Konsumentenkredit

Kredit mit Verantwortung - in Deutschland und Europa

"Vergeben Sie Kredite verantwortungsvoll?" Diese Frage dürfte wohl jedes Kreditinstitut mit "Ja" beantworten. Interessant wird es bei der Nachfrage, wie sich eine verantwortungsvolle Kreditvergabe manifestiert. Nur wenige Institute dürften dann eine konkrete Antwort parat haben. Die 55 im Bankenfachverband organisierten Kreditbanken haben sich daher darauf verständigt, eine verantwortungsvolle Vergabe von Verbraucherkrediten in einem Zehn-Punkte-Kodex festzuschreiben und mittels klar definierter Maßnahmen zu untermauern. Der Verband hat ihn zum 11. Juni 2010 in Kraft gesetzt - zeitgleich mit dem Inkrafttreten des neuen Verbraucherkreditrechts. Der Kodex geht dabei über die gesetzlichen Vorgaben hinaus.

Vertrauen wiedergewinnen

Noch vor zehn Jahren wäre die Frage nach Verantwortung beim Kredit nicht mit demselben Nachdruck gestellt worden, wie dies heute der Fall ist. Infolge der Finanzkrise werden sich Kreditinstitute allerorts noch manch anderen Fragen stellen müssen, und dies zu Recht. Denn nur im offenen Dialog können Banken dazu beitragen, dass die Verbraucher wieder Vertrauen finden. Auch wenn die Finanzkrise nur durch einige wenige Banken ausgelöst wurde, mit dem entstandenen Imageschaden müssen alle Banken umgehen und Stück für Stück das verloren gegangene Vertrauen wiederherstellen.

Eine Bank vergibt schon aus Eigeninteresse Kredite mit einem Höchstmaß an Verantwortung. Schließlich muss sie für jeden ausgefallenen Kredit rund 100 Kredite erfolgreich abschließen, um allein den Ausfall zu kompensieren. Daher kann eine Bank kein Interesse daran haben, Geld zu verleihen, wenn sie von vornherein weiß, dass eine Rückzahlung nicht möglich ist. Diese Argumentation hat nach wie vor ihre Gültigkeit. Sie reicht allerdings nicht aus, um eine verantwortungsvolle Kreditvergabe glaubhaft zu dokumentieren. Der Verbandskodex leistet dies besser und gibt dem Verbraucher eine transparente Übersicht über seine Rechte.

Über das Gesetz hinaus

Der Kodex enthält eine Reihe verbraucherfreundlicher Regelungen, die in keinem Gesetz stehen, wie etwa der verständnisvolle Umgang mit Zahlungsproblemen. So haben sich die Kreditbanken dazu verpflichtet, bei Anzeichen von Rückzahlungsschwierigkeiten auf den Kunden zuzugehen, um eine Lösung für die Rückführung der ausstehenden Raten zu finden.

Darüber hinaus sind auch eine gelebte soziale Verantwortung und Beiträge zur finanziellen Allgemeinbildung freiwillige Aktivitäten und Leistungen, welche nicht gesetzlich geregelt sind, sondern aus eigenen Stücken erbracht werden. Hier sind die Kreditbanken in vielfacher Weise aktiv, von der Ausbildung junger Menschen über die Unterstützung sozialer Projekte bis hin zum Sponsoring von Sport und Kultur. Im Internet stellen sie Informationen zu Finanzthemen bereit, nehmen Dozententätigkeiten wahr, oder sie engagieren sich in Schulprojekten, um bereits bei den Schülern einen verantwortungsvollen Umgang mit den eigenen Finanzen zu fördern. In anderen Ländern bereits existent Der Gedanke, eine verantwortungsvolle Kreditvergabe in einem Kodex festzuschreiben, ist nicht neu. Einige andere EU-Länder verfügen bereits über freiwillige Kodizes; dies ist zum Beispiel in Großbritannien, Irland, Finnland, den Niederlanden, Polen und Italien der Fall.

Die gesetzlichen Grundlagen für mehr Verbraucherschutz lassen allerdings in den meisten Ländern länger auf sich warten als in Deutschland. Die Bundesrepublik ist eines der wenigen EU-Länder, welches die zugrunde liegende Verbraucherkreditrichtlinie fristgerecht zum 11. Juni 2010 umgesetzt hat. Großbritannien wird sie voraussichtlich erst 2012 implementieren. Weitere Länder wie Frankreich, Belgien oder Griechenland haben ebenfalls eine Verlängerung der Umsetzungsfristen erwirkt.

Regulierungsvorhaben der EU

Im Kontext der verantwortungsvollen Kreditvergabe wird auf EU-Ebene eine Reihe weiterer Regulierungsvorhaben diskutiert. Hierbei handelt es sich um Themen, welche die bis November 2009 amtierende EU-Kommission in den letzten Jahren als Einzelprojekte in Angriff genommen hatte, mit denen sie sich aber nicht oder nicht vollständig durchsetzen konnte. Durch Einbeziehung in den Gesamtzusammenhang der verantwortungsvollen Kreditvergabe greift die neue EU-Kommission diese Themen nunmehr wieder auf.

Neben einer verantwortungsvollen Kreditvergabe und -aufnahme befasst sich die EU im Kontext Verbraucherkredit mit den Themen Werbung und Marketing, Standardisierung und Zertifizierung der Kreditprodukte, Kreditvermittlung, Zinsobergrenzen sowie Zugang zu Kreditinformationen. Diese Regulierungsvorhaben sollen im Folgenden kurz umrissen und abschließend kommentiert werden.

Beim Thema Werbung stellt die EU-Kommission vor allem wettbewerbsrechtliche Aspekte in den Vordergrund. Ihr Ziel ist es, dass Werbung und Marketing fair und nicht irreführend sein sowie keinen Druck auf den Verbraucher ausüben sollen. Werbung soll mit angemessenen Finanzierungszielen arbeiten und keine irrationalen Konsumerwartungen fördern.

Als Beispiele für Werbe- und Marketingmaßnahmen, die gegen diese Grundsätze verstoßen und möglicherweise untersagt werden sollen, sieht die EU unter anderem

Null-Prozent-Finanzierungen,

Kredite mit Zahlungsaufschub nach dem Prinzip "Kaufe jetzt - Zahle später"

sowie Werbung, die den Kunden zu Kredit "überredet", und Werbung für Umschuldungen.

Auch das Cross-Selling - in allen anderen Wirtschaftsbereichen ein gängiges Prinzip - ist der EU-Kommission ein Dorn im Auge.

Standardisierung der Kreditvergabe Der Kommission schwebt vor, den Verkauf riskanter und für den Verbraucher nachteiliger beziehungsweise ungeeigneter Produkte durch Standardisierung und Zertifizierung der Kreditprodukte zu unterbinden. Dazu soll eine überschaubare Anzahl standardisierter Kreditprodukte entwickelt und eingeführt werden. Im selben Zuge will die EU aus ihrer Sicht ungeeignete Kreditprodukte zum Beispiel Revolving Credit, Produkte des Subprime-Lending-Segments, SMS-Kredite, kreditfinanzierte Geldanlagen identifizieren. Die Kreditprodukte sollen ferner nach ihren Risiken klassifiziert und schließlich auch zertifiziert werden.

Eine verantwortungsvolle Vergabe von Verbraucherkrediten soll sich nach dem Ansinnen der EU darin dokumentieren, dass eine umfassende Kreditwürdigkeitsprüfung anhand vorgegebener Richtlinien und bonitätsrelevanter Kriterien als Kreditentscheidungsgrundlage erfolgt. Zu diesem Zweck sollen Leitlinien entwickelt werden, anhand derer Banken die Kreditwürdigkeit des Verbrauchers bewerten und überprüfen müssen, zum Beispiel festgelegte Scoring-Modelle auf einer definierten Datenbasis. Die Banken müssten sich dann einer fortlaufenden Qualitätskontrolle unterziehen und hätten eine Dokumentations- beziehungsweise Nachweispflicht über ordnungsgemäße Systeme.

Risikolenkung des Verbrauchers

Die EU plant ferner, eine Risikolenkung des Verbrauchers einzuführen, damit dieser besser einschätzen kann, welches Kreditprodukt seinen Bedürfnissen entspricht. Dazu sollen Risikoleitlinien entwickelt werden, die den Verbraucher warnend auf diejenigen Risiken hinweisen, die mit dem Kredit verbunden sind. Mögliche Inhalte sind Informationen bezüglich aller mit dem Kredit zusammenhängenden Risiken, der Sinnhaftigkeit der Kreditaufnahme sowie der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit des Kredits hinsichtlich des Verwendungszwecks und der Kredithöhe.

Der EU-Kommission schwebt eine umfassende und objektive Beratung des Verbrauchers zum Ob und Wie des Kreditvertrages anhand vorgegebener Standards vor. Dazu könnte eine obligatorische Beratung in Abgrenzung zu bloßer vorvertraglicher Information und Erläuterung Pflicht werden.

Zu den neuen Beratungsstandards würden dann ein Beratungsprotokoll genauso zählen wie bestimmte Haftungsregelungen für unterlassene und/oder fehlerhafte Beratung. Zweck ist die Stärkung der anbieter- und produktunabhängigen Beratung.

Stärkere Eigenverantwortung des Kreditnehmers

Die EU plant, die Eigenverantwortung des Verbrauchers bei der Kreditaufnahme zu stärken und eine bewusste Kreditentscheidung zu fördern. Dazu sollen gewisse Mitwirkungs- und Offenlegungspflichten des Verbrauchers in Bezug auf die wesentlichen Umstände zur Beurteilung seiner Kreditwürdigkeit eingeführt werden.

Auch die finanzielle Erziehung beziehungsweise Bildung des Verbrauchers soll gestärkt werden durch die Entwicklung und Etablierung von Standards in Zusammenarbeit mit Verbraucherschutzorganisat ionen. Ein weiterer Fokus liegt auf der Stärkung der anbieter- und produktunabhängigen Beratung. Dies ist die eine Seite.

Auf der anderen Seite favorisiert die EU-Kommission die vollständige Verlagerung der Verantwortlichkeit für die Kreditaufnahme auf die Bank. Dazu soll die Bank das für den Verbraucher geeignete Kreditprodukt (zum Beispiel in Bezug auf Höchstkreditsumme, Laufzeit, Verwendungszweck) auswählen. Gibt es kein geeignetes Produkt, soll hieraus gegebenenfalls ein Kreditvergabeverbot folgen.

Einheitlicher Rechtsrahmen für die Kreditvermittlung

Geplant ist ferner, zur Vermittlung von Krediten EU-weit einheitliche rechtliche Rahmenbedingungen zu etablieren. Hierbei sollen die Versicherungsvermittlungsrichtlinie und die Finanzmarktrichtlinie als Blaupausen dienen.

Ein einheitlicher Rechtsrahmen könnte durch eine klare Definition und rechtliche Einordnung der Kreditvermittler erreicht werden sowie durch eine Differenzierung zwischen unterschiedlichen Vermittlertypen und eine Beschreibung der Rolle, Aufgaben und Pflichtverletzungen der Kreditvermittler. Diese Maßnahmen sollen ergänzt werden durch gewisse Berufszulassungs- sowie Berufsausübungsregeln.

Die EU beabsichtigt, Wucherzinsen zu verhindern und eine einheitliche Zinsobergrenzen in der EU etablieren. Dies soll durch die Entwicklung und Einführung gesetzlicher Zinsobergrenzen geschehen. Während in Deutschland ein Kredit noch als marktüblich angesehen wird, wenn er das Doppelte des Marktdurchschnitts nicht übersteigt, gibt es beispielsweise in Großbritannien keine Zinsobergrenzen. Die EU hat 2010 eine Studie zu den bereits existierenden Zinsobergrenzen (Gesetz oder Rechtsprechung) sowie zur Notwendigkeit und Ausgestaltung von Zinsobergrenzen durchführen lassen.

Regulierung mit Augenmaß und Praxisbezug

Über das Thema der verantwortungsvollen Kreditvergabe hinaus hat die EU-Kommission für 2010 weitere Regulierungsvorhaben angekündigt, die sich auf die Bankpraxis auswirken werden. Novelliert werden sollen beispielsweise die EU-Datenschutzrichtlinie sowie die EU-Versicherungsvermittlungsrichtlinie.

Es liegt in der Natur des Verbraucherschutzes, dass er sich niemals mit den erreichten Standards zufrieden geben darf, sondern weiter für Verbesserungen im Sinne des Verbrauchers kämpfen muss, auf nationaler und auf europäischer Ebene. Ob die konkreten Ergebnisse der ambitionierten Brüsseler Vorhaben, die sich in den Gesetzen der einzelnen EU-Länder niederschlagen, tatsächlich dem Verbraucher dienen, ist oft fraglich. So war eines der Ergebnisse der Verbraucherkreditrichtlinie ein Formular mit den "Europäischen Stan-dard-Informationen für Verbraucherkredite", welches bis zu fünf Seiten umfassen kann. Dass mit diesem Formular, das zum Teil dieselben Informationen enthalten muss wie der Kreditvertrag, dem Verbraucher nicht unbedingt gedient ist, haben inzwischen auch schon Vertreter des Verbraucherschutzes bemerkt.

Bei jeder kommenden Regulierung sollte die EU-Kommission also immer die tatsächlichen Bedürfnisse des Verbrauchers berücksichtigen und ihn dabei als mündigen Verbraucher betrachten und ernst nehmen.

Wettbewerb nicht einschränken

Die Brüsseler Regulierungen gehen leider häufig nicht nur an der Realität der Ver braucherbedürfnisse vorbei, sondern auch an der Geschäftspraxis der Wirtschaftsunternehmen. Das Kreditgeschäft derart zu erschweren, wie es die EU-Kommission plant, ist in hohem Maße kontraproduktiv. Kredit war, ist und bleibt ein volkswirtschaftlich absolut notwendiges Mittel, um einerseits die Wirtschaft und Konjunktur anzukurbeln und um andererseits Verbrauchern die Anschaffung von Konsumgütern zu ermöglichen. Eine Gleichschaltung von Kreditprodukten und -prozessen, wie sie der EU-Kommission vorschwebt, würde letztlich zu einer massiven Einschränkung des Wettbewerbs führen. Das kann nicht im Sinne eines funktionierenden Marktes auf nationaler Ebene und schon gar nicht auf EU-Ebene sein. Insbesondere dort, wo die Industrie alles daran setzt, die sich verändernden Verbraucherbedürfnisse - zum Beispiel nach flexiblen Tilgungsmöglichkeiten - zu er füllen, dürfen ihr nicht die Hände gebunden werden; sie sollte vielmehr in ihrem Handeln bekräftigt werden.

Daher ist es wichtig, dass sich die EU bei jeder aktuellen und kommenden Regulierung immer der Konsequenzen ihres Handels bewusst ist und ihre Regeln mit Augenmaß und Praxisbezug definiert. Nur so kann sich ein funktionierender europäischer Binnenmarkt entwickeln und nur auf diese Weise ist den Europäern, Verbrauchern wie Unternehmen, tatsächlich gedient.

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