Finanzbildung

Das Lernfeld Wirtschaft ist in den Schulen gut verankert

Bundespräsident Joachim Gauck hat vor wenigen Wochen auf dem Deutschen Bankentag ein durchaus "heißes Eisen" angefasst, als er über die wechselseitige Verantwortung von Banken und Verbrauchern sprach. Ja, es gibt eine Bringschuld des Anbieters ökonomischer Produkte und Dienstleistungen hinsichtlich einer umfassenden und bestmöglichen Aufklärung der Kundinnen und Kunden.

Andererseits wäre es sicherlich sehr hilfreich und vorsorgend, wenn sie bei ihrer Entscheidung mögliche Risiken auf einer fundierten Basis abschätzen und beurteilen könnten. Der Bundespräsident warf in diesem Zusammenhang die Frage auf, ob die ökonomische Bildung in unseren Schulen und Berufsschulen ausreichend berücksichtigt wird.

Um es gleich vorweg zu beantworten: Ökonomische Grundbildung und Verbraucherbildung sind zwei Seiten einer Medaille. Beides ist für die Kultusministerkonferenz ein unverzichtbarer Bestandteil der Allgemeinbildung und gehört somit zum Bildungsauftrag sowohl der allgemeinbildenden als auch der berufsbildenden Schulen in der Bundesrepublik Deutschland. In der Regel findet man die entsprechenden Inhalte im Lernfeld Wirtschaft, das in den Schulen gut verankert ist. Die Vermittlung wirtschaftlicher Grundbildung vollzieht sich in drei Bereichen.

- Erstens innerhalb des Unterrichts, etwa als Teil eines oder mehrerer Fächer oder auch als eigenständiges Schulfach.

- Zweitens in außerunterrichtlichen Projekten, beispielsweise in Form von Schülerfirmen oder wirtschaftsbezogenen Schulprojekten.

- Und drittens durch vielfältige Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern, zum Beispiel. Unternehmen, Verbraucherzentralen und öffentlichen Einrichtungen.

Mikro- und makroökonomische Themen auf dem Lehrplan

Ein praxisorientiertes, anschauliches und wirklichkeitsnahes Lernen ermöglicht es in besonderer Weise, bei Schülerinnen und Schülern nicht nur nachhaltig Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge und ökonomisches Handeln zu wecken, sondern sie darüber hinaus zu selbstständigem und verantwortungsbewusstem Handeln anzuleiten. Schulen und Lehrkräfte haben die Aufgabe, jungen Menschen das notwendige Rüstzeug zu vermitteln, um als urteilsfähige und selbstverantwortliche Persönlichkeiten ihr Leben meistern zu können. Zu diesem Rüstzeug gehören intellektuell-kognitive Kompetenzen, dazu gehört Wissen, dazu gehören aber auch soziale und ethische Kompetenzen und ein gefestigter Charakter, nur um hier einmal die erzieherische Dimension von Schule anzudeuten.

Ich bin der festen Überzeugung, dass ökonomische Grundbildung im Duett mit Verbraucherbildung zu all diesen Anforderungen einen wichtigen und wertvollen Beitrag leisten kann. Um es konkret zu machen: Bereits in der Grundschule kann ein erster Kontakt mit wirtschaftlichen Themen, zum Beispiel beim Umgang mit Währungen, beim Thema "Einkaufen" oder auch bei der Schulverpflegung erfolgen. Im Sachunterricht können Kenntnisse zu verschiedenen Produktionsabläufen, zum Thema "Arbeit" oder "Dienstleistung" vermittelt werden. Im Fach Mathematik erfolgen rechnerische Operationen mit Geld und anderen wirtschaftlichen Faktoren.

In der Sekundarstufe I und schließlich auch in der Sekundarstufe II können diese und viele andere Themen weiterentwickelt und vertieft werden. Letztlich drehen sich die wirtschaftliche Grundbildung in der Schule und die Verbraucherbildung um Finanzen, Marktgeschehen und Verbraucherrecht, Ernährung und Gesundheit, Medien und Information, Nachhaltiger Konsum.

Je nach Klassenstufe und Fach stehen gleichermaßen mikro- und makroökonomische Themen auf dem Lehrplan. Immer wichtiger wird in diesem Zusammenhang auch die Bildung für nachhaltige Entwicklung. Je nach Klassenstufe und Fach lässt sich das Thema des verantwortlichen Umgangs mit den eigenen Ressourcen genauso anschaulich behandeln wie das Thema des verantwortlichen Umgangs mit den Ressourcen eines Staates, eines Unternehmens und natürlich auch mit unseren natürlichen Lebensgrundlagen oder weltweiter Handelsprozesse.

Berufswahl mit wirtschaftlicher Grundbildung untrennbar verbunden

Untrennbar verbunden mit wirtschaftlicher Grundbildung ist die schulische Vorbereitung der Berufswahl. Die Kultusministerkonferenz hat in ihrer "Vereinbarung über die Schularten und Bildungsgänge im Sekundarbereich I" festgelegt, dass die Hinführung zur Berufs- und Arbeitswelt verpflichtender Bestandteil für alle Bildungsgänge ist. Der Unterricht erfolgt hier entweder in einem eigenen Unterrichtsfach (am bekanntesten ist der Begriff "Arbeitslehre") oder als Gegenstand anderer Fächer oder auch fächerübergreifend.

Mit dem Ziel der Berufsorientierung er halten Schülerinnen und Schüler in verschiedenen Fächern exemplarisch Informationen über unterschiedliche Berufe. Insbesondere durch zum Teil mehrwöchige Praktika in Wirtschaftsunternehmen, Verwaltungsbehörden oder Sozialeinrichtungen können sie ein praxisnahes Bild von der Arbeitswelt entwickeln. An Gymnasien und Gesamtschulen, zum Teil auch an berufsbildenden Schulen, kommt die Zusammenarbeit mit Hochschulen mit dem Ziel der Studienorientierung hinzu. Dies trägt dazu bei, dass die Jugendlichen ihre Berufswahl aufgrund einer realistischen Einschätzung treffen können.

Bestandteil des Lehrplans in verschiedenen Fächern

Beispielhaft für den gesamten Themenbereich ökonomischer Grundbildung und Verbraucherbildung sei als Aufgabenfeld/Gegenstandsbereich/Unterrichts- oder Fachbereich "Arbeit-Wirtschaft-Technik" genannt. Wirtschaftsbezogene Themen sind Bestandteil des Lehrplans in verschiedenen Fächern beziehungsweise Lernbereichen, vor allem in Geschichte, Erdkunde, Politik/ Sozialwissenschaften, aber auch im Rahmen der Landeskunde in sprachlichen Fächern. Dies gilt für die Sekundarstufe I ebenso wie für die Sekundarstufe II. Themen sind zum Beispiel Private Haushalte, Unternehmen, Geldverkehr und Wirtschaftskreislauf, Markt, Mensch und Betrieb, Tarifparteien, Vertragslehre, Wirtschaftsrecht, Wirtschaftspolitik, und internationale Wirtschaftsbeziehungen. Weitere typische Themen sind soziale Marktwirtschaft, Grundzüge der Wirtschaftsordnung, Ökonomie und Ökologie, Wirtschaftsräume ausgewählter Staaten, globale Verflechtung und globale Verantwortung. Einige Länder weisen für die wirtschaftlichen Themen feste Stundenanteile im Rahmen bestimmter Fächer aus, andere Länder geben verpflichtende Themen vor, ohne ein Stundenvolumen zu fixieren.

Wirtschaft kann in der Oberstufe allgemeinbildender Gymnasien auch als eigenständiger Kurs angeboten werden und Prüfungsfach im Abitur sein. An Fachgymnasien beziehungsweise berufsbezogenen Bildungsgängen, die zur Allgemeinen Hochschulreife führen, ist in der Fachrichtung Wirtschaft das Fach Wirtschaftslehre beziehungsweise Volkswirtschaftslehre oder Betriebswirtschaftslehre mit Rechnungswesen obligatorisches zweites Leistungskursfach.

Kooperationen mit außerschulischen Partnern

In vielen Ländern finden Kooperationen mit außerschulischen Partnern aus der Wirtschaft und des Verbraucherschutzes statt. Die meisten Schulen haben feste Kontakte zu Unternehmen und anderen Organisationen. Hervorzuheben sind auf der Ebene der Länder und der Kommunen schließlich die Kontakte der Schulen zur Bundesarbeitsgemeinschaft Schule/Wirtschaft und zu den Verbraucherzentralen, die zum Teil schon seit vielen Jahren auch Fortbildungsmöglichkeiten für Lehrkräfte anbieten.

Erwähnenswert sind die vielfältigen Projekte der Wirtschaft, die eine intensive Zusammenarbeit zwischen Schulen und Wirtschaft initiiert haben und die zum Beispiel die Gründung von Schülerfirmen unterstützen. Der "Boom" von Schülerfirmen zeigt deutlich die Entwicklung. Zu Beginn der neunziger Jahre waren Schülerfirmen oft noch verpönt: Zu viel Praxis lautete das Urteil. Heute wissen viele Schulen, dass Schülerfirmen als Unterrichtsmethode, zur Simulation von Unternehmensprozessen und teilweise sogar mit Ernstcharakter wesentlich zur ökonomischen Grundbildung der Schülerinnen und Schüler beitragen.

Die Kultusministerkonferenz steht in regem Dialog mit der Wirtschaft, den Verbraucherzentralen und mit anderen außerschulischen Partnern, mit Stiftungen, mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden, der Bundesagentur für Arbeit, mit Trägern der freien Jugendhilfe, mit kirchlichen Trägern, mit Elternverbänden und natürlich auch mit den verschiedenen Bundesministerien, insbesondere denen, die für Bildung, Wirtschaft, Verbraucherschutz und Ernährung zuständig sind.

Beutelsbacher Konsens schützt vor Einseitigkeit

Bei den Kontakten mit außerschulischen Partnern ist allerdings ein Punkt zentral. Es gilt der sogenannte Beutelsbacher Konsens, der ursprünglich für die politische Bildung formuliert wurde. Was in der Gesellschaft strittig ist, muss auch in der Schule strittig dargestellt werden. Er schützt vor Einseitigkeit oder gar Indoktrination.

Die Kinder und Jugendlichen sollen in die Lage versetzt werden, selbstständig und auf der Grundlage bestmöglichen Wissens Entscheidungen treffen zu können. Sie müssen darüber hinaus lernen, mit unterschiedlichen Meinungen, mit im Grunde nicht überschaubaren Situationen und mit Risiken umzugehen. Kaum jemand vermag beispielsweise alle Hintergründe der Wirtschafts- und Finanzkrisen der letzten Jahre zu überblicken. Es ist aber durchaus möglich, Fakten zu untersuchen, zu bewerten und sich auch dann, wenn die gesamten Zusammenhänge hochkomplex sind, zu orientieren und eine Meinung zu bilden - die aber natürlich immer wieder revidierbar sein muss. Insofern ist der Gedanke fehlerfreundlichen Umgangs mit wirtschaftlichen Entwicklungen ebenso zentral wie der Gedanke der Nachhaltigkeit.

Verankerung in möglichst vielen Fächern

Die ökonomische Bildung in unseren Schulen muss abgesichert sein durch eine entsprechende Lehrerbildung. Die Kultusministerkonferenz hat 2008 ländergemeinsame inhaltliche Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung verabschiedet. Sie bilden eine zentrale Grundlage zur Sicherung der Qualität der Ausbildung. Dazu gehören auch die Fachprofile Sozialkunde/Politik/Wirtschaft und Arbeit, Technik, Wirtschaft.

In der politischen Diskussion wird vielfach die Frage aufgeworfen, ob ein durchgängiges Fach "Wirtschaft" nicht die beste und einfachste Lösung sei, um ökonomische Bildung an unseren Schulen zu verankern. Als verantwortliche Schulministerinnen und -minister halten wir an einem umfassenden Verständnis von Bildung fest. Wer ein zusätzliches Fach einführen will, muss natürlich gleichzeitig sagen, welche Fächer er dafür reduzieren oder streichen möchte. Dies ist aber nur ein pragmatisches Argument.

Sicherlich gibt es in einzelnen Bundesländern auch Fächer, die dem Wunsch nach einem Fach "Wirtschaft" nahekommen. Doch es ist eher entscheidend, ökonomische Grundbildung und Verbraucherbildung in möglichst vielen Fächern zu verankern. In der Fachwelt wird der Gedanke von "Ankerfächern" diskutiert, die Orientierung geben, gleichzeitig aber stark mit anderen Fächern vernetzt sind. Schulpolitik muss dabei stets das Ganze im Auge behalten. Die Kultusministerkonferenz und die Länder sind für die Qualitätsentwicklung in Schulen insgesamt verantwortlich. Dabei geht es wie gesagt auch um die angemessene Vermittlung ökonomischer Inhalte in ihrer gesamten Bandbreite.

Die Kultusministerkonferenz hat daher im September vergangenen Jahres nach einer intensiven Anhörung von Einrichtungen und Verbänden die Empfehlung zur "Verbraucherbildung an Schulen" beschlossen. Darin sind wichtige Themenfelder der ökonomischen Bildung einbezogen worden, beispielsweise der bewusste Umgang mit Geld, Finanzprodukte und Kredite, die private Absicherung und Altersvorsorge sowie Werbung und Konsum, aber auch die Qualität von Lebensmitteln und ihre Kennzeichnung, Datenschutz und Urheberrechte oder die Themen Mobilität und Wohnen.

Diese Empfehlung ist wiederum eine wichtige Grundlage für ein gemeinsames und abgestimmtes Vorgehen der Kultusministerkonferenz und der Verbraucherschutzministerkonferenz. Weiterführende Empfehlungen gibt es beispielsweise auch zu den affinen Bereichen der Mobilitäts- und Verkehrserziehung sowie der Gesundheitsförderung und Prävention. Wie in den Schulen auch hat bei der Umsetzung die Zusammenarbeit verschiedener Ministerien und die Einbeziehung der Zivilgesellschaft, zu der auch die Akteure der Wirtschaft und des Verbraucherschutzes gehören, einen hohen Stellenwert.

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