Verbraucherschutz

Verbraucherkreditrichtlinie Das Ende des Dispositionskredits?

Die EU-Kommission strebt mit ihrer "Verbraucherpolitischen Strategie" für die Jahre 2007 bis 2013 Verbesserungen unter anderem in den Punkten Preis und Wahlmöglichkeiten an. Grundlage dafür ist die Einschätzung, dass das Wohl der Verbraucher zu den Kernelementen gut funktionierender Märkte zählt. Nach dem erklärten Willen der EU-Kommission soll die Kreditwirtschaft durch die Novellierung der Verbraucherkreditrichtlinie von 1987 nicht unnötig belastet und gleichwohl ein möglichst hohes Verbraucherschutzniveau gewährleistet werden. Ob die Novelle diese Ziele tatsächlich erfüllt, erscheint mit Blick auf den Dispositionskredit fraglich.

Bisher vereinfachte Formalitäten für den Dispokredit

Der Ende der sechziger Jahre von den privaten Banken initiierte und damals in dieser Form grundsätzlich neu eingeführte Überziehungs- beziehungsweise Dispositionskredit ist aus dem Alltag schwer wegzudenken. Die Vorteile: Der Kunde kann sein Konto im Rahmen des ihm von der Bank eingeräumten Umfanges ohne vorherige Absprache kurzfristig überziehen und somit auf unvorhergesehene Ausgaben flexibel reagieren. Für den Verbraucher entstehen keine weiteren Kosten außer den Zinsen in Höhe des tatsächlich beanspruchten Kreditbetrages.

Der deutsche Gesetzgeber wollte dieses - von den Kunden von Anfang an geschätzte - Angebot ganz bewusst nicht durch unnötige Formalien einschränken, zumal diese im Einzelfall mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden gewesen wären. Daher muss eine Bank bei der Vergabe eines Dispositionskredits nach geltendem Recht auch nicht die für Verbraucherdarlehensverträge vorgesehenen strengen Formvorschriften des Paragrafen 492 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) anwenden. Hiernach muss der schriftliche Vertrag gewisse Mindestbestandteile beinhalten.

Stattdessen sind speziell auf den Dispositionskredit zugeschnittene Informationspflichten gemäß Paragraf 493 BGB zu beachten. Hier greifen vereinfachte Vorgaben. Zum Beispiel muss eine Bank den Kunden vor der ersten Inanspruchnahme eines Dispositionskredits über die Höchstgrenze des Darlehens und durch den Preisaushang über den zu diesem Zeitpunkt geltenden nominellen Jahreszins unterrichten. Über Änderungen der Zinshöhe während der Inanspruchnahme des Kredits kann über den Kontoauszug informiert werden. Doch mit dieser unbürokratischen Vergabe von Dispositionskrediten wird es mit der neuen EU-Verbraucherkreditrichtlinie bald vorbei sein. Anfang April diesen Jahres haben Rat und Europäisches Parlament endgültig die Novellierung der Richtlinie beschlossen.

Durch Korrekturen des Europäischen Parlaments wurde der von der EU-Kommission unterbreitete Richtlinien-Vorschlag zwar in einigen Punkten verändert. Doch fällt der Dispositionskredit künftig generell unter die Regelungen der Verbraucherkreditrichtlinie und ist damit umfangreichen Formalien unterworfen.

Verbraucherschutz nicht immer zum Wohle der Kunden

Zukünftig gelten für das Produkt detaillierte vorvertragliche Informationspflichten, so zum Beispiel über die Art des Kredits, die Identität und Anschrift des Kreditgebers, den Gesamtkreditbetrag, die Laufzeit des Kreditvertrages, den Sollzinssatz sowie Bedingungen und Verfahren zur Beendigung des Kreditvertrages. Dies alles bedeutet für die Kreditinstitute mehr Bürokratie und steht in der Regel nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zur kurzfristigen Inanspruchnahme des Dispositionskredits. Zudem ist zu befürchten, dass diese neuen Formalien zu einer Verteuerung dieser Kreditart führen.

Die Neufassung der Verbraucherkreditrichtlinie ist ein trauriges Beispiel dafür, dass gut gemeinter Verbraucherschutz in der Praxis nicht immer zum Wohl des Verbrauchers ist. Bei absehbar höheren Kosten ist gleichzeitig kein Zusatznutzen zu erwarten. Zu wünschen wäre jedenfalls, dass durch die jetzt erfolgte Novellierung wenigstens die Integration des europäischen Verbraucherkreditmarktes vorangetrieben wird. So würden Verbraucher als auch Banken in den Genuss der Vorteile von offenen Märkten kommen.

Dr. Hans-Joachim Massenberg ist stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken e. V., Berlin

Noch keine Bewertungen vorhanden


X