschirmverfahren ohne ein valides, aktuelles Sanierungskonzept ist nicht sinnvoll. Auch muss die Schutzschirmphase planerisch sauber abgebildet werden - so beugt man operativen Überraschungen vor. Und auch der Insolvenzplan sollte vor Antragstellung vorbereitet sein; denn das operative Management der Schutzschirmphase erfordert viel Aufmerksamkeit.

Fazit: Banken können ein erfolgreiches Schutzschirmverfahren am besten unterstützen, indem sie bereits während des vorinsolvenzlichen Sanierungsprozesses proaktiv mit der Option "Schutzschirm" umgehen und so - wenn sie relevant wird - die Weichen für eine gute Einbindung und Vorbereitung stellen.

Fußnote:

1) https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2012/12/PD12_428_52411.html;jsessionid=D58 6FF146C354F99A8839382EA620288.cae4

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