Erträge unter Druck

Für Beratungshonorare ist der Zeitpunkt nicht günstig

Deutsche Kreditinstitute bieten aktuell, bis auf wenige Ausnahmen, ihren Privatkunden keine Honorarberatung an. Die Hochschule Weserbergland (bis zum 31. Juli 2010 Berufsakademie Weserbergland e. V.) untersuchte deshalb in einem Projekt die Akzeptanz eines derartigen neuen Gebührenmodells in der Bevölkerung. Im Rahmen einer repräsentativen empirischen Untersuchung wurden die Kundenzufriedenheit und die Akzeptanz von Gebührenstrukturen deutscher Kreditinstitute im Privatkundensegment ermittelt. Befragt wurden 554 Personen aus den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Es erfolgte eine Differenzierung nach ländlichem Raum, Mittelzentrum und Großstadt. Im Rahmen der Anforderungen an die Bankbeziehung wollen Kunden weder auf eine qualitativ hochwertige Beratung noch auf günstige Konditionen verzichten. Es fällt auf, dass Direktbankkunden günstigen Konditionen keinen höheren Stellenwert einräumen als die Grundgesamtheit der Befragten. Hinsichtlich der Beratung sind Fachkompetenz und das Bestehen einer Vertrauensbasis besonders wichtig für die Kunden. So stufen 95 Prozent der Kunden die Fachkompetenz und 88 Prozent der Kunden die Vertrauensbasis als sehr wichtig oder wichtig ein. Auf die Frage nach der Zufriedenheit mit ihrer Bankbeziehung gab rund ein Viertel der Befragten an, mit der bestehenden Bankverbindung unzufrieden zu sein. Dennoch planen nur sechs Prozent der Grundgesamtheit, ihre Hausbank zu wechseln, 94 Prozent erklärten, dies weder zu beabsichtigen noch ernsthaft darüber nachzudenken. Selbst von denjenigen Kunden, die der Unzufriedenheit mit ihrem Kreditinstitut Ausdruck verliehen, wollen nur rund 24 Prozent tatsächlich ihre Bank wechseln. Es wird deutlich, dass viele der Befragten eine enge Beziehung zur ihrer Hausbank pflegen, die es fremden Instituten schwer macht, Kunden abzuwerben. Werden die Gründe für die Bewertung der Zufriedenheit mit der Bankbeziehung näher betrachtet, so fällt weiterhin auf, dass insbesondere die Beratungsqualität hier im Vordergrund steht (60 Prozent) und nicht in erster Linie die Höhe der Gebühren (34 Prozent). In diesem Kontext wurde ebenfalls eruiert, ob die Befragten das Gefühl haben, dass sie teilweise zu Geschäftsabschlüssen aufgrund von Provisionsstrukturen der Bankberater überredet werden. Dieses subjektive Gefühl war bei immerhin 38 Prozent der Befragten zumindest teilweise vorhanden. Geringe Gebührenkenntnis Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass das Gebührenbewusstsein und die Gebührenkenntnisse in der Bevölkerung zum Teil erhebliche Lücken aufweisen, was wiederum eine mögliche Erklärung für die vergleichsweise geringe Bedeutung für die Zufriedenheit oder Unzufriedenheit mit einer Bankbeziehung sein kann. Das beinhaltet einerseits, dass sich viele Bankkunden nicht bewusst sind, auf welche Art und in welcher Höhe sie Gebühren für Finanzdienstleistungen entrichten. Deutlich wird dies dadurch, dass knapp 20 Prozent der Umfrageteilnehmer angaben, Kontoführungsgebühren von null bis fünf Euro pro Quartal zu zahlen. Im Rahmen einer Analyse der Gebührenstrukturen deutscher Banken wurde jedoch ermittelt, dass eine so geringe Gebühr bei keinem der untersuchten Institute existiert. Vielfach wurde von den Befragten im Rahmen eigener Anmerkungen der Gedanke unterstrichen, dass kostenlose Beratung "zum Service dazugehört". Andererseits ist aber auch das ökonomische Wissen über Gebührenarten, also die Gebührenkenntnis, nicht sehr fundiert. Beispielhaft kann dies daran verdeutlicht werden, dass 51 Prozent der befragten Personen angaben, den Unterschied zwischen Nominal- und Effektivzins zu kennen. Auf Nachfrage bei denen, die angaben, den Unterschied zu kennen, konnte dies vielfach nicht bestätigt werden. Kaum Bereitschaft zur Zahlung einer direkten Beratungsgebühr Nur ein sehr geringer Prozentsatz der Befragten (etwa zwei Prozent) gab an, direkte Beratungshonorare zu entrichten. Zudem ergab die Auswertung der Untersuchung, dass auch keine große Bereitschaft zur Zahlung einer direkten Gebühr vorhanden ist. Im Rahmen der empirischen Untersuchung wird deutlich, dass nur ein Drittel der Befragten die Einführung einer Beratungsgebühr als sinnvoll erachtet. Tatsächlich zahlen würden eine solche von diesen 33 Prozent jedoch nur 70 Prozent. Die mangelnde Gebührenkenntnis vieler Kunden könnte die Ursache für die geringe Akzeptanz einer Honorarberatung in der Bevölkerung darstellen. Die Gruppe derer, die sich mit der Entrichtung einer solchen Gebühr einverstanden erklärt, stellt also eine Minderheit dar. Diese soll im Folgenden genauer untersucht werden, um festzustellen, ob sich das Modell einer Beratungsgebühr speziell für eine bestimmte Kundenzielgruppe eignet. Von besonderer Relevanz ist letztendlich die Höhe der Kosten, welche die befragten Personen für eine Beratung akzeptieren würden. Während 22 Prozent der Befragten grundsätzlich nicht bereit waren, Beratungsgebühren zu entrichten, gaben 55 Prozent (unter der Voraussetzung des Wegfalls sämtlicher weiterer Kosten) eine Obergrenze von 50 Euro monatlich an (vergleiche Abbildung 1). Dabei wurde in diesem Intervall bewusst aus Wirtschaftlichkeitsgründen bei einer Untergrenze von 25 Euro begonnen. Dies würde aber trotzdem einen erheblichen Einbruch der Provisionseinnahmen für eine Bank bedeuten. Ein solches Gebührenmodell wäre nach Ansicht der Projektbeteiligten somit nicht wirtschaftlich für ein Finanzdienstleistungsunternehmen. Diejenigen, die grundsätzlich bereit sind, eine Gebühr zu bezahlen, würden mit deutlicher Mehrheit eine erfolgsabhängige Vergütung favorisieren. Eine Abhängigkeit zwischen dem Wohnort der Befragten und deren Bereitschaft, eine Beratungsgebühr zu bezahlen, kann nicht festgestellt werden. Akzeptanz im Private Banking höher Ein besonders interessanter Zusammenhang wird zwischen dem Monatsnettoeinkommen beziehungsweise liquiden Vermögen und der Bereitschaft, eine Beratungsgebühr zu bezahlen, gesehen. Hier wird deutlich, dass sowohl diejenigen, deren Monatsnettoeinkommen bei über 2 500 Euro liegt (vergleiche Abbildung 2), als auch diejenigen, die über ein liquides Vermögen von über 75 000 Euro verfügen (vergleiche Abbildung 3), eine weitaus höhere Bereitschaft zur Zahlung einer Beratungsgebühr aufweisen. Dies legt den Schluss nahe, dass eine Beratungsgebühr speziell für Privatkunden ab einer bestimmten Einkommensklasse beziehungsweise Private-Banking-Kunden sinnvoll sein könnte, da sie in diesen Kundensegmenten auf größere Akzeptanz stößt als bei Kunden, die dem Retaibereich zugeordnet werden können. Männer (35 Prozent) neigen eher als Frauen (23 Prozent) dazu, sich für ein solches Gebührenmodell auszusprechen. Häufigkeit der Beratung ohne Einfluss Auch hatten die Verfasser erwartet, dass eher diejenigen Befragten, die der Beratungsqualität eine hohe Bedeutung zusprechen, für eine Beratung gegen Gebühr besonders empfänglich wären. Dieser Zusammenhang kann jedoch nicht bestätigt werden. Auch eine Abhängigkeit des Zuspruches von der Kontakthäufigkeit mit dem Berater kann nicht festgestellt werden. Falscher Zeitpunkt für Beratungshonorare Schlussendlich wurde der Zuspruch dieses Gebührenmodells in Abhängigkeit von der Anzahl der durchschnittlich durchgeführten Wertpapiertransaktionen ausgewertet. Da bei einer Beratung gegen Gebühr im hier gebildeten Fall alle übrigen Gebühren wegfallen, erweist sich ein solches Modell im Vergleich umso lohnender für den Kunden, je mehr Wertpapiertransaktionen dieser durchführt. Dieses Bewusstsein ist bei den Befragten vorhanden. Die Zustimmung zur Beratung gegen Gebühr steigt mit der Anzahl der durchgeführten Wertpapiertransaktionen. Eine Honorarberatung kommt somit eher für Kunden in Frage, die über ein hohes Einkommen beziehungsweise Vermögen verfügen und im Wertpapiergeschäft aktiv sind. Die Befragten gingen im Rahmen eigener Anmerkungen mehrfach auf die gegenwärtige Finanzmarktkrise ein, so dass die negative Einstellung der Umfrageteilnehmer gegenüber Kreditinstituten deutlich wurde. Eine direkte Beratungsgebühr wird von der Mehrheit der Befragten deshalb aktuell abgelehnt. So wurde von Seiten der Befragten des Öfteren geäußert, dass Banken gerade jetzt nicht in der Position seien, um ein solches Projekt durchzuführen. Gedankenanstöße für Kreditinstitute Aus der Befragung der Bevölkerung ergeben sich einige zentrale Erkenntnisse. Es sei angemerkt, dass bei keiner Fragestellung signifikante Unterschiede zwischen Antworten aus dem ländlichen Raum, den Mittelzentren oder den Großstädten zu erkennen waren. Die Einführung eines neuen Gebührenmodells, das die Entrichtung einer separaten Gebühr für Beratungsgespräche vorsieht, wird von den meisten Befragten für nicht umsetzbar gehalten. Im Retail-Kundensegment besteht nur ein unzureichendes Gespür der Kunden für die tatsächliche Höhe der anfallenden Gebühren. Eine umfassende Gebühr, die jegliche weiteren Kosten bereits beinhaltet, würde daher aufgrund ihrer Höhe - obwohl sie de facto für viele Kunden günstiger wäre - abschreckend wirken. Die Untersuchung ergab insgesamt, dass es ratsam wäre, bis zu einer eventuellen Umstellung der Gebührenstrukturen noch einige Zeit verstreichen zu lassen, da die Bevölkerung den Banken gegenüber unter dem Eindruck der Finanzkrise sehr negativ eingestellt ist. Es erscheint deshalb zum jetzigen Zeitpunkt zielführender, die Kommunikationspolitik und die Beratungsleistung an die sich verändernden Bedürfnisse der Bankkunden anzupassen, um die individuellen Stärken einer Bank gegenüber den Kunden herauszustellen. Die Verfasser gelangen daher zu folgenden zentralen Empfehlungen. Kommunikationspolitik und Beratungsleistung anpassen Ausbau der ereignisorientierten Kundenansprache: Es ist zentral, das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen. Dazu bietet sich hierdurch die Möglichkeit, sich als verlässlicher und kompetenter Partner "in allen Lebenslagen" zu positionieren. Ausbau der zielgruppenorientierten Kundenansprache: Eine Differenzierung kann zum Beispiel nach Schülern, Auszubildenden, Studenten oder Senioren erfolgen. Informationsmaterial kann dabei als "Türöffner" für Beratungsgespräche dienen. Dieses sollte auch auf der Homepage des Kreditinstitutes bereitgestellt werden. Optimierung der Reaktion auf aktuelle Ereignisse und Krisenfälle: In solchen Fällen sollte eine schnelle und gezielte Information durch Anschreiben, Veranstaltungen und/oder Gesprächsangebote erfolgen. Weiterbildung der Kunden: Das Publikationsangebot sollte wegen des geringen Wissens in der Bevölkerung, der Vertrauensempfindlichkeit und der Erklärungsbedürftigkeit der Banktätigkeit erweitert werden. Der Fokus sollte auf Finanzwissen, losgelöst von bestimmten Produkten, liegen. Diese Publikationen könnten mit einem markanten Namen, wie beispielsweise "Finanzakademie", betitelt werden. Keine konkrete Kommunikation der kostenfreien Beratung: Diese stellt eine Selbstverständlichkeit für viele Kunden dar, daher sind eher ablehnende Reaktionen zu befürchten. Auch besteht die Gefahr der Assoziation von "kostenfrei = minderwertig". Fokus auf Image- anstatt Produktwerbung Positionierung als kompetenter und vertrauensvoller Finanzdienstleister: Wie die Untersuchung ergeben hat, sind dies die essentiellen Kernkompetenzen aus Sicht der Kunden. Dabei sollte ein konkretes Bild von der Unternehmung vermittelt wer den. Herausstellung der Beratungsqualität des Kreditinstituts: Dabei sollte auf die Fachkompetenz der Berater, die Individualität der Beratung und insbesondere die Elemente Vertrauen und Sicherheit abgestellt werden. Die Stärkung der regionalen Präsenz kann zum Beispiel durch Radiowerbung und Sponsoring-Aktivitäten geschehen. Forcierung der Wechselbereitschaft Konkrete greifbare Maßnahmen: Hier kann beispielsweise ein Kontoumzugsservice, den manche Institute bereits anbieten, als erster Schritt dienen. (Außen)Werbung im Umfeld anderer Banken: Hierdurch lässt sich gezielt Aufmerksamkeit bei den eher unzufriedenen Kunden erreichen. Kundenakquisition mittels variierender Verkaufsförderungsmöglichkeiten: Hier bieten sich Sonderaktionen an, zum Beispiel ein kostenloses Zahlungsverkehrskonto. Diese sollten in unregelmäßigen Abständen durchgeführt werden, damit sich die Kunden nicht ausrechnen können, wann ein "günstigerer Wechsel" möglich ist.

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