Blickpunkte

Kundenneugewinnung oder Kundenbindung?

Dass die Kunden angesichts der Krise mangelndes Vertrauen der Bankenbranche entgegenbringen, dürfte angesichts der Entwicklungen der letzten Jahre kaum verwundern. Nach der jährlichen Umfrage "Global Consumer Banking Survey 2012" von Ernst & Young ist das Vertrauen bei 58 Prozent der deutschen Bankkunden innerhalb der letzten zwölf Monate gesunken.

Umso mehr aber ist ein weiteres Ergebnis der Studie zu hinterfragen: Das Hausbankprinzip verliert an Bedeutung. Dabei geben aktuell nur sechs Prozent der Befragten an, derzeit einen Hausbankwechsel zu planen. 88 Prozent der Befragten sind mit der Hausbank sogar mindestens zufrieden. Als Gründe für den Bankwechsel werden in erster Linie die hohen Preise genannt. Beste Preise und Gebühren sind aber auch der wichtigste Grund für die Geschäftsbeziehungen mit mehr als einer Bank.

Ist Multibanking das, was die Kunden in Deutschland wirklich wollen? Zwar ist im Vergleich zu 2011 der Anteil der Kunden, die mit mehr als einer Bank Geschäftsbeziehungen unterhalten, geringfügig von 59 Prozent auf 62 Prozent gestiegen. Der Anteil der Kunden, die gezielt ihre Geldeinlage auf mehrere Banken verteilen wollen, beträgt nur 13 Prozent. Und nur zehn Prozent wollen damit erst eine Bank ausprobieren, bevor sie alle Einlagen dorthin transferieren. Damit überwiegen für 51 Prozent der Befragten kurzfristige Preis-Effekte, mit denen die Banken in erster Linie neue Kunden und diese eher kurzfristig ansprechen. Bester Service/Anbieter ist für rund ein Drittel der Befragten ein Grund für Multibanking und mit einem Informationsaufwand verbunden.

Die Tendenz hin zu Mehrbankverbindungen hält also an. Hier gegenzuhalten wird für die sogenannten Hausbanken nicht einfacher, denn sie erreichen ihre Kunden immer schwerer. Nur noch 44 Prozent der Befragten informieren sich über neue Produkte bei ihrem Berater, die Werbung der Banken erreicht gar nur 21 Prozent. Stattdessen präferieren die Bankkunden in Deutschland inzwischen die Erfahrungen von Freunden und Familien (69 Prozent), Finanzvergleichsportale (58 Prozent) oder Medienberichte (49 Prozent) als Informationsquelle. Online-Netzwerke und Communities haben dabei in Deutschland immer noch eine wesentlich geringere Bedeutung, um sich über neue Produkte zu informieren (23 Prozent) als weltweit, wo inzwischen fast jeder zweite Bankkunde vor dem Abschluss twittert oder "facebookt".

Dabei hat der Filialbesuch gerade in Deutschland keineswegs ausgedient, was sicherlich auch eine Folge der Verunsicherung der Kunden ist. 75 Prozent der Befragten wickeln komplexe Transaktionen über die Filiale ab, und immerhin 61 Prozent geben an, sich auch hier über Finanzprodukte und Dienstleistungen zu informieren. Einfache Transaktionen wie Überweisungen oder der schnelle Zugriff auf das Konto erfolgen dagegen heute schon bei zwei Dritteln der Kunden online.

Doch auch die Chance des Filialbesuchs nutzen Banken offensichtlich nicht gut genug. Denn nur knapp jeder zweite Bankkunde in Deutschland erhält von seinem Institut individuell angepasste Produkte. Hier verschenkt die Kreditwirtschaft viele Möglichkeiten, zumal die Befragten auch überwiegend bereit wären, zusätzliche Angaben über sich, ihre Familie und Verhältnisse zu machen, um gezielter angesprochen werden zu können.

Es entsteht der Eindruck, dass die Banken sich zu sehr auf das Gewinnen neuer Kunden versteifen. Dabei ist ein neu gewonnener Kunde nicht notwendigerweise ein dauerhafter Kunde, und es ist deutlich teurer geworden, ihn den Wettbewerbern mit hohen Zinsen oder anderen Versprechen abzujagen, anstatt in Kundenbindung zu investieren.

Die Hausbank wird von den Kunden immer noch geschätzt. Damit es auch so bleibt, müssen die Hausbanken dem ihnen noch entgegenbrachten Vertrauen ihrer Altkunden im Gegenzug mit Loyalität begegnen. Kundenneugewinnung oder Kundenbindung? Ch

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