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Vergütungssysteme und MiFID: bisher kein Paradigmenwechsel

Seit 1. November 2007 sind die Bestimmungen der "Markets in Financial Instruments Directive" (MiFID) in Österreich gesetzlich verankert. Doch wird es, wie im Vorfeld von MiFID behauptet, durch die strengen Offenlegungsbestimmungen tatsächlich zu einem Trend weg von der "kostenlosen" Provisionsberatung kommen oder gab es, wie von den Autoren der Studie "Finanzberatung in Österreich 2004" gefordert, ohnehin bereits in den letzten vier Jahren einen Paradigmenwechsel in Richtung Professionalisierung der Branche durch unabhängige Honorarberatung?

Eine empirische Erhebung1) im Rahmen der Publikation "Finanzberatung in Österreich" im Jahr 2004 unter Kreditinstituten, Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Vermögensberatern (heute gewerbliche Vermögensberater) sowie Versicherungsmaklern kam zum Ergebnis, dass Honorarberatung in der Privatkundenberatung nur marginal stattfindet. Die Autoren stellten bereits damals die Frage nach der Art der Leistungsvergütung im Lichte der Professionalität der angebotenen Beratung, da nur Honorarberatung weitestgehende Unabhängigkeit bei der Produktauswahl sicherstelle.2)

Keine Trendwende zur Honorarberatung erkennbar

Doch für alle Befürworter dieser Form der Leistungsvergütung waren die Ergebnisse ernüchternd. Fast 62 Prozent der oben angeführten Anbieter finanzierten sich ausschließlich über Provisionen, weitere knapp 36 Prozent über eine Mischform von Provision und Honorar und lediglich 2,6 Prozent boten die unabhängige Honorarberatung an. Obwohl bei einem Kundengespräch 65 Prozent des Zeitaufwands auf die Beratung entfielen und lediglich rund ein Drittel auf den Vertrieb von Produkten3), boten nur etwa drei Prozent der Berater eine im Sinne des Kunden unabhängige und transparente Beratung an. Grund genug für eine neue Bestandsaufnahme.

Die aktuelle Erhebung 2007/2008 unter Kreditinstituten, Leasinggesellschaften, Wertpapierdienstleistern, gewerblichen Vermögensberatern sowie Versicherungsunternehmen (n=265) ergibt im Privatkundenbereich mit rund 77 Prozent weiterhin eine Dominanz der reinen Provisionsvergütung (gegenüber 2004 ist das ein Plus von rund 15 Prozentpunkten), die reine Honorarberatung verliert sogar knapp einen Prozentpunkt und liegt mit rund zwei Prozent nach wie vor abgeschlagen an letzter Stelle. Der Rest, rund 21 Prozent, finanziert sich aktuell über eine Mischform aus Provision und Honorar. Anzumerken ist, dass in der aktuellen Studie auch Leasinggesellschaften berücksichtigt werden, da der aktuellen Erhebung zufolge 74 Prozent dieser Anbieter auch Privatkunden zu ihrer Klientel zählen.

Werden die einzelnen Anbieter getrennt von einander untersucht, so können keine großen Streuungen erkannt werden. Der Anteil der reinen Provisionsvergütung bewegt sich zwischen 74 Prozent bei den befragten Kreditinstituten und 82 Prozent bei den befragten Wertpapierdienstleistern. Werden aus Vergleichbarkeitsgründen wiederum Leasinggesellschaften von der aktuellen Untersuchung ausgenommen, so kommt es dadurch lediglich zu marginalen Veränderungen.

Angesichts dieser Ergebnisse kann die geforderte Trendwende in Richtung Professionalisierung der Branche durch die unabhängige Honorarberatung im Privatkundenbereich eindeutig nicht erkannt werden, zumal die reine Provisionsvergütung stark im Steigen begriffen ist - für alle Befürworter der unabhängigen und professionellen Beratung eine äußerst negative Entwicklung.

Auffallend ist die Tatsache, dass nur zwei an der Umfrage teilnehmende gewerbliche Vermögensberater - das entspricht lediglich einem Prozent - reine Honorarberatung durchführen und das vor dem Hintergrund, dass sich einer Studie des Linzer Market Instituts im Jahr 2007 zufolge rund 20 Prozent der Kunden vorstellen können, für eine objektive und somit qualitativ hochwertige Beratung ein entsprechendes Honorar zu zahlen.4)

In der Vergangenheit wurden zwar sämtliche Kostenbestandteile in Zeichnungsprospekten und Fondsdatenblättern angeführt, auf die Gesamtkosten wurde jedoch kaum ein Anleger explizit hingewiesen, obwohl sich auf den ersten Blick überschaubare Kostenblöcke im Laufe der Zeit zu "wahren Renditekillern" entwickeln können.5) Auf diese Informationslücke hat die Europäische Kommission entsprechend reagiert. Gemäß der Rahmenrichtlinie sind Kunden und potenzielle Kunden in verständlicher Weise über die Kosten und Nebenkosten zu informieren.

Diese Regelung gilt sowohl für Privatkunden als auch für professionelle Kunden und wurde im § 40 Abs. 1 Z 4 WAG 20076) umgesetzt. So ist unter anderem der Gesamtpreis, den der Kunde im Zusammenhang mit dem Finanzinstrument, der Wertpapierdienstleistung oder der Nebendienstleistung zu zahlen hat, einschließlich aller damit verbundenen Gebühren, Provisionen, Entgelte und Auslagen anzugeben.

Europäischer Gesetzgeber: Provisionsberatung ist problembehaftet

Das Erbringen von Wertpapierdienstleistungen ist stets mit der Frage verknüpft, welcher Art die Vergütung eines Beraters sein soll7). Einige Autoren vertreten sogar die Meinung, dass Entlohnungssysteme auf Provisionsbasis stets im Widerspruch zu einer objektiven Wertpapierberatung stehen. Verbraucherschützer befürworteten die Intentionen der MiFID, gehöre doch damit das verdeckte Provisionsgeschäft endlich der Vergangenheit an.8)

Auch der europäische Gesetzgeber scheint erkannt zu haben, dass Beratung auf Provisionsbasis durchaus problembehaftet sein kann. Die Durchführungsrichtlinie regelt daher, dass eine Wertpapierfirma nicht ehrlich, redlich und professionell im bestmöglichen Interesse eines Kunden handelt, wenn sie im Zusammenhang mit der Erbringung der Wertpapierdienstleistung und Nebendienstleistung eine Gebühr oder Provision zahlt oder erhält.

Generelles Verbot von Anreizversprechen kennt viele Ausnahmen

Durch das Anbieten oder Annehmen von Anreizversprechen darf somit kein Nachteil für den Kunden entstehen. Umgesetzt wurden diese europarechtlichen Bestimmungen bezüglich Anreize im § 39 WAG 2007. Welche Auswirkungen hat dieses grundsätzliche Verbot der Gewährung und Annahme von Vorteilen auf Bestandsprovisionen beziehungsweise Ausgabeaufschläge? Die Durchführungsrichtlinie durchbricht durch eine Reihe von Ausnahmen das generelle Verbot von Anreizversprechen.9) Diese Ausnahmeregelungen wurden im § 39 Abs. 3 WAG 2007 umgesetzt. Erstens sind Vorteile erlaubt, wenn diese dem Kunden selbst oder einer in seinem Auftrag handelnden Person oder von diesen gewährt werden. Vorteile sind aber auch dann erlaubt, wenn sie einem Dritten oder einer in seinem Auftrag handelnden Person oder von diesen Personen gewährt werden und vor Erbringung der Dienstleistung eine umfassende, zutreffende, verständliche Offenlegung dem Kunden gegenüber bezüglich der Existenz, der Art und des Betrages erfolgt.

Des Weiteren muss der Vorteil darauf ausgerichtet sein, die erbrachte Dienstleistung zu verbessern, auch darf der Vorteil den Rechtsträger nicht behindern, pflichtgemäß im besten Interesse des Kunden zu handeln. Drittens sind Vorteile auch dann rechtmäßig, wenn sie die Erbringung der Dienstleistung erst ermöglichen be ziehungsweise dafür erforderlich sind (Verwahrungsgebühren, Abwicklungs- und Handelsplatzgebühren, Verwaltungsgebühren, gesetzliche Gebühren) und ihrer Natur nach keine Konflikte hervorrufen können, im besten Interesse des Kunden zu handeln.

Durch diese Ausnahmeregelungen ist auch weiterhin die Provisionsvergütung (Ausgabeaufschläge, Bestandsprovisionen) zulässig. Die neue Kostentransparenz verlangt jedoch, dass die vom Berater in Rechnung gestellten Provisionen in jedem Fall gesondert anzuführen sind.

Paradigmenwechsel im Vertrieb benötigt Zeit

Der Hoffnung zahlreicher Autoren im Vorfeld von MiFID, dass durch das Inkrafttreten der Bestimmungen der neuen Wertpapierdienstleistungsrichtlinie das Modell der Honorarberatung künftig gestärkt und somit eine von Provisionsinteressen getriebene Beratung eingedämmt werden könne10), widmete sich der zweite Teil der Studie. Zwar überwiegt zum Zeitpunkt der Befragung nach wie vor die reine Provisionsvergütung (siehe oben), dennoch ist in vielen der befragten Beratungsunternehmen durch MiFID bereits ein Umdenken eingetreten.

Dass ein derartiger Paradigmenwechsel ausreichend Zeit, vielleicht sogar Jahre, brauchen wird - man denke nur an die eingefahrenen Vertriebssysteme - und sich nicht sofort durch einen prozentuellen Anstieg der Honorarberatung niederschlägt, steht außer Frage. Die Frage, ob es angesichts der strengen Kosten- beziehungsweise Provisionstransparenz durch MiFID bereits eine sich abzeichnende Tendenz in Richtung Honorarberatung im Unternehmen gibt, bejahen jedoch bereits 22 Prozent der befragen Kreditinstitute, Wertpapierdienstleister, gewerblichen Vermögensberater und Versicherungsunternehmen (n=272) - und das nur wenige Monate nach Inkrafttreten der MiFID.

Der Studie zufolge sehen sich bereits rund 22 Prozent der an der Umfrage teilnehmenden gewerblichen Vermögensberater "gezwungen", die Entlohnung in Zukunft auf Honorarbasis umzustellen. Interessanterweise gab es nur bei etwa 13 Prozent der befragten Kreditinstitute diese Notwendigkeit, womit sie in diesem Bereich auch den letzten Platz einnehmen.

Vor allem Versicherer sehen Bedarf

Knapp jedes dritte befragte Versicherungsunternehmen hingegen gibt an, künftig die Honorarberatung zu stärken. Als Gründe werden, wenig überraschend, die immer umfangreicheren und komplexeren Offenlegungsvorschriften genannt. Durch die damit einhergehende Transparenz bezüglich Provisionen wissen die Kunden jetzt exakt, wie viel sie die Beratungsleistung tatsächlich kostet, und fragen seit geraumer Zeit verstärkt Honorarberatung nach. Die zentrale Aussage der Erhebung des Linzer Market Instituts im Jahre 2007 unter gewerblichen Vermögensberatern kann somit wohl auf die gesamte Finanzberatungsbranche umgelegt werden.

Die Leistungsvergütung im Privatkundenbereich erfolgt nach wie vor zu mehr als zwei Dritteln ausschließlich über Provisionen. Die einleitend gestellte Frage nach einem Paradigmenwechsel in den letzen Jahren muss verneint werden. Hoffnung vermag die Studie jedoch bezüglich eines künftigen positiven Trends in Richtung Honorarberatung zu geben. Immerhin sieht bereits einige Monate nach Inkrafttreten der Bestimmungen der neuen Wertpapierdienstleistungsrichtlinie jedes fünfte Unternehmen die Notwendigkeit, sich künftig stärker über reine Honorarberatung zu finanzieren. Der Autor wird die weitere Entwicklung im Auge behalten und hofft auf eine zunehmende Professionalisierung der Branche auch im Bereich der Leistungsvergütung, wie sie beispielsweise bereits in der Qualifikation und Weiterbildung erfolgreich umgesetzt wurde.

Fußnoten

Vgl. Lucius/Hofstädter/Kirschner 2004, S. 79ff. Vgl. ebenda, S. 99f.

Vgl. Lucius/Hofstädter 2005, S. 40.

Vgl. Presse Text Austria 2007, http://www.pressetext.at/pte.

mc?pte=070704009, Stand vom: 30. November 2007.

Vgl. Althof 2007, S. 114.

Wertpapieraufsichtsgesetz 2007 (WAG 2007) (BGBl I 2007/60).

Vgl. Breiting 2008, S. 36. Vgl. Trittin 2008, S. 39.

Vgl. Brandl/Klausberger 2008, S. 278. Vgl. Kleine 2007, S. 36.

Literaturverzeichnis

Althof, J. (2007): MiFID. Die neue Offenheit. In: Euro-Finanzen, Nr. 11/2007, Seiten 114-117.

Brandl, E./Klausberger, P. (2008): 6. Abschnitt: Information für Kunden. In: Brandl, E./Saria, G. (Hrsg.): WAG Wertpapieraufsichtsgesetz. Kommentar. Springer-Verlag, Wien, 2008, Seiten 285-304.

Brandl, E./Saria, G. (Hrsg.) (2008): WAG Wertpapieraufsichtsgesetz. Kommentar. Springer-Verlag, Wien.

Breiting, F. (2008): Vermittlungsprovision: ein Reizthema. In: bank und markt, Heft 1/Januar 2008, Seiten 36-38.

Kleine, D. (2007): MiFID aus Sicht des Verbraucherschutzes: Defizite bei nationaler Umsetzung. In: bank und markt, Heft 1/Januar 2007, Seiten 36-38.

Lucius, O./Hofstädter, A. (2005): Finanzberatung in Österreich: Versuch der Professionalisierung. In: bank und markt, Heft 1/Januar 2005, Seiten 38-40.

Lucius, O./Hofstädter, A./Kirschner, S. (2004): Finanzberatung in Österreich. Bank Verlag Wien, Wien.

Pressetext Austria (2007): Image der Finanzdienstleister in Österreich. Finanzdienstleister punkten durch unabhängige Beratung und fachliche Kompetenz. 4. Juli 2007, URL: http://www.pressetext.at/ pte.mc?pte=070704009, Stand vom: 30. November 2007.

Trittin, U. (2008): Provisionen und Offenlegungspflichten: ein Widerspruch? In: bank und markt, Heft 1/Januar 2008, Seiten 39-40.

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