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Nur noch gegen Honorar?

Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e. V., Bonn, ist besorgt. Anders als andere Interessensvertretungen liest er aus dem Eckpunktepapier des Bundesverbraucherschutzministeriums zur Regelung der Honorarberatung heraus, dass Ministerin Ilse Aigner die Versicherungsvermittlung auf Provisionsbasis abgeschafft sehen möchte. Das zeigt: Die Abgrenzung der Begrifflichkeiten und Zuordnung, wer alles unter die neue Regelung fallen würde, ist zumindest verbesserungswürdig.

EU-Vermittlerrichtlinie will Honorarberatung als Standard

Doch unabhängig davon, was die deutsche Politik letztlich vorhat: Auf europäischer Ebene wird die Abschaffung der Versicherungsvermittlung auf Provisionsbasis forciert. Hier steht die Revision der Richtlinie 2002/92/EG vom 9. Dezember 2002 über die Versicherungsvermittlung, kurz EU-Vermittlerrichtlinie (Insurance Mediation Directive, kurz IMD) auf der Agenda.

Der derzeitige Zeitplan sieht einen Richtlinienentwurf durch die Europäische Kommission bis Ende 2011 vor, den Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens im ersten Halbjahr 2012 und die nationale Umsetzung bis Ende 2014. Ob dieser Zeitplan zu halten ist, ist ungewiss, da die Konsultationsphase um einen Monat verlängert worden war.

Fest steht aber: EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier strebt nicht nur die Offenlegung von Provisionen an, sondern setzt sich dafür ein, die Honorarberatung zum Standard im Vermittlungsgeschäft zu machen.

Die Begründung ist die altbekannte, wie sie gleichermaßen auch für die Anlageberatung gilt: Den Vertrieben wird unterstellt, mehr provisionsgetrieben denn am Kundeninteresse orientiert zu beraten. Diese Versuchung wäre durch ein Verbot des Vertriebs auf Provisionsbasis zweifellos vom Tisch.

Ob dem Verbraucher damit wirklich gedient wäre, ist eine ganz andere Frage. Zum einen ist bislang nicht bewiesen, dass die Beratungsqualität durch Beratung gegen Honorar tatsächlich steigt. Beratungsfehler können dem Honorarberater schließlich auch unterlaufen.

Neue Anreizproblematik

Je nach Ausgestaltung der Honorarmodelle könnte sich zudem eine neue Anreizplerombatik entwickeln:

Richtet sich das Honorar nach dem Zeitaufwand, besteht die Gefahr des "Zeitschindens",

bei einer "Flatrate" hingegen könnte versucht werden, den Zeiteinsatz zu minimieren, was auf eine standardisierte und eben nicht individuelle Beratung hinauslaufen würde.

Richtet sich die Vergütung hingegen nach dem Umsatz, gibt es keinen grundlegenden Unterschied zur Vermittlung auf Provisionsbasis. Die zu Recht in Verruf gekommenen "Umdeckungen" - also Kündigung bestehender Versicherungsverträge und Abschluss neuer Policen - wären für die Vermittler auch weiterhin attraktiv.

Sozialpolitische Komponente

Auf einen weiteren Punkt verwies der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) schon im Jahr 2009: die sozialpolitische Komponente. Sollte die Honorarberatung alternativlos werden, droht eine Unterversorgung der Bevölkerung mit Versicherungsprodukten. "Riester" zum Beispiel, so der GDV, wäre mit Honorarberatung, einem Ansatz, bei dem vor allem die Eigeninitiative der Kunden vorausgesetzt wird, vermutlich nicht zum Durchbruch gekommen.

Gerade bei Haushalten mit geringeren Einkommen dürfte die Bereitschaft zur privaten Vorsorge nochmals sinken, wenn diese nur gegen Beratungshonorar zu haben ist. Denn in die Beiträge eingerechnete Kosten und Provisionen stellen für ein bescheidenes Budget meist eine geringere Belastung dar als ein auf einmal zu begleichendes Honorar. Die Folge: Sollte sich Binnenmarktkommissar Michel Barnier durchsetzen, könnte eine Vielzahl von Haushalten künftig in die Altersarmut hineinlaufen.

Der beratungslose Abschluss übers Internet wäre auch nur bedingt eine Alternative - zumindest dann, wenn die Pläne, Informations-, Beratungs-, und Dokumentationspflichten auf den Direktvertrieb zu übertragen, tatsächlich Umsetzung finden. Denn dann würde der Fernabsatz von Versicherungsprodukten zumindest erschwert.

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