Leitartikel

Am Pranger sb

sb - Die antike Welt pflegte ein tiefes Misstrauen gegen all diejenigen Gewerbe, die nichts produzieren. Das galt insbesondere für den Handel. Den Gipfel der Verworfenheit stellte aus antiker Sicht jedoch der Geldverleiher da. Geld zu verleihen galt per se als Wucher. Auch wenn sich in den vergangenen 2 000 Jahren manches geändert haben mag: Wirklich losgeworden ist die Kreditwirtschaft dieses Image nie. Unverändert spiegeln Medienberichte immer wieder das Bild des geldgierigen Bankiers, der Kredite nur zu überhöhten Zinsen und mehr oder weniger willkürlich gewährt, Einlagen hingegen viel zu gering verzinst und sonstige Finanzprodukte mehr mit Blick auf die Provisionen als auf die Bedürfnisse der Kunden verkauft - kurz, den Kunden schröpft und übervorteilt, wo immer es geht. In der Geiz-ist-geil-Welle scheint sich diese Grundeinstellung offenbar noch verfestigt zu haben. Die Bemühungen der EU-Kommission um Verbraucherschutz und Wettbewerb tragen auch nicht eben zu einer emotionsfreieren Betrachtung bei. Und dass die Banken bei wegbrechenden Ertragsquellen etwa durch die flache Zinsstrukturkurve oder den Trend zum gebührenfreien Girokonto ihr Heil im Provisionsgeschäft suchen (müssen), verstärkt nur das bohrende Gefühl, dass dabei das Interesse der Bank Priorität vor dem des Kunden haben müsse.

Keine Frage: Zweifellos hat die Forderung nach Verbraucherschutz auch im Bankgeschäft ihre Berechtigung. Und zweifellos war so manche gesetzliche Regelung oder Klarstellung in der Rechtsprechung sinnvoll, um Grenzen abzustecken und Auseinandersetzungen zwischen Banken und ihren Kunden zu minimieren, die letztlich auch nicht im Interesse der Kreditwirtschaft sein können. Ein Paradebeispiel hierfür ist die Frage nach der Sicherheit der PIN und daraus folgend der Haftung bei Kartenmissbrauch. Sinnvolle Regelungen werden von der Branche auch durchaus anerkannt: So stoßen beispielsweise vom Kunden zu unterschreibende Beratungsprotokolle bei den Finanzdienstleistern auf Gegenliebe, geben sie ihnen doch endlich einmal die Chance nachzuweisen, dass man den Kunden durchaus auf dieses oder jenes aufmerksam gemacht hat, woran jener sich später vielleicht schlicht nicht mehr erinnern kann oder will.

Wo das Bemühen, den ansonsten ach so mündigen Bürger zu schützen, aber über das Ziel hinaus schießt, wird nur Bürokratie geschaffen, die letztlich keinem der Beteiligten nutzt - so geschehen im Falle der EU-Verbraucherkreditrichtlinie. Hier sind sich Verbraucherschützer und Banken ausnahmsweise einmal einig, dass die vielseitige Informationsflut den Verbraucher eher überfordert als ihm zu nutzen. Nur leider kam der Schulterschluss zu spät, um die als nutzlos empfundene Bürokratie zu verhindern. Offenbar haben sich Verbraucherschützer dermaßen daran gewöhnt, die Interessen von Banken und Sparkassen als denen des Verbraucherschutzes diametral entgegengesetzt zu betrachten, dass die gemeinsame Stoßrichtung in diesem Fall zu spät wahrgenommen wurde.

Es gibt aber zumindest auch positive Beispiele der Zusammenarbeit. Die Team Bank etwa berichtet über eine deutlich versachlichte Auseinandersetzung mit den Verbraucherschutzorganisationen. Dass sich die Nürnberger die Fairness des Kreditangebots per Tüv-Siegel haben bescheinigen lassen und überdies mit Schuldnerberatungen zusammenarbeiten, hat dazu sicher nicht unwesentlich beigetragen. Die ING-Diba geht der Kritik auf andere Weise aus dem Weg: Sie hat die Restschuldversicherung, an der sich immer wieder äußerst medienwirksame Kritik entzündete, schlicht aus der Produktpalette genommen. So steht man nicht mehr am Pranger. Ob der Verzicht auf ein Angebot, das einer GfK-Studie zufolge vom Kunden durchaus als sinnvoll betrachtet wird, im Interesse desselben und damit auch des Verbraucherschutzes liegt, bleibt indessen eine andere Frage. Verständlich ist eine solche Entscheidung angesichts der manchmal doch sehr eindimensionalen Bankenschelte aber allemal.

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