Umstrittene Provisionen

Tempora mutantur - 15 Jahre Honorarberatung in Deutschland

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Im November 2015 hat der Verbund Deutscher Honorarberater (VDH) sein 15-jähriges Bestehen gefeiert. Der Verband sieht sich als Wegbereiter der provisionsfreien Finanzberatung in Deutschland und hat 2009 vom Bundesverbraucherschutzministerium gleichsam den "politischen Ritterschlag" erhalten. Auch nach Inkrafttreten des Honorar-Anlageberatergesetzes 2014 bleiben jedoch noch Wünsche an die Politik offen. Dazu gehört die Ausweitung der gesetzlichen Definition auf alle Bereiche der Finanzberatung und die steuerliche Gleichstellung von Beratungshonoraren mit den Provisionen. Red.

Seit Einstein wissen wir: Alles ist relativ. Für Verliebte vergehen Stunden, bisweilen sogar Tage nahezu in Minutenschnelle. Wer hingegen als Kassenpatient im Wartezimmer seines Hausarztes sitzt, dem kommt eine Viertelstunde mitunter vor wie ein halber Tag.

Alles also eine Sache der Perspektive und letztlich auch nicht objektiv messbar, da in solchen Fällen das Gefühl den Verstand dominiert. Der Bauch ist zwar selten ein guter Ratgeber, doch in den beschriebenen Fällen der Meinungsmacher schlechthin. Wie also muten die zurückliegenden 15 Jahre aus Sicht des VDH an?

Vom ersten Tag des "Verbund Deutscher Honorarberater" bis heute. Eher nur ein Wimpernschlag? Oder doch wie mindestens eine halbe Ewigkeit? Diese Frage entzieht sich jedem Versuch einer auch nur ansatzweise objektiven Beantwortung. Wohin die Antwort tendiert, hängt sicher oft auch von der jeweiligen Tagesform ab. Ob man sich wieder einmal über einen eher bescheidenen oder doch größeren Erfolg auf dem Weg zu einer fest etablierten und allumfassenden Honorarberatung in Deutschland freut. Oder eher enttäuscht ist über die kleineren und auch größeren Rückschläge, die es in den vergangenen 15 Jahren ähnlich zu beklagen gab wie die Fortschritte zu bejubeln.

"Bang" zur Jahrtausendwende war ein guter Nährboden

Früher war garantiert nicht alles besser. Insbesondere nicht zur Jahrtausendwende, als der VDH gegründet wurde. Da gab es den Internet-Hype mit seinem Börsenboom und den irrationalen Kursanstiegen an den Aktienmärkten. Angesichts häufiger Kursvervielfachungen in wenigen Wochen oder gar in ein paar Tagen scherte sich praktisch niemand auf Verbraucherseite um Abschluss- und Beratungskosten. Was bedeuten schon 5 Prozent oder noch mehr bei explosionsartigen Kursgewinnen. Es waren also extrem dicke Bretter, die der VDH in der Anfangszeit bohren musste.

Was aus Hype und Boom geworden ist, ist bekannt. Mag sein, der große Knall nach der Blase und die darauf folgende Ernüchterung und Depression bei unzähligen Anlegern waren ein guter Nährboden für die kontinuierliche Entwicklung der Honorarberatung in unserem Land. So gesehen in der eher zynischen Betrachtung waren der Crash und seine Folgen kurz nach der Jahrtausendwende ein glücklicher Zufall für den VDH. Ohne den damaligen Bang an den - im weitesten Sinne - Finanzmärkten wäre die Honorarbe ratung nicht dort, wo wir jetzt sind. Dafür hätte es noch etliche weitere Jahre gebraucht.

Blaupause für jeden Honorartarif im Versicherungssegment

Was seitdem erreicht wurde, ist mehr als beachtlich. Gleichsam im Zeitraffer möchte ich auf die wichtigsten Meilensteine zurückblicken. Mit jedem von ihnen hat die Honorarberatung ein gutes Stück Boden gutgemacht.

Schon wenige Monate nach der Gründung im Jahr 2000 konnte der VDH durch die Anbindung der ersten 30 Honorarberater operativ starten. Rückblickend war dieser schon zu Beginn vergleichsweise hohe Zuspruch überraschend. Wie bereits gesagt, die Märkte befanden sich mitten im Internet-Hype und Börsenboom, als Kosten und Provisionen bei den Anlegern eine eher untergeordnete Rolle spielten.

Erstes reinrassiges Honorarberater-Haftungsdach

Wer damals dachte, der VDH und sein Anliegen, besser: seine Vision, würden schnell wieder von der Bildfläche verschwinden, sah sich kurze Zeit später arg enttäuscht. Denn bereits im Jahr 2001 definierte der VDH die heute noch gültige Definition "Was ist ein Honorartarif". Diese Leitlinie ist ohne Übertreibung die Blaupause schlechthin für jeden echten Honorartarif im Versicherungssegment.

Die nächsten Jahre waren sicher sehr intensiv und ereignisreich, vor allem aber geprägt durch viel Aufbauarbeit und teils - zugegeben - mühevolles, dann wieder recht schnelles Wachstum.

Im Jahr 2007 hat der VDH das erste reinrassige Honorarberater-Haftungsdach aufgebaut. Überdies wurden unter der Bezeichnung "Tegernseer-Beschlüsse" einmal mehr die jetzt noch gültigen Leitlinien der Honorarberatung formuliert.

Außerdem wurde das Register für Honorarberater (VDH) etabliert, in dem sämtliche Kolleginnen und Kollegen aufgeführt sind, welche sich den Qualitätskriterien und Leitlinien der Honorarberatung unterworfen haben.

Politischer Ritterschlag 2009

Im Jahr 2009 kam es dann zum gleichsam politischen Ritterschlag des VDH, der als Berater in das Bundesverbraucherschutzministerium eingeladen wurde. Dort hatte man nämlich kurz zuvor die "Qualitätsoffensive Verbraucherfinanzen" gestartet, die in einen 10-Punkte-Plan des Ministeriums mündete. Und dieser Plan wurde maßgeblich beeinflusst durch ein vom VDH erarbeitetes Thesenpapier.

Im gleichen Jahr wurde das "Netto-Prinzip VDH" präsentiert. Dieses, markenrechtlich geschützt, galt seinerzeit und gilt bis heute als revolutionär in der Finanz- und Vorsorgeberatung. Dahinter stecken letztlich Produktlösungen ohne Rendite mindernde, versteckte Kosten. Stattdessen mit nur einem einzigen transparenten Beraterhonorar.

In den vergangenen fünf Jahren ging es dann Schlag auf Schlag. Nicht mehr nur in eher kleineren, sondern immer größeren Schritten ist der VDH dem Ziel, die Honorarberatung in Deutschland fest zu etablieren, nähergekommen. Etwa dank der VDH-Qualifizierungsoffensive mit dem Angebot zum "Geprüften Honorarberater (IFH)" und dem Universitäts-Lehrgang zum "Certified Fee Based Financial Advisor" (CFBFA, Steinbeis).

Fast ein Paukenschlag in der hiesigen Finanzdienstleistungsbranche war die Plattform "Transparenz-Manager invest". Erstmals erfuhren Anleger und auch die Medien auf der VDH-Webseite die Kickbacksätze zu mehr als 10 000 Investmentfonds.

Man könnte meinen, dass es seit dem 1. August des Jahres 2014, als das "Honorar-Anlageberatergesetz" mit den Berufsbildern "Honorar-Finanzanlageberater" sowie "Honorar-Anlageberater" in Kraft trat, für den VDH nichts mehr zu tun gibt. Sicher ein Irrtum. Denn einiges, ja vieles ist noch zu erledigen. Frei nach Erich Kästner, wonach das Bessere des Guten Feind ist.

Honorar-Anlageberatergesetz lässt Wünsche offen

Es konnte zwar erreicht werden, dass die honorarbasierte Finanzberatung gesetzlich normiert wurde, allerdings mit einem Ergebnis, mit dem man sich aus Sicht des VDH nicht zufriedengeben kann.

- Erstens wurde nur das Segment der Anlageberatung geregelt

- und zweitens sind Honorare steuerlich gegenüber Provisionen immer noch benachteiligt.

Es gilt deswegen am Ball zu bleiben und die Forderungen des VDH an die Politik weiterhin deutlich zu machen.

Forderungen an die Politik

Einerseits wurden zwar das Berufsbild des "Honorar-Finanzanlageberaters" in der Gewerbeordnung und des "Honorar-Anlageberaters" im KWG normiert. Andererseits aber darf sich weiterhin jeder auf Provisionsbasis tätige Berater unbehelligt Honorarberater nennen.

Hinzu kommt, dass ein im Anlagebereich als Honorar-Finanzanlageberater tätiger Berater bei Versicherungen immer noch auf Provisionsbasis vermitteln kann. Das ist für Verbraucher eine verwirrende und kaum durchschaubare Situation.

Steuerliche Gleichstellung von Beratungshonoraren

Wir fordern daher ein Ende dieser Begriffsakrobatik und die Ausweitung des Bezeichnungsschutzes hin zu einer Bezeichnungspflicht für Vermittler auf Provisionsbasis und Berater auf Honorarbasis. Zusätzlich muss die gesetzliche Definition der Honorarberatung über alle Bereiche der Finanzberatung ausgeweitet werden.

Der Gesetzgeber verfolgte mit dem Honorar-Anlageberatergesetz das Ziel, die provisions- und produktunabhängige Beratung als Alternative zum herkömmlichen Produktverkauf zu stärken. Gleichzeitig sind Provisionen für den Anleger steuerlich begünstigt. Daher muss auch auf diesem Feld eine Nachbesserung durch die steuerliche Gleichstellung von Beratungshonoraren erfolgen.

Dies sind nur einige Beispiele dafür, dass es - trotz aller Erfolge in den vergangenen 15 Jahren - noch etliches zu tun gibt. Zum Glück sind die Bretter, die wir jetzt bohren müssen, deutlich dünner ...

Zum Autor

Dieter Rauch, Geschäftsführer, Verbund Deutscher Honorarberater GmbH, Amberg

15 Jahre VDH im Überblick

2000 wird der VDH GmbH Verbund Deutscher Honorarberater gegründet. Wenige Monate später der operative Start durch die Anbindung der ersten 30 Honorarberater.2001 erfolgt die Definition des heute noch gültigen "Was ist ein Honorartarif". Diese Leitlinie ist heute die Blaupause für Honorartarife im Versicherungssegment.2007 baut der VDH das erste reinrassige Honorarberater-Haftungsdach auf und formuliert unter der Bezeichnung "Tegernseer-Beschlüsse" die Leitlinien der Honorarberatung. Außerdem wird das Register für Honorarberater (VDH) eingeführt.2009 startet das BMELV unter Führung von Ministerin Aigner die "Qualitätsoffensive Verbraucherfinanzen". Das vom VDH erarbeitete Thesenpapier fließt in wichtigen Punkten im 10-Punkte-Plan des Ministeriums weitreichend ein.2010 wird die Qualifizierung mit dem erstmaligen Angebot zum "Geprüften Honorarberater (IFH)" und dem Universitäts-Zertifikatslehrgang zum "Certified Fee Based Financial Advisor" (CFBFA, Steinbeis) institutionalisiert.2012 startet der VDH die Plattform "Transparenz-Manager invest" und veröffentlicht auf seiner Webseite Kickbacksätze zu mehr als 10 000 Investmentfonds.Am 1. August 2014 tritt das Honorar-Anlageberatergesetz in Kraft. Das Berufsbild "Honorar-Finanzanlageberater" und "Honorar-Anlageberater" wird in vielen Punkten nach den VDH-Leitlinien definiert.

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