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Verbraucherschutz - Unterrichtsmaterialien aus der Wirtschaft: Lobbyarbeit an der Schule?

Drei Jahre lang hat der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (VZBV), Berlin, im Materialkompass Verbraucherbildung Unterrichtsmaterialien zu den Themengebieten Finanzkompetenz, Medienkompetenz, nachhaltiger Konsum und Ernährung gesammelt und von Januar 2011 bis Oktober 2013 einer Qualitätsprüfung unterzogen. Zu 37 Prozent stammten die Materialien von der öffentlichen Hand. Bei 22 Prozent waren Interessensverbände oder Stiftungen ohne kommerzielle Interessen verantwortlich. Ein Viertel der Unterrichtsmaterialien wurde von Unternehmen oder wirtschaftsnahen Verbänden und Stiftungen bereitgestellt. Die Wirtschaft hat also bei der Bildung zu den genannten Themen durchaus ein bedeutendes Gewicht.

Die Qualitätsprüfung kam insgesamt zu einem erfreulichen Ergebnis: 61,2 Prozent der Lehrmaterialien wurden mit sehr gut (25,6 Prozent) oder gut (35,5 Prozent) bewertet. Dieses Bild unterscheidet sich jedoch stark nach den einzelnen Absendern. Insbesondere das von der Wirtschaft bereitgestellte Material wird als eher unterdurchschnittlich bewertet. Hier liegt die Quote der "sehr guten" Lernmittel nur bei 9,8 Prozent, die der "guten" bei 23,5 Prozent. 38,4 Prozent werden mit der Schulnote vier oder fünf bewertet. In der Gesamtstichprobe liegt dieser Anteil nur bei 16,1 Prozent. Obwohl die Wirtschaft nur ein Viertel der 453 untersuchten Materialien herausgibt, steht sie demnach für fast drei Viertel (74 Prozent) der mit mangelhaft benoteten Lernmittel. Die Kritikpunkte an den als schlecht bewerteten Medien: Oft würden Sachverhalte nicht objektiv dargestellt, es komme zu verkürzten oder einseitigen Darstellungen. Thematisch sei der Fokus oft zu eng, die Unternehmenssicht stehe zu sehr im Vordergrund oder es werde durch positive Darstellungen versucht, ein ganzes Branchenimage zu verbessern.

Als Beispiel für ein "mangelhaftes" Bildungsangebot aus der Wirtschaft nennt die Studie "Wirtschaft und Finanzen live" von der Deutschen Bank. Diesem Material wird zwar ein breites Themenspektrum bescheinigt, das allerdings rein wissensorientiert, abstrakt und wenig handlungsorientiert aufgebaut sei. Ein Kompetenzzuwachs der Schüler, der sie in die Lage versetzt, Zusammenhänge wirklich zu verstehen oder kritisch zu hinterfragen, sei deshalb kaum zu erwarten. Vielmehr werde die asymmetrische Rollenzuweisung von Kunde und Bankfachmann verstärkt.

Schließlich bemängelt das Bewertungsteam, dass das Material nur in Verbindung mit einem Referentenbesuch eines Mitarbeiters der Bank im Unterricht erhältlich ist. Der Kritikpunkt liegt dabei im "unmittel baren Zugriff der Unternehmensmitarbeiter auf die Schülerschaft", wobei unterstellt wird, dass dabei nicht objektiv informiert wird. Zweifellos ist es nicht gesagt, dass ein solcher Unterrichtsbesuch in eine Art Werbeverkaufsveranstaltung ausartet. Es ist aber gleichwohl richtig, dass es ein "Gschmäckle" hat, wenn Lernmaterial nur in Verbindung mit einem solchen Besuch ausgehändigt wird. Hier sollte die Entscheidungshoheit immer beim Lehrer bleiben.

Als Fazit hält das Bewertungsteam fest: Wenn Herausgeber aus der Wirtschaft oder wirtschaftsnahen Institutionen oder Verbänden kommen, ist erhöhte Vorsicht geboten, weil sich diese Materialien überproportional oft durch interessengeleitete oder einseitige Informationen auszeichnen. Um dieser Form der Lobbyarbeit an Schulen vorzubeugen, fordert die Untersuchung, "ein bildungspolitisches Klima zu schaffen, in dem klare Regeln und Grenzen für die Einflussnahmen außerschulischer Partner auf der Unterrichtsgeschehen definiert und durchgesetzt werden". Das freilich hieße in letzter Konsequenz, dass die Materialien von den Schulbehörden geprüft und freigegeben werden müssten. Dann aber könnte man ebenso gut ein ordentliches Unterrichtskonzept erarbeiten und für eine entsprechende Qualifizierung der Lehrkräfte sorgen, wie es die Wirtschaft schon seit langem anmahnt. Red.

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