Kooperationen

"Der Produktabschluss soll nur in der Sparkasse stattfinden"

In Deutschland haben Vertriebskooperationen von Finanzdiensleistern und Einzelhändlern in den vergangenen Jahren die Erwartungen meist nicht erfüllt und wurden nach einiger Zeit beendet. Wie sind die Erfahrungen in Österreich?

In Deutschland gibt es viel mehr Kooperationen dieser Art. Als die Erste Bank die Kooperation mit Tchibo startete, kooperierte Tchibo in Deutschland mit drei unterschiedlichen Banken in drei Produktsparten. Der Antritt war auch mehr aufs Internet konzentriert.

In Österreich waren wir, als 2006 in Wien eine Kooperation mit Tchibo pilotiert wurde, die Ersten mit einem derartigen Konzept. Auf Tchibo kamen wir dadurch, dass wir unseren langjährigen Kunden eine kleine Aufmerksamkeit zukommen lassen wollten. Hierbei hatten die Kunden die Wahl zwischen einem Tchibo-Gutschein, einem Gutschein eines bekannten Weinhändlers und einem OMV-Gutschein. 80 Prozent der Kunden haben sich damals für den Tchibo-Gutschein entschieden. Das war der Anlass, mit dem Unternehmen über eine Kooperation zu sprechen - damals für Österreich eine völlige Neuheit.

Der Pilot der Kooperation in Wien hat sehr gut funktioniert - so gut, dass nach dem Start an einem Freitag bereits Samstag die Pakete ausverkauft waren, weil die Absatzerwartungen zu niedrig angesetzt wurden. In einer zweiten Welle wurden deshalb die Sparkassen mit ins Boot geholt. 2008 hat die Sparkassengruppe das Konzept in ganz Österreich ausgerollt.

Insgesamt haben wir über Tchibo 4 000 bis 5000 Kunden gewonnen, wobei zu berücksichtigen ist, dass es sich immer um anlassbezogene Einzelaktionen von ein bis zwei Wochen Dauer handelt. Die Partnerschaft mit OMV ist dagegen eine langfristige Partnerschaft.

Was versprechen Sie sich von der Partnerschaft mit der OMV?

Die Sparkassengruppe hat in Österreich 1025 Filialen. Der Marktführer außerhalb Wiens, die Raiffeisengruppe, kommt auf über 2000 Standorte. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese Lücke innerhalb der nächsten zehn Jahre schließen lässt, ist relativ gering. Allein unter diesem Aspekt sind wir praktisch gezwungen, uns Dinge wie die Kooperation mit der OMV zu überlegen. Damit ist es gelungen, rund 170 Tankstellen hinzuzubekommen, die wir marketingtechnisch als Bankstellen bezeichnen. Denn es ist wichtig, dass der Kunde auch außerhalb der Bankstelle auf uns aufmerksam wird.

Welche Elemente umfasst die Kooperation?

Unser Part ist die Erbringung von Bankdienstleistungen vor Ort - allen voran die Bargeldversorgung. Die Selbstbedienungsterminals in den Tankstellenshops haben aber auch Überweisungs- und Einzahlungsfunktion. Letztere ist vor allem für kleinere Gewerbetreibende interessant, die dort ihre Tageslosung einwerfen können. Die Geräte sind ein Investment der Bank. Schon allein deshalb haben wir ein Interesse an einer langfristigen Kooperation.

Es ist völlig klar, dass sich aus den Geräten selbst kein Business Case ergibt. Sie haben Servicecharakter für den Kunden und sind ein Investment in die Präsenz. Dieses Investment ist aber auch notwendig. Denn es ist wichtig, dass Banken sich in die Wertschöpfungskette ihrer Kunden einklinken. Und hier kommt eine Bankfiliale nicht unbedingt vor. Tanken hingegen muss der Kunde regelmäßig. Insofern ist es wichtig, dort marketingtechnisch präsent zu sein. Die relativ großflächigen Selbstbedienungsgeräte in den Tankstel-len-Shops geben der Bank die Möglichkeit, dem Kunden dort aufzufallen, aber auch Vertriebsaktionen zu fahren.

Welche Produkte eigenen sich zum Vertrieb an der Tankstelle?

Es müssen stets einfache Produkte sein, denn nur die treffen die Erwartungshaltung der Kunden. Mit Produkten, über die man besser in Ruhe noch einmal nachdenkt, holt man die Kunden nicht ab. Überhaupt keinen Erfolg hatte beispielsweise der Versuch, im Rahmen einer Aktion das Thema Autoleasing zu platzieren. Auch Kreditprodukte eignen sich nicht für den Vertrieb an der Tankstelle. Unsere größten Erfolge gefeiert haben wir dagegen mit Sparbüchern und Girokonten. Beide Produkte kennt jeder.

Ziel ist nicht der Produktverkauf an sich, sondern die Neukundengewinnung. Dafür spielt es keine Rolle, über welches Produkt der Kunde sich angesprochen fühlt. Das Cross-Selling ergibt sich je nach der Situation des Kunden im Lauf der Zeit. Das ist aber dann Aufgabe der Filiale.

Läuft der Produktvertrieb bei OMV kontinuierlich? Oder sind es zeitlich befristete Aktionen?

Meistens laufen die Aktionen drei Wochen, allerdings mehrmals im Jahr. Wir sind hier immer noch im Versuchsstadium.

Wie läuft der Produktvertrieb in der Tankstelle ab?

Wir legen nicht nur Prospekte aus, sondern verkaufen die Produkte in kleinen Paketen, ähnlich, wie es die Deutsche Bank in Q 110 tut. Bei OMV heißt es "Gute-Fahrt-Paket", bei Tchibo hieß es "Spare-Froh-Paket". Enthalten sind ein Kontoeröffnungsgutschein für die Bank und Zusatz-Goodies wie zum Beispiel ein Gutschein für eine Tankwäsche. Die eigentliche Kontoeröffnung erfolgt - auch aus rechtlichen Gründen - immer in der Bank. Das passt strategisch sehr gut in unser Konzept.

Wie hoch ist die "Schwundquote" zwischen Paketverkäufen und tatsächlichen Kontoeröffnungen?

Das hängt zum Teil davon ab, wie man die Pakete bepreist. Meist kosten sie zwischen fünf und sieben Euro und enthalten neben dem Gutschein für die Kontoeröffnung weitere Gutscheine, die beim Kooperationspartner eingelöst werden können. Wenn diese den Paketpreis im Wert übersteigen, kann es zu Mitnahmeeffekten kommen, bei denen Kunden das Paket nur wegen der Gutscheine kaufen. So etwas sind Lerneffekte.

Es wird auch immer Kunden geben, die ein Sparprodukt wegen eines attraktiven Zinssatzes eröffnen und die Bank wieder verlassen, wenn sie anderswo ein attraktiveres Angebot sehen. Der überwiegende Anteil der Kunden, weit über 80 Prozent, bleibt jedoch tatsächlich bei uns. Damit ist die Mission erfüllt.

Lässt sich die Kooperation noch weiter ausbauen?

Davon gehe ich aus. Die OMV ist ein angenehmer Partner, weil wir gemeinsam viele Dinge ausprobieren können. Es wäre durchaus auch denkbar, dass Sparkassenmitarbeiter vor Ort in den Tankstellen beratend tätig werden. Das sind Dinge, die wir noch gar nicht ausprobiert haben.

Was sind für Sie die wichtigsten Erfolgsfaktoren einer Kooperation?

Eine Kooperation ist immer der Versuch beider Unternehmen, wechselseitige Vorteile für den Kunden zu optimieren. Es geht darum, gegenseitig die Kundenstöcke nutzbar zu machen. So erhält der Kunde für seine Sparbuch- oder Girokonto-Eröffnung etwa einen Tchibo- oder einen Tankgutschein. Damit gelingt der Überleitungsprozess relativ gut.

Unser strategisches Asset ist, dass wir die Kooperation nicht auf das Thema Bargeld beschränken. Die Bargeldversorgung ist ein Investment, um den Kunden vor Ort abzuholen. Ziel ist aber die umfassende Beratung. Jeder Kooperationspartner soll bei seinem Kerngeschäft bleiben. Das heißt: Ein Beratungsgespräch beziehungsweise Produktabschluss soll nur in der Sparkasse stattfinden. Bei Kooperationen muss also ein vernünftiger Überleitungsprozess von dem externen Punkt des Kooperationspartners in die Sparkasse gefunden werden.

Wie viele Kunden haben Sie seit dem Start der Kooperation vor rund einem Jahr gewonnen?

Insgesamt wurden österreichweit gemeinsam mit den Sparkassen rund 7 842 Produkte verkauft. Der Neukundenanteil dabei beträgt rund 65 Prozent. Der Rest sind Bestandskunden, bei denen durch die Zusatzfeatures der Kundenbindungseffekt zum Tragen kommt. Denn auch für bestehende Kunden gibt es die Möglichkeit, durch

Angebotsvarianten Zusatz-Goodies wie Autowäsche zu bekommen. Es wäre ein Fehler, Neukunden attraktivere Angebote zu machen als Bestandskunden. Das ist nicht loyalitätsfördernd, denn damit zwingt man den Kunden praktisch dazu herumzushoppen. Banken klagen häufig darüber, dass ihre Kunden so untreu sind. Sie brauchen sich aber darüber nicht zu wundern, wenn sie sie mit ihrer eigenen Angebotspolitik vertreiben.

Welche Funktionen der Selbstbedienungsterminals nutzen die Kunden neben der Bargeldabhebung am meisten?

In den der Kooperation vorangegangenen Gesprächen hat die OMV hartnäckig darauf hingewiesen, dass es bei ihren Kundenströmen Potenzial für eine Einzahlfunktion gibt. Und sie hat recht behalten. Bei der Einzahlfunktion sind wir im Markt von der Ausstattung her relativ weit vorne. Deshalb hat es eine Weile gedauert, bis die Kunden mit dieser Möglichkeit vertraut wurden.

Mittlerweile wird die Einzahlungsfunktion aber sehr stark angenommen. Gerade Kleingewerbetreibende in der Umgebung der Bankstelle nutzen die Gelegenheit gerne, ihre Tageseinnahmen einzuzahlen, anstatt sie in den Nachttresor ihrer Sparkasse zu werfen.

Konnten durch den Aufbau der SB-Infrastruktur an den Tankstellen andere reine SB-Standorte geschlossen werden?

Die Erste Bank hat das nicht getan. Für die eine oder andere Sparkasse kann es aber durchaus interessant sein, auf Selbstbedienungsfilialen zu verzichten, zumal Tankstellen sich naturgemäß in ihrer Standortauswahl an den Hot Spots der Mobilität ausrichten.

Planen Sie weitere Kooperationen?

Mich persönlich würde eine Kooperation mit einem Telekommunikationsunternehmen reizen, weil sich das Banking in diese Richtung entwickeln wird. Hinzu kommt eine weitere strategische Überlegung: In Österreich hat jedes Telekommunikationsunternehmen eine Banklizenz. Und wir wollen ja nicht, dass diese das Bankgeschäft beginnen.

Vorstellen könnte ich mir zum Beispiel Bündelverträge. So ließe sich etwa der Kauf eines Mobiltelefons oder der Abschluss eines Telefonvertrags mit einem Girokonto bündeln, bei dem sich die Verzinsung mit steigendem Telefonumsatz erhöht. Die Details wären natürlich mit dem Kooperationspartner zu klären. Konkrete Schritte in dieser Richtung wurden aber noch nicht unternommen.

Können Sie sich im Gegenzug auch vorstellen, dass die Erste Bank und die Sparkassen Produkte des Partners - also zum Beispiel Telefonverträge oder Prepaid-Karten - vertreiben?

Nein. Das wäre nicht der richtige Weg. Der Handel mit Waren aller Art würde zu einer Markenverwischung führen und letztlich dazu, dass die Kunden die Positionierung und Kernkompetenzen der Bank nicht mehr verstehen.

Sind mit dem Einzelhandel weitere Kooperationen nach dem OMV-Modell geplant?

Kooperationen mit dem Einzelhandel sind für mich die Königsklasse, also die her ausforderndste Form der Zusammenarbeit. Im Einkaufszentrum sind Menschen meistens unter Zeitdruck und mit ihrer Einkaufsliste im Kopf unterwegs. Die Ansprache mit Bankdienstleistungen gehört nicht zur Er wartungshaltung.

Bank außerhalb der Filiale anzutreffen, ist eine sensibel zu entwickelnde Situation. Und hier fehlt uns noch das Know-how. Wenn wir mit anderen Kooperationspartnern genug Erfahrungen gesammelt haben, wäre auch so etwas durchaus denkbar. Das Beispiel Tesco zeigt, dass es Modelle gibt, die durchaus funktionieren.

Sind Bank-Shops für Sie ein Thema?

Die gibt es in Österreich sehr wohl. Wir haben uns dem Thema aber bisher nicht genähert. Denn auch das ist herausfordernd. Zumindest in Österreich geht es bei Bank-Shops weniger um das Serviceangebot für den Kunden als um arbeitsrechtliche Möglichkeiten, Mitarbeiter außerhalb bestehender Kollektivverträge anzustellen. Der Mehrwert für den Kunden ist dadurch noch nicht offenbar. Und das Grundproblem der Erwartungshaltung des Kunden ist auch noch nicht gelöst.

Was unterscheidet die Tankstelle hier vom Einkaufszentrum? Beim Tanken ist der Kunde ja auch mit einem Ziel unterwegs und hat nicht unbedingt Bankgeschäfte im Kopf?

Völlig richtig. Aber Tankstellen entwickeln sich weiter. Vor zehn Jahren hat man dort in Österreich außer Kraftstoff nichts weiter bekommen. Mittlerweile haben sie sich zu Lebensmittel- und Weinläden gewandelt. In den Viva-Shops bei OMV bilden sich so marketingtechnisch sehr gute Retail-Hot-Spots heraus, an denen OMV versucht, mehrere Dienstleistungen zu bündeln, die über das bloße Tanken hinausgehen. Neben Bankdienstleistungen sind das zum Beispiel auch Postdienstleistungen wie die Abholung von Paketen. Das heißt: Es gibt dort auch eine gewisse Verweildauer.

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