Verbände als Dienstleister

Der Verband muss sparkassenrelevante Strukturen spiegeln

Welche unterstützenden Leistungen benötigen Sparkassen von ihrem regionalen Verband? Wie müssen die Aufbau- und Ablauforganisation des Verbandes gestaltet sein, damit diese erbracht werden können? Und welches Rollenverständnis soll der Verband bei seiner Tätigkeit einnehmen? Kurz und gut: Wie sieht der ideale Sparkassenverband aus?

Jede Verbandsarbeit ist darauf ausgerichtet, den Mitgliedern zu nutzen und sie beim Erreichen ihrer gemeinsamen Ziele zu unterstützen. Dies setzt voraus, dass ein Verband die Arbeitsweisen der Mitglieder abbildet und darauf aufbauend bedarfsorientiert handelt. Um das Idealbild eines regionalen Sparkassenverbandes zu entwickeln, sind daher zunächst die Anforderungen der Sparkassenpraxis sowie ihrer kommunalen Träger zu berücksichtigen.

Mehr denn je müssen sich die 438 deutschen Sparkassen im Rahmen der ganzheitlichen Beratung mit einem attraktiven Produktangebot zu wettbewerbsfähigen Preisen bei ihren Kunden behaupten. Dabei konkurrieren sie mit einer Vielzahl von Genossenschaftsbanken, aber auch spezialisierten und zentralisierten Kreditinstituten, die teils mit aggressiven Konditionen als Bestandteil ihres Geschäftsmodells am Markt auftreten.

Ohne Frage müssen daher die Vorstandsmitglieder der Sparkassen wie jeder an dere Unternehmer auch flexibel auf die Markterfordernisse eingehen, schnell Entscheidungen treffen, die internen Prozesse und Abläufe straff regeln sowie Zuständigkeiten klar definieren. Schließlich leiten sie keine aus Steuern subventionierten Wirtschaftseinheiten, sondern stehen mit ihren Instituten ebenso im Wettbewerb wie andere Banken auch. Gleichzeitig haben sie die Geschäfte unter Beachtung des öffentlichen Auftrags zu führen: Als kommunal getragene, öffentlich-rechtliche Unternehmen haben die Sparkassen der geld- und kreditwirtschaftlichen Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft insbesondere des Geschäftsgebietes und ihres Trägers zu dienen. Gewinnerzielung ist nicht Hauptzweck des Geschäftsbetriebs.

Dieses gelebte Unternehmertum im Sinne des öffentlichen Auftrags ist die Kernidee des dezentralen Sparkassenwesens. Die Sparkassenvorstände führen die Sparkasse im Geschäftsgebiet des kommunalen Trägers eigenständig und eigenverantwortlich. Seit mehr als 200 Jahren bewährt sich das Geschäftsmodell, das traditionell den Kunden und die örtliche Bindung in den Mittelpunkt stellt. Selbst in den Zeiten der Finanzmarktkrise hat es sich als wett-bewerbs-, leistungs- und zukunftsfähig erwiesen.

"Too small to fail"

Durch die Dezentralität und die Bindung zum kommunalen Träger sind Sparkassen vorwiegend Institute von überschaubarer Größe. Diese Einheiten sind leichter steuerbar, die Risiken besser zu kontrollieren und aufgrund des sehr kleinteiligen Geschäfts breiter gestreut als bei Großbanken. Somit ist die Sparkassenorganisation mit ihren dezentralen Strukturen "too small to fail" - und Stabilisator des Finanzsystems, wie bereits im Sommer 2008 der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung festgestellt hat.

Gleichzeitig stellt sie die Institutsgröße vor die Herausforderung, trotz der hohen marktmäßigen Anforderungen, der gesetzlichen Regulierungsflut und einer organisatorisch wie prozessual steigenden Komplexität kostengünstig zu arbeiten. Aus den Anforderungen der Sparkassenpraxis leiten sich die Erwartungen der Vorstandsmitglieder an eine bedarfsorientierte Arbeit des Regionalverbandes ab.

Ziele der Verbandsarbeit

Wie die Mitgliedsinstitute selbst sollte sich ein Sparkassenverband als moderner Dienstleister ausrichten und genauso unternehmerisch geführt werden. Als wichtiger Knotenpunkt in der dezentral ausgerichteten Organisation hat der Verband die dezentrale Verantwortungshoheit der Sparkassen zu unterstützen und zu fördern, indem er ihre Interessen vertritt, sie berät und umsetzungsfähige Lösungen erstellt. Deshalb muss jeder Verband ebenso professionell, innovativ und marktorientiert, schnell, klar und transparent handeln wie die Sparkassen selbst. Dazu gehört es auch, ungewöhnliche Vorschläge zu unterbreiten und neue Impulse in die Praxis zu geben.

Im Sinne einer konstruktiven Zusammenarbeit und breiten Akzeptanz der entwickelten Lösungen sollten sich Verband und Sparkassen regelmäßig und offen austauschen und einen klaren Prozess der Meinungs- und Willensbildung definieren. Welche Maßnahmen der Verband anschließend begleitet und wie die Ergebnisse im Folgenden in der Praxis verwirklicht werden, verbleibt in der unternehmerischen Entscheidungshoheit der öffentlich-rechtlichen Institute.

Ausgehend von dieser Sichtweise ist es sinnvoll, dass ein Verband sowohl in der fachlichen Arbeit als auch in der Organisation die sparkassenrelevanten Strukturen widerspiegelt und den Mitgliedern einen tiefgehenden Erfahrungsaustausch und eine breite Meinungsbildung ermöglicht. Des Weiteren sind klare Beauftragungs- und Abnahmeprozesse unerlässlich. Hierbei gilt es zu beachten, dass die Zusammenarbeit und Entscheidungsprozesse der Sparkassen untereinander ausgleichend geregelt sind, um breit akzeptiert zu werden. Eine nach modernen Corporate Go-vernance-Richtlinien gestaltete Unternehmensführung gewährleistet darüber hinaus eine verantwortliche, qualifizierte, transparente und auf den langfristigen Erfolg ausgerichtete Verbandsarbeit.

Wie auf Basis dieser Ziele und Voraussetzungen die Zusammenarbeit der Sparkassen mit ihrem Regionalverband gestaltet wird, ist in den Verbänden individuell geregelt. Im Folgenden wird beschrieben, wie der Westfälisch-Lippische Sparkassen- und Giroverband (WLSGV) als moderner Dienstleister für die 75 Mitgliedssparkassen in der Region bereits sehr gut aufgestellt ist und wo noch Entwicklungspotenziale bestehen.

Zusammenarbeit des WLSGV mit den Sparkassen

Die Zusammenarbeit des WLSGV mit den westfälisch-lippischen Sparkassen wurde ab Januar 2006 neu definiert. So wurden die themenspezifischen Ausschüsse neu strukturiert, um bestehende Redundanzen abzubauen sowie die Transparenz zu erhöhen. Entsprechend der bankfachlichen Arbeit der Sparkassen entstanden drei Fachausschüsse zu den Arbeitsgebieten Markt/Vertrieb, Banksteuerung sowie Organisation/Prozesse. Aufgabe dieser Fachausschüsse ist es, Handlungsoptionen für künftige Herausforderungen der Sparkassen zu diskutieren und innovative Ideen sowie "Best-Practice"-Konzepte für die Umsetzung im Verbandsgebiet vorzubereiten.

Gesteuert werden die Fachausschüsse vom Obleute-Ausschuss, dem zentralen Meinungsbildungsgremium der westfä-lisch-lippischen Sparkassenvorstände. Die auf Basis seiner Aufträge erarbeiteten Projekte werden zunächst wieder von den zuständigen Fachausschüssen inhaltlich bewertet, bevor sie der Obleute-Ausschuss abnimmt und eine Umsetzung in allen Sparkassen veranlasst.

Enge Verzahnung

Die drei Fachausschüsse und der Obleute-Ausschuss sind inhaltlich und personell verzahnt. Jeweils 14 Vorstände aus den westfälisch-lippischen Sparkassen sind Mitglieder der drei Fachausschüsse. Den Vorsitz beziehungsweise stellvertretenden Vorsitz haben Mitglieder des Obleute-Ausschusses übernommen. Die Ausschussmitglieder arbeiten eigenverantwortlich, der enge Austausch sichert ein breit angelegtes Meinungsbild für anstehende Maßnahmen ab.

Die Abstimmung in den Ausschüssen erfolgt nach Köpfen. Die Betriebsgröße der Sparkasse bleibt dabei unberücksichtigt, denn erwiesenermaßen ist sie für den Erfolg einer Sparkasse und damit für den Erfolg der gesamten Organisation unerheblich. Diese Gleichbehandlung sichert die Ausgewogenheit und Akzeptanz der Entscheidungen ab.

Spiegelbildlich zur neuen Ausschussarbeit wurden in der Aufbauorganisation des Verbandes die drei Kompetenz-Center (KC) Markt/Vertrieb, Banksteuerung sowie Organisation/Prozesse gebildet. Sie unterstützen den jeweiligen Fachausschuss und sind Ansprechpartner für inhaltliche Fragen. So wird die Fachkompetenz des Verbandes mit der Praxiskompetenz der Sparkassen verbunden und eine effektive Verbandsarbeit sichergestellt.

Im Rahmen dieser Gremienarbeit dienen die eigenverantwortlich organisierten Sitzungen der sieben Bezirks-Arbeitsgemeinschaften in Westfalen-Lippe als Kommunikationsplattform für die Sparkassenvorstände. Dort wird über Projektideen sowie markt- und betriebswirtschaftliche Themen diskutiert und über die vom Obleute-Ausschuss beauftragten Projekte berichtet. Die Mitglieder der Fachausschüsse bringen Fachfragen und Projektwünsche aus den Bezirks-Arbeitsgemeinschaften in die Fachausschüsse ein und informieren wiederum über die Ausschusssitzungen. So sind innerhalb der dezentralen Organisation eine fundierte, zuverlässige und vertrauensvolle Facharbeit ebenso wie klare Zuständigkeiten und Entscheidungswege gewährleistet.

Regionalisierte Marktforschung

Über die bestehenden Herausforderungen hinaus ist es wichtig, das Marktumfeld fortlaufend, strukturiert und intensiv zu beobachten und die Marktbearbeitung zu unterstützen. Zu diesem Zweck bietet der WLSGV seit einigen Jahren unter anderem regionalisierte volkswirtschaftliche Analysen, Marktforschungen und Kundenanalysen an.

Weitere Vertriebsansätze liefert ein Verkaufs- und Rentabilitäts-Ranking, das die Verkaufserfolge der einzelnen Sparkassen messbar macht und in eine Rangfolge bringt. Ergänzend bildet eine Verkaufsstatistik ab, welche Ergebnisbeiträge im Neugeschäft mit welchen Produkten und Dienstleistungen erwirtschaftet wurden.

Mit diesen klaren Strukturen und Prozessen sowie modernen Instrumenten ist der Westfälisch-Lippische Sparkassen- und Giroverband für die Anforderungen der Sparkassenvorstände bereits sehr leistungs- und serviceorientiert aufgestellt und erfüllt die Erwartungen seiner Mitglieder und der kommunalen Träger mehr als gut. Das bestätigen die Bewertungen der Sparkassen ebenso wie betriebswirtschaftliche Vergleiche mit den anderen Regionalverbänden. Sowohl beim Personalaufwand als auch beim Sachaufwand gehört der WLSGV zu den führenden Sparkassenverbänden. Nichtsdestoweniger vertritt der WLSGV als unternehmerisch handelnder Dienstleister den Anspruch, sich stets weiterzuentwickeln.

Potenziale

Um im Sinne einer modernen Corporate Governance zu arbeiten, erscheint es überlegenswert, die Leitungsstrukturen des Verbandes an die veränderten wirtschaftlichen und rechtlichen Anforderungen auszurichten. Idealerweise könnte dies vergleichbar zu den Entscheidungsstrukturen der Sparkassen erfolgen. Aufgrund gestiegener Geschäftsvolumen und veränderter Gesetzesanforderungen wurde Mitte des 20. Jahrhunderts der ehrenamtliche Sparkassenvorstand durch ein Kollegialorgan ersetzt - anders bei den regionalen Sparkassenverbänden, die seit den 1930er Jahren durch das Individualorgan des Verbandsvorstehers geführt werden.

Das im November 2008 novellierte nord-rhein-westfälische Sparkassengesetz ermöglicht es nun, einen hauptamtlichen Vorstand als Kollegialorgan einzusetzen. Innerhalb dessen können die zunehmenden Aufgaben und Termine sach- und fachgerechter sowie zeitlich ausgeglichener auf die Vorstandsmitglieder verteilt werden. Die Mitglieder des Verbandsvorstands würden durch eine bessere Arbeitsteilung stärker vom operativen Tagesgeschäft entlastet. Zudem würden die Entscheidungen im Verbandsvorstand gemäß des Vieraugenprinzips von den Vorstandsmitgliedern gemeinschaftlich getroffen. Als Kontrollorgan könnte ein Verwaltungsrat dienen, der ähnliche Aufgaben wie die Verwaltungsräte in den Sparkassen erhalten könnte.

Klar ist: Eine moderne Verbandsarbeit hat die Bedürfnisse und Interessen der Mitglieder abzudecken - von der Arbeitsweise vorzugsweise im Rahmen der bekannten Strukturen. Und: Je ausgeglichener die wirtschaftlichen Verhältnisse der Mitglieder sind, umso einfacher für die Verbandsarbeit. In Anbetracht der aktuellen Marktlage und Wirtschaftsverhältnisse wird dies eine große Herausforderung sein.

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