Im Gespräch

"Versicherer wollen dem Bankensektor nicht das Wasser abgraben" - Interview mit Alexander Erdland

Herr Erdland: Sie sind nicht nur Vorstandsvorsitzender des letzten verbliebenen Allfinanz-Konzerns in Deutschland, sondern auch Präsident des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) - wie schätzen Sie generell die Lage der deutschen Versicherungswirtschaft ein: Wo sind die Herausforderungen, womit sind Sie zufrieden?

Die Antwort auf diese Frage ist zweigeteilt: Mit der Entwicklung in der Kompositversicherung kann man recht zufrieden sein. Die Wachstumszahlen stimmen, was mit der Leistungsfähigkeit der Branche und mit der relativ guten Konjunkturentwicklung in Deutschland zusammenhängt. Die Schadenentwicklung ist ordentlich. Zum anderen wurden die Probleme in defizitären Sparten wie der Autoversicherung und der Wohngebäudeversicherung von den Versicherungsunternehmen angegangen. Das heißt, die Stimmung im Bereich der Schaden- und Unfallversicherung ist gut.

Daneben gibt es aber eine Debatte um die Lebensversicherung. Diese intensiviert sich, je länger das politisch bestimmte Niedrigzinsniveau anhält. Von dieser Problematik sind alle kapitalgedeckten Altersvorsorgesysteme betroffen und damit auch alle Kunden, die zusätzlich privat für das Alter vorsorgen. Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) versteht sich an dieser Stelle gerade auch als Fürsprecher der Millionen Altersvorsorgesparer, die Gefahr laufen, einen Teil der Last für die Rettungs- und Stabilisierungsmaßnahmen zugunsten verschuldeter Staaten und gefährdeter Banken tragen zu müssen. Wir haben vor diesem Hintergrund unsere Garantiekonzepte weiterzuentwickeln.

Themen in diesem Zusammenhang sind auch die regulatorischen Herausforderungen, beispielsweise durch Solvency II. Hinzu kommen Fragen des Verbraucherschutzes wie Transparenz, Verständlichkeit, Qualität, Incentivierung und Kosten.

Wie reagiert man auf die doch teils massiven Vorwürfe, denn das ist dem Vertrauen in das Produkt nicht gerade zuträglich?

Zunächst darf man die Dinge nicht einfach leugnen, sondern muss sich mit den Vorwürfen beschäftigen. Ein wesentlicher Ansatzpunkt ist sicherlich das Thema Transparenz. Produkte sollen einfacher und besser verständlich gemacht werden. Hier wollen wir ansetzen. Dem Kunden muss sich eine Grundplausibilität erschließen, ohne dass er sich vorab alle Einzelheiten aneignen muss. Er muss sich berechtigt sicher fühlen, die für ihn richtige Produktentscheidung treffen zu können, auch im Vergleich zu anderen Angeboten.

Ein weiterer Ansatzpunkt, an dem gearbeitet werden muss, ist das Thema Kosten. Hier steckt noch Optimierungspotenzial. Man sollte nicht vergessen, dass zu hohe Kosten in Zeiten niedriger Renditen stärker ins Gewicht fallen, was die Produkte aus Kundensicht unattraktiver macht.

Neben unserem Interesse an Verbesserungen geht es aber auch darum, die große Kompetenz der deutschen Versicherungswirtschaft zum Beispiel im Kapitalanlage- und Risikomanagement sowie im Vertrieb stärker herauszustellen. Was wir tatsächlich leisten für unsere Gesellschaft kommt in der Wahrnehmung noch zu kurz.

Das löst aber nicht die Probleme der angesichts der gegenwärtigen Zinslage sicherlich ambitionierten Garantieversprechen?

Das ist ein aktueller Punkt. Die Zinsen werden vermutlich längere Zeit auf sehr niedrigem Niveau verharren.

Das macht eine Verzinsung des eingesetzten Kapitals in erforderlicher Höhe schwierig, auch vor dem Hintergrund der Anlagevorschriften, die zum Teil zu aktualisieren wären. Die Garantiemodelle für die Zukunft müssen überarbeitet werden. Natürlich werden die Versprechen bei bereits eingegangenen Garantien erfüllt. Aber es gilt, neue Produkte mit mehr Flexibilität zu schaffen.

Das ist wichtig nicht nur wegen der niedrigen Zinsen, sondern auch wegen der Veränderung der Lebensbiografien. Diese sind brüchiger geworden und passen damit nicht immer mit dem auf Langfristigkeit angelegten Produkt Lebensver sicherung zusammen. Die Versicherungsunternehmen müssen also die Produktent wicklung vorantreiben, damit einerseits das niedrige Zinsniveau ausgehalten werden kann, andererseits sich verändernden Lebenssituationen besser entsprochen werden kann; solche Kunden bleiben dann auch Kunden.

Gut, kommen wir zum Bereich Krankenversicherung: Wie ist hier die Stimmung?

Die Krankenversicherung ist in der Tat seit vielen Jahren ein Thema von hoher öffentlicher Aufmerksamkeit. Einerseits werden die Folgen eines radikalen Systemwandels nicht konkret und vollständig benannt. Andererseits hat Deutschland auf der Basis der Dualität von gesetzlicher und privater Krankenversicherung ein besonders hochwertiges Gesundheitswesen. Die private Krankenversicherung hat sich gerade als Vollversicherung etabliert; insgesamt rund 180 Milliarden Euro Rückstellungen sprechen eine deutliche Sprache. Dadurch ist ein Faktum geschaffen, an dem keiner einfach so vorbeigehen kann.

Über alle drei Sparten betrachtet, Komposit, Leben und Krankenversicherung, gibt es sicherlich Hausaufgaben zu erledigen, aber die Stimmung ist keineswegs schlecht. Sie wird sich weiter verbessern, wenn das Thema Lebensversicherung offensiv angegangen und auch in der Öffentlichkeit besser dargestellt wird. Kritik wird aufgenommen, Defizite werden beseitigt, und die Lösungskompetenz der Branche für die Gesellschaft wird stärker herausgestellt.

90 Milliarden Lebensversicherungsverträge, Renditen, die über dem liegen, was sonst am Markt geboten wird, ein professionelles Kollektiv-Management, das Renten bis zum Todeszeitpunkt sichert. Ein Sparplan kann das nicht. Diese Leistungen der Lebensversicherung sind nicht zu ersetzen - und das Geleistete darf durchaus auch ein bisschen stolz machen.

Sie haben die Autoversicherung und die Gebäudeversicherung angesprochen, die zum Teil noch defizitär seien: Ich spüre einen unverändert harten Wettbewerb in einem verteilten Markt, der nur über die Konditionen geht. Täuscht der Eindruck?

Grundsätzlich wird sich die Wettbewerbsintensität und damit der Druck auf die Margen nicht verringern. Aber es gibt Zyklen und das Diktat betriebswirtschaftlicher Notwendigkeit. So war es in jüngerer Vergangenheit möglich, etwas höhere Prämien durchzusetzen. Hierbei spielten Produktinnovationen auch eine wichtige Rolle. Preise und Schadenregulierung werden geändert.

Auch bei der Gebäudeversicherung werden die Policen geprüft, denn es kann nicht sein, dass ein Wasserrohrbruch billig als Versicherungsschaden reguliert werden muss, obwohl es in Wahrheit ein aufgeschobener Sanierungsfall ist.

Wie groß ist da der Vorteil, als Versicherer echte Immobilienkompetenz im Konzern zu haben, wie bei W&W? Verkaufen sich Gebäudeversicherungen einfacher, wenn man sie im Paket mit der Finanzierung und anderen Versicherungsarten anbieten kann und sind die Ausfälle geringer?

Für uns ist die Kombination von Immobilienkompetenz und Versicherungskompetenz ein klarer Vorteil. W&W finanziert den Neubau oder Kauf von Tausenden von Häusern und Wohnungen. Darüber hinaus ist auch die Kundenbeziehung enger, denn über das Produkt Bausparen gibt es gute Kenntnisse über die Bonität der Kunden. Es macht also durchaus Sinn, die Ansätze zu bündeln, gemeinsam anzubieten. Das ist auch die Argumentation, wenn im Außendienst für mehr Cross-Selling geworben wird.

Allerdings sind wir noch ein gutes Stück entfernt vom dem, was wirklich möglich wäre. Im vergangenen Jahr blieb der Fortschritt im Cross-Selling zum Teil hinter unseren Erwartungen zurück. Hier gilt es zuzulegen. Es ist nicht leicht, das Bewusstsein für Versicherungsprodukte in den Köpfen der Vermittler zu verankern, die auf Bausparen und Baufinanzierung geeicht sind. Andere Kunden haben sehr enge Beziehungen zu den Generalagenten der Versicherungssparte, und diese achten sehr genau darauf, dass die Versicherungsbetreuung ihrer Kunden in ihren Händen verbleibt und nicht über die Bausparschiene dort mit angeboten wird. Grundsätzlich ist das ein interessantes Feld, und ein Ausbau macht zweifelsohne viel Sinn.

Ist der Eindruck falsch, dass es schwieriger ist, wenn Versicherungsagenten Bankprodukte verkaufen, als dass Bankberater Versicherungsprodukte verkaufen?

Es kommt grundsätzlich darauf an, wie stark Konzerne oder Verbünde auf bestimmte Cross-Selling-Kombinationen Wert legen und wie sie diesen Vertrieb organisieren. In den Verbünden der Kreditgenossenschaften und der Sparkassen sind die Verhältnisse klar geregelt: Beides sind vor allem Bankvertriebe und der jeweilige Versicherer ist Zulieferer.

Aber noch einmal: Warum ist es für einen Bankberater einfacher, ein Versicherungsprodukt zu verkaufen als andersherum?

Die Lebensversicherung ist banknäher als die Kompositversicherung. Betrachtet man das Beispiel der klassischen Kapitallebensversicherung, so gehört die zum Feld der Vermögensbildung mit dazu und läuft dementsprechend über den Bankvertrieb, der in der Regel ein Filialvertrieb ist, relativ einfach mit.

Bei Versicherern gibt es solche eigenen Filialvertriebe nicht, sondern im Wesentlichen die Makler, die Generalagenten, also eigene Unternehmer mit eigenen Interessen.

Aber warum können die keine Girokonten verkaufen? Warum können die keine Sparkonten verkaufen, um den Kunden insgesamt zu binden?

Ich wiederhole, dass Versicherer im eigenen Vertrieb weniger mit Angestellten arbeiten, sondern mit selbstständigen Unternehmern, seien es Generalagenten, seien es Makler. Diese bauen ihre Angebot auf der eigenen Kompetenz auf. Da stellt sich der eine oder andere die Frage: Warum soll ich jetzt noch Weiteres vermitteln, bei dem ich nicht Experte bin?

Der selbstständige Vermittler befürchtet auch immer das Risiko: Wo wird das Girokonto meines Kunden geführt? Wer hat darauf Einfluss - der Bankberater oder ich? Erfahre ich als Generalagent, wenn sich auf dem Konto "etwas tut"? Wer spricht den Kunden in solchen Fällen an? Welche Konsequenzen hat der Einfluss des Bankberaters auf die freie Liquidität des Kunden? All das wird sehr genau abgewogen.

Das klingt sehr stark nach der alten Konkurrenz-Denke.

Konkurrenz ist vielleicht nicht das richtige Wort, vielleicht eher Kontrolle. Die Beziehungen zwischen Kunde und Vermittler sind oft sehr langfristig. Diese Beziehung möchte dieser nicht gefährden. Von daher ist er erst einmal dort vorsichtig, wo er keinen unmittelbaren Einfluss nehmen oder sichern kann. Nehmen wir den Fall, das der Generalagent einer Versicherung seinem Kunden eine Bankverbindung vermittelt. Nun bekommt der Kunde beispielsweise dort keine Kreditzusage wie gewünscht oder muss dafür viele Auflagen erfüllen. Das kann auf den Versicherungsvermittler zurückfallen und die Beziehung trüben.

Generalagenten und Makler haben es von ihren Einkommensverhältnissen her nicht immer nötig und haben Angst um ihre Kundenbeziehung. W&W lebt aber genau davon, vom Cross-Selling: Wie motivieren Sie Ihre Mitarbeiter?

Für unser Geschäftmodell ist es essenziell, dass das Cross-Selling vorankommt. An diesen Themen wird weiter gearbeitet, aber es ist ein langer Weg. Das fängt bei der Produkt- und Prozessgestaltung an, beispielsweise im Baufinanzierungsbereich. Produkte und Prozesse von Wüstenrot müssen für die Vermittler und Kunden der Württembergischen im Interesse des Cross-Selling transparent und verlässlich sein. Umgekehrt gilt dies für das Cross-Selling des Außendienstes von Wüstenrot. Schritt für Schritt werden die Interessenlagen verändert, indem das Provisionssys tem angepasst wird. Die Einkommensbasis des Vermittlers verbreitert sich.

All das wird mit einem bedarfsgerechten Beratungssystem, entsprechender Weiterbildung und modernen Kommunikationsmitteln unterstützt. Der Vermittler muss das Gefühl einer Win-Win-Situation haben. Aber wie gesagt: Es ist ein langer und mühsamer Weg, ein Weg der filigranen und sanften kleinen, aber nachhaltigen Schritte. Diese liegen im Interesse des Kunden und entsprechen seinem Wunsch nach ganzheitlicher, bedarfsorientierter Vorsorgeberatung.

Welche Cross-Selling-Quoten sind höher, die der Wüstenrot oder die der Württembergischen?

Wir sind mit dem Cross-Selling von Lebensversicherungen bei Wüstenrot anteilig weiter als umgekehrt mit Bausparen bei der Württembergischen. Aber noch einmal, wir arbeiten in kleinen Schritten, eine Verbesserung nach der anderen. Im vergangenen Jahr sind wir zum Beispiel auch beim Vertrieb von Kompositversicherungen über Wüstenrot auf niedrigem Ausgangsniveau ein Stück weiter gekommen. Auf der anderen Seite verzeichnen wir aktuell Fortschritte bei der Akquisition von Tages- und Termingeld der Wüstenrot Bank bei den Kunden der Württembergischen.

Sie haben vorhin das Thema Transparenz bei Lebensversicherungen angesprochen. Ist das Produkt Lebensversicherung zu kompliziert, gibt es zu viele Varianten?

Es ist möglich, dass der einzelne Anbieter viele verschiedene Produktvarianten hat. Darüber denkt aber jedes Management zurzeit verstärkt nach, denn nicht nur die Kunden, auch die Vertriebe tun sich mit zu vielen Variationen schwer. Wenn zu viele Sonderlocken und Überlappungen da sind, beziehungsweise wenn zu geringe Stückzahlen verkauft werden, dürfte sich das nicht lohnen. Allerdings gilt es nach wie vor, die Kundenwünsche zu erfüllen. Der eine will eben eine lebenslange Rente, der andere möchte eine Risikoabsicherung mit einer Kapitalanlage verbinden, und der Dritte will bei frühzeitigem Tod seine Hinterbliebenen absichern oder Schutz vor Berufsunfähigkeit. Dafür müssen die Versicherer jeweils Angebote haben. Wichtig ist aber, dass die Verständlichkeit der Produkte zunimmt und so dem Kunden eine einfachere Entscheidung ermöglicht, welches Angebot zu ihm passt und welches nicht.

Insbesondere bei staatlich geförderten Produkten würde ich mir eine stärkere Vereinfachung wünschen, die zu mehr Effizienz führt. Da muss allerdings auch die Politik helfen. Eine Zulagenverwaltung voller Bürokratie macht die Sache unnötig kompliziert. Hier sollten Staat und Versicherungswirtschaft stärker zusammenwirken.

Mit Blick auf die Situation bei den Lebensversicherungen: Brauchen wir andere Anlagevorschriften, sind die Anlagevorschriften für Lebensversicherungen zu eng?

Im Prinzip ist vor dem Hintergrund der langfristigen Garantien in der Lebensversicherung eine Absicherung des Vorsichtsprinzips über Restriktionen richtig.

Aber nicht jede Restriktion ist immer sinnvoll. Wenn die Regulierung Anreize gibt, in lang laufende Zinstitel zu investieren, gleichzeitig aber Inflationsgefahren drohen, ist ein Fragezeichen angebracht. Auch ist nur schwer vermittelbar, warum ein betontermaßen risikoorientierter Ansatz wie Solvency II für Investments in Anleihen hochverschuldeter europäischer Länder keine Eigenkapitalunterlegung verlangt, gleichzeitig aber eine verstärkte Kapitalunterlegung für gesicherte Kredite an solvente Häuslebauer gefordert ist. Grundsätzlich ist zu prüfen, inwieweit die Risikoklasseneinteilung mit jeweils einheitlicher Eigenkapitalunterlegung immer stimmt.

Nun tummeln sich Versicherer verstärkt in ursprünglichen Bankgeschäften wie Projektfinanzierungen, gewerblichen Immobilienfinanzierungen und Wohnungsbaufinanzierungen. Sind das Ausweichreaktionen, um noch Renditen erzielen zu können?

Diese Entwicklung hat mehrere Gründe: Zum einen geht es um eine breitere Diversifikation im Anlagenspektrum der Versicherer. Risikoausgleich und Renditeerfordernis spielen eine Rolle. Zum anderen gibt es den Bedarf am Markt. Viele Banken reduzieren ihre risikogewichteten Aktiva, sind mit eigenen Restrukturierungsaufgaben befasst; gleichzeitig gibt es im Markt Nachfrage nach Finanzierungen für Immobilien bis hin zu Infrastrukturfinanzierungen.

Ich beobachte allerdings, dass Versicherer unterschiedlich damit umgehen. Die einen sind schon immobilienerfahren und erhöhen das entsprechende Engagement, andere halten sich hier noch zurück. Ähnlich verhält es sich mit Energie-Investments. Es gibt also kein einheitliches Bild.

Auch arbeiten Versicherer zusammen, um vorhandenes Knowhow gemeinsam zu nutzen. Grundsätzlich ist wichtig, dass in diesem Zusammenhang keine neuen unbeabsichtigten Risiken entstehen.

Können Versicherer von ihrem Grundverständnis, von den Risikomanagementsystemen, Immobilieninvestments überhaupt abbilden?

Es gibt Lebensversicherer, die schon seit Jahren erfolgreich in Gewerbeimmobilien oder in das Hypothekenkreditgeschäft investieren, da sind das Knowhow, die Prozesse und Systeme vorhanden. Den Neueinsteigern kann man nur raten, die Voraussetzungen erst zu schaffen.

Wird sich durch die veränderten regulatorischen Anforderungen das Verhältnis Bank zu Versicherung beziehungsweise Versicherung zu Bank weiter verändern?

Versicherer sind als Gläubiger der Banken vorsichtiger geworden. Wichtig ist, dass die unterschiedlichen Vorschriften für Banken und Versicherer quer gelesen werden, um zu verstehen, wie sich Dinge wie beispielsweise die neuen Liquiditäts-Standards auf die Refinanzierung der Banken durch die Versicherer auswirken. Regulierungskompatibilität ist wichtig, auch Ausgewogenheit, um Regulierungsarbitrage zu verhindern.

Die Versicherungswirtschaft hat ein großes Interesse daran, dass die Bankenrestrukturierung und die Stabilisierung der Bankensysteme gelingen. Allerdings muss auch darauf geachtet werden, welche Konsequenzen es hat, wenn für einen zukünftigen Rettungsfall eine verschärfte Gläubigerhaftung vorgesehen wird.

Auf der Kapitalanlageseite arbeiten die Kredit- und die Versicherungswirtschaft seit vielen Jahren sehr professionell zusammen. Berührungsängste, die es mal gegeben hat, sind nicht nützlich. Allerdings sind die Geschäftsmodelle der Versicherer und der Banken höchst unterschiedlich, sodass auch Regulation und Aufsicht sehr verschieden angelegt sein müssen.

Wie ist ein Konzern wie W&W von all diesen Dingen betroffen?

W&W ist das einzige Finanzkonglomerat mit einer gleichwertigen Kombination aus Bausparbank und Versicherung. Die Wucht der Regulation trifft uns voll.

Wir müssen Basel III und Solvency II erfüllen, die Bausparregulationen, die Vorschriften für Finanzkonglomerate, die verschiedenen MaRisk und Reportingpflichten sowie vieles mehr. Es ist fast unverhältnismäßig, was für diesen Aufwand unter dem Strich herauskommt. Aber wir müssen uns dieser Herausforderung stellen, sie ist Teil unserer heutigen Aufgabenstellung.

Wie bereitet man sich konkret darauf vor?

Wir arbeiten sauber die ganzen regulatorischen Anforderungen für die verschiedenen Unternehmen unseres Konzerns ab. Das gilt für Level I, für Level II, also die Banken- und die Versicherungsgruppe ebenso wie Level III, die Konglomeratsebene. Der Aufwand dafür ist groß, wir benötigen hierfür Spezialisten und viel Geld.

Wie viel kann ein GDV-Präsident mit sehr viel Bankerfahrung in die Lobbyarbeit einbringen?

Die Unterschiede zwischen Banken und Versicherungen fallen mir besonders auf. Banken arbeiten nach ganz anderen Geschäftslogiken als Versicherer. Versicherer haben Kunden nur auf einer Seite, Banken auf beiden Seiten der Bilanz. Versicherer haben ihre Liquidität durch die Kunden selbst, über die Prämien, und brauchen insoweit weniger den Kapitalmarkt zur Refinanzierung. Das ist im Vergleich zu vielen der zweite große Unterschied. Dritter Unterschied: Versicherungen arbeiten stärker langfristig orientiert. Die Verpflichtungen gegenüber den Kunden haben ganz andere Zeithorizonte als bei Banken.

Nehmen die Gemeinsamkeiten zwischen Kreditwirtschaft und Versicherungswirtschaft ab?

Es gibt sicherlich Verschiebungen. Versicherer haben in der Finanzkrise stabilisierend gewirkt. Man sollte sich der Unterscheide beider Branchen bewusst sein. Banken und Versicherer sind unterschiedliche Akteure in einem großen Finanzmarkt. Aber sie sind auch Partner, unter denen Verlässlichkeit eine Rolle spielt und wechselseitiges Verständnis.

Die deutsche Aufsicht ist eine Allfinanzaufsicht, aber ein Teil der Bankenaufsicht wandert an die EZB ab. Wie bewerten Sie dies? Und was ist mit den großen Versicherungskonzernen?

Die Kompetenz für die Beaufsichtigung von Versicherungen liegt in Deutschland bei der BaFin; dort sollte die Zuständigkeit auch bleiben; sie hat sich bewährt. Das gleiche gilt im Übrigen für Bausparkassen.

Welche Bankdienstleistungen würden aus Ihrer Sicht für Versicherer noch Sinn machen?

Es ist nicht so, dass Versicherer dem Bankensektor das Wasser abgraben wollen. Das können und brauchen wir auch nicht. Wir haben den Kunden selbst viel Eigenes zu bieten; hier gibt es noch großes Potenzial.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X