Titel: Wettbewerb im Retail

Sparkassen - Respekt für die Postbank

Seit rund 200 Jahren sind die Sparkassen im Wettbewerb im sogenannten Retailbanking in Deutschland erfolgreich tätig. Mit inzwischen rund 50 Millionen Kunden sind sie die Nummer eins im hiesigen Finanzdienstleistungsmarkt. Eine solche Position kann man über eine so lange Zeit nur erreichen, halten und ausbauen, wenn man genau weiß, was und wer zu beachten ist. Die Antwort kann deshalb nur lauten: der Kunde.

Nun haben sich die Ansprüche der Kunden in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Schon die Frage, wer eigentlich ein "Kunde" ist, wird heute nicht mehr einheitlich beantwortet. Seit Jahren ist im deutschen Bankenmarkt eine wundersame Kundenvermehrung festzustellen. Praktisch jeder behauptet, er habe "Kunden" gewonnen. Darunter sind auch solche Anbieter, die nur punktuelle Geschäftsbeziehungen, etwa durch eine einmalige Tagesgeldanlage, unterhalten. Dies sind häufig konditionengetriebene Beziehungen, die zumeist ebenso schnell zu Ende gehen wie sie begonnen haben, wenn nur ein anderer Anbieter bessere Konditionen bietet.

Persönliche Beratung entscheidend

Offensichtlich ist es deshalb heute notwendig, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, wer die eigenen (Stamm-)Kunden sind. Die Sparkassen verfolgen nach wie vor den Anspruch, ihre Kunden möglichst lebenslang in allen Finanzierungs-, Anlage, Absicherungs- und Vorsorgefragen zu betreuen. Uns ist es wichtig, unsere Kunden persönlich zu kennen und ein durch Menschen vermitteltes Vertrauensverhältnis aufzubauen.

Wir stellen fest, dass dies auch in einer durch technische Kommunikationswege geprägten Zeit wichtig ist und vermutlich künftig sogar noch wichtiger werden wird. Deshalb ist eine persönliche Beratung gerade für Geschäftsfelder wie gewerbliche Finanzierungen, Baufinanzierungen oder Altersvorsorge entscheidend, die für die persönliche und wirtschaftliche Zukunft der Kunden von besonderer Bedeutung sind. Unser Ziel ist es, das Vertrauen der Kunden jeden Tag aufs Neue zu rechtfertigen.

Mit den zum Sparkassentag in Bochum beschlossenen "Leitlinien der Sparkassen für eine nachhaltige Geschäftspolitik im Interesse der Kunden und der örtlichen Gemeinschaft" haben wir uns vorgenommen, unsere Kunden fair, menschlich und nah zu bedienen.

"Fair" bedeutet dabei zum Beispiel, niemanden von modernen Finanzprodukten auszuschließen und die Kunden nicht mit vermeintlich kostenlosen Leistungen zu locken, um ihnen dann bei Zusatzleistungen überhöhte Entgelte zu berechnen.

"Menschlich" bedeutet für uns, Kunden persönlich und individuell zu beraten. Von den 257 000 Mitarbeitern der Sparkassen arbeiten 130 000 in der Kundenberatung. Das sind mehr als bei jedem anderen Finanzdienstleister in Deutschland.

Und "nah" bedeutet für uns, dass jeder Kunde überall in Deutschland nicht weit entfernt mindestens eine der 16 200 Geschäftsstellen oder 24 300 Geldautomaten erreichen kann.

Diese Geschäftsphilosophie ist der wesentliche Grund, dass Sparkassen heute das mit Abstand höchste Kundenvertrauen aufweisen. Dieses Kundenvertrauen ist das wichtigste Kapital, das ein Finanzdienstleister erwerben kann.

Umorientierung bei den Großbanken

Natürlich wird sich gerade angesichts des Zweckes dieser Publikation und der vorgesehenen Ehrung eines verdienten kreditwirtschaftlichen Fachmannes nicht verschweigen lassen, dass auch die Sparkassen Wettbewerber haben und den Wettbewerb auch spüren - wenn auch von den verschiedenen Anbietern in ganz unterschiedlicher Weise.

Die privaten Großbanken haben in den vergangenen Jahren Sparkassen und Genossenschaften weithin das Retailgeschäft überlassen - sei es, weil sie wegen ihrer unzureichenden Marktpräsenz die Kunden physisch gar nicht erreichen konnten, sei es, weil sie sich zum Beispiel internationalen Geschäftsfeldern zugewandt hatten.

Hier hat eine Umorientierung stattgefunden. Inzwischen scheint man begriffen zu haben, dass Marktanteile in Deutschland nur durch harte Arbeit am Kunden und nicht durch Veränderung von Bankenstrukturen erreicht werden können. Mit "Mittelstandsoffensiven", Samstagsöffnungen und kostenlosen Girokonten versuchen nun manche, wieder ins Geschäft zu kommen. Die Sparkassen betrachten die Entwicklungen aufmerksam, aber ohne Aufregung. Die Neuentdeckung des Mittelstands durch Wettbewerber ist für uns im klassischen Kreditgeschäft bisher kaum spürbar.

Wettbewerb bei Kapitalmarktprodukten spürbar

Anders ist dies sicherlich bei allen weitergehenden Betreuungen im Bereich von Kapitalmarkt- und internationalen Produkten. Dort müssen wir uns verbessern. Die dazu erforderlichen Schritte sind eingeleitet.

Zu kostenlosen Girokonten haben wir die Auffassung, dass es für die Kunden günstigere Angebote als "kostenlos" gibt. Was nichts kostet, taugt auch nichts - das ist nicht nur eine Lebensweisheit, sondern eine ganz praktische Erfahrung der Kunden. Unser Ziel ist deshalb, durch die mit dem Girokonto verbundenen Leistungen, etwa der unentgeltlichen Nutzung des größten deutschlandweiten Geldautomatennetzes und durch Mehrwertdienstleistungen Kunden zu vermitteln, dass eine gute Leistung ihr Geld wert ist. Wir wollen nicht die Billigsten, sondern die mit dem von den Kunden als sehr gut wahrgenommenen Preis-Leistungs-Verhältnis sein. Und Samstags- oder Abendöffnungen sehen wir nicht als neuartige Geschäftsstrategie, sondern eher als eine normale Einstellung auf die Bedürfnisse von Kunden an, die Sparkassen schon seit Jahren an vielen Stellen Deutschlands anbieten.

Preiswettbewerb durch Online-Banken: Gegenhalten ist möglich

Eine besondere Herausforderung stellen sicherlich solche Anbieter dar, die onlinegestützt und preisgetrieben auf die Kunden zugehen. In aller Regel gelingt es ihnen mit ihrem eingeschränkten Produktportfolio nicht, über einzelne Geschäftsvorfälle hinaus die Kundenbeziehung zu gewinnen. Aber auch eine solche Strategie des "Rosinenpickens" ist natürlich für etablierte Anbieter schmerzhaft. Man kann ihr aber durch eine intensivere Kundenbetreuung und - punktuell - auch über Preiskampagnen begegnen.

Die Erfahrungen zeigen, dass es mit einer leichten Veränderung, vor allem mit der Herausstellung von Konditionen sehr schnell gelingt, abgeflossene und zusätzliche Einlagen zu gewinnen. Es bleibt damit der betriebswirtschaftlichen Kalkulation der einzelnen Sparkasse vorbehalten, in welchem Umfang und zu welchem Preis sie eine "Schnäppchenjagd" der eigenen Kunden bei anderen verhindern möchte.

Respekt für die Postbank

Es ist sicherlich nicht die Aufgabe eines DSGV-Präsidenten, die Strategien von einzelnen Wettbewerbern zu kommentieren. Dem Anlass angemessen soll dies hier aber ausnahmsweise in wenigen Worten geschehen.

Respekt - unter der Führung von Herrn von Schimmelmann hat sich die Postbank in den Augen ihrer Kunden zu einer vollwertigen Bank entwickelt, die vor allem von ihrem kostengünstigen Image lebt. Sie hat den früher bei den Kunden verbreiteten Eindruck einer "verschlafenen Beamtenbank" abgelegt und auch für die Börse eine beeindruckende Story geschrieben.

Sicherlich hat bei dieser sehr positiven Entwicklung die enge Einbindung in den Postkonzern geholfen, der selbst eine nachhaltige Veränderung erlebt hat, bei dem die Ausrichtung auf den Markt aber - zu Recht - durch staatliche Rahmenbedingungen abgefedert wurde und noch weiterhin wird.

Neue Qualität des Wettbewerbs?

Allerdings ist diese Nähe zur Post sicherlich auch eine Herausforderung. Es ist nicht einfach, im Umfeld von Briefmarken, Paketen und langen Warteschlangen kreditwirtschaftliche Kompetenz für die Kunden sichtbar zu machen. Es bedarf großer Anstrengungen, um in diesem Umfeld anspruchsvolle Produkte wie eine Lebensversicherung oder auch einen Konsumentenkredit verkaufen zu können. Nicht umsonst tätigen Postbankkunden ihr anspruchsvolleres Neugeschäft heute zu fast zwei Dritteln bei Wettbewerbern.

Dennoch muss die Postbank mit ihren rund 14,5 Millionen Kunden als Wettbewerber sehr ernst genommen werden. Wenn sie es schafft, das erworbene BHW noch stärker, auch vertrieblich, zu integrieren, ist der Weg auch zu anspruchsvolleren Produkten und damit zu stabilen Kundenbeziehungen frei. Dann würde auch die Wettbewerbsituation zu den Sparkassen eine neue Qualität erfahren. Wir beobachten deshalb diese Entwicklung sehr aufmerksam.

Und darüber hinaus ist auch die Frage offen, ob durch eine Integration der Postbank in einen Bankkonzern künftig ein noch schlagkräftigerer Wettbewerber heranwachsen wird. Aus eigenen Marktinteressen würden wir eine solche Veränderung sicherlich nicht befördern, aus Sicht des Finanzplatzes Deutschland könnte man dem sicherlich eine Menge abgewinnen.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X