Honorarberatung

Die Eckpunkte allein genügen nicht

Seit langem setzt sich die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen dafür ein, die provisionsgesteuerte Fehlberatung bei privaten Finanzgeschäften zu beenden und das Beratungssystem im Finanzdienstleistungsbereich verbraucherfreundlich neu zu gestalten. Daher begrüße ich, dass die Honorarberatung künftig für alle drei Produktgruppen von Finanzdienstleistungen (Versicherungen, Geldanlage, Darlehen), aber auch übergreifend (Finanzberater) gesetzlich geregelt werden soll und damit neben andere auf Honorarbasis beratende Berufe wie Steuerberater oder Rechtsanwälte tritt.

Leider handelt es sich bei diesem Vorhaben bisher nur um ein Eckpunktepapier des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Ob sich die Verbraucherministerin anders als beispielsweise bei der Frage der Regulierung und Beaufsichtigung des Finanzanlagenvertriebs im Rahmen des Gesetzes zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts mit dieser Position durchsetzt, ist mehr als zweifelhaft. Nötig ist daher nach nun mehrfacher Verschiebung von Anlegerschutzgesetzen ein klarer Zeitplan für ein Gesetzgebungsverfahren. Denn von Ankündigungen allein wird kein Kunde besser beraten.

Richtige Ansätze

Doch auch die vom BMELV dargelegte Konzeption selbst ist lückenhaft. Denn eine gute Regulierung im Verbraucherinteresse muss zweierlei im Blick haben: Die Etablierung des Rechtsrahmens für eine unabhängige und unbeeinflusste Finanzberatung gegen Honorar einerseits und die verbraucherfreundliche Regulierung der Vermittlung von und Beratung zu Finanzprodukten auf Provisionsbasis andererseits. Bedauerlicherweise präsentiert das BMELV nur hinsichtlich des ersten Punktes überzeugende Lösungsansätze. Zwar ist die in den Eckpunkten vorgesehene gesetzliche Regelung geeignet, eine unabhängige Finanzberatung zu etablieren. Beispielsweise ist es konsequent, wenn Banken und andere Finanzdienstleister, die neben dem provisionsbasierten Finanzvertrieb auch auf Honorarbasis beraten möchten, für die Honorarberatung einen getrennten Geschäftsbereich oder ein Tochterunternehmen gründen müssen. Nur so wird man Mischmodellen aus Honorarberatung und provisionsorientierter Finanzvermittlung effektiv vorbeugen und verhindern können, dass unter der Überschrift Honorarberatung Interessenkonflikte kaschiert werden.

Gleichzeitig ist zu begrüßen, dass ein Honorarberater nicht nur abstrakt beraten dürfen soll, sondern auch den Erwerb eines Finanzinstrumentes vermitteln darf. Es wäre nicht sinnvoll, Anlegerinnen und Anleger nach der Inanspruchnahme einer Beratungsleistung darauf zu verweisen, sich selbst um den Erwerb des Finanzproduktes zu kümmern.

Positiv sehe ich auch das über die allgemeinen Sachkundeanforderungen hinausgehende erforderliche Qualifikationsniveau für Honorarberater, das die verpflichtende berufliche Fortbildung umfassen wird, sowie den Abbau der strukturellen Benachteiligung von Honorarberatung gegenüber anderen Formen der Finanzberatung mit dem Ziel einer steuerlichen Gleichbehandlung. Allerdings verpasst das BMELV, die richtigen Konsequenzen daraus zu ziehen, dass die provisionsbasierte Finanzvermittlung weiterhin fortbestehen soll. Denn anders als in Großbritannien, wo es freien Beratern ab 2012 verboten sein wird, Provisionen anzunehmen, soll die Honorarberatung in Deutschland als Alternative zur Provisionsberatung etabliert werden.

Regelungen zur Provisionsberatung fehlen

Möglicherweise wird die Bundesregierung zwar hier von der EU-Kommission überholt, denn diese plant angeblich, ab 2014 ein europaweites Provisionsverbot für freie Finanzvermittler einzuführen. Bis dahin bedeutet die Entscheidung, die Honorarberatung als Alternative zur Provisionsberatung zu regeln, aber, dass Honorarberater weiterhin im direkten Wettbewerb zu den Vermittlern stehen, die auf Provisionsbasis vermitteln und nach außen den Eindruck erwecken, eine kostenlose Beratung anzubieten.

Deshalb kann die Provisionsberatung nur dann beibehalten werden, wenn auch sie neu reguliert wird. Und damit komme ich zu dem eingangs erwähnten zweiten Punkt, den eine gute Regulierung im Verbraucherinteresse im Blick haben sollte. Denn die Regulierung der provisionsorientierten Vermittlung von Finanzprodukten steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der derzeit mangelnden Akzeptanz der Honorarberatung bei Verbrauchern. Solange die Beratungsleistung bei Banken und freien Vermittlern für Kunden nach wie vor kostenlos erscheint, wirkt eine provisionsunabhängige Beratung damit teuer und unnötig.

Gerade mit Blick auf Kapitalanlageprodukte wird deutlich, dass die derzeitigen Offenlegungspflichten im Wertpapierhandelsgesetz und deren beabsichtigte Ausweitung auf die freie Finanzanlagenvermittlung und -beratung nicht ausreichen. Beispielsweise sind Fragen der Offenlegung von Zuwendungen nach wie vor umstritten und nicht klar geregelt. Seitens der Rechtsprechung wurden zahlreiche Differenzierungen hinsichtlich der Aufklärungspflicht vorgenommen, die teilweise für Rechtsunsicherheit sorgen. Darüber hinaus kann die Offenlegung in Form einer Zusammenfassung erfolgen, sofern die Offenlegung weiterer Einzelheiten angeboten und auf Nachfrage gewährt wird. Anlegerinnen und Anleger können damit jedoch über eine Anlage allenfalls in dem Bewusstsein entscheiden, dass ein Vermittler überhaupt entgeltlich tätig wird. Das genaue Ausmaß eines möglichen Interessenkonfliktes kann damit nicht beurteilt werden. Gegenüber Anlegerinnen und Anlegern sollten alle Zuwendungen ungefragt und betragsmäßig offengelegt werden, ganz unabhängig davon, ob es sich etwa um Ausgabeaufschläge, Innenprovisionen oder Rückvergütungen handelt. Gleichzeitig sollten auch Produktinformationsblätter Angaben über Zuwendungen verpflichtend enthalten müssen. Dadurch würden Verbraucherinnen und Verbraucher mögliche Interessenkonflikte einschätzen können und verstehen, was sie eine provisionsorientierte Beratung kostet. Gleichzeitig könnte sich das BMELV die beabsichtigte Aufklärungskampagne sparen, um der Öffentlichkeit die Wesensmerkmale und Vorteile der Honorarberatung zu erläutern. An dieser Stelle muss die Bundesregierung also dringend nachbessern beziehungsweise auf europäischer Ebene im Rahmen der MiFID-Revision das einfordern, was auf nationaler bisher nicht umsetzbar ist.

Anbieter zu Nettotarifen verpflichten

Der Entwicklung hin zu einer unabhängigen und unbeeinflussten Finanzberatung steht derzeit jedoch auch entgegen, dass zahlreiche Versicherungs- und Anlageprodukte ohne eingerechnete Provisionen oder Rückvergütungen am Markt nicht erhältlich sind. Das BMELV will den Mangel an Produkten zu Nettotarifen dadurch beheben, dass Honorarberater zur Durchleitung der Provision an den Kunden berechtigt und verpflichtet werden sollen. Gerade aber, weil die technischen Details einer Provisionsdurchleitung derzeit noch unklar und auch umstritten sind, habe ich Zweifel, ob dieser Weg gegenüber der Verpflichtung der Anbieter zur Bereitstellung von Nettotarifen wirklich vorziehungswürdig ist.

Jedenfalls meine ich, dass man letzteren Ansatz nicht einfach mit dem lapidaren Verweis auf wettbewerbliche Gründe und eine schwere Vereinbarkeit mit der marktwirtschaftlichen Ordnung ablehnen sollte. Im Versicherungsmarkt etwa steht der Entwicklung hin zu mehr provisionsunabhängiger Versicherungsberatung und einem echten Wettbewerb um die Vermittlerentgelte derzeit die mangelnde Bereitschaft der Versicherer entgegen, flächendeckend Nettopolicen anzubieten. Berücksichtigt man jedoch, dass das seinen Ursprung darin finden dürfte, dass die Versicherer den an sie gebundenen Versicherungsvertretern den Wettbewerbsdruck ersparen möchten, sprechen am Ende doch auch wettbewerbliche Gründe gerade für die Verpflichtung der Anbieter zur Bereitstellung von Nettotarifen.

Regulierung in der Gewerbeordnung nicht zielführend

Abschließend ist die Frage nach dem Regelungsstandort für die Honorarberatung von erheblichem Interesse. Während der bereits in § 34 e der Gewerbeordnung geregelte Versicherungsberater von ihr ausgeklammert ist, gewinnt die Frage insbesondere für die Honorarberater zu Geldanlagen (Anlageberater) Bedeutung. Eine Regulierung muss hier jedenfalls in der Weise erfolgen, dass die Anlageberater die Möglichkeit haben, zu sämtlichen Finanzinstrumenten zu beraten. Nur so kann ein ganzheitlicher Beratungsansatz verwirklicht werden. Eine Regulierung in der Gewerbeordnung wäre daher aus meiner Sicht nicht zielführend, weil Berater dann nur Empfehlungen zu Investmentfonds und Produkten des Grauen Kapitalmarktes vornehmen dürften.

Einheitliche Aufsicht für alle Berater und Vermittler

Damit korrespondiert die Frage der Aufsicht über die Anlageberater. Hier sollte der von der Bundesregierung im Rahmen der Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts bedauerlicherweise etablierte Aufsichtsdualismus nicht fortgeschrieben werden. Anders als die dort einzuführenden Finanzanlagenvermittler, die im Rahmen der Bereichsausnahme lediglich Investmentfonds und Beteiligungen vermitteln und dazu beraten und künftig nicht von der BaFin, sondern von den kommunalen Gewerbebehörden beaufsichtigt werden, sollen Honorarberater zu Geldanlagen wohl von der BaFin kontrolliert werden. Das ist zu begrüßen.

Insgesamt halte ich aber eine einheitliche bei der BaFin angesiedelte Aufsicht über alle Berater und Vermittler für dringend erforderlich. Die im Finanzvertrieb vorherr schende große Anzahl an Erlaubnis- und Aufsichtstatbeständen ist für den Anlegerschutz kontraproduktiv. Zu Recht stellt das BMELV hier die so oft kritisierte Entscheidung für eine Teilung der Aufsicht erneut in Frage. Richtigerweise muss auch der neu zu schaffende Finanzberater von der BaFin beaufsichtigt werden.

Insgesamt kann die in den Eckpunkten des BMELV in Aussicht gestellte gesetzliche Regelung des Berufsbildes der Honorarberatung einen entscheidenden Schritt in Richtung eines stärker am Nutzen des Kunden ausgerichteten Vertriebs von Finanzdienstleistungen bedeuten. Ein konkretes Gesetzesvorhaben steht allerdings noch aus. Und so bleibt zu hoffen, dass es am Ende nicht nur bei der Absichtserklärung in den Eckpunkten bleibt. Nachdem die ursprünglich geplante Regelung zur Honorarberatung doch nicht Bestandteil des Regierungsentwurfs für das Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts war, bedarf es jetzt einer zügigen gesetzlichen Umsetzung des Regelungsrahmens für die Honorarberatung. Doch selbst wenn die Eckpunkte Gesetzeskraft erlangten, würden sie nicht ausreichen. Auch im Rahmen des provisionsorientierten Finanzvertriebs muss das BMELV dringend nachbessern - dort bei den Regeln zu einer transparenten Offenlegung von Interessenkonflikten.

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