Honorarberatung

Beratung gegen Entgelt: auch für den Massenmarkt?

Das jüngste vorgelegte Eckpunktepapier der Verbraucherministerin Ilse Aigner für mehr Verbraucherfreundlichkeit und Qualität in der Finanzberatung hat eine neue Diskussion um die honorar- und provisionsbasierte Beratung entfacht. Die Frage nach dem besten Beratungsmodell, welches das in der Finanzkrise verlorene Kundenvertrauen wieder zurückgewinnt und langfristig die höchste Qualität bietet, stellen sich nicht nur Banken und Finanzdienstleister, sondern auch die Kunden selbst. Dass Kreditinstitute, Sparkassen und Finanzdienstleister für eine erbrachte Dienstleistung Einnahmen generieren müssen, ist unbestritten. Strittig aber bleibt zum einen die Frage, welche Vergütungsform die verbraucherfreundlichere ist, und zum anderen, wie transparent Finanzdienstleister gegenüber ihren Kunden darlegen, inwieweit sie über Provisionen und versteckte Gebühren an dem jeweiligen Finanzgeschäft beteiligt sind.

In letzterer Frage manifestiert sich zugleich der systemimmanente Interessenkonflikt des Provisionssystems: Denn die Ziele beispielsweise einer Bank und die des Anlegers stehen oft im Konflikt miteinander. Während die Rendite des Anlegers aus der Performance seines Geldes abzüglich der Gebühren für die Bank besteht, liegt die Rendite der Bank in der Vereinnahmung von Gebühren. Deshalb motiviert das provisionsorientierte Geschäftsmodell Bankberater dazu, ihren Kunden komplexe Finanzprodukte mit hohen Provisionen zu verkaufen. Der Anleger will jedoch kostenarme, transparente Produkte, die leicht verständlich sind und möglichst kontinuierliche Rendite erwirtschaften.

Die Bank nutzt dabei ihren Informations- und Wissensvorsprung, um möglichst komplizierte Produkte mit hohen Kosten zu konstruieren und diese dann an den Kunden weiterzuvermitteln. Aufgrund dieser Informationsasymmetrie wird es privaten Anlegern erschwert, zwischen guten und schlechten Angeboten zu unterscheiden.

Informationsasymmetrie zulasten der Anleger

Anleger können nur dann eine fundierte Anlageentscheidung treffen, wenn sie vor Abschluss eines Finanzgeschäftes einschätzen können, welches Eigeninteresse die Bank bei einer Empfehlung hat, und ob eine Anlagealternative existiert, die für sie passender, weil kostengünstiger oder risikoärmer wäre.

Forciert wird diese Problematik noch, wenn das jeweilige Finanzinstitut hauseigene Finanzprodukte anbietet. So finden sich Finanzprodukte in den Kundendepots, die oft so gestaltet sind, dass Risiko und Funktion des Produktes für den Kunden nicht klar erkennbar sind. Gerade in turbulenten Börsenzeiten haben Kunden mit solchen Anlagen hohe Verluste erlitten und das Vertrauen in ihren Berater verloren. Eine durch das Verbraucherministerium (BMELV) in Auftrag gegebene Studie aus dem Jahr 2009 beziffert die Summe der Verluste durch Falschberatung auf bis zu 30 Milliarden Euro. Aus diesem Grund wurden in den letzten Jahren zahlreiche gesetzliche Regelungen wie die EU-Finanzmarktrichtlinie MiFID (Markets in Financial Instruments Directive), das Produktinformationsblatt oder das Beratungsprotokoll entwickelt, um den Verbraucherschutz im Finanzmarkt weiter auszubauen.

Doch trotz dieser gesetzlichen Bemühungen scheint auch im Jahr drei der Finanzmarktkrise in den Banketagen die Devise "Mit Geld lässt sich Geld verdienen" zu gelten. Eine aktuelle Erhebung des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv) im September 2011 hat ergeben, dass zwei von drei Banken und Sparkassen gegenüber ihren Kunden die Pflicht zur Offenlegung von Provisionen missachten und damit gegen das geltende Wertpapierhandelsgesetz verstoßen. Die mangelnde Bereitschaft, eine transparente und partnerschaftliche Kundenbeziehung zu leben, zeigt, dass eine geschäftspolitische Neugestaltung zum einen und eine Änderung der regulatorischen Rahmenbedingungen zum anderen dringend geboten ist, um in Deutschland wieder bedarfsgerecht und anlegerorientiert beraten zu können.

Provisionsverbote im Ausland

Wie die Auflösung des Interessenkonflikts "Beratung versus Produktverkauf" funktioniert, zeigt ein Blick in europäische Nachbarländer, nach Großbritannien und in die Vereinigten Staaten von Amerika: Dort liegt der Marktanteil der sogenannten "Fee-only-Advisors" bei etwa 25 Prozent.

Die englische Bankenaufsicht FSA wird ab dem Jahr 2013 Provisionen im Finanzdienstleistungsbereich von Staats wegen untersagen. Zielsetzung ist es, den Interessenkonflikt, der durch Zuwendungen Dritter an den Finanzberater entsteht, aufzulösen. Nur durch das Verbot sieht die FSA den Grundsatz der Produktunabhängigkeit, Gebührentransparenz und Empfehlungsneutralität gegenüber dem Kunden gewährleistet. Die Leistungserbringung wird dann nicht mehr durch das Eigeninteresse des Finanzdienstleisters oder Interessen Dritter bestimmt. Entsprechende Initiativen auf europäischer Ebene, im Rahmen von MiFID II, die ein Provisionsannahmeverbot für Vermögensverwalter vorsehen, gehen in die richtige Richtung.

In Deutschland mahlen die Mühlen der Gesetzgebung dagegen langsam. Hier verfügt die Honorarberatung aktuell über einen Marktanteil von etwa einem Prozent. Die Ursachen für die noch geringe Marktdurchdringung sind vielfältig: Bisher fehlt eine gesetzliche Verankerung des Berufsbildes "Honorarberater" und die entsprechende Ausgestaltung. Hinzu kommt die mangelhafte Bereitschaft der Kreditinstitute, ihre Geschäftspolitik wieder auf den Kundennutzen auszurichten, aber auch das mangelnde Bewusstsein der Kunden, dass Bankberatung mitnichten kostenlos ist.

Mit einer gesetzlichen Verankerung des Berufsbilds des Honorarberaters, klaren Transparenzvorschriften für Finanzprodukte, einer Neuregelung der Beweislastumkehr zugunsten des Anlegers, aber auch mit der vom Verbraucherschutzministerium geplanten Novellierung des "Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts", könnte die Politik Anreize für eine Etablierung der Honorarberatung schaffen und somit für mehr Wettbewerb im Finanzdienstleistungsmarkt sorgen. Eine Trennung der Beratung von der Vermittlung macht dabei aus vielen Gründen keinen Sinn, unter anderem, weil Finanzberatung ganzheitlich erfolgen muss.

Kreditwirtschaft muss Selbstbild verändern

Darüber hinaus ist es auch für die Kreditinstitute selbst unabdingbar, ihre Geschäftsstrukturen wieder strikt am Kundennutzen auszurichten. Die Orientierung am Verbraucher ist die Tugend der Zukunft, die über Erfolg und Misserfolg eines Kreditinstituts entscheidet. Hierzu braucht es ein transparentes Vergütungssystem, das die systembedingten Fehlanreize in der Kundenberatung behebt, und eine Ergänzung der bisherigen Finanzproduktpalette um einfache, renditestarke und kostengünstige Produkte wie zum Beispiel die sogenannten Exchange Traded Funds (ETF).

Kreditinstitute müssen aber auch an ihrem eigenen Selbstbild etwas verändern: Eine "Too big to fail"-Attitüde, Eigenkapitalrenditen von 25 Prozent oder spekulatives Geschäftsgebaren mit dem Ziel, möglichst viel Gewinn zu erzielen, konterkarieren die geldwirtschaftliche Verantwortung der Institute und führen dazu, dass diese ihre Systemrelevanz ausnutzen. Banken sind leider zu Wohlstandsvernichtern geworden.

Eine Rückbesinnung auf die Rolle des wirtschaftlichen Möglichmachers (economic enabler) ist unabdingbar. Dazu gehört: die Geldströme der Volkswirtschaften in Fluss zu halten, die Wertschöpfung von Unternehmen durch Kreditvergabe (insbesondere an den Mittelstand) zu unterstützen und für die private Finanzvorsorge von Menschen da zu sein. Diese Aufgaben müssen wieder in den Mittelpunkt der Geschäftstätigkeit von Banken rücken.

Im Private Banking hat der Paradigmenwechsel bereits eingesetzt

Während die Verbreitung der Honorarberatung im Retail-Kundengeschäft in Deutschland noch vor ihrem Durchbruch steht, hat der Paradigmenwechsel im Segment der vermögenden Privatkunden bereits eingesetzt. Die vermögenden Kunden erwarten einen unabhängigen Bankberater, der sich um den nachhaltigen Wertzuwachs des eigenen Vermögens und ein solides Risikomanagement kümmert. Eine Studie der Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners aus dem Jahr 2010 ergab darüber hinaus, dass 70 Prozent aller vermögenden Privatkunden aufgrund der Gebührentransparenz, Beraterexpertise und Unabhängigkeit bereit wären, eine Wertpapierberatung zu honorieren.

Sogenannte Flat-Fee-Modelle werden deshalb im Wealth Management und im Private Banking schon seit einigen Jahren angeboten. Doch eine konsequente Trennung der Finanzproduktleistungen von den Beratungsleistungen muss gerade bei diesen Flat-Fee-Modellen insofern noch stärker fokussiert werden, als sämtliche Gebühren, Provisionen und Kick-backs den Kunden zurückvergütet werden. Nur die Rückerstattung aller Produktprovisionen stellt sicher, dass die Kundenbeziehung in der Honorarberatung frei von Interessenkonflikten ist. Da der Abverkauf hauseigener Produkte entfällt, kann die Beratung sich auf wichtige strategische Themen und die Auswahl kostengünstiger Anlagevehikel im Sinne des Kunden konzentrieren.

In Deutschland existieren bisher neben unabhängigen Honorarberatern und der Quirin Bank AG nur wenige Dienstleister für sehr vermögende Kunden, die ganzheitliche honorarbasierte Beratung anbieten.

Im Massenmarkt beide Modelle

Zukünftig wird sich der deutsche Bank- und Finanzmarkt noch pluralistischer darstellen als ohnehin schon. Schließlich gilt der deutsche Bankenmarkt mit über 2 100 Kreditinstituten heute schon als "overbanked". Um deshalb als Kreditinstitut unter dem Margendruck, der hohen Wettbewerbsintensität und der zunehmenden Konsumentensouveränität langfristig mit stabilen Erträgen existieren zu können, müssen die Geschäftspraktiken stärker an die Bedürfnisse der Kunden angepasst werden. Aus diesem Grunde werden verschiedenartige Geschäfts- und Beratungsmodelle nebeneinander existieren und den Wettbewerb zugunsten der Anleger beleben.

Im Massenkundensegment der Banken werden aus Kostengründen und aufgrund der geringeren Anlegervolumina die Wertpapierberatungen weiterhin standardisiert, sowohl auf Honorar- als auch auf Provisionsbasis angeboten werden. Im Rahmen der Honorarberatung werden dabei Vergütungsmodelle auf Stundenbasis oder auch volumenabhängige Vergütungsmodelle eine interessante Möglichkeit zur Erschließung breiter Kundensegmente sein. Im Segment der vermögenden Privatkunden wird sich die individuelle Honorarberatung weiter durchsetzen.

Karl Matthäus Schmidt , Vorsitzender des Vorstands , Quirin Privatbank AG, Berlin
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