Mittelstandsgeschäft

Stark umworben: Der Mittelstand wird anspruchsvoll

Lothar Späth hat viele Rollen. Auch die des Fürsprechers "Mittelstand". Beim Start zur neuen Veranstaltungsreihe "Naspa Dialog" im Frühsommer dieses Jahres konnte man sich davon ein weiteres Mal überzeugen. Alles in allem, so sein Fazit, wird der seit 2006 feststellbare Aufschwung in Deutschland vom Mittelstand getragen. Denn er habe sich nicht von der technologischen Dynamik und fortschreitenden Globalisierung abkoppeln lassen, sondern sich vielmehr beides zunutze gemacht. Und so profitierten vom Aufschwung neben Exportunternehmen auch binnenmarktorientierte Firmen, weil sie, gleichfalls optimistisch, wieder in neue Kapazitäten investierten.

Nun sind Aussagen zum Erfolgsmodell "Mittelstand" prinzipiell nichts Neues. Neu ist allerdings, dass der Mittelstand zwischenzeitlich auf breiter Basis wesentlich besser mit den komplexen Aufgaben und Herausforderungen einer modernen Unternehmensführung umzugehen weiß.

Rating hat an Schrecken verloren

Gerade beim Finanzmanagement sind die Fortschritte unübersehbar. Beleg dafür ist die Tatsache, dass die Unternehmen Möglichkeiten, die sich aus den neuen Ratingverfahren im Zusammenhang mit Basel II ergeben, vielfach nutzen, um ihre unternehmerischen Risiken zu analysieren, zu messen und zu steuern.

Hierzu schreibt der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) in seiner Untersuchung "Diagnose Mittelstand 2007": Das Rating "hat bei kleinen und mittleren Unternehmen erheblich an Schrecken verloren. (...) Nur noch vier Prozent der Sparkassen beobachten, dass Unternehmen mit dem Begriff des Ratings nicht vertraut sind oder kein Interesse daran zeigen. Zwei von drei Mittelständlern sehen das Rating inzwischen vielmehr als Chance und reagieren darauf überwiegend positiv."

Darüber hinaus hat sich auf breiter Front die Erkenntnis verankert, dass nur die Unternehmen Fremdkapital erhalten können, die über eine "gesunde" Eigenkapita lquote verfügen. Das führt dazu, dass vom Mittelstand innovative Finanzierungsformen jenseits der Kreditfinanzierung zunehmend entdeckt werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass der klassische Bankkredit ein Auslaufmodell ist. Vielmehr werden Bankkredite gezielt durch Komponenten ergänzt, mit deren Hilfe die Bilanzstrukturen und damit das Bonitätsrating optimiert werden. Zu diesen innovativen Instrumentarien gehören unter anderem Leasing, Factoring und zunehmend Eigenkapitalalternativen wie Mezzanine.

Vom ungeliebten Kind zum umworbenen Star

Aber nicht nur der bessere Umgang mit den komplexen Aufgaben und Herausforderungen einer modernen Unternehmensführung ist für den Mittelstand von heute prägend, sondern auch seine Position gegenüber den Banken. Die hat sich grundlegend geändert. Denn aus Vernachlässigung ist ein Umworben-Sein geworden, aus einem ungeliebten Kind ein umworbener Star.

Grund der Vernachlässigung war die geringe Profitabilität im Firmenkundengeschäft. Und ausschlaggebend dafür waren neben massiven Wertberichtigungen im Kreditgeschäft vor allem seitens der Banken unklare strategische Positionierungen sowie ineffiziente Produkt- und Vertriebsplattformen. Bei solchen Bedingungen verwunderte es nicht, dass sich viele Kreditinstitute - mit zum Teil verheerenden Konsequenzen für die betroffenen Unternehmen - aus dem Firmenkundengeschäft gänzlich zurückgezogen haben.

Doch seitdem die Bankbilanzen konsolidiert und die Geschäftsmodelle überprüft sind und sich ein grundlegend neues Verständnis von Risikomanagement etabliert hat, erlebt das Firmen- und Gewerbekundengeschäft eine Renaissance. Denn bei Abwägung lukrativer und vor allem stabiler Ertragsmöglichkeiten bei nunmehr besser kalkulierbaren Risiken schlägt das Pendel wieder in Richtung Firmen- und Gewerbekunden aus. Und das heißt: Auch der Mittelstand ist für Banken wieder gesellschaftsfähig.

Gestiegenes Selbstbewusstsein

Das bedeutet, dass ein enorm gewachsener Wettbewerb entstanden ist und weiter entsteht. Zumal nicht nur die Großbanken ihre Liebe zum Mittelstand wieder entdeckt haben, sondern auch Spezialanbieter verstärkt in den Markt eintreten.

Mit professionellen Beratungsangeboten, innovativen Produkten und nicht zuletzt hochattraktiven Margen wird geworben. Trotzdem ist festzuhalten: Mittelstandsfirmen mit guter Bonität für Kreditprodukte zu gewinnen, ist beinahe so wie ein Sechser im Lotto. Entweder halten sich die Umworbenen mit Investitionen derzeit noch zurück oder finanzieren sich aus eigener Kraft oder refinanzieren sich über den Kapitalmarkt.

Vor diesem Hintergrund verwundert es kaum, dass selbst Unternehmen mit mittlerer Bonität derzeit mit attraktiven Finanzierungsangeboten rechnen können. Das führt dazu, dass Finanzdienstleister Firmen- und Gewerbekunden gegenüberstehen, die selbstbewusster auftreten. Es vollzieht sich also ein Wandel und zwar ein tief greifender Wandel von einem Anbieter- zu einem Nachfragermarkt. Da bei fällt es Kreditinstituten zunehmend schwerer, auskömmliche Konditionen zu verhandeln beziehungsweise die notwendigen betriebswirtschaftlichen Unterlagen einzufordern.

Reines Kreditgeschäft allein ist ohne Zukunft

Diesem "neuen" Mittelstandskunden zu entsprechen heißt für Banken, dass ein Fortführen ihrer bisherigen Geschäftsstrategie mit der alleinigen Fokussierung auf das Kreditgeschäft ohne Zukunft ist.

Denn die Bank ist für das Unternehmen nicht länger lediglich Kreditgeber und Garant für die schnelle und zuverlässige Abwicklung des Zahlungsverkehrs. Von ihr wird vielmehr seitens des Mittelstands verlangt, dass sie eine betriebswirtschaftlich ausgerichtete Beratungskompetenz in ihrem Angebotsportfolio vorzuweisen hat.

Die Nassauische Sparkasse (Naspa) hat sich für den einer grundlegenden Reorganisation des Firmen- und Gewerbekundengeschäfts entschieden.

Günstige Ausgangsbedingungen für Sparkassen

Bei der Analyse der Ausgangssituation wurde deutlich, dass in punkto Geschäftsbeziehungen zu mittelständischen Kunden auch bei der Naspa der Schwerpunkt im Kreditgeschäft und Zahlungsverkehr liegt. Damit erfüllen wir zwar als Finanzdienstleister wichtige Aufgaben, dürfen aber nicht übersehen, dass diese Produktkonzentration für ein nachhaltig rentables Geschäftsmodell nicht ausreichend ist.

Hier will die Naspa mit dem Betreuungskonzept "Naspa 2011" neue Ufer erreichen. Dabei hilft, dass Mittelstandskunden das Verhalten von Sparkassen und Genossenschaftsbanken, sich in den vergangenen Jahren nicht vom Mittelstand verabschiedet zu haben, durchaus honorieren. Auch die Tatsache, dass die Naspa selbst ein mittelständisches Unternehmen ist und folglich mit Mittelstandskunden immer auf Augenhöhe spricht, ist ein Wettbewerbsvorteil.

Doch beide Faktoren sind höchstens günstige Rahmenbedingungen. Ausreichend, um den Bedürfnissen der Kunden dauerhaft zu entsprechen, sind sie noch nicht.

Beispiel Naspa 2011

Den Hebel angesetzt hat die Naspa bei Produkten, Preisen und beim Service. Für die Produkte heißt das: Das Angebot wurde gestrafft und kompatibel gemacht für Firmen- wie Gewerbekunden; für die Preise: Sie wurden so angepasst, dass wir uns nicht aus dem Markt verabschieden, gleichwohl auch nicht in den Preiskampf einsteigen; und für den Service: Er wurde auf bedarfsgerechte Beratung interessanter Kunden ausgerichtet.

Herzstück des Betreuungskonzepts Naspa 2011 ist der Service mit folgenden Leitlinien: Wir sind zusammen eine Sparkasse, indem wir uns gegenseitig unterstützen (zum Beispiel Privatkundengeschäft/Firmenkundengeschäft) und jeder für jeden Dienstleister ist (zum Beispiel Markt/Marktfolge). Wir betreuen unsere Kunden ganzheitlich, indem wir einerseits das Unternehmen sehen und andererseits den Unternehmer als Privatperson und jedem das Passende bieten statt alles für jeden. Wir sorgen für eine konsequente Kundenbetreuung, indem wir jede Beratung auf die Situation des Kunden und nachhaltig ausrichten und dabei Naspa-eigenen Standards Folge leisten. Wir achten auf eine schnelle und einfache Umsetzbarkeit, indem gute Funktionalität und Anwenderfreundlichkeit großgeschrieben und kurzfristiger Einsetzbarkeit und fortlaufender Weiterentwicklung hohe Priorität eingeräumt wird.

Enge Verzahnung mit dem Privatkundenbereich Wesentliche Erfolgsfaktoren sind dabei aus unserer Sicht:

Die räumliche Nähe zu unseren Kunden.

Eine enge Verzahnung mit den Vertriebsaktivitäten im Privatkundenbereich, also ein zentrales Vertriebs- und Marketingmanagement für das gesamte (große) Naspa-Geschäftsgebiet.

Effiziente Prozesse zwischen Markt und Marktfolge und

moderne IT-Unterstützung für den kompletten Betreuungsprozess.

Schlank und schnell wollen wir sein im Agieren, weil es nur so gelingt, das Ziel zu erreichen. Und das heißt: Bei Produkten und Preisen den Marktstandard bieten, bei Beratung den Marktstandard übertreffen und bei Kundenzufriedenheit und Service Marktführer werden.

Aber auch mittelstandsverbunden wollen wir bleiben. Weshalb wir das Mittelstandsgeschäft nicht auf das Kreditgeschäft reduzieren, sondern guten Firmen- und Gewerbekunden eigene Private-Banking-Berater stellen. Heißt: Wir wollen, dass der Mittelstand sich wohlfühlt bei der Naspa. Und zwar langfristig.

Wettbewerb im Mittelstand - Was hat sich verändert? Um es kurz zu sagen: Die Situation des Mittelstands und die der Finanzmärkte, was von den Banken verlangt, sich zu wandeln, um zu bestehen. Das klingt zu einfach? Mag sein. Aber richtig ist es doch.

Bertram Theilacker , Mitglied des Vorstands , Nassauische Sparkasse (Naspa), Wiesbaden
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