Personalpolitik

Personalentwicklung in der Finanzkrise

Der Personalmarkt im Bankengewerbe ist geprägt durch Stellenkürzungen, andererseits leiden die Institute wegen zahlreicher unbesetzter Positionen. Die Finanzkrise hat dieses Problem verstärkt. Angesichts der allgemeinen Unsicherheit über zukünftige Strategien und Erfolgsrezepte sind Bankmitarbeiter weniger bereit, eine vermeintlich "sichere Stelle" oder einen "guten Vertrag" selbst aufzukündigen. Eine solche "Marktklemme" im Personalbereich ist durchaus problematisch.

Hinzu kommt die Fluktuation erstklassiger Führungskräfte und Mitarbeiter bei Instituten mit größeren Imageschaden oder besonderen Zukunftsrisiken. Fachkreise rechnen damit, dass in Europa in den nächsten drei Jahren 25 bis 40 Prozent der Führungskräfte nicht intern, sondern durch Akquisition von Wettbewerbern besetzt werden. Dabei haben nur zirka 50 Prozent der Institute klare Vorstellungen über die Zukunftsfähigkeit ihrer Mitarbeiterstellen1) und folglich einen Ansatzpunkt, kritische Personalsituationen zu managen. Dies liegt zweifelsohne an der allgemeinen Orientierungsphase inmitten einer Rezession und den Folgen der gerade durchstandenen Finanzkrise.

Traditionelle und neuere Erfolgsfaktoren

Das Bankgewerbe folgt traditionell eher reagierenden und konstatierenden Ansätzen. So begleiten Banken ihre Kunden vorsorglich bei Finanzierungswünschen und Anlagezielen. Erfolgsfaktoren im Wettbewerb waren deshalb von Anbeginn gute Kundenkenntnisse, hervorragende persönliche Kontakte und Kommunikationsfähigkeiten, ebenso wie Risikosensibilität und exzellentes Fachwissen. Eine solche Professionalität im Umgang mit Kunden stärkte in der Vergangenheit das Vertrauen und die Loyalität zwischen Bank und Kunden.2) Solche Erfolgsfaktoren sind bis heute nicht zu unterschätzen, allerdings dürfen dabei bedeutende Veränderungen nicht außer Acht gelassen werden.

Im Zuge der Finanzkrise und der Notwendigkeit von Staatshilfen wird über "systemische Banken" diskutiert. Größere Institute mit Staatshilfen scheinen privilegiert und die Jobs hier sicherer zu sein. Es gilt jedoch sich darauf zu besinnen, dass Kreditinstitute in erster Linie Bankbetriebe sind. Im betriebswirtschaftlichen Verständnis sind Personalstrategien als Teilstrategie zu begreifen. Modernes Personalmanagement muss sich als Dienstleistung für die neuen Herausforderungen verstehen und die Hauptprozesse in der Bank unterstützen.

Hier geht es derzeit um Konsolidierung, um neue Geschäftsmodelle sowie um die Integration in Fusionsprozessen. Noch ist das deutsche Bankensystem im internationalen Vergleich eher dezentral aufgestellt. Der regionale Faktor ist eine Stärke, im europäischen Wettbewerb ist die Zersplitterung teilweise nachteilig.

Dabei haben Bankmitarbeiter in den letzten Jahrzehnten und Jahren bedeutende Veränderungen vollzogen. Der Wandel vom traditionellen Bankbeamten, der freundlich "Einlagen entgegen nahm" und nach restriktiven Regeln "Kredite gewährte", hin zum aktiven Verkäufer von Geldanlageprodukten und Finanzierungen ist fast vergessen.

Volatile Finanzmärkte und zunehmender Wettbewerb verlangen den Mitarbeitern nicht nur expansive Verkaufserfolge, sondern mehr und mehr komplexe Beratungs- und Betreuungsfunktionen ab. Mittelständische Firmen wie Privatkunden sind gut informiert, aber auch preissensibel und risikoavers und weniger loyal bei speziellen Finanzgeschäften. Der Trend zur Zweit- und Drittbankverbindung, wie auch zu Online-Aktivitäten ist dabei zu konstatieren. Wir haben den wachsenden Wettbewerb um angemessene Renditen und niedrige Kosten für Finanzprodukte als gegebenes Marktumfeld. Daran wird auch die Finanzkrise nichts ändern.

Keinesfalls schwächen diese Trends die Stellung des Kundenbetreuers oder der Geschäftsstelle vor Ort oder etwa die Hausbankverbindung insgesamt. Im Gegenteil: Der persönliche Kontakt zum Kunden gewinnt strategische Bedeutung.

Investitionen in die Köpfe der eigenen Mitarbeiter

Es gilt in diesen Zeiten ganz besonders "banking is people". Mitarbeiter sind die wichtigste Ressource einer Bank. Deshalb stellt sich die Frage, mit welcher Personalstrategie die Bank die gegenwärtige Vertrauenskrise überwinden und die neue Geschäftspolitik entwickeln und umsetzen kann.

Bühner differenziert je nach der Vorgehensweise eine Personalstrategie markt- und/oder ressourcenbezogen, also nach dem Grad der Anbindung der Personalstrategie an die jeweilige Bankstrategie.3) Eine innenorientierte Personalstrategie ohne expliziten Bezug zur Geschäftsstrategie sowie zur Veränderung der Märkte ist in diesem Sinne kaum noch vorstellbar. Würden also die Impulse für die Personalpolitik ausschließlich von den Personalabteilungen ausgehen, würde dies der Wettbewerbsfähigkeit nicht dienlich sein. Eine investitions- und ressourcenorientierte Personalstrategie scheint den aktuellen Anforderungen deshalb besser gerecht zu werden. Es geht um die systematische Gewinnung, den bedarfsgerechten Einsatz, aber auch um gezielte Förderung von leistungsfähigen Mitarbeitern. Bankenentwicklung und Positionierung im Wettbewerb erhält aber eine wachsende Komplexität und Dynamik. Organisationsanpassungen müssen neuen Anforderungen der Arbeitsteilung entsprechen. Da Banken noch nach zukunftsfähigen Geschäftsmodellen suchen, beziehungsweise um diese wetteifern, sind viele Fragen der Personalpolitik offen.

Image der Bankberater verschlechtert

Die Entwicklungen des letzten Jahres machten die Problematik der Vergütung und der Leistungsdifferenzierung im Finanzgewerbe besonders deutlich. Das Image des Bankberaters hat in den letzten Monaten im Zuge der Banken- und Finanzkrise stark gelitten. Das lag vor allem an bestimmten Verkaufspraktiken von Finanzdienstleistungen unterschiedlicher Art, welche teilweise zu stark an Abschlussprämien (Boni) ausgerichtet waren. Das war und ist ein Erfolgsrezept im Investmentbanking, ist aber im Retailbanking eher problematisch.

Banken mit sinkenden Zinsmargen suchten ihre Geschäftsmodelle durch Provisionserträge aller Art aufzubessern. Dabei wurden auch im traditionellen Firmenkundengeschäft sowie in der privaten Kundenbetreuung starke Anreize zur Umsatzsteigerung gesetzt. Dieser angelsächsische Einfluss des abschlussorientierten Geschäftsverhaltens hat großen Schaden angerichtet. Eine solche Verkaufskultur hat sich als Sackgasse erwiesen und führte weltweit zur Krise von Bankensystemen. Wir sollten uns in Deutschland und Europa wieder stärker auf die eigenen Tugenden im Bankgeschäft besinnen.

Beispielsweise die Anreize und Kompetenzen im Firmenkundengeschäft. Trotz aller quantitativen Modelle, interner Ratingsysteme und Regularien stellt der Kreditanalyst, nicht selten identisch mit dem Betreuer, die entscheidende strategische Ressource dar. Fach- und Methodenkompetenz muss dabei stärker mit einer ganzheitlichen Sichtweise einhergehen. Dies verbietet ein Denken oder Agieren in linearen oder monokausalen Zusammenhängen. Quantitative Bonitätsanalysen (auf Basis Jahresabschluss- und Kontodaten, Branchenprognosen) sind mit komplexeren Fähigkeiten im Sinne einer "strategischen Flexibilität" bei der Entscheidungsfindung zu verbinden. Diese verlangt neue Qualifikationen und vor allem langjährige Erfahrung mit den jeweiligen Kunden.

Private und öffentliche Banken diskutieren seit Jahrzehnten über eine Qualitätssicherung im Personalbereich sowie über adäquate Anreize, insbesondere Vergütungssysteme. Leistungsanreizmodelle, die auf kurzfristige, operative Erfolge ausgerichtet sind, müssen hinterfragt werden: Wie kann eine hohe Leistungsbereitschaft im aktuellen Geschäft abgefordert werden, zugleich aber ein langfristiges Verhalten und Nachhaltigkeit im Personalmanagement gesichert werden?

Risikobewusstsein und Steuerung der Risikopositionen der Banken wurden bisher vor allem auf "Systeme" sowie quantitative Bewertungsansätze gestützt. Das muss sich ändern. Risikomanagement geht alle an. Dies muss auch im Vertrieb deutlicher werden.

Ausbildungskonzepte für Kernkompetenzen

Die Fluktuation von Leistungsträgern aufgrund von Restrukturierungen stellt eine große Herausforderung für das Personalmanagement dar. Die Frage lautet hierbei, nach welchen Kriterien und Anreizen kann eine geeignete Personalentwicklung stattfinden? Welche Kernkompetenzen und Persönlichkeitsmerkmale sind besonders wichtig? Es geht insbesondere um die Bewältigung des demografischen Wandels und um die gezielte Förderung von Talenten im eigenen Hause. Fachlicher Nachwuchs und die eigene Entwicklung von Führungskräften ist existenziell im vertrauensempfindlichen Bankgeschäft.

Gerade die kontinentaleuropäische Bankenkultur (Relationship Banking) muss gegen angelsächsische Einflüsse verteidigt werden. Hohe Erfolge im Kapitalmarktgeschäft sind noch kein Garant für ausgewogene Führungsqualitäten. Ein wachsender Verlust der emotionalen Bindung an den eigenen Beruf sowie an das jeweilige Institut kann der Kundenbindung und damit dem Geschäftsmodell nicht dienlich sein. Wir brauchen Bankinstitute die dem Wirtschaftsmodell Deutschlands und dem europäischen Markt entsprechen können.

Solche Fragen betreffen nicht nur die Zukunft des Ausbildungsganges "Bankkaufmann". Vor dem Hintergrund der neuen Bachelor- und Master- sowie MBA-Programme an Fachschulen und Universitäten, müssen vor allem auch die Karrierewege und Anreize in verschiedenen Geschäftsbereichen sowie Führungspositionen neu durchdacht werden. Die Talententwicklung in Großbanken sowie in Verbundsystemen muss stärker werden. Eine bessere Kooperation mit den Hochschulen ist angesagt. Die gesunde Leistungsmotivation vor dem Hintergrund eines wachsenden Kosten- und Ertragsdrucks verlangt theoretisches Wissen und soziale Kompetenzen ebenso gesellschaftliche Grundprinzipien als Leitlinien für künftige Bankergenerationen.

Das Vertrauen der Kunden und Geschäftspartner ist das eigentliche Kapital einer Bank. Dieses hohe und sensible Gut muss wieder in den Mittelpunkt des Managements der Institute gestellt werden. Das verlangt eine neue (alte) Unternehmensethik im Heimatmarkt, welche den nachhaltigen Erfolg höher bewertet als die kurzfristige Renditemaximierung. Hier muss auch das Personalmanagement ansetzen und entsprechende Persönlichkeiten fördern und entwickeln. Investmentbanking und Risikokapital ist wichtig! Das "schnelle Geld" darf nicht zum Maß der Dinge im Management einer Universalbank werden. Deshalb sollte künftig die klare Abgrenzung der Geschäftsmodelle erfolgen.

Wir brauchen selbstverständlich auch Kapitalmarkt- und Risikofinanzierungen. Investmentbanking, Verbriefungen, exotische Derivate und Private Equity sind volkswirtschaftlich wichtige Bereiche eines Finanzsystems, aber auch betriebswirtschaftlich interessante Herausforderungen. Diese Felder sind hierzulande noch immer unterentwickelt. Hier hat das deutsche Finanzsystem zweifelsohne strukturelle Schwächen. Auch das ist eine Frage der Personalentwicklung. Möglicherweise ist die Ausrichtung von Forschung sowie universitärer Lehre hier etwas einseitig nach angelsächsischem Muster vorangeschritten und entsprechen nicht dem Bedarf der in Deutschland tätigen Banken und Sparkassen. Diese sind im universellen, eher konservativen Geschäft verwurzelt.

Kapitalmarktprodukte wurden zu undifferenziert angeboten

Falsch war es, Kapitalmarktprodukte einer breiten Öffentlichkeit über den traditionellen Bankenmarkt undifferenziert anzubieten. Der Wettbewerb solcher Finanzprodukte gegen konservative Anlageprodukte ist fatal. Keinesfalls dürfen Banken risikoreiche Anlagen ihren Kunden so undifferenziert anbieten, wie in den letzten Jahren vor der Finanzkrise.

Insofern unterscheidet sich die jetzige Krise von allen Vorangegangenen, das Finanz- und Bankensystem darf nicht einfach wiederhergestellt werden. Banken sollten nicht einfach so weitermachen. Zumindest in einigen Bereichen muss das Bankgeschäft wieder grundsätzlich anders, vor allem transparenter werden. Dies dient den Kunden wie den Führungskräften und Mitarbeitern der Bankenbranche.

Mitarbeiter und Führungskräfte entwickeln, die auf hohem fachlichen Niveau maßvoller, nachhaltiger und verantwortungsvoller agieren: Dies ist eine große Aufgaben für Personalmanagement und die theoretische Ausbildung der Hochschulen. Es geht nicht um den Gegensatz von Generalisten oder Spezialisten, sondern um deren Vereinigung in individuellen Führungspersönlichkeiten und mündige Mitarbeitern, welche gerade von Bankkunden so sehr geschätzt werden.

Fußnoten:

1 Vergleiche: Die Bank, Heft 2/2009, S. 77

2 Vergleiche dazu: Weiß, Ulrich: Organisation und Personalpolitik. In: von Stein/Tarach, Handbuch Bankorganisation, Wiesbaden 1995, S. 705

3 Vergleiche dazu unter anderem: Bühner, R.: Personalmanagement, Landsberg am Lech, 1997; Schindler, Ulrich/Brunn, Susan: Personalmanagement in Banken, Merseburger Schriften zur Unternehmensführung, Aachen, 2004

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