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Neuer Tiefschlag für die Lebensversicherung

Wieder einmal haben die Verbraucherschützer vor dem Bundesgerichtshof gegenüber der Assekuranz Recht bekommen. Diesmal war es die Verbraucherzentrale Hamburg, die gegen die Deutscher Ring Lebensversicherungs-AG, Hamburg, geklagt hatte. Gegenstand waren Vertragsklauseln über Rückkaufswerte, Stornoabzug und die sogenannte Zillmerung, also die Verrechnung von Abschlusskosten bei Kapitallebens- und privaten Rentenversicherungen, die den Kunden im Falle einer vorzeitigen Kündigung unangemessen benachteiligen würden. So sah es auch der BGH.

Am 25. Juli hat der IV. Zivilsenat entschieden, dass eine Verrechnung der ersten Beiträge mit den Abschlusskosten, also im Wesentlichen den Vermittlungsprovisionen, unzulässig ist, weil diese Zillmerung dazu führt, dass Versicherungsnehmer, die schon nach wenigen Jahren nur einen geringen oder gegebenenfalls gar keinen Rückkaufswert erhalten. Auch ist es nicht zulässig, die Abzüge im Fall einer Kündigung nur in Prozentangaben der Deckungsrückstellungen statt als konkreten Eurobetrag auszuweisen. Damit hat der BGH seine bisherige Rechtsprechung zu den Versicherungsbedingungen der Lebensversicherer weiterentwickelt. Denn schon 2001 und 2005 hatten die Bundesrichter in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen Verstöße gegen das Transparenzgebot gesehen, weil die Versicherungsnehmer ihnen nicht ausreichend entnehmen könnten, welche wirtschaftlichen Nachteile für sie mit einer Kündigung oder Beitragsfreistellung verbunden sind.

Und selbst das Bundesverfassungsgericht hatte sich 2005 mit den Lebensversicherungen befasst und "verfassungsrechtliche Schutzdefizite ... bei der Verrechnung von Abschlusskosten für den Fall vorzeitiger Vertragsauflösung" festgestellt. Im Urteil von 26. Juli 2005 hat Karlsruhe einerseits Transparenz über die Verrechnung von Abschlusskosten und Rückkaufswerte eingefordert, andererseits verfügt, dass die Versicherten auch bei einer vorzeitigen Vertragsbeendung eine Rückvergütung in einem angemessenen Verhältnis zu den bis dahin gezahlten Prämien erhalten müssen.

Dem jetzigen Urteil zufolge müssen die Vertragsklauseln deutlich zwischen den im Fall einer Kündigung zu berechnenden Rückkaufswerte und dem Stornoabzug unterscheiden. Auch ist es unzulässig, dem Kunden Beträge unter zehn Euro nicht zu erstatten.

Urteil mit Signalwirkung?

Für die Verbraucherzentrale Hamburg ist das ein Urteil mit Signalwirkung. Denn es lasse sich auf alle zwischen 2001 und 2007 geschlossenen Verträge anwenden, die sich auf Musterbedingungen des Branchenverbands GDV gestützt hätten. Für zuvor abgeschlossene Verträge seit 1994 wurden bereits mit den vorangegangenen BGH-Urteilen Mindestrückkaufswerte eingeführt. Und für die jüngeren Verträge ab 2008 gibt es eine gesetzliche Regelung im Rahmen der VVG-Reform.

Verfahren gegen Allianz, Ergo, Iduna und Generali stehen noch aus. Und man wird wohl davon ausgehen dürfen, dass der Grundtenor der Entscheidungen vergleichbar sein wird. Vermutlich haben die Unternehmen dafür längst Vorsorge getroffen, so wie der Deutsche Ring dies gleich nach der Urteilsverkündung mitteilte. Nach Angaben des Versicherers machen die bereits gekündigten Verträge mit möglichen Ansprüchen weniger als fünf Prozent des damaligen Versicherungsbestands aus. Was die finanzielle Belastung angeht, sind die Folgen des Urteils für die Assekuranz also vermutlich tragbar.

Kommunikationsaufgabe für den Vertrieb

Und doch hat die von der Verbraucherzentrale Hamburg verbreitete "Signalwirkung" noch eine ganz andere Dimension: Wieder einmal sind die Lebensversicherer in die Schlagzeilen geraten als eine Branche, die dazu neigt, ihre Kunden zu übervorteilen. Diesen neuerlichen Imageschaden kann eine Branche, die so nachdrücklich um Vertrauen ringt, gar nicht brauchen.

In einem Marktumfeld, in dem es den Anbietern schwerfällt, die Rendite zu halten und die Herabsetzung des gesetzlichen Garantiezinses zu Beginn dieses Jahres ein in den Medien breit aufgegriffenes negatives Signal aussandte, tun sich die Vertriebe derzeit ohnehin schwer mit dem Absatz von Lebens- oder privaten Rentenversicherungen. Der Verdacht der Kunden, zugunsten der Vermittler benachteiligt zu werden, kann dies nur verstärken. Denn dass die beanstandeten Klauseln für neu abgeschlossene Verträge keine Relevanz haben, wird längst nicht jeder Kunde wahrnehmen. Nicht zuletzt impliziert das Urteil also eine Kommunikationsaufgabe.

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