Umstrittene Provisionen

Wertpapierberatung für möglichst viele Kunden sicherstellen

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Wenn die Europäische Finanzaufsicht ESMA die Vorgaben zu MiFID II so konkretisiert, dass sie faktisch auf ein Provisionsverbot hinauslaufen, dann überschreitet sie ihr Mandat, so die Position der Deutschen Kreditwirtschaft. Denn der Gesetzgeber habe sich - zu Recht - ausdrücklich für ein Nebeneinander von Honorar- und Provisionsberatung entschieden. Letztere werde in der öffentlichen Diskussion häufig zu Unrecht stigmatisiert, argumentiert Georg Fahrenschon stellvertretend für die DK: Mit der richtigen Philosophie sei sie durchaus kundenfreundlich, da die Provisionen letztlich der Qualitätsverbesserung zugutekämen. Red.

Anlageberatung ist wichtig! Das erfahren Hunderte von Kundenberatern in Banken und Sparkassen jeden Tag neu. Die Sparer interessieren sich bei anhaltend niedrigen Zinsen besonders für Wertpapiere. Sie suchen Anlagemöglichkeiten, die ihrer Risikoneigung und ihrem Anlagehorizont gerecht werden. Dabei vertrauen die Kunden ihren Hausbanken. Das belegen auch repräsentative Untersuchungen wie das Vermögensbarometer des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV).

Für den Vermögensaufbau und die Altersvorsorge ist die Wertpapieranlage nicht wegzudenken. Kunden benötigen hierzu regelmäßig eine qualitativ hochwertige Beratung. Möglich ist eine solche derzeit auf Provisionsbasis oder auf Basis eines vom Kunden zu entrichtenden Honorars.

Dabei hat sich gezeigt, dass die Honorarberatung nur für einen sehr kleinen Teil der Kunden interessant ist. Die Mehrheit der Kunden wählt für sich jedoch die Beratung auf Provisionsbasis. Wir denken, dass der Gesetzgeber und die nachgelagerten Behörden dafür sorgen müssen, dass beide Beratungsformen auch in Zukunft gleichberechtigt nebeneinanderstehen.

Honorarberatung führt auch nach Jahrzehnten nur ein Nischendasein

Oft wird die Honorarberatung als das "Allheilmittel" einer Beratung, die den Interessen der Kunden entspricht, beschworen. Bereits in den vergangenen Jahrzehnten hat eine Reihe von Kreditinstituten Versuche unternommen, die Honorarberatung einer breiteren Zielgruppe von Kunden nahezubringen. Der Erfolg wollte und will sich jedoch nicht so recht einstellen. Ein Modell für die Breite der Wertpapieranleger ist bis heute nicht in Sicht. Das ist nicht wirklich überraschend. Denn die Anbieter von Honorarberatung fokussieren sich ausschließlich auf wohlhabendere Kunden. Berechnungen, mit denen die Vorteilhaftigkeit im Zusammenhang mit der Honorarberatung belegt werden sollen, legen oft ein Anlagevolumen von mindestens 50 000 Euro zugrunde. Einzelne Banken werben auf ihrer Website gar mit einem Anlagebetrag von 350 000 Euro. Für Kunden mit einem Anlagebetrag von deutlich unter 10 000 Euro würde sich eine Honorarberatung regelmäßig nicht rechnen. Sie würden Beratung folglich nicht in Anspruch nehmen. Beratungsbedarf besteht jedoch flächendeckend, unabhängig davon, wie viel Vermögen ein Kunde hat.

Negative Erfahrungen im Ausland

Losgelöst von diesen Erfahrungen belegen verschiedene Umfragen den Wunsch der Kunden nach provisionsbasierter Beratung. Denn die große Mehrzahl der Kunden bevorzugt zwar die persönliche Beratung, aber nicht auf Honorarbasis. Grund dafür ist unter anderem, dass nach Expertenschätzungen etwa 40 Prozent der Anlageberatungen ohne Geschäftsabschluss enden. Im Falle der Honorarberatung müssen die Kunden aber auch in diesen Fällen bezahlen.

Schaut man schließlich über die Landesgrenzen hinweg, so zeichnet sich im Hinblick auf die Beratung auf Honorarbasis eine wenig kundenfreundliche Entwicklung ab. Erfahrungen aus Großbritannien und den Niederlanden, wo ein generelles Provisionsverbot gilt, zeigen, dass vor allem Anleger mit kleineren Vermögen selten dazu bereit sind, Beratungshonorare zu zahlen. Diese Kundengruppe wandert weitgehend in das Direktgeschäft ab und kauft ohne vorherige Beratung Wertpapiere oder scheut die Anlage in Wertpapieren generell.

- So haben 2013 in Großbritannien nur 18 Prozent der Haushalte mit Vermögen unter 25 000 Pfund eine Beratung in Anspruch genommen. Dies bedeutet ein Beratungsdefizit bei Privatkunden und Kleinanlegern.

- Parallel zu dieser Entwicklung ist die Zahl der Anlageberater einschließlich der Bausparkassen in Großbritannien um etwa 60 Prozent zurückgegangen. Großbanken haben ihr Engagement im Retail-Markt teilweise sogar komplett eingestellt. Das gilt zum Beispiel für Barclays, Lloyds, RBS, Santander und AXA & Aviva. Es ist folglich mehr als fraglich, ob ein Verbot der provisionsbasierten Anlageberatung tatsächlich den Kundeninteressen dient.

Honorarberatung und Provisionsberatung weiterhin nebeneinander erhalten

Seit der gesetzlichen Einführung des sogenannten "Honoraranlageberaters" im Jahre 2014 haben sich in Deutschland im Honoraranlageberaterregister der Bundesfinanzaufsicht (BaFin) lediglich 17 Institute eintragen lassen. Demgegenüber waren Ende 2014 etwa 160 000 Anlageberater bei der BaFin registriert.

Diese Erfahrungen und Entwicklungen stimmen bedenklich. Sie zeigen, dass die Honorarberatung in der Realität mitnichten ein "Allheilmittel" ist. Sie führt auch keineswegs zu einer "besseren" Beratung des Kunden. Insbesondere entspricht sie nicht den Interessen der ganz überwiegenden Anzahl der Kunden.

Der europäische Gesetzgeber hat diese Diskrepanz inzwischen offensichtlich erkannt und lässt folgerichtig weiterhin beide Formen der Beratung - die Honorarberatung sowie die provisionsbasierte Beratung - zu. Allerdings wird letztere per se leider allzu häufig und zu Unrecht stigmatisiert. Mit der richtigen Philosophie und der entsprechenden Transparenz ist die Provisionsberatung gut und kundenfreundlich.

Dazu gehört in allererster Linie, dass bei jeder Beratung der Kunde mit seinen individuellen Bedürfnissen im Mittelpunkt stehen muss. Die Anlageempfehlungen müssen zu seinen Zielen und Möglichkeiten passen. Potenziell zu Interessenkonflikten führende Elemente bei der provisionsbasierten Beratung wie zum Beispiel der Erhalt von Vertriebsvergütungen werden dem Kunden vor seiner Anlageentscheidung offen gelegt.

Provisionseinnahmen dienen der Qualitätsverbesserung

Die europäische Finanzaufsicht (ESMA) hat bei der Konkretisierung der europäischen Vorgaben der MiFID II angedacht, die Anforderungen an die Annahme von Provisionen soweit einzuschränken, dass sie faktisch ein Provisionsverbot bedeuten würden. Die Deutsche Kreditwirtschaft sieht das kritisch.

Richtig ist, dass die vereinnahmten Provisionen dazu dienen, die Qualität der Dienstleistungserbringung für die Kunden zu verbessern. Sie werden insbesondere für den Unterhalt und die Fortentwicklung der für eine hochwertige Beratung erforderlichen Infrastruktur verwendet. Dazu gehören etwa die Filiale in Kundennähe, gut ausgebildetes und fortlaufend geschultes Personal sowie Information des Kunden. Auch ist organisatorisch sichergestellt, dass der einzelne Berater keine monetären Auswirkungen eines Wertpapiergeschäfts spürt. Anreize sind so gesetzt, dass eine dauerhaft gute Beratung belohnt wird, aber keinesfalls der schnelle Produktabschluss. Untermauert werden diese Aspekte durch einen entsprechenden rechtlichen Rahmen, dessen Einhaltung kontinuierlich intern und extern überwacht wird. Schließlich gewährleistet die provisionsbasierte Beratung den freien Eintritt in das Beratungsgespräch auch für Kunden mit kleinem Geldbeutel. Ein möglichst breiter Zugang zur Vermögensbildung wird nur durch die Anlageberatung auf Provisionsbasis gesichert.

Nach Meinung der Deutschen Kreditwirtschaft sollte es auch weiterhin dem Kunden überlassen werden, ob er sich für die provisionsbasierte Beratung oder die Honorarberatung entscheidet. Die Deutsche Kreditwirtschaft ist überzeugt, dass die honorarbasierte Beratung weder zu einer "besseren" Beratung des Kunden führt noch für alle Kundengruppen - gerade für Kunden mit kleineren Anlagebeträgen - geeignet ist. Insofern muss die provisionsbasierte Beratung zu Recht gleichberechtigt neben der Honorarberatung stehen.

Dem Kunden die Wahl lassen

Im Grundsatz hat sich auch der Europäische Gesetzgeber zu Recht unter anderem bei der Überarbeitung von MiFID und IMD ausdrücklich für ein Nebeneinander von provisionsbasierter Beratung und Honorarberatung entschieden. Dies muss aber auch durch die dem europäischen Gesetzgeber nachgelagerten Behörden sichergestellt werden. Diese überschreiten zweifellos ihr Mandat, wenn sie quasi durch die Hintertür eine provisionsbasierte Beratung unmöglich machen. Sie dürfen die grundsätzliche Entscheidung des EU-Gesetzgebers nicht unterlaufen.

Es bleibt zu hoffen, dass auch im weiteren Rechtsetzungsverfahren und in der Aufsichtspraxis eine Sichtweise die Oberhand behält, die der des europäischen Gesetzgebers entspricht und Honorar- sowie Provisionsberatung als nebeneinander gleichberechtigt anerkennt. Nur so kann eine Beratung in der Fläche auch für weniger wohlhabende Kunden weiterhin sichergestellt werden.

Zum Autor

Georg Fahrenschon, Präsident, Deutscher Sparkassen- und Giroverband (DSGV), bis Ende 2015 Federführer der Deutschen Kreditwirtschaft (DK)

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