Leitartikel

Besser mit Honorar?

sb - 70 Prozent der Privatkunden in Deutschland wären grundsätzlich bereit, für eine Finanzberatung, bei der keine Provisionen fließen, ein Honorar zu zahlen. Wird der Wegfall der Provisionen explizit hervorgehoben, steigt der Anteil sogar auf 83 Prozent, so hat es eine Studie des Lehrstuhls für Bankbetriebslehre der Johannes-Gutenberg-Universität, Mainz, und der Unternehmensberatung MC4MS ermittelt. In diesen Zahlen wollen die Forscher einen grundsätzlichen Trend erkennen. Denn vergleichbare Studien vor der Finanzkrise hätten nur eine Akzeptanz von 25 bis 30 Prozent für die Honorarberatung ergeben. Daraus ziehen sie den Schluss, dass Privatkunden heute eher bereit sind, für eine neutrale und hochwertige Beratungsleistung ein Honorar zu bezahlen - und das in einer Höhe, "die sogar kostendeckend sein könnte". Eben hier dürfte in der Praxis - zumindest im Mengengeschäft - jedoch die Crux liegen. Denn durch die gegenwärtig praktizierten Preismodelle geht es dem Kunden mit der Bankberatung nicht anders als beim Arztbesuch: Ein wirkliches Bewusstsein dafür, was die Leistung kostet, hat er nicht. Das mag sich durch den Ausweis aller Kosten/Provisionen künftig ändern, sofern der Kunde diese Informationen überhaupt registriert. Noch aber würden viele Verbraucher über die Höhe eines kostendeckenden beziehungsweise einen Profit versprechenden Honorars vermutlich erschrecken und es als unangemessen hoch empfinden. Das gilt vor allem für die weniger informierte und damit eigentlich besonders beratungsbedürftige Klientel. Dass namentlich aus den beiden Verbünden, die sich nun einmal in besonderem Maße um diese Zielgruppen kümmern, Skepsis geäußert wird, ist insofern nur zu verständlich.

Bliebe ferner die Frage nach der Gestaltung des Preismodells. Jeweils knapp jeder fünfte Befragte plädierte in der Studie für ein festes beziehungsweise volumenabhängiges, knapp jeder Dritte für ein Honorar nach Zeitaufwand beziehungsweise eine Mischform. Die vergleichsweise hohe Zustimmung zur Berechnung nach Zeitaufwand erklärt sich vermutlich dadurch, dass dieses Preismodell am fairsten erscheint: Jeder zahlt, was er braucht. Allerdings: Gerade bei weniger gut informierten Kunden dürfte der Aufwand im Verhältnis zu den oftmals eher kleinen Volumina vergleichsweise hoch sein. Das würde für sie die Beratung in unattraktivem Maße teuer erscheinen lassen, was auch politisch sicher nicht gewollt sein kann. Außerdem dürfte der ständige Blick nach der Uhr den Sinn der Beratung konterkarieren. Nicht viel anders sieht es bei volumenabhängigen Honoraren aus. Auch sie müssten, damit sich die Beratung der Mengenkunden überhaupt lohnt, bei kleinen Anlagebeträgen relativ höher sein als bei großen. Festbeträge wären - je nach der Kundenstruktur des jeweiligen Instituts - immer mit einer Quersubventionierung des einen durch das andere Kundensegment verbunden und dürften damit, ähnlich wie die "Kopfpauschale" im Gesundheitswesen der Ungerechtigkeit geziehen werden. Eine Mischform wiederum könnte diese Nachteile teilweise ausgleichen, verlöre dafür aber an Transparenz. Die grundsätzlich gestiegene Akzeptanz für eine Beratung auf Honorarbasis soll deshalb zwar nicht in Zweifel gezogen werden - ob sich das Konzept als allein seligmachendes Preismodell eignet, aber sehr wohl. Schließlich ist die Frage, ob die Beratung durch den Verzicht auf Provisionen wirklich besser wird, bislang unbeantwortet. Möglicherweise werden dem Kunden in Zukunft Honorarberatung und Provisionsmodell grundsätzlich alternativ angeboten werden. Die Entscheidung für das eine oder andere Vergütungskonzept ist dann nicht zuletzt eine Vertrauensfrage: Wird dem Anbieter/Berater auch dann Kundenorientierung zugetraut, wenn Provisionen fließen? Oder garantiert allein das Honorar wirkliche Objektivität? Die Entscheidung für das Honorarmodell käme dann einem Misstrauensvotum gleich. Mit welcher Variante der Kunde besser fährt, kann letztlich ohnehin nur die Erfahrung zeigen. Wer es genau wissen möchte, müsste zweigleisig fahren, um dann die Performance vergleichen zu können - aber bitte beim gleichen Berater. Sonst hinkt der Vergleich schon wieder.

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