Blickpunkte

Produktpolitik - Goldene Zinsen

Schon im vergangenen Jahr hat die Verunsicherung durch die Finanz- und Wirtschaftskrise der Investition in Gold bei privaten Anlegern ganz neue Aufmerksamkeit beschert. Die Angst vor einem Scheitern der europäischen Währungsunion beziehungsweise einem drastischen Wertverlust des Euro infolge der drohenden Insolvenz diverser EU-Staaten trägt zu einer Verstärkung dieses Trends bei. Im Vertrieb der Finanzdienstleister taucht deshalb das Edelmetall auch immer häufiger auf - sei es im Verkauf über SB-Automaten, sei es als Depotwechselprämie für besonders aktive Kunden bei der Onvista-Bank.

Ein spezielles Gold-Konto aufgelegt hat zum 1. Juni dieses Jahres die Sparda-Bank Hamburg. Bei dem Sparkonto mit dreimonatiger Kündigungsfrist und Verzinsung von derzeit 1,5 Prozent werden die Zinsen zum Jahresende nicht in Euro gutgeschrieben, sondern in Gold ausbezahlt - in diesem Jahr aufgrund der Fußball-WM in Südafrika in Krügerrand-Münzen. Kleinste Einheit ist dabei die Zehntel-Unze. "Krumme" Beträge darüber oder darunter werden klassisch als Zinsgutschrift verbucht. Mit diesem Produkt soll auch Kleinanlegern die Chance geboten werden, "wertstabil und inflationsgeschützt Gelder anzulegen". Ein Trick, um die Kunden dazu zu bewegen, zur Verwahrung ein Bankschließfach anzumieten, ist das nicht allein schon, weil dafür gar nicht genügend freie Schließfächer zur Verfügung stünden. Gelagert werden die Münzen deshalb, sofern der Kunde das wünscht, gebührenfrei im Tresor der Bank.

Um die Wertstabilität von Gold zu unterstreichen, bemüht die Bank ein historisches Beispiel: Die 30 Silberlinge des Judas, so wird vorgerechnet, entsprachen vor 2 000 Jahren dem Gegenwert eines Esels. Die gleichen Münzen hätten heute einen Gegenwert von 10 000 Euro - genug also, um das heutige Transportmittel, einen Kleinwagen, zu erwerben. Diese Rechnung bezieht sich zunächst einmal auf den heutigen Wert der historischen Münzen aus der Zeit, die Numismatiker je nach Erhaltungszustand etwa auf 200 bis 500 Euro pro Stück taxieren.

Zur Argumentation mit der Wertstabilität der Edelmetallanlage eignet sich das Beispiel dann freilich weniger. Schließlich dürften sich die wenigsten Kunden dafür interessieren, was ihre heutigen Anlagen in 2 000 Jahren wert sind. Doch auch gemessen am Kaufkraftvergleich damals und heute kommt die Rechnung ungefähr hin. Und dann zieht das Argument des Werterhalts.

Die Frage, inwieweit Gold sich als Investment für Kleinanleger lohnt, ist vor dem Hintergrund vergleichsweise hoher Kosten bei kleinen Stückelungen bekanntlich durchaus umstritten. Vor dem Hintergrund des möglichen Krisenszenarios einer Euro-Entwertung zählt dieses Argument aus Sicht der Sparda-Bank Hamburg aber weniger. Dann gehe es nicht um Rendite, sondern um den schlichten Sachwert. Die paar Goldmünzen, die der Kunde mit den Zinsen auf einem Sparkonto sammeln kann, können in diesem Fall freilich kaum mehr sein als ein Tropfen auf den heißen Stein. Das Gold-Konto wird deshalb auch nur als kleiner Schritt in die richtige Richtung verstanden. In der Beratung empfiehlt die Bank bei der Geldanlage - wie andere Kreditinstitute auch - eine Sachwertorientierung von zehn Prozent. Ob es für eine Bank zweckdienlich ist, Inflationsängste mit Slogans wie "Die Inflation ist der Taschendieb des kleinen Mannes" anzuheizen, ist eine andere Frage. Der Vertrieb langfristig angelegter Produkte für die Altersvorsorge wird dadurch vermutlich nicht einfacher. Red.

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