Umstrittene Provisionen

Die provisionsfreie Bank - eine sinnvolle Vision?

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Ist die provisionsfreie Bank eine sinnvolle Vision? Das hat die "bank und markt"-Redaktion die Fraktionen des Deutschen Bundestages sowie die FDP gefragt. Die Stellungnahmen - hier in alphabetischer Reihenfolge der Fraktionen beziehungsweise Parteien - bestätigen, was Verbraucherschützer beklagen: Ein politischer Wille zu einem strikten Verbot der Provisionsberatung ist zumindest in der Koalition nicht vorhanden. Alle Parteien bemängeln, dass Provisionszahlungen Fehlanreize setzen. Hinsichtlich der daraus zu ziehenden Konsequenzen gehen die Meinungen im Detail aber durchaus auseinander: CDU/CSU und SPD wollen zwar die Honorarberatung stärken, grundsätzlich jedoch dem Kunden die Wahl der Beratungsform lassen. Bündnis 90/Die Grünen fordern ebenfalls ein "Level Playing Field". Die Feststellung, dass alle Regulierung der Finanzberatung wenig bringe, solange das Grundübel Provision nicht beseitigt werde, lässt darauf schließen, dass ein Provisionsverbot zumindest in Erwägung gezogen wird. Die Linke bezeichnet die provisionsfreie Bank als nicht nur sinnvolle, sondern auch als erreichbare Vision und fordert einen Systemumbau mit der Trennung von Beratung und Verkauf unter massiver Ausweitung der Beratung durch Verbraucherzentralen und mit Regelungen, die Rahmenbedingungen für eine bezahlbare Beratung für alle schafft. Die FDP schließlich thematisiert die offenbar gesunkene Attraktivität der Bankberatung und wirft die Frage auf, ob es umfassende Beratung vor Ort künftig überhaupt noch geben wird. Sie plädiert für Preistransparenz, betont aber auch, dass die Beratungsleistung schließlich bezahlt werden muss. Red.

Bündnis 90/Die Grünen fordern ebenfalls ein "Level Playing Field". Die Feststellung, dass alle Regulierung der Finanzberatung wenig bringe, solange das Grundübel Provision nicht beseitigt werde, lässt darauf schließen, dass ein Provisionsverbot zumindest in Erwägung gezogen wird.

BÜNDINS 90 DIE GRÜNEN

"Wir brauchen ein Level Playing Field für alle Beratungsformen"

Die Abwesenheit von Interessenkonflikten ist eine Grundbedingung für sinnvolle Beratung. Wer einen Experten aufsucht, tut dies, weil es ihm selbst an der notwendigen Expertise fehlt, um die Entscheidung allein zu treffen. Kann ich mich aber nicht darauf verlassen, dass der Rat, der mir erteilt wird, in meinem Interesse liegt, ist er wertlos.

Man könnte meinen, dies sei eine Binsenweisheit. In der Finanzberatung allerdings ist sie weitgehend unverwirklicht. Der Interessenkonflikt wird hier als Normalfall geduldet: Provisionen incentivieren den Verkauf von Produkten, deren Vermittlung der Produktanbieter am besten vergütet und verhindern die Vermittlung von Produkten, die gut sind für den Kunden, aber wenig oder keine Provision für die Beratungsleistung abwerfen. Das ist eine handfeste Kollision der Interessen von Kunden und Beratern. Provisionen sind daher das Grundübel der massenhaften Fehlberatung im Finanzvertrieb.

Kundeninnen und Kunden wollen sich in ihrer großen Mehrheit möglichst wenig um Finanzielles kümmern. Damit das funktioniert, bräuchten sie Bankberater, auf deren Empfehlung sie sich wirklich verlassen können. Provisionsgetriebene Beratung bietet genau das nicht. Die Kunden müssen immer damit rechnen, dass ihnen ein Produkt empfohlen wird, das besonders hohe Provisionen für die Berater verspricht, aber nicht unbedingt das Beste für sie selbst bietet.

Beratung nur vermeintlich kostenlos

Die indirekte Bezahlung der Beratungsleistung im Provisionsvertrieb macht die Kunden glauben, die Beratung gäbe es kostenlos. In Wirklichkeit zahlen sie die Beratungsleistung im Provisionsvertrieb natürlich sehr wohl. Nur eben indirekt über die Produktprämien. Dass im Informationskonvolut, welches den Kunden bei Vertragsschluss überreicht wird, auch Angaben zur Höhe der Provision enthalten sind, ändert an diesem Kostenlosverständnis naturgemäß kaum etwas. Im Ergebnis zahlt der Kunde im Provisionsvertrieb für eine zu häufig schlechte Beratung gutes Geld - bloß merkt er das nicht.

Bei der Honorarberatung hingegen bekommt der Kunde eine Rechnung für die Beratungsleistung. Das vermittelt die Fehlvorstellung, auf dem einen Weg gäbe es etwas kostenlos, was anderswo bezahlt werden muss. Es ist daher kaum ein Wunder, dass die Honorarberatung in Deutschland ein Nischendasein fristet.

Wir brauchen ein "Level Playing Field" für die unterschiedlichen Beratungskonzepte. Kunden sollten künftig für den auf die Abbezahlung der Provision entfallenden Prämienteil eine separate Rechnung erhalten. So würde jedem deutlich, was ihn die Beratungsleistung kostet, unabhängig davon, ob er sie im Fall der Provision indirekt zahlt oder bei der Honorarberatung direkt vergütet. Nur so kann ein funktionierender Markt für Finanzberatung entstehen.

Regulierung nicht mehr nach Produkttypen organisieren

Wir müssen überdies aufhören, die Regulierung des Finanzvertriebs nach Produkttypen zu organisieren. Das Gesetz unterscheidet eine unübersichtliche Vielzahl von Vermittlertypen, die für keine Verbraucherin noch nachvollziehbar ist.

Der Finanzvertrieb ist heute nach Türschildern reguliert. Maßgeblich sollte aber sein, was hinter der Tür stattfindet. Es macht keinen Sinn, wenn der Verbraucher vor der Beratung wissen muss, in welche Produktwelt er sich begeben soll. Mit einer Vielzahl von Maßnahmen hat der Gesetzgeber versucht, die Fehlberatung einzudämmen und sicher zu stellen, dass Kunden von den Vermittlern nicht über den Tisch gezogen werden: Beratungsprotokoll, Beschwerde register, Hinweispflichten oder Produktinformationsblatt. Es ist der Versuch, mit regulatorischer Komplexität und Akribie eine bessere Beratungsqualität hinzu kriegen. Das alles war bisher ohne durchschlagenden Erfolg. Das hat einen Grund: Der Grundkonflikt wurde nicht beseitigt. Solange Provisionen eine Kollision der Interessen zwischen Berater und Kunden bewirken, wird auch noch so viel Detailregulierung keine grundlegende Verbesserung in der Finanzberatung bringen.

Gerhard Schick, MdB, Finanzpolitischer Sprecher, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag

CDU/CSU

"Der Kunde sollte selbst entscheiden"

Folgenden Thesen bestimmen die Diskussion in Sachen Finanzberatung: "Bei der Provisionsberatung bekommt der Kunde nur das Produkt mit der höchsten Provision angeboten" oder "Die Honorar-Anlageberatung können sich nur noch Reiche leisten."

Die Politik muss eingreifen, wenn sie Handlungsbedarf im Markt erkennt, und sie hat dies auch bereits getan. Mit dem Honoraranlageberatungsgesetz hat die christlichliberale Koalition erstmals einen verbindlichen Rechtsrahmen für die Honorar-Anlageberatung geschaffen.

Seit dem 1. August 2014 gelten für die Honorar-Anlageberatung besondere gesetzliche Regelungen. Der sogenannte Honorar-Anlageberater darf sich ausschließlich vom Kunden bezahlen lassen, denn die Honorar-Anlageberatung soll allein im Interesse des Kunden erbracht werden.

Durch die Einführung der geschützten Bezeichnung des "Honorar-Anlageberaters" im Wertpapierhandelsgesetz sowie des "Honorar-Finanzanlagenberaters" in der Gewerbeordnung kann der Kunde seitdem leicht erkennen, ob die Dienstleistung der Anlageberatung auf Provisionsbasis oder durch das Honorar des Kunden vergütet wird.

Ferner wurden mit dem Honoraranlageberatungsgesetz Regelungen zur organisatorischen, funktionalen und personellen Trennung zwischen Anlageberatung auf Honorar- und auf Provisionsbasis eingeführt. Allein diese Trennung ermöglicht die erforderliche Unabhängigkeit der Honorar-Anlageberatung und stellt sicher, dass auch in ländlichen Regionen die Honorar-Anlageberatung angeboten werden kann.

Mit den Regelungen für gewerbliche Finanzanlagenberater, die sich an der bestehenden Gesetzessystematik für Honorar-Anlageberater orientieren, wurde darüber hinaus Rechtsklarheit für diesen Bereich geschaffen und zum anderen sichergestellt, dass die hohen Anforderungen an die Honorar-Anlageberatung auch für gewerbliche Finanzanlagenberater gelten.

Nebeneinander von Provisions- und Honorarberatung nicht infrage stellen

Aber mehr als einen verlässlichen Rechtsrahmen sollte die Politik an dieser Stelle auch nicht vorgeben. Vielmehr sollte der Kunde selbst entscheiden, ob er eine Beratung auf Provisionsbasis oder gegen Honorar in Anspruch nehmen möchte. Hierfür bedarf es eines rechtlichen Rahmens, den es seit dem 1. August 2014 gibt. Und davon wird auch bereits Gebrauch gemacht. Schließlich gibt es bereits eine bekannte Bank, die schon lange mit provisionsfreier Honorar-Anlageberatung wirbt. Aber auch viele andere Banken bieten ihren Kunden die Honorar-Anlageberatung an.

Aus Sicht der Union war immer wichtig, dass der Kunde die Wahl hat. Es ist daher richtig, dass auch der europäische Gesetzgeber bei der Überarbeitung der sogenannten MiFID II-Richtlinie (Markets in Financial Instruments Directive) eine bewusste Entscheidung für das Nebeneinander von Provisions- und Honorarberatung getroffen hat.

Auch die Europäische Kommission und die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) sind gut beraten, diesen gesetzgeberischen Willen zu beachten. Man könnte sich an dieser Stelle auch fragen, ob die noch ausstehenden, aber für die Umsetzung der Richtlinie notwendigen Level II-Rechtsakte bereits vorliegen würden, hätte man nicht so viel Zeit darauf verwendet, die bereits vom Gesetzgeber entschiedene Frage des Nebeneinanders erneut im Rahmen von Level II zu diskutieren und infrage zu stellen.

In Europa nicht immer auf den Letzten warten

Es ist nicht nachvollziehbar, wenn EU-Parlament und Ministerrat sich im Gesetzgebungsverfahren klar für den Erhalt der klassischen Vergütungsform in der Anlageberatung aussprechen und bei Wertpapiergeschäften die Annahme von Provisionen erlauben, ESMA später jedoch die Verwendungszwecke für Provisionen so stark einschränkt, dass ein faktisches Verbot entsteht.

Dass diese Diskussion auf dieser Ebene nichts verloren hat, dürfte niemand wirklich infrage stellen. So ist leider die missliche Situation entstanden, dass sich die Umsetzung der MiFID II-Richtlinie verzögern wird und damit wichtige anlegerschützende Normen erst verspätet in Kraft treten werden.

Nicht zuletzt auch vor diesem Hintergrund war es nötig, dass die christlichliberale Koalition bereits einige Regelungen der MiFID II wie zum Beispiel die Regelungen zur Honorar-Anlageberatung und zum Hochfrequenzhandel vorgezogen hat. Auch hier zeigt sich wieder, dass es richtig ist, in Europa auch einmal voranzuschreiten und nicht immer auf den Letzten zu warten.

Ausnahmen bei Nettotarifen sind praxisgerecht

Und es war auch erforderlich, den Empfehlungen der Opposition bei den Beratungen zum Honoraranlageberatungsgesetz nicht zu folgen. Diese hatte die verpflichtende Einführung von Nettotarifen gefordert. Dabei wurde verkannt, dass zum damaligen Zeitpunkt nicht alle Produkte als Nettotarif-Produkte angeboten wurden. Somit hätte die Beschränkung auf Nettotarifprodukte die Auswahl für den Kunden beschränkt.

Daher haben wir uns seinerzeit für eine ausgewogene Regelung entschieden, die vorsah, dass der Honorar-Anlageberater grundsätzlich ein Nettotarif-Produkt empfehlen muss. Nur wenn es kein in gleicher Weise geeignetes Nettotarif-Produkt gibt, darf der Berater ein Provisionsprodukt empfehlen, muss dann aber die Provision an den Kunden weiterleiten. Somit ist sichergestellt, dass die Honorar-Anlageberatung von Anfang an eine echte Alternative zur Anlageberatung auf Provisionsbasis war.

Beide Anlageberatungsformen haben Vor- und Nachteile

Natürlich dürfen einmal getroffene Entscheidungen auch hinterfragt werden. Insofern bin ich für jede sachlich geführte Diskussion dankbar. Ich halte allerdings nichts davon, dass auf der einen Seite vielfach Provisionen verteufelt und die Honorar-Anlageberatung auf der anderen Seite als das Nonplusultra für den Kunden hochgejubelt werden. Beide Anlageberatungsformen haben Vor- und Nachteile.

Hier sammeln wir, aber auch andere europäische Mitgliedstaaten wie Großbritannien oder die Niederlande gerade erste Erfahrungen. Dort wurden Anfang 2013 die Provisionen verboten, sodass Berater und Vermittler seitdem keine Provisionen mehr von Banken, Versicherungen oder Fondsgesellschaften erhalten. Wegen der zum Teil hohen Honorarforderungen besteht aber auch die Gefahr, dass sich nicht mehr alle Kunden eine Anlageberatung leisten können. Daher ist es wichtig, den Prozess eng zu begleiten.

Entscheidend ist, dass der Kunde selbst wählen kann und dass er bei dieser Entscheidung weiß, was er oder sie in diesem Fall tut. Dafür ist wiederum notwendig, dass dem Kunden alle für seine Entscheidung relevanten Fakten bekannt sind.

Anlegerschützende Politik muss für Transparenz sorgen

Gute anlegerschützende Politik ist es daher, für Transparenz zu sorgen. Dies ist das Leitbild der Union. Zuletzt haben wir dies beim Kleinanlegerschutzgesetz zum wiederholten Male unter Beweis gestellt, als neue Regelungen für Vermögensanlagen eingeführt wurden. Mit diesen neuen Regeln für umfassendere und verständlicher formulierte Informationen für Verbraucher wurde dafür gesorgt, dass den Kleinanlegern deutlicher die mit einer Anlage verbundenen Risiken vor Augen geführt werden.

Vor diesem Hintergrund werden wir auch bei der anstehenden Umsetzung der MiFID II-Richtlinie darauf achten, dass der Kunde alle Informationen erhält, um selbst entscheiden zu können. Grundlage der Position von CDU/CSU bleibt daher, dass die Politik für den rechtlichen Rahmen sorgt und den Kunden in die Lage versetzt, selber zu entscheiden.

Antje Tillmann, MdB, Finanzpolitische Sprecherin, CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag

Freie Demokraten

"Eine provisionsfreie Bank ist keine sinnvolle Vision - eine transparente schon"

Die "provisionsfreie Bank" ist eine wohlklingende Forderung. Sie erweckt allerdings den Eindruck, man würde dort möglicherweise etwas umsonst erhalten. Dabei weiß schon der Volksmund, "umsonst ist der Tod und der kostet das Leben". Dabei sollte jedem klar sein, dass gute Leistung auch ihr Geld wert ist. Was für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gilt, trifft selbstverständlich auch auf Unternehmen zu.

Kostenlose Angebote gibt es äußerst selten, die Zahlung erfolgt meist auf verstecktem Wege. So bezahlen die Nutzer von kostenlosen E-Mail-Diensten mit dem Verzicht auf die Privatheit ihrer Kommunikation. In sozialen Netzwerken zahlen sie mit der systematischen Erfassung ihres Verhaltens und des Freundeskreises. Das Beispiel Internet zeigt deutlich, dass Preise manchmal versteckt sein mögen, bezahlt werden muss aber für fast alles.

Nicht die provisionsfreie, sondern die transparente Bank

Dagegen ist nichts einzuwenden. In der Sozialen Marktwirtschaft sollten die Menschen den Preis allerdings kennen, um frei planen und die für sie beste Entscheidung treffen zu können. Provisionen, die nicht offengelegt werden, können ein Widerspruch zu einer transparenten Preisgestaltung sein. Mögliche Interessenskonflikte können dadurch im Verborgenen bleiben.

Nicht die provisionsfreie Bank ist daher eine sinnvolle Vision, allenfalls eine transparente. Die Finanzberatung bindet Arbeitskräfte und Ressourcen, sie kostet Geld. Diese Kosten muss die Bank auf die eine oder andere Weise an ihre Kunden weiterreichen. Natürlich wird sie dabei in aller Regel einer Mischkalkulation folgen. Sie wird die Anbieter von Geldanlagen ebenso zur Kasse bitten wie die Gesamtheit ihrer Kunden über die Depot- oder Kontogebühren.

Kann es künftig noch umfassende Beratung von Banken geben?

Wenn sich eine Beratung als zu teuer und zu kompliziert erweist, wird sie nicht mehr angeboten. Das ist eine Entwicklung, die weitaus fortgeschrittener ist als viele vermuten. Wer wissen will, wie sehr sich die Beratungssituation verschlechtert hat, muss sich nur die Filialschließungen vor Augen führen. Mit jeder geschlossenen Filiale entfällt auch eine Beratungsmöglichkeit für die Verbraucher.

Die Banken reagieren mit der Schließung von Filialen auf die Abwanderung ihrer Kunden ins Internet. Der Wechsel der Bankkunden zu Internetbanken ist auch eine Entscheidung gegen eine Finanzberatung vor Ort. Der Erfolg der Internetbanken mit ihren günstigen Konditionen und einem allenfalls rudimentären Beratungsangebot ist eine Entscheidung der Verbraucher gegen die traditionelle Bankberatung in der Filiale.

Die entscheidende Frage lautet daher weniger, ob eine provisionsfreie Bank sinnvoll ist, sondern ob es in Zukunft überhaupt noch eine umfassende Finanzberatung der Banken vor Ort geben kann.

Schon heute ist Finanzberatung ein vermintes Gelände

Schon heute ist die Finanzberatung für die Banken ein vermintes Gelände. Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank hat die traditionellen, sicheren Geldanlagen wie das Sparbuch oder auch Lebensversicherungen unrentabel gemacht. Wenn die Banken ihren Kunden zu einer Anlage verhelfen wollen, die zumindest den Kapitalerhalt gewährleistet, müssen sie bereits Produkte empfehlen, die viele als spekulativ empfinden, da sie bereits ein Verlustrisiko beinhalten.

Hinzu kommt, dass die Vielfalt und Komplexität der Finanzprodukte in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat und viele Kunden von ihren Beratern erwarten, dass diese auch einen umfassenden Überblick über das Angebot haben.

Gleichzeitig müssen sich die Berater mittlerweile bei ihren Empfehlungen ständig gegen mögliche Haftrisiken absichern. Die transparente Erläuterung strukturierter Produkte setzt beispielsweise eine hohe Qualifikation des Beraters und erhebliche Vorkenntnisse der Kunden voraus.

Diese Entwicklungen zeigen, dass die Attraktivität der Finanzberatung in den letzten Jahren deutlich abgenommen hat. Warum sollen Banken ihren Kunden etwas anbieten, was diesen im Zweifelsfall weniger wichtig ist als die geringfügig günstigeren Gebühren einer Internetbank?

In diesem Umfeld ist es eine außerordentliche Herausforderung, ein umfassendes Beratungsgebot aufrechtzuerhalten. Die Kosten dafür sind enorm. Wie im Fachhandel gibt es natürlich auch bei den Banken die verbreitete Praxis, dass man sich von seinem örtlichen Berater gerne Produkte erklären lässt, um diese dann günstiger über das Internet zu erwerben. Die Banken sind deshalb gezwungen, bei ihrer Kostenkalkulation, die Zahlungsbereitschaft der Kunden mit einzubeziehen. Dienstleistungen, für die der Kunde nicht bereit ist, einen angemessenen Preis zu bezahlen, werden ihm auf Dauer von keiner Bank angeboten.

Provisionen sind ein Teil des Kostenmodells der Banken. Man sollte sie nicht vorschnell verteufeln. Sie erleichtern unter Umständen kleineren Anlageanbietern den Marktzugang und verhindern Marktkonzentrationen. Ein Verbot von Provisionen würde zwangsweise dazu führen, dass Banken kaum einen Anreiz hätten, die Produkte anderer Banken anzubieten. Dem Kunden wäre mit dieser Einschränkung des Beratungsangebotes nur sehr bedingt gedient, denn kaum eine Bank ist heute noch in der Lage, die ganze Palette an Anlageformen mit eigenen Produkten abzudecken.

Provisionen nicht vorschnell verteufeln

Die Banken könnten auch Gebühren oder Stundenhonorare für ihre Beratungsdienstleistungen verlangen. Das wäre ein anderes Finanzierungsmodell, würde die Dienstleistung für und Verbraucher aber nicht vergünstigten. Im Übrigen verfahren unabhängige Finanzdienstleister heute bereits nach diesem Modell. Wer Wert auf eine provisionsfreie Beratung legt, kann sich an einen Honorarberater wenden, der für seine Dienstleistung eine Rechnung ausstellt und dafür auf sämtliche Provisionen verzichtet. Bei aller Kritik an Provisionen führt die Honorarberatung nach wie vor aber eher ein Nischendasein. Sie ist eher die Ausnahme als die Regel.

Eine provisionsfreie Bank ist keine sinnvolle Vision, eine transparente dagegen schon. Provisionen dienen einer fairen Lastenverteilung zwischen Beratern, Anbietern und Kunden. Es gibt keinen Grund, diese infrage zu stellen. Gebühren, die einseitig dem Kunden in Rechnung gestellt werden, stoßen bei den Anlegern auf geringere Akzeptanz als Provisionen. Das ist ein gewichtiges Argument.

Gute Leistung kostet nun einmal gutes Geld, da macht auch die Finanzberatung keine Ausnahme. Wer will, dass die Banken an ihrem Filialnetz festhalten und Finanzdienstleistungen weiter vor Ort angeboten werden, muss akzeptieren, dass Banken keine Gratisleistungen anbieten können. Der Verzicht auf Provisionen ist für sich genommen noch kein Zukunftsmodell für die Finanzberatung. Das Zukunftsmodell für Banken heißt nicht Provisionsverzicht, sondern Transparenz.

Volker Wissing, Mitglied des Präsidiums, FDP

DIE LINKE

"Die provisionsfreie Bank sorgt für eine Win-win-Situation"

Der Streit um Provisionen im Bank- und Versicherungsgeschäft ist kein neuer. Er schwelt schon seit längerem und gewann jüngst unter anderem durch die Diskussionen um die MiFID-II-Richtlinie und das Honoraranlageberatungsgesetz wieder einmal an Fahrt.

Provisionen sind eine Vergütungsform für die Ausführung oder Vermittlung von Dienstleistungen. Im Bankensektor werden sie von Kreditinstituten für die von ihnen erbrachten Leistungen im Kreditgeschäft, Zahlungsverkehr, Emissionsgeschäft oder bei der Vermögensberatung verlangt. Werden solche Geschäfte von Maklern, Vermittlern oder Vermögensverwaltern ausgeführt, erheben diese in der Regel ebenfalls eine Provision.

In der Debatte um Provisionen wirft man Gegnern der provisionsgestützten Beratung oftmals vor, sie stellten Berater unter einen Generalverdacht. Was bedeutet, diese Berater würden als unqualifiziert und nur auf den eigenen Vorteil bedacht beschrieben. Niemand kann ernsthaft allen Bankberatern unterstellen, sie seien nicht in der Lage und willens, Kunden bedarfsgerecht zu beraten. Doch das gegenwärtige Provisionssystem begünstigt eine allzu menschliche Verhaltensweise.

Verbraucher immer noch unzureichend vor Fehlberatung geschützt

Besteht die gesamte Vergütung eines Bankberaters zu einem nicht unerheblichen Teil aus Provisionen, ist er schnell vor die Wahl gestellt: Rate ich den Kunden zu einem Finanzinstrument, das für sie bedarfsgerecht sowie kostengünstig ist, mir dafür keine oder nur geringe Provisionen bringt? Oder rate ich den Kunden zu einem Finanzinstrument, das weniger bedarfsgerecht ist, mir dafür deutlich höhere Provisionen bringt? Die Entscheidung ist rasch getroffen - und sie ist bei diesem Interessenkonflikt zwischen Kunde und Kreditinstitut allzu menschlich. Dadurch wird aber klar, dass Provisionen im Finanzvertrieb für größere Probleme sorgen. Denn sie setzen Fehlanreize.

Diese Fehlanreize führen gerade nicht zu einer verbrauchergerechten Finanzberatung. Verbraucher sind nach wie vor nur unzureichend vor Fehl- und Falschberatung geschützt. Jährlich verlieren sie dadurch insgesamt Gelder im hohen zweistelligen Milliardenbereich. Erst recht, wenn ihnen Produkte des sogenannten Grauen Kapitalmarktes angeraten werden, welcher zuletzt zwar etwas stärker, aber noch lange nicht durchgreifend genug reguliert wurde, als dass er nicht mehr erheblichen Schaden anrichten könne. Immer noch landet nach einer Beratung viel zu viel Anlegergeld in riskanten und komplexen Finanzinstrumenten, die beispielsweise für die Altersvorsorge gänzlich ungeeignet sind.

Ein Problem ist hier zweifelsohne die schiere Existenz vieler unseriöser oder hochriskanter Finanzinstrumente, die keinerlei unmittelbaren volkswirtschaftlichen Nutzen haben. Hier schlagen wir eine präventive Regulierung vor, indem vorab ein Verfahren zur materiellen Prüfung und ausdrücklichen Zulassung von Finanzinstrumenten installiert wird.

Berater sind zuvorderst Verkäufer

Das andere Problemfeld bleibt jedoch die provisionsbasierte, nicht-verbraucherorientierte Beratung. Vier von fünf Verbraucherinnen und Verbrauchern wissen gar nicht, dass überhaupt Provisionen fließen, wie eine Umfrage der EBS Business School belegte. Ein Grund dafür ist, dass die Beratung von Banken und Versicherungen bewusst den Anschein erweckt, kostenfrei zu sein - ist sie aber aufgrund der vorhandenen Provisionen nicht.

Wobei von wirklicher Beratung in vielen Bereichen der Banken- und Versicherungswirtschaft gar nicht gesprochen werden sollte. Die Berater sind zuvorderst Verkäufer. Sie müssen es kraft der implementierten Strukturen sogar sein. Denn sie sind mit enormen Vertriebsvorgaben konfrontiert, die kaum erfüllbar sind. Interne, produktbezogene Vertriebsziele führen dazu, dass Verbrauchern meist solche Produkte angepriesen werden, die aus dem "eigenen Haus" stammen, die ihr Institut selbst anbietet und die die höchste Provision versprechen. Oftmals unnötige und sich immer wiederholende Empfehlungen zur Portfolio-Umschichtung sind eine weitere Folge enger Vertriebsvorgaben.

Offenlegung der Provisionen ist der Anfang

Aus unserer Sicht muss an dieser Stelle schon kontrollierend eingegriffen werden. Die BaFin wäre befugt, entschieden gegenzusteuern, indem sie zum Beispiel Verhaltensregeln einfordert, Geldbußen verhängt und sogar Vorstände abberuft. Selbst ein temporäres generelles Verbot der Beratung zu Finanzinstrumenten könnte sie aussprechen. Als ersten Schritt ist es dringend notwendig, die zersplitterten Aufsichtsstrukturen zu vereinheitlichen. Allein die BaFin - und kein Gewerbeamt - sollte unter anderem die Finanzanlagenvermittler beaufsichtigen.

Verknüpft mit den Vertriebsvorgaben bleiben die Provisionen problematisch. Daher setzen wir uns mittelfristig für eine Überwindung der provisionsgestützten Beratung beziehungsweise des Verkaufs im Banken-, Versicherungs- und Wertpapiergeschäft ein.

Sicherlich ist es ein Fortschritt, dass nach und nach Regelungen - einen Anstoßpunkt bildet die so genannte Kickback-Rechtsprechung - geschaffen wurden, die zum Teil dafür sorgen, dass Vertriebsvergütungen offengelegt werden müssen. Aber eben nur zum Teil. Verbraucher müssen sich viel zu häufig im Kleingedruckten über Provisionen informieren, um dann womöglich noch selbst ausrechnen zu müssen, wie hoch die Provision einmalig und jährlich ist.

Beratungs- und Vertriebsstrukturen umbauen

Es sind noch einige Anstrengungen nötig, bis die vereinnahmten Provisionen vollständig in Euro und Cent und in verständlicher Form von allen offengelegt werden (müssen). Die offengelegten Provisionen sollten dann aus den Beiträgen herausgerechnet und den Kundinnen und Kunden Nettotarife angeboten werden, was für bessere Vergleichbarkeit zwischen angebotenen Finanzinstrumenten sorgen würde. Diese Offenlegung ist für uns der Anfang, das kurzfristige Ziel.

Daneben plädieren wir dafür, jetzt mit dem Umbau der Beratungs- und Vertriebsstrukturen zu beginnen, um ein System jenseits der Provisionen zu etablieren. Dass dies kein leichtes Unterfangen wird, liegt auf der Hand. Die bisherigen Maßnahmen, die Transparenz zu erhöhen - beispielsweise durch Beratungsprotokolle und Produktinformationsblätter - haben das Ziel eines deutlich besseren finanziellen Verbraucherschutzes verfehlt. Gerade die Protokolle, die derzeit zudem viel zu wenig standardisiert sind, dienen eher als Schutzschild der Anbieter gegenüber Verbrauchern und deren möglichen Haftungsansprüchen.

Die provisionsfreie Bank ist aus unserer Sicht sinnvoll und nicht nur Vision, sondern tatsächlich erreichbar. Wir schlagen deshalb unter anderem vor, Beratung und Verkauf voneinander zu trennen. Die Beratung muss dabei unabhängig und weniger interessengeleitet erfolgen. Honorarberatung wie auch unabhängige Finanzberatung durch Verbraucherzentralen sollen aus diesem Grund ausgebaut und breiter verankert werden.

Mündige Verbraucher sind wünschenswert. Um aber überhaupt selbstbestimmt nach eigenem Bedarf entscheiden zu können, benötigen sie gut aufbereitete, verständliche Informationen, eine in irgendeiner Form überschaubare Produktpalette sowie Klarheit über die Kosten der Beratung und beim Kauf eines Finanzinstruments. Nach wie vor ist es für sie kaum möglich, die inhaltliche Qualität der Beratung und die Kostenstrukturen realistisch einzuschätzen.

Auf Provisionsbasis tätige Verkäufer nicht untergehen lassen

Eine unabhängige, alle Finanzinstrumente umfassende qualifizierte Honorarberatung muss aus ihrem noch recht kargen Nischendasein herausgeführt und weiter gestärkt werden, um wirkliche Alternativen für Anleger anzubieten. Die bisher auf Provisionsbasis tätigen Verkäufer sollten ergänzende Schulungen bekommen, um in dem Systemwechsel nicht unterzugehen.

Nicht zielführend, weil verletzend sind in diesem Zusammenhang Aussagen wie die des Gründers der Quirin-Bank, Karl Matthäus Schmidt, nach der Berater einer "aufwendige[n] Resozialisierungsphase" 1) bedürfen.

Laut einer repräsentativen Umfrage würden gut 60 Prozent aller Deutschen Geld für eine unabhängige, kompetente Beratung ausgeben.2) Wer unabhängige Expertise will, muss also erst einmal zahlen. Entweder ein Honorar auf Basis von Stundensätzen oder ein Honorar auf Basis der Gesamtsumme, die man anlegen möchte.

Informationsdefizit abbauen

Anleger zahlen direkt für die Beratung und erhalten im Gegenzug alle Provisionen zurück, die der Verkäufer von Emittenten erhält. Dies muss den Anlegenden erst einmal erklärt werden, da allerorten ein großes Informationsdefizit herrscht. Wird dieses Informationsdefizit nicht abgebaut, wird sich die Lage auf dem Beratungsmarkt schwerlich ändern.

Da oft die Mindestanlagesumme verhältnismäßig hoch liegt oder Stundensätze sich im dreistelligen Eurobereich bewegen, erscheint für viele Honorarberatung in erster Linie etwas für vermögende Kundinnen und Kunden zu sein. In Großbritannien gibt es seit 2013 ein Provisionsverbot. Infolgedessen stellten Banken schnell ihre Finanzberatung im Massengeschäft ein.

Die Orientierung auf Honorarberatung führte dazu, dass Kunden ein hohes Anlagekapital vorweisen mussten, das die meisten schlichtweg nicht besaßen. Hier wird klar, dass Honorarberatung nicht zwingend die allein seligmachende Alternative ist. Erst recht nicht, wenn man wie wir davon ausgeht, dass der Erhalt sachkundiger Finanzberatung keine Frage des eigenen Geldbeutels sein darf.

Honorarberatung muss günstiger werden

Bei einer Umstellung auf Honorarberatung müssen wir in Deutschland aufpassen, dass Menschen mit weniger zur Verfügung stehendem Geld nicht von einer unabhängigen Beratung ausgeschlossen werden. Einfach ausgedrückt: Honorarberatung muss für Verbraucher günstiger werden. Eine ausgewogene, verbraucherfreundliche Gebührenordnung ist sinnvoll.

Zugleich muss einer Verzögerungstaktik, mit der versucht wird, bei Abrechnung nach Stundensätzen die Beratung zeitlich möglichst lange auszuweiten, ein entsprechender Riegel vorgeschoben werden. Bei einer Orientierung am Anlagevolumen der Kundin oder des Kunden ist eine sehr niedrige Anlagesumme vorzugeben. So gleicht man einen nicht zu unterschätzenden Vorteil der Provisionen aus: Banken beraten auch Kunden mit wenig Geld. Dies alles berücksichtigend schlagen wir vor, zweigleisig zu fahren.

Zweigleisig fahren

Neben der Honorarberatung muss die unabhängige Finanzberatung durch die Verbraucherzentralen massiv ausgeweitet werden. Dabei muss geklärt werden, mit jeweils welchen Kompetenzen und Schwerpunkten beide Formen unabhängiger Beratung koexistieren können.

Eine provisionsfreie Bank - die dann die eigene Produktpalette, Kostenstrukturen und das Vergütungssystem einer kritischen Bestandsaufnahme unterziehen müsste - würde vom Vertriebsdruck befreite Berater beschäftigen und verbraucherorientiertere Beratung durchführen. Dadurch gewinnen letztlich beide Seiten, Berater sowie Kunden. Eine klassische Winwin-Situation.

Fußnoten

1) "Bankberater müssen erst resozialisiert werden", Handelsblatt, 24. April 2015

2) vgl. Toluna-Umfrage, Handelsblatt, 08. Dezember 2015

Susanna Karawanskij, MdB, Fraktion DIE LINKE, Mitglied im Finanzausschuss und Berichterstatterin zum finanziellen Verbraucherschutz und zu Versicherungen.

Ralph Kummer, wissenschaftlicher Mitarbeiter von Susanna Karawanskij, Fraktion DIE LINKE

SPD

"Eine Bank mit einem starken honorarbasierten Anteil wäre eine erstrebenswerte Vision"

Wer sein Geld anlegen möchte, kann hierzu entweder zu einem unabhängigen Berater gehen, der ihn provisionsfrei gegen Gebühr berät, oder zu einem Finanzanlagenvermittler, der bei einem erfolgreichen Verkauf eine Provision vom Produktanbieter erhält. Dass sich die überwiegende Mehrheit der Kunden derzeit noch für die provisionsbasierte Beratung entscheidet, zeigt das zahlenmäßige Verhältnis der Anbieter: So standen nach Angaben des Verbundes deutscher Honorarberater im letzten Jahr in Deutschland 250 000 Finanzanlagenvermittlern nur 2 000 Honorarberater gegenüber. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die provisionsfreie Bank also allenfalls eine weit in der Zukunft liegende Vision.

Dieses krasse Missverhältnis zwischen den Anzahlen der Finanzanlagenvermittler und der Honorarberater schränkt die freie Auswahl zwischen diesen beiden ein. Deshalb sollte es politisches Ziel sein, diese Differenz zwischen Honorar- und Provisionsberatungsangebot deutlich zu reduzieren.

Außerdem sind bei der derzeit noch vorherrschenden provisionsgestützten Bankberatung Interessenkonflikte vorprogrammiert. Die Berater bieten hier - soll ich schreiben: verständlicherweise - solche Produkte an, die ihnen hohe Provisionen bringen, aber nicht unbedingt dem Kunden den größten Nutzen stiften. Viele Kunden wissen zudem nicht, dass die Provision von ihrem Anlagebetrag bezahlt wird. Finanzprodukte stellen insbesondere aus Verbrauchersicht Vertrauensgüter dar. Die Verbraucher müssen sich deshalb auf die Beratung verlassen können, vor allem bei ihrer Altersvorsorge, Geldanlagen, oder Eigenheimfinanzierungen. Von daher haben wir im Koalitionsvertrag verankert, dass die Einführung der Honorarberatung als Alternative zu einer Beratung auf Provisionsbasis für alle Finanzprodukte vorangetrieben wird, wobei hohe Anforderungen an die Qualität der Beratung festgelegt werden.

Einige Fortschritte erreicht

Bei dem Ziel der Stärkung der Honorarberatung haben wir auch schon einige Fortschritte erreicht. So ist am 1. August 2014 das Honoraranlageberatungsgesetz in Kraft getreten, nach dem sich der Verbraucher bewusst für eine Anlageberatung auf Provisionsbasis oder für eine unabhängige Honoraranlageberatung entscheiden kann.

Durch das Gesetz sind die geschützten Berufsbezeichnungen "Honorar-Anlageberater" und "Honorar-Finanzanlageberater" eingeführt worden. "Honorar-Anlageberater" sind Bank- oder Vermögensberater, die nicht mit Provisionen vergütet werden und sich bei ihren Anlageempfehlungen nicht auf bankeigene Finanzprodukte beschränken. Während der Honorar-Anlageberater seine Kunden zu allen Finanzprodukten beraten darf, beschränkt sich das Beratungsfeld des Honorar-Finanzanlageberaters auf Investmentfonds und geschlossene Fonds.

Zwischen Beratern und Vermittlern unterscheiden

Ein wesentliches Problem bisheriger gesetzlicher Regulierungen ist darin zu sehen, dass kein klares Berufsbild für unabhängige Honorarberater geschaffen wurde, das eindeutig vom Berufsbild des Provisionsberaters zu trennen ist. Sogenannte "Provisionsberater" sollten sich zudem nicht Berater, sondern Vermittler nennen, alles andere wäre Etikettenschwindel. Weiterhin müsste gesetzlich geregelt werden, dass alle Finanzberater einheitlich von der BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen) beaufsichtigt werden.

Honorarberatung durch die Regulierung stärken

Es ist zwingend notwendig, die honorarbasierte Beratung auch künftig weiter durch gesetzliche Regulierungen zu stärken. So soll die Honorarberatung nicht nur für die Geldanlage, sondern auch für Kredite und Versicherungen als rechtssicheres Beratungsmodell verankert werden.

Zurzeit befindet sich die Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie im parlamentarischen Verfahren. Hier wird der unabhängige "Honorar-Immobiliendarlehensberater" als Alternative zu einer Beratung auf Provisionsbasis eingeführt. Dieser muss bei der Beratung zusätzlich einen ausreichenden Marktüberblick zugrunde legen und darf sich die Erbringung der Beratungsleistung allein durch ein Honorar des Kunden bezahlen lassen.

In der Versicherungsbranche sind Impulse für die Honorarberatung insbesondere durch die jüngst vom Europäischen Parlament verabschiedete Versicherungsvertriebs-Richtlinie - IDD (Insurance Distribution Directive) zu erwarten.

Zudem bietet die in Deutschland im Rahmen des Finanzmarktnovellierungsgesetzes geplante Umsetzung der europäischen Finanzmarktrichtlinie MiFID II (Markets in Financial Instruments Directive II) die Gelegenheit die unabhängige Honorarberatung zu unterstützen. Nach MiFID II ist nur eine Anlageberatung, bei der keine Provisionen fließen, wirklich unabhängig und darf sich auch so nennen. Für das Provisionsmodell soll es zudem die Pflicht geben, die vereinnahmten Provisionen zum Nutzen der Kunden einzusetzen.

Der Kunde soll sich frei entscheiden können

Auch wenn eine zusätzliche regulatorische Stärkung honorarbasierter Beratung weiter geboten ist, sollte sich der Kunde auch künftig frei zwischen Honorar- und transparenter Provisionsberatung entscheiden können.

Ein vollständiges Verbot der Provisionsberatung wie in Großbritannien oder der Niederlande wäre der falsche Weg, da sonst die Gefahr bestünde, dass gerade für kleinere Investments keine Beratung mehr zu bezahlbaren Preisen möglich wäre. Wir wollen sowohl die Honorarberatung als auch eine transparente Provisionsberatung beibehalten.

Qualifikationsniveau entscheidend

Unabhängig von der Beratungsform ist insbesondere ein hohes Qualifikationsniveau der Finanzberater von entscheidender Bedeutung. Der jeweilige Berater muss in der Lage sein, sich in die Lebens- und Finanzsituation seiner Kunden hineinzudenken. Er muss die Kundenerwartungen hinsichtlich Renditen und Risiken auf ein realistisches Niveau führen. Darüber hinaus benötigt er einen umfassenden Marktüberblick und umfassende Kenntnisse über die wichtigsten Eigenschaften der von ihm empfohlenen Produkte. Dies sollte durch die Sachkundeprüfung umfassend abgedeckt werden.

Deshalb wäre eine Bank mit einem starken honorarbasieren Anteil, deren Berater zudem in hohem Maße qualifiziert sind und in erster Linie kundenorientiert denken, eine erstrebenswerte Vision.

Lothar Binding, MdB, Finanzpolitischer Sprecher, SPD-Bundestagsfraktion

Antje Tillmann , MdB, Vorsitzende der Arbeitsgruppe Finanzen , CDU/CSU-Fraktion, Berlin
Lothar Binding , MdB, Finanzpolitischer Sprecher, SPD-Bundestagsfraktion, Berlin

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