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Schützenhilfe für Honorarberater

Eine im Dezember 2008 veröffentlichte Studie des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) geht mit den hiesigen Finanzvermittlern hart ins Gericht. Darin wird ausdrücklich erklärt, dass beim Vertrieb von Finanzdienstleistungen in Deutschland Fehlleistungen eher die Regel als die Ausnahme sind. Als Grund dafür wird eine belastete Ausgangssituation beschrieben: einerseits ein provisionsbasiertes Vertriebs- und Vergütungssystem und andererseits die Tendenz der Verbraucher, Entscheidungen in Finanzfragen zu verschieben oder aber zu delegieren. Der Tenor der Untersuchung: 50 bis 80 Prozent aller Langfristverträge, beispielsweise Kapitallebensversicherungen, Bausparverträge und Riester-Renten, würden vor Ablauf der Frist gekündigt, was nicht nur Frust, sondern auch finanzielle Verluste zur Folge habe. Zwischen 20 und 30 Milliarden Euro würden Verbraucher und Anleger jedes Jahr durch falsche und provisionsgesteuerte Beratung verlieren. Davon betroffen seien vor allem Gruppen mit niedriger Vermögens- und Einkommenshöhe, was das Phänomen zu einem all-gemein-gesellschaftlichen Problem mache, denn diese seien stärker in der Gefahr im Alter auf die sozialen Sicherungssys teme zurückzufallen. Durch mangelhafte Finanzdienstleistungen seien also nicht nur Folgen für die Privathaushalte, sondern auch für die Gesamtgesellschaft zu er warten. Im Mittelpunkt der BMELV-Untersuchung stehen freie Finanzvermittler, das sind im Sinne der Definition Versicherungsagenten, Versicherungsmakler, Finanzberater und Finanzmakler. Der Markt dieser Finanzvermittler sei - zumindest außerhalb der Banken - geprägt von einer kleingliedrigen Struktur mit gering qualifizierten Akteuren. Für den Versicherungsmarkt kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass der Qualität der Beratung Grenzen gesetzt seien, solange Finanzberatung im Rahmen des Produktverkaufes stattfinde. Ausgehend von einem Verbraucher, der wenig kompetent mit der Materie umgehe und keine geeigneten Präferenzen setze, sei die Versicherungsvermittlung stark auf Kernprodukte konzentriert. Diese am häufigsten verkauften Produkte seien jedoch nicht unbedingt die am stärksten benötig ten. Es komme im Vermittlungsprozess zu Vereinfachungen an den falschen Stellen, etwa dann wenn als Invaliditätsabsicherung eine Unfallversicherung statt einer Berufsunfähigkeitsversicherung verkauft werde, weil erstere einfacher zu erklären sei. Keine "Waffengleichheit" Gemäß dem neueren Rechtsrahmen (insbesondere Versicherungsvermittlerrichtlinie und MiFID) unterliegen zwar alle Versicherungsvermittler einer Erlaubnispflicht mit entsprechenden Anforderungen an die Zuverlässigkeit und Qualifikation. Ein Großteil des Vermittlermarktes, nämlich die gebundenen Vertreter, ist jedoch von der Erlaubnispflicht ausgenommen, da der Gesetzgeber annimmt, dass die Produktgeber selbst für eine entsprechende Eignung sorgen. Die Ausnahme von der Regelung betrifft (nach Zahlen von 2005) etwa 400 000 gebundene Vermittler gegenüber 7 000 Maklern, 150 Beratern und 3 000 ungebundenen Vermittlern und damit zahlenmäßig die Mehrheit der Vermittler. Eine erste Marktreaktion auf die Versicherungsvermittlerrichtlinie beziehungsweise auf MiFID sei im Sommer 2008, zum Zeitpunkt des Entstehens der Studie noch nicht spürbar, werde aber von den Marktteilnehmern erwartet. Die Dokumentationspflichten werden grundsätzlich als richtig empfunden, bei der Umsetzung im mündlichen Beratungsgespräch fehle es aber wiederum an der "Gleichheit der Waffen" zwischen Kunde und Vermittler. Als Beispiel dient nochmals die Invaliditätsabsicherung. Trage der Vermittler selbige als Beratungswunsch ins Formblatt ein, sei er zu einer umfassenden Beratung verpflichtet. Notiere er hingegen "Unfallabsicherung", so muss er nur spezifisch beraten und kann wahrscheinlich schneller und einfacher zum Produktabschluss kommen. Beim Gesamtverband Versicherungswirtschaft reagierte man erwartungsgemäß kritisch auf die Studie und bezeichnete es als "wenig seriös, pauschal alle Arten von sogenannten Finanzvermittlern zu diskreditieren". Die Versicherer seien gar Vorbild für andere Finanzdienstleistungen bei denen vergleichbare Ansprüche an Transparenz und Sicherheit noch nicht bestünden: Vermittler von reinen Finanzprodukten wie Zertifikate, Aktien oder Investmentfonds. Hierin zumindest ist sich der GDV mit den Autoren der BMELV-Studie einig, die ebenfalls fordern, die weitgehenden Ausnahmeregelungen abzuschaffen. Zuschüsse zum Beratungshonorar Über die Analyse freut sich hingegen die Gruppe der Honorarberater. Ihr Geschäftsmodell wird als fair und verbraucherfreundlich angepriesen. Unter den Anregungen zur Verbesserung des Systems findet sich sogar der Vorschlag, Bürgern Zuschüsse von 50 bis 75 Prozent zu den Honoraren zu zahlen. Das dürfte zum Anschub des Geschäftsmodells auch nötig sein, denn in der Branche wird doch die Tendenz wahrgenommen, dass Retailkunden in der Mehrzahl aller Fälle schlicht nicht dazu bereit sind, Honorar für Beratung zu zahlen. Und das betrifft insbesondere die Kunden mit niedrigem Einkommen. Und auch die in der Studie als positives Beispiel dargestellte Quirin Bank, die mit einer monatlichen Pauschale von 75 Euro für die Vermögensberatung aufwartet, dürfte für eben jene Kunden nicht in Frage kommen. Zwar wird eine relativ niedrige Mindestanlagesumme von 50 000 Euro kommuniziert, doch ergibt sich mit der monatlichen Pauschale und einer Gebühr von bis zu 1,2 Prozent des Depotvolumens und 20 Prozent der realisierten Rendite für kleinere Vermögen eine relativ hohe Kostenbelastung. Erst ab zirka 200 000 Euro reduziert sich diese auf nur noch rund zwei Prozent des Anlagevolumens. Zu einem Durchbruch der Honorarberatung gehört indes nicht nur die Nachfrage auf Kundenseite, sondern auch das Produktangebot der Versicherer. Momentan, so der VDH, dem 90 Prozent aller Honorarberater in Deutschland angeschlossen sind, bieten rund 30 Versicherer "echte" Honorartarife an. Und das sind vor allem diejenigen Häuser, die im Maklervertrieb einen hohen Stellenwert haben, wie beispielsweise Generali, Fortis Leben, Suisse Life oder der Volkswohlbund. Auch Gespräche mit der Allianz laufen, die zumindest in der betrieblichen Altersvorsorge einen derartigen Tarif schon bereitstellt. Der Verband fordert ein Provisionsverbot im Bereich Altersvorsorge. Nach seinen Berechnungen würden dadurch jedes Jahr mehr als zehn Milliarden Euro in die Taschen der künftigen Rentner und nicht der Vermittler fließen. In den skandinavischen Ländern sei ein solches Verbot schon umgesetzt, entsprechend habe sich die Zahl der Berater dort deutlich reduziert. Eine Halbierung der Zahl von derzeit etwa 250 000 registrierten Finanzvermittlern hält der VDH hierzulande für angemessen. Aus der Analyse leitet das BMELV indes konkrete Forderungen ab, die ab März 2009 in einer Expertenkommission beraten werden: Zum einen die Umkehr der Beweislast zugunsten der Anleger. Diese ist freilich für den Versicherungsbereich schon realisiert worden. Die Forderung bezieht sich also insbesondere auf Vermittler anderer Finanzprodukte. Zum anderen verlangt das Verbraucherschutzministerium eine Verlängerung der Verjährungsfrist von derzeit drei auf zehn Jahre und die Überprüfung von Strukturen des Vertriebs von Finanzprodukten. Von der Verbraucherzentrale Bundesverband wurde nahezu zeitgleich in der zweiten Dezemberhälfte eine Studie publiziert, die in dieselbe Kerbe schlägt. Sie belegt, dass die Anlageentscheidungen der Deutschen in den vergangenen zehn Jahren immer riskanter wurden, obwohl bei ihnen die Sicherheit als Anlagekriterium nach wie vor an erster Stelle steht. Risikoreichere Produkte würden den Verbrauchern mit hohen Renditeerwartungen verkauft, die sich dann nicht erfüllen. Jährlich reale Verluste von bis zu 1,2 Prozent Die Verbraucher erreichten - nach Abzug der Inflationsrate - mit ihren Geldanlagen nicht einmal den Kapitalerhalt. Ihre Rendite habe von 1997 bis 2007 nominal 0,7885 Prozent betragen. 1997 betrug das Geldvermögen privater Haushalte 2,962 Milliarden Euro, weitere 1,312 Milliarden kamen durch die jährlichen Ersparnisse bis 2007 hinzu. Per 31. Dezember 2007 wies das Geldvermögen einen Stand von 4,564 Milliarden Euro auf. Unterstelle man einen linearen jährlichen Zufluss, komme man rechnerisch zu dem genannten Wert. Real entspricht er jährlichen Verlusten von bis zu 1,2 Prozent. Den Banken wird dabei vorgeworfen, dass ein Teil dieser Verluste als Provisionen und Gebühren in ihren Taschen gelandet seien. Mehr als 50 Prozent der Bürger, so die Untersuchung, wünschen sich eine unabhängige Beratung. Dass diese Beratung aber möglichst günstig sein soll, bleibt unerwähnt. Darauf deutet aber ein weiteres Umfrageergebnis hin. 41,8 Prozent der Befragten - und mithin etwa 80 Prozent derjenigen mit Wunsch nach unabhängiger Beratung - möchten diese gerne einer Verbraucherzentrale in Anspruch nehmen, wo sie mit rund 90 Euro Stundensatz preisgünstig angeboten wird.

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